Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. August 2003
Aktenzeichen: 10 W (pat) 57/01

(BPatG: Beschluss v. 07.08.2003, Az.: 10 W (pat) 57/01)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelder gegen den Beschluss der Patentabteilung 1.51 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. September 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Am 11. Februar 2000 reichten die Anmelder beim Patentamt die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Partiell unidirektional abstrahlende gepulste Lichtprojektionsvorrichtung zur Erzeugung dreidimensional wirkender Bilder" ein.

Nach vorangegangenem Prüfungsbescheid wurde die Patentanmeldung durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 02 B vom 12. April 2001 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, es fehle an der Vollständigkeit der Lehre gemäß § 34 Abs 4 PatG. Auf der letzten Beschlussseite heißt es "Bei dieser Sachlage sieht sich die Prüfungsstelle nicht in der Lage, dem Antrag der Anmelder, bei der Formulierung gewährbarer Ansprüche behilflich zu sein, zu entsprechen."

Hierauf reichten die Anmelder ein an den Präsidenten des Patentamts gerichtetes Schreiben vom 18. Mai 2001, eingegangen am 23. Mai 2001, ein ("Beschwerde gegen die Prüfstelle für Kl. G 02 B aufgrund sachunkundiger Prüfung, Dokumentation und Beschlussfassung sowie persönlicher Befangenheit"), sowie gleichzeitig zwei weitere Schreiben, nämlich eine "Beschwerde gemäß § 73 PatG" gegen den Beschluss vom 12. April 2001, und eine "Beschwerde gegen die Prüfstelle für Kl. G 02 B wegen Durchführung der Beschlussfassung zur Erzeugung besonderer Härten für die Anmelder aufgrund persönlicher Befangenheit". In dem an den Präsidenten des Patentamts gerichteten Schreiben, dem die weiteren Schreiben auch als Kopie beigefügt waren, wird ausgeführt, dass der angefochtene Beschluss vom 12. April 2001 eine falsche Bewertung des Anmeldungsgegenstandes enthalte, eine inhaltliche wie begriffliche Fehlinterpretation; gleiches gelte für den Zurückweisungsbeschluss in der weiteren Patentanmeldung 198 43 296.8-51. Die Befangenheit des Prüfers sei dadurch verifiziert, dass beide Beschlüsse "unzulässig verflochten wurden." Denn der einmalig nur in der weiteren Patentanmeldung 198 43 296.8-51 gestellte Antrag, bei der Formulierung gewährbarer Ansprüche behilflich zu sein, sei im (vorgangsfremden) Beschluss zur vorliegenden Patentanmeldung abgelehnt worden. Es liege nahe, dass eine persönliche negative Stimmung des einen Falls auf den anderen Fall übertragen worden sei. Dafür spreche zudem, dass beide Beschlüsse in der verkürzten Karwoche ergangen seien.

Das Patentamt legte vorgenanntes Schreiben als Ablehnungsgesuch gegen den Prüfer Dipl.-Phys. B... gemäß § 42 ZPO aus und übermittelte den Anmeldern die dienstliche Äußerung des Prüfers zur Stellungnahme. Der Prüfer äußerte sich insbesondere dahingehend, er habe aus Formulierungen der nicht anwaltlich vertretenen Anmelder in beiden Patentanmeldungen die Bitte entnommen, bei der Formulierung eines gewährbaren Patentbegehrens behilflich zu sein und deshalb in beiden Beschlüssen einen entsprechenden Hinweis aufgenommen, dass er sich dazu angesichts der dargestellten Sachlage außer Stande sehe. Die Bearbeitung der beiden Patentanmeldungen, die vom Anmeldedatum und vom Datum ihres Prüfungsbescheids auseinanderliegen, in zeitlicher Aufeinanderfolge habe dabei den Prüfungsrichtlinien entsprochen, sachlich zusammengehörende Fälle gemeinsam zu bearbeiten.

Durch Beschluss der Patentabteilung 1.51 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. September 2001 ist das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen worden. Zur Begründung ist ausgeführt, es lägen keine konkreten Umstände vor, an der Unvoreingenommenheit und Objektivität des Prüfers zu zweifeln. Bei der Beschlussfassung über beide Patentanmeldungen in derselben Woche (Karwoche 2001) habe sich der Prüfer in korrekter Weise an die Empfehlungen der Prüfungsrichtlinien gehalten. Hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags, bei der Formulierung gewährbarer Ansprüche behilflich zu sein, habe der Prüfer diesen Antrag aus dem Gesamtzusammenhang entnehmen können. Dies könne jedoch letztlich dahingestellt bleiben, weil es allenfalls um einen möglichen Irrtum gehe, nicht aber um einen Hinweis auf eine negative persönliche Stimmung und auf eine persönliche Befangenheit. Soweit die "fachlich differente Eignung" und Nichterfüllung von Prüfungspflichten gerügt werde, träfen diese Vorwürfe nicht zu, könnten aber letztlich dahingestellt bleiben, da eine irrige Rechtsauffassung (für sich allein) und fehlende Sachkenntnis keine Ablehnungsgründe seien.

Hiergegen wenden sich die Anmelder mit der Beschwerde. Sie tragen vor, die mit Schreiben vom 18. Mai 2001 eingelegte Beschwerde sei sowohl als Ablehnungsgesuch gemäß § 42 ZPO als auch als Dienstaufsichtsbeschwerde zu werten. In der vorliegenden Patentanmeldung sei keine Recherche durchgeführt worden, unter Hinweis auf die Nichtdurchführbarkeit der Recherche und dem dokumentierten Unwillen des Prüfers, sich über den Inhalt der Anmeldung weiter auseinandersetzen. In einem Verfahren vor dem Europäischen Patentamt mit identischem Wortlaut der Anmeldung sei dagegen präzise recherchiert und Entgegenhaltungen ermittelt worden; dies müsste auch für das Patentamt möglich sein. Bedenklich sei die wechselseitige Verquickung der beiden Patentanmeldungen, welche durch große Zeiträume der Anmeldung und Bearbeitung getrennt seien. Ein Antrag, bei der Formulierung gewährbarer Ansprüche behilflich zu sein, sei in der vorliegenden Patentanmeldung auch nicht ansatzweise textlich gegeben. Die Motivation des Prüfers, alle ihm vorliegenden Verfahren der Anmelder, die sich über Zeiträume von Monaten und Jahren vollziehen, in der Karwoche zurückzuweisen, sei bedenklich, selbst wenn dieser scheinbar Prüfungsrichtlinien eingehalten habe. Ohne die Befangenheit des Prüfers wäre der Zurückweisungsbeschluss mit der prekären Verquickung der beiden Vorgänge (terminliche Verquickung, Notlageerzeugung, bewusstes Fehlinterpretieren usw) nicht ergangen.

II Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das mit Schreiben vom 18. Mai 2001 gestellte Ablehnungsgesuch ist zwar zulässig, auch wenn es erst nach dem Beschluss vom 12. April 2001 über die Zurückweisung der Patentanmeldung, also nach Erlass der instanzbeendenden Entscheidung gestellt worden ist. Denn dadurch, dass gleichzeitig auch Beschwerde gemäß § 73 Abs 1 PatG gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 12. April 2001 eingelegt worden ist, hat der Prüfer noch gemäß § 73 Abs 3 PatG zu entscheiden, ob der Beschwerde abgeholfen oder die Sache dem Patentgericht vorgelegt wird, kann also noch weiterhin mit der Sache befasst werden.

2. Das Ablehnungsgesuch ist aber unbegründet. Es stützt sich ersichtlich nicht auf Ausschlussgründe des § 41 ZPO - für deren Vorliegen auch keinerlei Anhaltspunkte bestehen - sondern ausschließlich auf die Besorgnis der Befangenheit. Gemäß § 27 Abs 6 Satz 1 PatG iVm § 42 Abs 2 ZPO ist ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Prüfers zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung gehören hierzu nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könnten, der Prüfer stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus (vgl Zöller, ZPO, 23. Aufl, § 42 Rdn 9; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl, § 42 Rdn 9).

Hiervon ausgehend geben die von den Anmeldern geltend gemachten Gründe bei objektiver Betrachtung keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Prüfers zu zweifeln.

Soweit die inhaltliche wie begriffliche Fehlinterpretation des Gegenstands der vorliegenden Patentanmeldung durch den Prüfer beanstandet wird, ist anzumerken, dass selbst fehlerhafte Entscheidungen grundsätzlich kein Ablehnungsgrund sind, sondern nur dann, wenn dargetan ist, dass die Fehlerhaftigkeit auf Voreingenommenheit oder Willkür beruht (vgl Zöller, aaO, § 42 Rdn 28). Hierfür besteht vorliegend keinerlei Anhalt. Allein aus dem Umstand, dass die Patentanmeldung zurückgewiesen wurde, kann nicht auf Voreingenommenheit geschlossen werden, wobei es in der Natur der Sache liegt, dass bei einer Zurückweisung der Patentanmeldung die Beurteilung des Gegenstands der Patentanmeldung durch den Prüfer von der der Anmelder abweicht. Ob die Beurteilung des Prüfers zutrifft oder nicht, ist in dem hierfür vorgesehenen Beschwerdeverfahren gemäß § 73 Abs 1 PatG zu prüfen, nicht im Verfahren über das Ablehnungsgesuch.

Soweit die Anmelder beanstanden, dass der Prüfer im Beschluss über die Zurückweisung der Patentanmeldung den Antrag, bei der Formulierung gewährbarer Ansprüche behilflich zu sein, abgelehnt habe, den sie nicht gestellt hätten, ist festzustellen, dass zwar ein entsprechender Antrag nicht ausdrücklich in der vorliegenden Patentanmeldung gestellt wurde. Zur Formulierungshilfe bedürfte es auch keines Antrags, denn dass der Prüfer gewährbar erscheinende Patentansprüche vorschlagen kann, ist Amtspraxis und letztlich Ausfluss des Rechtsgedankens, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, § 139 ZPO (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, vor § 34 Rdn 99, 101). Falls dies überhaupt als ein Fehler angesehen werden kann - denn ein Antrag kann auch konkludent gestellt werden - gilt aber auch insoweit, wie oben schon ausgeführt worden ist, dass selbst fehlerhafte Entscheidungen grundsätzlich kein Ablehnungsgrund sind. Auch im übrigen gibt die Ablehnung der Formulierungshilfe keinen Anhalt für die Annahme, der Prüfer sei voreingenommen. Denn er hat diese Ablehnung nachvollziehbar und sachlich damit begründet, dass er in der Patentanmeldung keinen patentfähigen Gegenstand gesehen habe ("Bei dieser Sachlage"). Ebenso wenig ergibt sich aus dieser Ablehnungeine unzulässige "Verquickung" mit der weiteren Patentanmeldung 198 43 296.8-51, zumal die Anmelder auch dort nicht ausdrücklich einen "Antrag" auf Formulierungshilfe gestellt, sondern nur um "mögliche Unterstützung" gebeten haben.

Eine auf Voreingenommenheit schließende Verfahrensweise lässt sich schließlich auch nicht aus der fast gleichzeitigen Zurückweisung der vorliegenden und der weiteren Patentanmeldung 198 43 296.8-51 entnehmen, mag dieser Umstand auch für die Anmelder als besondere Härte empfunden worden sein. Denn nicht nur entspricht die zeitlich nahe Bearbeitung sachlicher zusammengehörender Anmeldungen den Prüfungsrichtlinien (siehe 3.3.1. "Bearbeitungsreihenfolge"), sondern die Zurückweisung ist in beiden Fällen auf verschiedene Gründe gestützt und jeweils ausführlich begründet worden.

Soweit die Anmelder - erstmals im Beschwerdeverfahren - die fehlende Recherche in der vorliegenden Patentanmeldung beanstanden, ist anzumerken, dass der Prüfer dies im Prüfungsbescheid sachlich begründet hat, so dass auch insoweit kein Anhalt für eine Voreingenommenheit des Prüfers ersichtlich ist. Im übrigen dürfen im Rechtsmittelverfahren über das Ablehnungsgesuch keine neuen Ablehnungsgründe geltend gemacht werden (vgl Zöller, aaO, § 46 Rdn 17), so dass dieser Grund schon deshalb nicht geeignet ist, das Ablehnungsgesuch zu stützen.

Die von den Anmeldern vorgetragenen Gründe sind weder für sich noch in der Gesamtschau geeignet, den Vorwurf der Voreingenommenheit des Prüfers zu rechtfertigen.

Soweit die Anmelder ihr Ablehnungsgesuch vom 18. Mai 2001 auch als Dienstaufsichtsbeschwerde gewertet wissen wollen und insoweit das Bundespatentgericht als hierfür zuständige Stelle erachten, verkennen sie die Funktion des Bundespa-

tentgerichts. Die Dienstaufsicht über die Beamten des Patentamts führt nicht das Bundespatentgericht, sondern der Präsident des Patentamts (vgl Schulte, aaO, § 26 Rdn 12).

Schülke Knoll Püschel Be






BPatG:
Beschluss v. 07.08.2003
Az: 10 W (pat) 57/01


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