Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. März 2006
Aktenzeichen: 30 W (pat) 2/04

(BPatG: Beschluss v. 27.03.2006, Az.: 30 W (pat) 2/04)

Tenor

Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 13. Januar 2000 unter der Nummer 398 27 671 in das Markenregister eingetragen und am 17. Februar 2000 veröffentlicht worden ist Grafik der Marke 398 27 671 ELEKTRA PREUSS Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen lautet:

"Werkzeugmaschinen; Elektromotoren, Kupplungen und Vorrichtungen zur Kraftübertragung (ausgenommen solche für Landfahrzeuge); Brutapparate für Eier; Elektrogeneratoren; wissenschaftliche, Schiffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Meß-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; elektrische Apparate und Instrumente, soweit in Klasse 9 enthalten; Transformatoren, Elektrizitätszähler, Elektrometer, Elektromagnete, Elektrodynamometer, Elektroden, Elektronenmikroskope, Elektronenlinsen, Elektronenblitzgeräte, Elektrolytkondensatoren, Elektronenvervielfacher, Elektroskope, Elementarmagnete, Blitzableiter, Elektrokabel und -leitungen, Verteilerschränke und Verteilertafeln; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Mikroprozessoren; speicherprogrammierte Steuerungen; Antennen; Elektrokardiographen; elektronische Geräte zur Erstellung von Enzephalogrammen; Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen; Schienenfahrzeuge, Elektrolokomotiven, Elektroomnibusse, Elektrokarren; elektronische Zeitmeßinstrumente; Bauwesen; Installationsarbeiten; Reparatur der vorgenannten Waren; Durchführung von Schulungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik und Elektronik; Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen; technische Beratung auf dem Gebiet der Elektrotechnik und Elektronik."

Widerspruch erhoben hat u. a. am 23. März 2000 die Inhaberin der seit dem 16. September 1999 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 654632 Gemeinschaftsmarke 654632 PreussenElektra Deren Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen lautet:

"Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie. Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wärme und Wasser. Planung und Geschäftsführung für Dritte im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie, Gas, Wärme und Wasser. Errichtung von Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie, Gas, Wärme und Wasser. Weiterleitung von elektrischer Energie, Gas, Wärme und Wasser. Erzeugung von elektrischer Energie. Technische Planung und Organisation für den Betrieb von Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie, Gas, Wärme und Wasser."

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat aufgrund dieses Widerspruchs mit Ausnahme der Waren:

"Werkzeugmaschinen; Brutapparate für Eier; Schiffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Meßapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen; Elektrokardiographen; elektronische Geräte zur Erstellung von Enzephalogrammen"

wegen Verwechslungsgefahr die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und im Übrigen den Widerspruch wegen fehlender Warenähnlichkeit zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass im Umfang der teilweisen Löschung wegen funktioneller Zusammenhänge Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit bestehe; angesichts einer hohen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei schriftbildliche wie unmittelbar begriffliche Verwechslungsgefahr insoweit zu bejahen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Er hält mit näheren Ausführungen wegen der grafischen Gestaltung seiner Marke und der beschreibenden Bedeutung von "PreussenElektra" Verwechslungsgefahr nicht für gegeben.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Oktober 2003 zu Ziffer 1 aufzuheben und den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 654632 auch insoweit zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält mit näheren Ausführungen den Beschluss der Markenstelle für zutreffend, zumal der Widerspruchsmarke wegen intensiver Benutzung eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zukomme.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Es besteht im für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Umfang Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG; die Markenstelle hat deshalb zu Recht die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung z. B. BGH WRP 2004, 1037, 1038 - EURO 2000; BGH WRP 2004, 1173, 1174 - URLAUB DIREKT; BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; BGH GRUR 2004, 598 - Kleiner Feigling).

Darüber, ob der Widerspruchsmarke für den für dieses Verfahren maßgeblichen Zeitraum für die maßgeblichen Waren und Dienstleistungen die geltend gemachte gesteigerte Kennzeichnungskraft zuzugestehen ist (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl., § 9 Rdn. 292), braucht nicht entschieden zu werden, da Verwechslungsgefahr im Ergebnis auch dann zu bejahen ist, wenn der Widerspruchsmarke eine nur durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit ein normaler Schutzumfang zuerkannt wird. Hiervon geht der Senat bei seiner Entscheidung aus; dafür, dass die Widerspruchsmarke beschreibend sei, fehlt es entgegen der Behauptung des Inhabers der angegriffenen Marke an Anhaltspunkten. "Preussen" ist heute keine hinreichend präzise geografische Angabe; dieser ursprünglich nur auf die außerhalb der deutschen Reichsgrenzen gelegenen Gebiete bezogene Name, später Name eines selbständigen Königreichs und schließlich Bezeichnung aller Herrschaftsgebiete der Hohenzollern, hat als Staat Preußen durch den Zusammenbruch im Jahre 1945 faktisch aufgehört zu bestehen und ist am 25. Februar 1947 durch den Alliierten Kontrollrat auch staatsrechtlich aufgelöst worden (vgl. http://de.wikipedia.org, Stichwort "Preussen"; vgl. auch BPatG 29 W (pat) 18/93 - PREUSSENRADIO, Zusammenfassung veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM). Es handelt sich bei der Bezeichnung "Preussen" damit um den Namen eines geographisch und politisch nicht mehr existenten Landes, das heute nur noch geschichtliche Bedeutung hat; um solche Zusammenhänge geht es bei den hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen nicht. Zwar wird in Bayern "Preuße/Preussen" heute noch zur Bezeichnung eines Norddeutschen und auch als Schimpfwort gebraucht (vgl. Küpper, Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache, Bd. 6, S. 2208); in der erstgenannten Bedeutung ist jedoch der geographische Sinngehalt so wenig fest umrissen, dass er nicht als konkrete geographische Herkunftsangabe in Betracht kommt; der zweitgenannte Sinngehalt scheidet schon wegen seines Charakters als Schimpfwort als ernsthafte geographische Herkunftsangabe aus.

Auch das Wort "Elektra" ist ohne konkrete sachliche Bezüge, sondern in der griechischen Mythologie Name mehrerer weiblicher Figuren (vgl. wikipedia a. a. O. Stichwort "Elektra").

Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen sind ähnlich. Die hier maßgeblichen Waren der angegriffenen Marke können in Anlagen, wie im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten, verwendet und eingesetzt werden und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach zu Erfüllung von deren wesentlichen Funktionen erforderlich sein; auch im Bereich der Dienstleistungen sind die Annäherungen deutlich: technische Beratung auf dem Gebiet der Elektrotechnik und Elektronik kann auch im Rahmen von Planung von Energieversorgungsanlagen erfolgen und hierauf bezogen sein; Entsprechendes gilt hinsichtlich der Reparaturen und Schulungen.

Danach sind an den von der jüngeren Marke gegenüber der Widerspruchsmarke einzuhaltenden Markenabstand jedenfalls teilweise strenge Anforderungen zu stellen. Diese hält die angegriffene Marke nicht ein. Das gilt aber auch dann, wenn man zugunsten des Inhabers der jüngeren Marke die Anforderungen auf ein eher geringes Maß reduziert.

Entgegen der Ansicht der Inhabers der jüngeren Marke sieht der Senat eine unmittelbare Verwechslungsgefahr trotz der in der jüngeren Marke erfolgten Umstellung der Wortbestandteile "ELEKTRA" und "PREUSS" und der fehlenden Endung "EN" bei "PREUSSEN" begründet, da hierdurch jedenfalls kein ausreichend deutlicher klanglicher Unterschied hervorgerufen wird, der den angesprochenen Verkehrskreisen aus der Erinnerung heraus ein hinreichend sicheres Auseinanderhalten der Marken ermöglicht; denn bei der Aussprache wird im Allgemeinen die Endung "en" nicht akzentuiert gesprochen, sondern - meist nur schwach anklingend - auf "n" verkürzt.

Es mag sein, dass die Marken bei zu stellenden geringeren Anforderungen an den Markenabstand dann nicht in entscheidungserheblichem Umfang miteinander verwechselt werden, wenn sie zeitgleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge wahrgenommen und so miteinander verglichen werden. Häufig ist der Verkehr jedoch auf ein undeutliches Erinnerungsbild angewiesen (st. Rspr. - vgl. EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints). Bereits deshalb vermag die bloße Umstellung von Silben eines Wortes oder von Bestandteilen einer Marke nach anerkannter Rechtsprechung ein sicheres Auseinanderhalten der Marken nicht zu gewährleisten. Der Verkehr wird sich zwar häufig an die einzelnen Elemente einer Kennzeichnung erinnern, nicht dagegen an die Reihenfolge im einzelnen (vgl. BPatG 33 W (pat) 120/97 - E-DIN=DIN mit weiteren Hinweisen, Zusammenfassung veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM; 33 W (pat) 050/99 - PLUS POINT = Point Plus, Zusammenfassung veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM; 25 W (pat) 129/00 - VITA NATURA=naturavita bzw. natura vita, Zusammenfassung veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM; BlPMZ 1990, 20 - Sanodentin/Dentisano; BPatG Mitt. 1988, 154, 155 - Gastropirenz/Pirenzgast; OLG München Mitt. 1990, 105 VITA-MED/MEDIVITAN).

Zu einer Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung, § 71 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 27.03.2006
Az: 30 W (pat) 2/04


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