Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. September 2003
Aktenzeichen: 30 W (pat) 114/02

(BPatG: Beschluss v. 22.09.2003, Az.: 30 W (pat) 114/02)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke Roxilid ist am 20. März 1997 ua für "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" in das Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 10. Mai 1997.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 24. November 1986 eingetragenen Marke 1 099 462 Roxit, die nach Teillöschung des Warenverzeichnisses noch für "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Gastroenterologika" geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Eintragung der angegriffenen Marke für "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" teilweise gelöscht und im Übrigen den Widerspruch zurückgewiesen. Im Umfang der Löschung bestehe Verwechslungsgefahr; die zusätzlichen Buchstaben "-li-" im Wortinneren der angegriffen Marke reichten nicht aus, um ein Auseinanderhalten der Marken zu gewährleisten.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie hält Verwechslungsgefahr nicht für gegeben, weil die Widerspruchsmarke für Gastroenterologika benutzt werde, während die angegriffene Marke bei Atemwegserkrankungen zum Einsatz komme; sie verweist ferner auf verschiedene Marken mit dem Bestandteil "Roxi".

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. März 2000 und vom 18. Februar 2002 insoweit aufzuheben, als darin die Löschung der angegriffenen 396 53 784 angeordnet worden ist und den Widerspruch aus den Marke 1 099 462 insgesamt zurückzuweisen.

Eine Äußerung der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren ist nicht zur Akte gelangt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Es besteht auch nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr zB vgl BGH MarkenR 2002, 332, 333 - DKV/OKV; EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH MarkenR 2001, 204, 205 - REVIAN/-EVIAN).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke Roxit aus. Auch wenn diese an den Anfangsbestandteil der Wirkstoffbezeichnung (INN) "Roxithromycin", einem Antibiotikum (Hauptgruppe 10 der Roten Liste), erinnern mag, ergibt sich hieraus keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung. Denn bei den hier maßgeblichen Gastroenterologika (Hauptgruppe 60 der Roten Liste) stehen Antibiotika jedenfalls nicht im Vordergrund. Zu dem Wirkstoff Roxatidin ist der Abstand noch deutlicher. Von einem üblichen, allgemein verständlichen Indikationshinweis kann im Bereich dieser Waren damit nicht ausgegangen werden.

Die von der Widersprechenden behauptete durch Benutzung erworbene "deutlich erhöhte Kennzeichnungskraft" der Widerspruchsmarke kann demgegenüber nicht berücksichtigt werden. Auch wenn die Inhaberin der angegriffenen Marke dem diesbezüglichen Vorbringen der Widersprechenden nicht widersprochen hat, reichen die bisher vorgetragenen Tatsachen, die sich auf die Behauptung einer erhöhten Kennzeichnungskraft durch Benutzung beschränken, nicht aus, um hierauf die rechtliche Wertung einer erhöhten Kennzeichnungskraft stützen zu können. Eine solche Beurteilung erfordert vielmehr die Heranziehung aller relevanten Umstände, so insbesondere den von der Marke gehaltenen Markanteil, die Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke, den Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, den Teil der beteiligten Verkehrskreise, der die Waren aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennt sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder von Berufsverbänden (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Llyod/Loints; BGH aaO - DKV/OKV). Die Benutzung als solche dient nur dem Rechtserhalt der Marke.

Ausgehend von der Registerlage, denn Benutzungsfragen spielen im vorliegenden Verfahren keine Rolle, ist zwischen den beiderseitigen Waren unbedenklich von teils identischen, teils eng ähnlichen Waren auszugehen, für die im Bereich der Arzneimittel eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist, auch in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht und damit die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt für die Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 liSp - ALKA-SELTZER) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal). Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke darauf hinweist, daß ihre Marke im Bereich der Atemwegserkrankungen eingesetzt werden solle, kann dies nicht verwechslungsmindernd berücksichtigt werden, denn diese Beschränkung in der Indikation findet im Warenverzeichnis keinen Niederschlag, so daß die Waren der angegriffenen Marke die "Gastroenterologika" der Widerspruchsmarke umfassen können.

Bei dieser Ausgangslage hat die angegriffene Marke von der Widerspruchsmarke einen erheblichen Abstand einzuhalten. Diesen Anforderungen wird sie jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht gerecht. Die Ähnlichkeit der Marken ihrem klanglichen Gesamteindruck nach ist nicht unbedeutend. Die Marken sind insbesondere am stärker beachteten Wortanfang in der klangstarken Lautfolge "Roxi" identisch, auf der zudem in beiden Marken üblicherweise auch die Betonung liegt; der Unterschied in den Schlusskonsonanten "d/t" wirkt sich im Klang kaum aus. Die Abweichungen zwischen den Vergleichsmarken Roxilid und Roxit, die zusätzlichen Laute "-li-" in der angegriffenen Marke, wirken im Gesamteindruck zu unauffällig, um den gebotenen Abstand zu gewährleisten. Denn sowohl von den Lauten selbst als auch von ihrer Stellung innerhalb der Marke haben sie wenig Einfluß auf das Gesamtklangbild; "-li-" weist mit dem Konsonanten "l" einen ausgesprochen weichklingenden und klangschwachen Laut auf, und mit dem Vokal "i" wird keine merklich neue Klangfarbe mit in das Gesamtzeichen eingebracht, weil derselbe Vokal bereits in der vorhergehenden Silbe erscheint. Dieser Unterschied ist angesichts der Übereinstimmungen nicht so deutlich ausgeprägt und spontan faßlich, als daß ein Verhören zuverlässig und regelmäßig ausgeschlossen werden könnte.

Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr der Bestandteil "Roxi-" auch zu berücksichtigen. Zwar kommt beschreibenden bzw schutzunfähigen Bestandteilen in rechtlicher Hinsicht eine geringere Bedeutung zu als reinen Phantasiebestandteilen. Daß "Roxi-" abstrakt betrachtet auf Wirkstoffbezeichnungen (INN) wie "Roxatidin" oder "Roxithromycin" hinweisen kann, nimmt diesem Bestandteil aber nicht jede Kennzeichnungskraft. Denn "Roxi-" ist keine allgemein geläufige Abkürzung dieser Wirkstoffbezeichnungen und ist zudem auch nicht etwa in einer Vielzahl von (benutzten) Drittmarken enthalten. Der von der Inhaberin der angegriffenen Marke insoweit vorgetragene Rollenstand läßt keine Rückschlüsse auf die Benutzung dieser Drittmarken zu und ist somit kein ausreichender Beleg dafür, dass das Publikum an Marken mit dem Bestandteil "Roxi-" bereits in so erheblichem Umfang gewöhnt ist, daß es diesem Bestandteil kennzeichenrechtlich kaum noch Bedeutung beimißt (vgl dazu Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 9 Rdn 318). Abgesehen davon tritt der Bestandteil "Roxi-" als solcher in der Widerspruchsmarke mit dem anschließenden alleinigen weiteren Buchstaben "-t" aber auch nicht eigenständig hervor.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Buchetmann Winter Schramm Hu






BPatG:
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Az: 30 W (pat) 114/02


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