Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Februar 2008
Aktenzeichen: 8 W (pat) 365/03

(BPatG: Beschluss v. 14.02.2008, Az.: 8 W (pat) 365/03)

Tenor

Das Patent 198 37 049 wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Auf die am 17. August 1998 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung 198 37 049.0-23 mit der Bezeichnung "Spindelmäher" ist mit Beschluss vom 12. März 2003 das Patent DE 198 37 049 erteilt und die Patenterteilung am 31. Juli 2003 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent hat die Firma W... GmbH & Co. KG

...straßein B...

am 31. Oktober 2003 Einspruch erhoben.

Die Einsprechende hat zur Stützung ihres Vorbringens auf den folgenden druckschriftlichen Stand der Technik verwiesen:

E1 DK 127831 E2 GB 348 059 E3 Prospekt der Firma Ginge of Denmark von 1992 E4 DE 31 33 922 C2 E5 EP 0 771 721 A1.

Zu dem gemäß E3 entgegengehaltenen Prospekt der Firma Ginge, der u. a. den Spindelmäher "Park 40 ELITE" zeigt, hat die Einsprechende ferner offenkundige Vorbenutzung durch Vertrieb in mehreren Ländern, u. a. auch in der Bundesrepublik Deutschland, seit dem Jahr 1992 geltend gemacht. Sie hat hierzu und zu einigen technischen Details des angeblich vorbenutzten Spindelmähers Zeugenbeweis angeboten.

Die Einsprechende hat vorgetragen, dass der Gegenstand des angegriffenen Patents gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht patentfähig sei. Sie hat auf den Stand der Technik nach E1 und E2 verwiesen, wonach es vor dem Zeitrang des Streitpatents bereits bekannt gewesen sei, die Messerwalze eines Spindelmähers direkt durch einen Elektromotor anzutreiben, wie dies im Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1 gefordert werde. Die Einsprechende hat ihren Angriff auf das Streitpatent jedoch insbesondere auf einen Stand der Technik nach der E3 gestützt, welcher nach ihrer Auffassung bereits alle Merkmale des Patentgegenstandes nach Anspruch 1 vorwegnehme, denn der dort dargestellte und beschriebene Spindelmäher lasse einen Mähbetrieb sowohl über die Fahrwerks-Kraftübertragung als auch über die Motor-Kraftübertragung und einen Wechsel zwischen diesen Betriebsarten zu. Durch den noch benannten Stand der Technik nach E4 und E5 werde nach den Ausführungen der Einsprechenden zudem deutlich, dass vor dem Zeitrang des Streitpatents bereits Arbeitsgeräte unterschiedlicher Art bekannt gewesen sind, bei denen wahlweise alternativ oder gemeinsam ein Antrieb durch Muskelkraft oder ein Antrieb über einen batteriebetriebenen Elektromotor erfolgt.

Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2008 (eingegangen am 25. Januar 2008) hat die Einsprechende mitgeteilt, dass sie und ihr Vertreter den auf den 14. Februar 2008 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen werden. Sie ist - wie angekündigt - nicht zum Termin erschienen. Die Einsprechende hat beantragt, nach Lage der Akten zu entscheiden. Es ist somit über ihren Antrag zu entscheiden, das Patent 198 37 049 in vollem Umfang zu widerrufen.

Von der Patentinhaberin liegt der Antrag vor, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Die Patentinhaberin hat sich sachlich nicht geäußert. Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2007 (eingegangen am 14. Dezember 2007) hat sie mitgeteilt, dass nicht beabsichtigt sei, sich sachlich zu äußern und dass nach derzeitigem Stand weder die Patentinhaberin noch der unterzeichnende Vertreter den Verhandlungstermin wahrnehmen werden.

Sie ist - wie angekündigt - nicht zum Termin erschienen.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Spindelmäher mit einem Fahrwerk (4) und mit mindestens einer drehbar gelagerten Messerwalze (10), die über eine Fahrwerks-Kraftübertragung (15) mit zugeordneter Fahrwerks-Freilaufeinrichtung (19) in Antriebsverbindung mit mindestens einem Rotationselement (5, 6) des Fahrwerks bringbar ist, gekennzeichnet durch mindestens einen Motor (25), der über eine Motor-Kraftübertragung (24) in Antriebsverbindung mit der Messerwalze bringbar ist."

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 14 sowie weiterer Einzelheiten im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt war noch der Stand der Technik nach der US 24 83 777 in Betracht gezogen worden.

II.

Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 geltenden Fassung (vgl. BlPMZ 2005, 3 und 2006, 225) durch den zuständigen Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden. Mit der Einlegung des Einspruchs am 31. Oktober 2003 und damit innerhalb des nach § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG geltenden Zeitraums (nach dem 1. Januar 2002 bis vor dem 1. Juli 2006) beim Deutschen Patent- und Markenamt ist in Verbindung mit den Sätzen 3 und 4 dieser Vorschrift die besondere Zuständigkeit des technischen Beschwerdesenats zur Entscheidung über Einsprüche nach § 59 PatG begründet worden. Diese für das vorliegende Verfahren begründete Zuständigkeit ist nach den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere des gemäß § 99 Abs. 1 PatG in analoger Anwendung des § 261 Abs. 3 ZPO heranzuziehenden Grundsatzes der perpetuatio fori, durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes vom 21. Juni 2006 nach der Überzeugung des Senats nicht entfallen (vgl. auch BGH Beschlüsse vom 17. April 2007 - X ZB 9/06 und vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05 - Informationsübermittlungsverfahren I und II).

Der zulässige Einspruch hat keinen Erfolg, denn es liegt eine patentfähige Erfindung vor.

1. Gegenstand des Streitpatents ist nach Patentanspruch 1 ein Spindelmäher.

Bei herkömmlichen Spindelmähern wird die mit einer als Scherbalken ausgebildeten Gegenschneide zusammenwirkende Messerwalze im einfachsten Fall durch das Vorwärtsschieben des Rasenmähers im Wege einer Fahrwerks-Kraftübertragung über die (großen) Laufräder angetrieben. Da ein gutes Schneidergebnis aber eine gewisse Drehgeschwindigkeit der Messerwalze voraussetzt, wurde diese Antriebsart - jedenfalls als alleiniger Antrieb - als für den Benutzer anstrengend erachtet (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0002]). Um dem abzuhelfen, wurde im Stand der Technik bereits vorgeschlagen (US 24 83 777), über einen Motor die (großen) Laufräder anzutreiben, um eine Bedienungsperson hinsichtlich der Schiebearbeit zu entlasten. Das Streitpatent erkennt hierin aber nur eine bedingte Aufrechterhaltung der Schneidqualität, dieses erfordert, dass die Fahrgeschwindigkeit des Mähers - von dieser hängt die Drehgeschwindigkeit der Messerwalze nach wie vor ab - ausreichend groß ist (Abs. [0003]).

Hier setzt die patentgemäße Aufgabe an, einen Spindelmäher zu schaffen, der sich leicht handhaben lässt und ein gutes Schneidverhalten zeigt (Abs. [0004] der Streitpatentschrift).

Diese Aufgabe soll mit einem Spindelmäher nach Anspruch 1 gelöst werden, der die folgenden Merkmale aufweist:

1. Der Spindelmäher weist ein Fahrwerk auf.

2. Der Spindelmäher weist mindestens eine drehbar gelagerte Messerwalze auf.

2.1 Die Messerwalze ist über eine Fahrwerks-Kraftübertragung in Antriebsverbindung mit mindestens einem Rotationselement des Fahrwerks bringbar.

2.1.1 Der Fahrwerks-Kraftübertragung ist eine Fahrwerks-Freilaufeinrichtung zugeordnet.

3. Der Spindelmäher weist mindestens einen Motor auf.

3.1 Der Motor ist über eine Motor-Kraftübertragung in Antriebsverbindung mit der Messerwalze bringbar.

Die Merkmale 1. und 2. bis 2.1.1 betreffen einen herkömmlichen geschobenen Spindelmäher mit einem Fahrwerk, also einem auf Laufräder gestützten Rahmen und mit einer drehbar gelagerten Messerwalze, welche durch die Drehbewegung der Laufräder angetrieben wird (Merkmale 2.1 und 2.1.1). Die Kraftübertragung von den Laufrädern auf die Messerwalze ist dabei nicht starr gekoppelt, sondern nur in einer Richtung, nämlich bei Vorwärtsfahrt, wirksam. Wird der Mäher hingegen rückwärts gezogen, läuft die Messerwalze entweder in ihrer ursprünglichen Drehrichtung nach oder kommt zum Stillstand, wird aber keineswegs - dank einer Freilaufeinrichtung (Merkmal 2.1.1) wie sie im Prinzip von Fahrrädern her bekannt ist - ihre Drehrichtung ändern und "rückwärts" laufen, denn dies würde u. a. nicht zu einem erwarteten Schneidergebnis führen, weil die Gegenschneide in diesem Fall nicht mehr wirksam positioniert wäre. Aus diesem Grunde und auch beispielsweise zur Ermöglichung von Kurvenfahrten sowie zur Unfallvermeidung und ähnlichem ist die Zuordnung einer Freilaufeinrichtung zur Fahrwerks-Kraftübertragung zwar eine funktionsnotwendige, aber auch eine selbstverständliche und fachübliche Maßnahme, die schon immer bei derartigen Mähern getroffen wurde.

Um nun den aufgabengemäß angestrebten Bedienungskomfort bei weiterhin gutem Schneidverhalten zu erreichen, soll der in den Merkmalen 1. bis 2.1.1 beschriebene Spindelmäher mit herkömmlicher Antriebstechnik motorisiert werden (Merkmal 3.), wobei der Motor über eine entsprechende Kraftübertragung in Antriebsverbindung mit der Messerwalze bringbar sein soll (Merkmal 3.1). Die Motorkraft soll also - anders als in dem in der Streitpatentschrift gewürdigten Stand der Technik (US 24 83 777), wo diese allenfalls mittelbar über den Antrieb der Laufräder auf die Messerwalze einwirkt - unmittelbar mit der Messerwalze in Wirkverbindung bringbar sein, was auch die Beschreibung des einzigen Ausführungsbeispiels in der Streitpatentschrift an den entsprechenden Stellen (Abs. [0024] und [0025]) zum Ausdruck bringt und zwar fakultativ (vgl. "bringbar"), also zu- und umschaltbar (vgl. Abs. [0006]) ausgestaltet sein. Merkmal 3.1 bringt mit der Formulierung, "wonach der Motor... in Antriebsverbindung mit der Messerwalze bringbar" ist, klar zum Ausdruck, dass diese Antriebsverbindung nicht starr gekoppelt und damit permanent bestehend ausgeführt ist, sondern eben zu einem gewünschten und notwendigen Zeitpunkt hergestellt und auch wieder - so nicht mehr notwendig - außer Funktion gebracht werden kann. Dies hat allerdings nichts mit einem Zu- oder Abschalten des Motors zu tun, sondern dieses Merkmal (3.1) bezieht sich ausschließlich auf die Aufrechterhaltung bzw. Unterbrechung der Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze. Im Ausführungsbeispiel des Streitpatents geschieht dies mit Hilfe der Motor-Freilaufeinrichtung (28). Diese wirkt so, das bei schnellem Schieben des Mähers von Hand die Messerwalze schneller dreht als sie dies aufgrund der Motordrehzahl tun würde und daher der Motor durch die Freilaufeinrichtung (28) abgekoppelt wird (Sp. 7, Z. 12-19). So arbeitet auch die Umschaltung (Sp. 7, Z. 44-47). Merkmal 3.1 bringt durch seine allgemeine Formulierung zum Ausdruck, dass die Herstellung bzw. Unterbrechung der Antriebsverbindung nicht auf den Einsatz einer Freilaufeinrichtung beschränkt sein soll.

Bei dieser Antriebsart bleibt die volle Schneidleistung auch dann erhalten, wenn die Bewegungsgeschwindigkeit des Mähers z. B. an schwer zugänglichen Stellen verringert ist. Andererseits kann aber auch eine gute Schneidleistung durch die Muskelkraft der Bedienungsperson auch bei nachlassender Motorleistung aufrecht erhalten werden (vgl. Streitpatentschrift Abs. [0007]). Dies kann z. B. dann eintreten, wenn der Motor als durch wiederaufladbare Akkumulatoren betriebener Elektromotor ausgestaltet ist und die elektrische Leistung der Akkumulatoren (z. B. an der Grenze ihrer Betriebsdauer) nachlässt (vgl. Abs. [0008] und [0025]).

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu, denn weder die zum Stand der Technik entgegengehaltenen Druckschriften noch der durch den Prospekt der Firma G... (E3) beschriebene, angeblich seit dem Jahre 1992 u. a. auch in Deutschland durch Vertrieb benutzte Spindelrasenmäher "Park 40 ELITE" offenbaren jeweils seinen Spindelmäher mit allen Merkmalen des Anspruchs 1.

Von dem durch den Prospekt der Firma G... (E3) beschriebenen nächstlie genden Spindelmäher "Park 40 ELITE" unterscheidet sich der Patentgegenstand nach Anspruch 1 zumindest darin, dass beim patentgemäßen Spindelmäher der Motor über eine Motor-Kraftübertragung in Antriebsverbindung mit der Messerwalze bringbar ist (Merkmal 3.1 gemäß Merkmalsanalyse nach Punkt II.1.), denn eine fakultativ wirkende zu- und umschaltbar ausgelegte Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze ist bei dem entgegengehaltenen Stand der Technik nach der E3 weder ersichtlich noch ergibt sich diese bei verständiger Würdigung des Gesamtinhalts der dort gegebenen Beschreibung und Darstellung für den Fachmann zwingend.

Bei dem Motor-Spindelmäher nach der US 2 483 777 wirkt die Motorkraft über Antriebszapfen, die in reibenden Eingriff mit den großen Laufrädern des Mähers bringbar sind, ein. Somit ist die Antriebsverbindung zum Motor ausschließlich auf die Laufräder gerichtet, so dass sich der patentgemäße Spindelmäher nach Anspruch 1 von diesem Stand der Technik darin unterscheidet, dass der Motor über eine Motor-Kraftübertragung in Antriebsverbindung mit der Messerwalze bringbar ist (Merkmal 3.1).

Durch die DK 127 831 (E1) und die GB 348 059 (E2) sind motorbetriebene Spindelmäher bekannt geworden, bei denen eine Antriebsverbindung ausschließlich zwischen Motor und Messerwalze hergestellt ist, welche permanent und starr gekoppelt ausgelegt ist, während Kraftübertragungsmittel zwischen einem Rotationselement des Fahrwerks und der Messerwalze sowie Freilaufeinrichtungen in einer solchen Antriebsverbindung nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich sind. Der patentgemäße Spindelmäher nach Anspruch 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik daher in den Merkmalen 2.1, 2.1.1 und 3.1.

Durch den Stand der Technik nach der DE 31 33 922 C2 (E4) wird ein Schubkarren mit einem auf das Laufrad wirkenden zuschaltbaren Antrieb und durch den Stand der Technik nach der EP 0 771 721 A1 (E5) ein Fahrzeug, beispielsweise ein Fahrrad, mit elektromotorischer Antriebsunterstützung beschrieben. Der patentgemäße Spindelmäher nach Anspruch 1 weist mit diesem Stand der Technik keine gemeinsamen Merkmale auf.

3. Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ein für das Verfahren bedeutsamer Stand der Technik wird durch die bereits im Prüfungsverfahren entgegengehaltene US 2 483 777 gebildet. Diese Druckschrift offenbart einen Spindelmäher mit allen Merkmalen, die ein konventioneller handgeschobener Spindelmäher aufweist, also die Merkmale 1. bis 2.1.1. So weist der Spindelmäher ein Fahrwerk (6, 7, 21) und eine drehbar gelagerte Messerwalze (Schneidmesser 23 an Welle 22) auf, welche über eine Fahrwerks-Kraftübertragung (Ringverzahnung (27) in Bodenrad (6) und Ritzel (26) auf der Welle (22) der Messerwalze) in Antriebsverbindung mit mindestens einem Rotationselement (Bodenrad (6)) des Fahrwerks bringbar ist (Fig. 1a). Damit die Messerwalze mit einem Rad in Antriebsverbindung "bringbar" ist, d. h. nicht in ständiger zwangsweiser Koppelung mit diesem steht, bedarf es beispielsweise der Zuordnung einer Fahrwerks-Freilaufeinrichtung zur Fahrwerks-Kraftübertragung, die hier auch tatsächlich vorhanden und beschrieben ist. So ist in Sp. 3, Z. 66 bis 75 der Entgegenhaltung ausgeführt, dass das Ritzel (26) einen internen Sperrklinken-Mechanismus oder einen in eine (Dreh-)richtung wirkenden Eingriffsmechanismus aufweist, welcher bei Vorwärtsfahrt des Mähers eine Antriebsverbindung zur Messerwalze herstellt, während diese Antriebsverbindung bei Rückwärtsfahrt des Mähers nicht aufrechterhalten wird, weil in diesem Fall das Ritzel (26) nicht in eingreifender Verbindung mit der Welle (22) (der Messerwalze) steht. Die genannte Beschreibungsstelle einer Entgegenhaltung, die bereits im Jahre 1947 bei US-Patentamt angemeldet worden war, kann u. a. auch die in Punkt II.1 der Beschlussbegründung vertretene Auffassung stützen, wonach die Anordnung einer Freilaufreinrichtung an dieser Stelle bei Spindelmähern eine zum allgemeinen Fachwissen gehörende, übliche und notwendige Maßnahme ist, die bei dieser Maschinengattung seit langem, wenn nicht schon von Anfang an, vorgenommen wurde.

Über die genannten oberbegrifflichen Merkmale hinaus, weist der Spindelmäher nach der US 2 483 777 auch noch das erste kennzeichnende Merkmal des patentgemäßen Anspruchs 1 auf (Merkmal 3.), da auch der entgegengehaltene Mäher einen Motor (8) aufweist. Freilich ist eine Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze im Sinne von Merkmal 3.1 nicht vorgesehen, denn die Antriebskraft des Motors (8) wirkt über Zapfen (5', 5") (vgl. Fig. 2) auf die Bodenräder (6) (vgl. Fig. 1) des Spindelmähers und bewirkt - anders als beim Patentgegenstand - damit eine Unterstützung des Fahrantriebes, welche allerdings durch die Bedienungsperson durch Anheben der Handhabe (4) in Pfeilrichtung (17) (vgl. Fig. 1) aufgehoben werden kann (vgl. auch Sp. 4, Z. 45-49), so dass es sich hier auch um eine nicht permanente Antriebsverbindung handelt.

Der Merkmal 3.1, wonach Motor und Messerwalze (direkt) in Antriebsverbindung bringbar sind, vermag diese Entgegenhaltung indes nicht vorwegzunehmen und einem Fachmann, einem Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus bzw. einem Agraringenieur mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Mähvorrichtungen, auch nicht nahe zu legen, denn die Entgegenhaltung will einen einfachen zu- und abschaltbaren Fahrantrieb für herkömmliche, konventionelle (Spindel)-Mäher bereit stellen (Sp. 1 Z. 1 bis 27), während es auf eine möglichst konstant bleibende Mindestdrehzahl der Messerwalze zum Zwecke der Erzielung (noch) guter Schneidergebnisse hier nicht ankommt. Wird der Fahrantrieb nämlich ganz oder teilweise (geringer Druck auf die Handhabe (4), so dass die Wellenstummel (5', 5") in "rutschender" Wirkverbindung mit den Antriebsrädern (6) sind) unterbrochen, vermindert sich die Fahrgeschwindigkeit des Mähers und damit auch die Drehgeschwindigkeit der Messerwalze. Dies sollte durch die patentgemäße Vorgehensweise aber der gerade vermieden werden.

Dem Patentgegenstand nach Anspruch 1 noch näher kommt ein Stand der Technik, wie er durch den in dem Prospekt (E3) gezeigten Spindelmäher "Park 40 ELITE" der Fa. G... gebildet wird. Da der genannte Prospekt in deutscher Spra che abgefasst ist und auf der letzten Seite unten zudem eine deutsche Vertretung ("Ginge Repräsentation, Deutschland) in Flensburg angegeben ist, spricht nach Auffassung des Senats nichts gegen den Vortrag der Einsprechenden, wonach dieser Mähertyp ab dem Jahre 1992 auch in Deutschland beworben und zum Verkauf angeboten und damit offenkundig benutzt wurde.

Durch den Ginge-Prospekt (S. 3) ist somit ein Spindelmäher (vgl. Überschrift von Text und Bild rechts unten) des Typs "Park 40 ELITE" (vgl. Überschrift in Textkasten links, mitte) bekannt geworden, der ein Fahrwerk (vgl. Bilder links und rechts oben sowie rechts unten) und mindestens eine drehbar gelagerte Messerwalze (vgl. Bild rechts unten) aufweist, so dass die Merkmale 1. und 2. nach Merkmalsgliederung auch bei diesem entgegengehaltenen und aus dem Prospekt ersichtlichen Mäher verwirklicht sind. Das Merkmal 2.1, wonach die Messerwalze über eine Fahrwerks-Kraftübertragung in Antriebsverbindung mit mindestens einem Rotationselement des Fahrwerks bringbar ist, erschließt sich für den oben bezeichneten Fachmann - obgleich zeichnerisch nicht erkennbar - zweifelsfrei aus dem Textkasten rechts unten, wo im 2. Absatz ausgeführt ist, dass der - an sich motorisierte Mäher - bei schwächer werdender Leistung der den Motor speisenden Akkus auch "wie ein gewöhnlicher Handrasenmäher" benutzt werden kann. Ein "gewöhnlicher", also konventioneller Handrasenmäher ist nicht motorisiert und muss seine Messerwalze durch Antriebsverbindung mit den (großen) Bodenrädern betreiben, genau so wie dies auch in der eingangs betrachteten US 2 483 777 beschrieben und dargestellt ist. Demgemäß liest der Fachmann eine derartige Antriebsverbindung bei einem Spindelmäher aus der Information "... wie einen gewöhnlichen Handrasenmäher zu benutzen..." mit, ebenso wie die Zuordnung einer Fahrwerks-Freilaufeinrichtung zur Fahrwerks-Kraftübertragung (Merkmal 2.1.1), denn diese funktionsnotwendige Ausstattung haben Handrasenmäher - wie ausgeführt - in jedem Fall.

Auch hat der Ginge-Spindelmäher einen Motor (Merkmal 3.), wie schon aus dem Textkasten in der Mitte links von Seite 3 des Firmenprospektes ersichtlich ist (vgl. linke Spalte, 1. Absatz und rechte Spalte unter "Technische Daten"). Aus diesem Text ist auch ersichtlich, dass der Motor elektrisch betrieben wird und zwar von mitgeführten Akkus. In dem Textkasten rechts unten mit der Überschrift "Spindelmäher mit Grasaufnahme-System" wird im ersten Absatz ab Zeile 5 ausgeführt: "Die stetig hohe und gleichbleibende Umdrehungszahl der Messerspindel sichert ein gleichmäßiges Schneiden sowie Aufsammeln des Grases...". Hieraus entnimmt der verständige Fachmann zwingend, dass der Motor - natürlich über irgend eine Motor-Kraftübertragung - in Antriebsverbindung mit der Messerwalze stehen muss, denn nur dies stellt eine ausreichend hohe oder gar gleichbleibende Messerwalzen-Drehzahl unabhängig von der Fortbewegungsgeschwindigkeit des Mähers sicher. Dies hat auch das Streitpatent damit gelöst, dass die Messerwalze mit dem Motor in Antriebsverbindung gebracht ist, und dieses Ziel kann auch nur so erreicht werden und nicht über eine Antriebsverbindung mit dem Fahrwerk, wie sie beispielsweise die US 2 483 777 vorschlägt.

Um allerdings das Merkmal 3.1 insgesamt und im patentgemäßen Sinne vorwegzunehmen, muss nicht nur eine Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze gegeben sein, sondern diese beiden Bauelemente (Motor, Messerwalze) müssen in Antriebsverbindung "bringbar" sein, d. h. diese sollte auch zeitweise außer Funktion gesetzt werden können. Hierzu bedarf es Mittel, welche die Koppelung zwischen Motor und Messerwalze hinsichtlich des Antriebs zeitweise unterbrechen können, im einfachsten Fall eine Freilaufeinrichtung oder aber auch irgendwelche anderen geeigneten Mittel wie Wellenkupplungen oder auf einer Schwinge gelagerte in bzw. außer Eingriff bringbare Ritzel usw. oder jeweils andere technische Lösungen. Hiervon berichten die Prospektunterlagen jedoch nichts. Den letzten Absatz im Textkasten rechts unten zitiert die Einsprechende in ihrem Einspruchsschriftsatz und interpretiert diesen bereits als "neuheitsschädlich", weil der dort beschriebene Gebrauch des Mähers "Park 40 ELITE" als Handrasenmäher dann, wenn die Akku-Leistung (und damit die Motorleistung) schwächer wird, als Möglichkeit vorgestellt wird, um die letzten Quadratmeter Rasen noch fertig zu mähen. Damit werden nach Auffassung der Einsprechenden sowohl eines der in der Patentschrift Sp. 7, Zeile 51 bis 54 dargestellten Ziele beschrieben als auch mit dem entgegengehaltenen Spindelmäher "Park 40 ELITE" erreicht.

Hinsichtlich der Zielbeschreibung und auch der offenbarten Mittel zum Erreichen dieses Ziels kann der Einsprechenden zwar bezüglich des Ginge-Prospekts zugestimmt werden, jedoch setzt dies nicht zwingend einen Freilauf oder irgend eine andere unterbrechbare Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze voraus. Der kleine und leichte Elektromotor - dessen Leistung wird im Ginge-Prospekt (Textkasten links) mit 130 W angegeben - könnte nämlich auch bei starrer Antriebsverbindung zur Messerwalze beim Abmähen der letzten Quadratmeter "mitgezogen" werden. Der Ginge-Mäher ist dabei aber gleichwohl nach wie vor ein Motormäher (vgl. S. 3, Textkasten rechts oben).

Nach alledem ist aufgrund der Prospektunterlagen zwar von einer bestehenden Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze auszugehen, die jedoch nicht außer Funktion "bringbar" ist und sein muss, obwohl sie geeignet ist, Teile der patentgemäßen Ziele zu erreichen. Gegen das Vorhandensein von Mitteln, die die Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze außer Funktion und Eingriff setzen, kann bereits die Tatsache sprechen, dass hierfür zusätzliche und das gesamte Gerät dadurch verteuernde Bauteile erforderlich wären, wobei der Hinweis, nur bei Leistungsabfall der Akkus den letzten Rest von Rasenfläche noch im Handbetrieb fertig zu mähen, diese Sichtweise bezüglich Vermeidung zusätzlicher verteuernder Bauteile, die ihrerseits auch wieder Anlass zu technischen Störungen geben könnten, stützen kann. Die Vermeidung unnötiger Bauteile oder Einrichtungen ist allgemeines konstruktives Ziel bei der Entwicklung neuer Geräte und Maschinen. Jedenfalls geben die im Prospekt enthaltenen Informationen keinen Hinweis darauf, dass der Mäher "Park 40 ELITE" immer als Motor- und Handbetriebsgerät wahlweise genutzt werden soll, sondern der Handbetrieb soll nur noch - falls die Akkuleistung nicht mehr ausreicht - auf "den letzten Metern" erfolgen.

Demgemäß vermag der Senat den Prospektunterlagen keinen Hinweis zu entnehmen, der auf eine fakultative Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze hindeutet oder diese nahe legt, während der Freilauf in der Antriebsverbindung zwischen Bodenrad und Messerwalze zwingend ist, u. a. auch um die Antriebswirkung des Motors auf die Messerwalze nicht zu behindern.

Nachdem die Prospektunterlagen also eine fakultative Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze nicht zwingend vorbeschreiben oder nahelegen und allgemeine ökonomische Gesichtspunkte hinsichtlich der angestrebten Verwendungsart des dort gezeigten Mähers eher dagegen sprechen eine solche Technik zu verwenden, kann eine durch nichts veranlasste bloße Möglichkeit des Einbaus eines Freilaufs oder anderer, die Antriebsverbindung zeitweise unterbrechender, Mittel an dieser Stelle nicht zu Lasten der Patentinhaberin gehen.

Hierzu war auch der zum Stand der Technik nach der E 3 (Park 40 ELITE-Spindelmäher) angebotene Zeuge, Herr J..., nicht zu hören, denn der Zeu- ge wurde einerseits lediglich zur Frage des Zeitrangs des Verkaufs der Maschinen nach den Prospektunterlagen gemäß E3 seit dem Jahre 1992, was der Senat bereits angesichts des Aufdrucks "1992" auf dem Prospekt nicht bezweifelt, benannt. Andererseits wurde der Zeuge noch gemäß Seite 5, 1. Absatz des Einspruchsschriftsatzes unter der Überschrift "3. Zu den Unteransprüchen" zu folgendem Sachverhalt angeboten: "Insbesondere besitzt der vorveröffentlichte und vorbenutzte "Park 40 ELITE"-Spindelmäher notwendigerweise gleiche oder äquivalente notwendige Anordnungen für Freilauf und Schaltung, wofür Zeugnis angeboten wird von Herrn J... ..." (S. 5, 1. Abs., 3. Satz des Einspruchsschrift satzes). Hierunter versteht der Senat ein Zeugenangebot zur Frage des Freilaufs zwischen Bodenradantrieb und Messerwalze (Merkmal 2.1.1 des Patentanspruchs 1), eine technische Einzelheit, die aus den Prospektunterlagen nach E3 per se nicht ersichtlich ist. Wie eingangs dargestellt, zweifelt der Senat jedoch nicht am Vorhandensein einer derartigen Freilaufeinrichtung zwischen Messerwalze und einem Rotationselement des Fahrwerks (Bodenrad), auch nicht im Falle des Mähers nach dem Ginge-Prospekt, so dass es auch hierfür eines Zeugenbeweises nicht bedurfte.

Nach alldem konnte eine fakultative Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze (Merkmal 3.1) einem Fachmann bei verständiger Würdigung des Standes der Technik nach E3 weder zwingend durch ein "Mitlesen" vorbeschrieben noch als notwendige Maßnahme nahegelegt werden. Diese Maßnahme konnte dem Fachmann auch unter Hinzunahme des Standes der Technik nach der US 24 83 777 nicht nahegelegt werden, denn dort ist eine unmittelbare Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze nicht vorgesehen.

Auch der übrige druckschriftliche Stand der Technik vermag eine zeitweise unterbrechbare Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze bei Spindelmähern nicht vorwegzunehmen oder nahezulegen, denn die diesbezügliche Antriebsverbindung ist bei den hierzu relevanten Druckschriften GB 348 059 (E2) (hier befindet sich lediglich eine Überlastkupplung zwischen Motor und Kettenantrieb für die Messerwalze zum Schutz der Messer bei Hindernissen, also mit anderer Aufgabe) und DK 127 831 (E1) starr gekoppelt. Dort kann es nämlich nicht zu einer Hinderung zwischen dem Messerantrieb und dem Fahrwerk kommen, weil die Räder des Fahrwerks ohne Antriebsverbindung zur Messerwalze frei laufen.

Die übrigen Entgegenhaltungen betreffen den Hilfsantrieb eines Schubkarrens über einen Reibrad-Eingriff (DE 31 33 922 C2, E4) bzw. ein durch Elektromotor-Unterstützung antreibbares Fahrrad (EP 0 771 721 A1, E5) und liegen daher weiter ab. Sie tragen zum Auffinden des Patentgegenstands nicht bei.

Demgemäß gibt der gesamte im Verfahren befindliche Stand der Technik dem Fachmann keinerlei Anlass, die Antriebsverbindung zwischen Motor und Messerwalze zeitweise bzw. bedarfsweise unterbrechbar zu gestalten. Somit bedurfte es einer erfinderischen Tätigkeit, um zu dieser Maßnahme zu gelangen.

Der Patentanspruch 1 hat daher Bestand.

Mit dem tragenden Hauptanspruch haben auch die auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 14 Bestand.

Dehne Dr. Huber Pagenberg Dr. Prasch Hu






BPatG:
Beschluss v. 14.02.2008
Az: 8 W (pat) 365/03


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