Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juli 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 348/03

(BPatG: Beschluss v. 13.07.2004, Az.: 24 W (pat) 348/03)

Tenor

Auf die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. September 2003 aufgehoben, soweit wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 683 631 die teilweise Löschung der Marke 300 70 597 angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 683 631 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wort-Bildmarke Grafik der Marke 30070597.2 ist in der Farbe "rot" für die Dienstleistungen

"Telekommunikation; Installationsarbeiten, Wartung und Reparatur von elektrischen Geräten"

unter der Registernummer eingetragen 300 70 597 eingetragen worden.

Dagegen hat die Inhaberin der für die Waren und Dienstleistungen

"Klasse 9:

Wissenschaftliche, Schiffahrts-, Vermessungs-, elektrische, photographische, Film-, optische, Wäge-, Meß-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte;

Klasse 42:

Dienstleistungen, die hohe geistige Ansprüche stellen und sich auf theoretische oder praktische Aspekte komplexer Bereiche menschlicher Tätigkeit beziehen und von Personen, individuell oder gemeinschaftlich, in der Eigenschaft als Mitglieder eines Verbandes erbracht werden; Dienstleistungen eines Grafikers; Aufzeichnung von Videobändern; Computerberatungsdienste; Dienstleistungen eines Verpackungsdesigners; Erstellen von Computersoftware; Styling (industrielles Design); technische Projektstudien; Photosatzarbeiten; Druckereiarbeiten, Offsetdruck, lithographische Druckarbeiten; Forschung und Entwicklung bzgl. neuer Produkte (für Dritte); Forschungen auf dem Gebiet der Technik; Pflege von Computersoftware; Herstellung von Mikrofilmen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Siebdruckarbeiten"

eingetragenen Gemeinschaftsmarke (Bildmarke) 683 631 Widerspruch erhoben.

Mit Beschluß vom 24. September 2003 hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Angestellten des gehobenen Dienstes, die teilweise Löschung der Marke 300 70 597 für die Dienstleistungen "Telekommunikation, Wartung und Reparatur von elektrischen Geräten" wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 683 631 angeordnet und den Widerspruch im übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung führt die Markenstelle im wesentlichen aus, daß im Umfang der angeordneten Teillöschung Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke und den für die Widerspruchsmarke registrierten Waren und Dienstleistung bestehe. Die Marken seien klanglich identisch, da sie mündlich beide mit "service point" wiedergegeben würden. Im Rahmen der festgestellten Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen könne deshalb die Gefahr von Verwechslungen gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht ausgeschlossen werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke. Nach seiner Auffassung besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr. Bei deren Beurteilung sei auf den Gesamteindruck der Marken abzustellen, worin auch die jeweilige grafische Ausgestaltung mit einbezogen werden müsse. Insbesondere sei zu berücksichtigen, daß der in beiden Marken enthaltene Begriff "SERVICE POINT" die verbreitete Bezeichnung für einen umfassenden Service gleich welcher Art darstelle und daher als glatt beschreibender Begriff jeglicher Herkunftsfunktion entbehre. Nach gefestigter Rechtsprechung könne die Verwechslungsgefahr nicht allein darauf gestützt werden, daß die jüngere Marke in einem schutzunfähigen Bestandteil mit der älteren Marke übereinstimme. Dieser Aspekt sei der Markenstelle bei der Bewertung des Sachverhalts offensichtlich entgangen. Die Abwandlung dieses schutzunfähigen Begriffs in der angegriffenen Marke durch die Kombination des Buchstabens "O" mit einem Wurm sei ein unübersehbares kennzeichnungskräftiges Merkmal, das die Unterscheidbarkeit von der Widerspruchsmarke gewährleiste.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Begründung ihres Widerspruchs vor der Markenstelle. Darin hat sie ausgeführt, daß für den Gesamteindruck von Wort-Bildmarken in der Regel der Wortbestandteil maßgebend sei, da dieser für den Verkehr bei der Markenwiedergabe die einfachste Form der Bezeichnung darstelle. Es gebe keine Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dieser Regel begründen könnten. Die Bildbestandteile der Vergleichsmarken wiesen keinen gedanklichen Bezug zu dem Wortbestandteil auf und seien auch nach ihrer Größe, Form und Farbgebung nicht so hervorstechend, daß der Wortbestandteil dahinter zurücktrete. Im Hinblick auf die klangliche Identität ihrer prägenden Wortbestandteile seien die für hochgradig ähnliche Waren und Dienstleistungen registrierten Marken nach ihrem Gesamteindruck verwechselbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Anordnung der teilweisen Löschung der angegriffenen Marke durch die Markenstelle nach § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG konnte daher keinen Bestand haben. Der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke war demgemäß auch insoweit zurückzuweisen (§ 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl ua EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr 22) "Sabèl/Puma"; GRUR Int 2000, 899, 901 (Nr 40) "Marca/Adidas"; BGH GRUR 2002, 626, 627 "IMS"; WRP 2004, 763, 764 "dcfix/CD-FIX"; GRUR 2004, 598, 599 "Kleiner Feigling").

Zwar liegen die beschwerdegegenständlichen, von der Löschungsanordnung der Markenstelle betroffenen Dienstleistungen der angegriffenen Marke im zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeitsbereich der für die Widerspruchsmarke registrierten Waren und Dienstleistungen. Unter Berücksichtigung der nur geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke insgesamt sowie insbesondere der fehlenden Unterscheidungskraft des Wortbestandteils "service point" ist jedoch eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr mit der jüngeren Marke gleichwohl auszuschließen.

Insoweit weist der Inhaber der angegriffenen Marke zu Recht darauf hin, daß es sich bei dem Wortbestandteil "service point" der älteren Marke - wie auch dem entsprechendem Wortelement "SERVICE-POINT" in der jüngeren Marke - um eine für die registrierten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehende bloße Sachangabe handelt, der als solcher keine Unterscheidungskraft innewohnt. Wie die den Beteiligten vom Senat übermittelte Internet-Recherche (Google-Suche zu "service point", Seiten aus Deutschland) belegt, handelt es sich bei der englischen Begriffskombination "service point" ("service" = Dienst; "point" = Punkt, Stelle, Ort; vgl Langenscheidt Wörterbuch Englisch, 1999, S 442 u 522) um eine im inländischen Verkehr vielfach verwendete (die og Google-Suche hat 20 000 Treffer ergeben) und demgemäß ohne weiteres verständliche Bezeichnung für eine Stelle, die in irgendeiner Form Hilfs-, Beratungs-, Informations-, Wartungs-, Reparatur- oder andere Dienste anbietet bzw erbringt (vgl hierzu beispielsweise in der Ergebnis-Liste der Google-Suche "service point" die Treffer: "WK Tirol: SERVICE-POINT: Herzlich willkommen beim Service-Point der Wirtschaftskammer Tirol ... Mit dem neuen Service-Point bringen wir Ihre Fragen auf den Punkt. ..."; "Hamburger Sparkasse - Service-Point ...Alle Informationen dazu erhalten Sie hier im HaspaJocker-Service-Point. ..."; "FASK Germersheim: Service-Point für ausländische Studierende ...."; "Sony Ericsson P800 ... Wo finde ich den nächsten Sony Ericsson Service-Point€ ..."; "SIEMENS Service Point in Ihrer Nähe ... Sie suchen einen Siemens Service Point in Ihrer Nähe, für ein Software-Update€ ..."; "LARCA Service-Point. Zur schnellstmöglichen Bearbeitung Ihrer Fragen, Anregungen und Bestellungen haben wir für Sie einige Formulare vorbereitet. ..."; "ServicePoint ...Seit Einführung der Chip-Card an der Universität Salzburg verfügt die UB Salzburg über einen Service Point, an dem Sie Ihre Informationen abfragen können. ..."; "Servicepoint-Liste [ständig aktualisiert] - Telefon-Treff ... Das Update war natürlich kostenlos, da Garantie-Fall. Das Personal ist freundlich. Dieser Service-Point ist also auf jeden Fall zu empfehlen. ..."). Im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen gleich welcher Art vermittelt die umfangreich im Zusammenhang mit verschiedenen Produkten und Leistungen verwendete Bezeichnung "Service Point" den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen daher nur einen rein sachlichen Hinweis darauf, daß ein Service Point eingerichtet ist, also eine Stelle, die Service-Leistungen für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen erbringt, bzw daß es sich um Dienstleistungen einer derartigen Service-Stelle handelt. Ein Hinweis auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen lässt sich dieser Angabe hingegen nicht entnehmen (vgl BGH BlPMZ 2004 30, 31 "Cityservice").

Im Hinblick auf die fehlende Unterscheidungskraft des Wortbestandteils beschränkt sich der Schutzumfang der widersprechenden Kombinationsmarke auf diejenigen Elemente, die nicht zur Darstellung der beschreibenden Angabe erforderlich sind, hier also auf die (besondere) grafische Gestaltung der Angabe "service point" (vgl BGH GRUR 2000, 608, 610 "ARD-1"; GRUR 2003, 1040, 1043 "Kinder"; WRP 2004, 1037, 1039 "EURO 2000"). Die Grafik der Widerspruchsmarke, die lediglich aus einer leicht schräg gestellten, rechteckigen Fläche unter dem Buchstaben "p", die in ihrem linken unteren Winkel schattenartig unterlegt ist, sowie einer schwarzen, am hinteren rechten Ende rechtwinklig etwas nach oben verlängerten Unterstreichungslinie unter den beiden Worten besteht, ist von relativ einfacher, werbeüblich ausschmückender Art. Daher kann die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auch in ihrer Gesamtheit nur als unterdurchschnittlich eingestuft werden. Insoweit kommt der Widerspruchsmarke ein entsprechend enger Schutzumfang zu, dh es reichen grundsätzlich schon verhältnismäßig geringfügige Unterschiede in den Marken aus, um eine Verwechslungsgefahr im zeichenrechtlichen Sinn auszuschließen. Den hierfür erforderlichen Abstand aber hält die angegriffene Marke von der älteren Marke in jeder Hinsicht ein.

Nachdem die Marken gerade in ihren schutzbegründenden Bildelementen, der rechteckigen Unterlegung des Buchstabens "p" einerseits sowie dem als Wurm oder Raupe mit menschlichen Gesichtzügen ausgestalteten Buchstaben "O" andererseits, keinerlei Ähnlichkeit aufweisen, ist eine Verwechslungsgefahr beim Vergleich der Marken insgesamt ersichtlich auszuschließen.

Entgegen dem angefochtenen Beschluß kann eine Verwechslungsgefahr nicht aus der weitgehenden Übereinstimmung der in den beiden Marken enthaltenen Wortbestandteile "SERVICE-POINT" und "service point" hergeleitet werden. Ein Ähnlichkeitsvergleich nur der Wortbestandteile würde voraussetzen, daß diese den Gesamteindruck der kombinierten Wort-Bildmarken prägen, während die anderen Bildelemente weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck nicht mitbestimmen (BGH GRUR 2002, 814, 814 "Festspielhaus"; aaO "Kinder"). Von einer Prägung der Widerspruchsmarke nur durch die Bezeichnung "service point" kann indes nicht ausgegangen werden.

Zwar ist bei der Feststellung des - klanglichen - Gesamteindrucks von Wort-Bildmarken regelmäßig von dem Erfahrungssatz auszugehen, daß der Wortbestandteil den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl BGH GRUR 1999, 733, 735 "LION DRIVER"; GRUR 2000, 506, 509 "ATTACHÉ/TISSERAND"). Dies setzt allerdings die Feststellung voraus, daß dem Wortbestandteil für sich genommen nicht wegen Bestehens absoluter Schutzhindernisse jeglicher Markenschutz zu versagen wäre. Ein nicht unterscheidungskräftiger oder beschreibender freihaltebedürftiger Bestandteil kann nämlich - ohne Verkehrsdurchsetzung - aus Rechtsgründen keine Prägung des Gesamteindrucks bewirken (vgl BGH aaO "Festspielhaus"; aaO "Kinder"). Einem solchen Bestandteil kann für den Schutzumfang einer aus mehreren Bestandteilen gebildeten Marke nicht ein solcher Einfluß zukommen, daß eine Übereinstimmung (lediglich) in den schutzunfähigen Bestandteilen eine Verwechslungsgefahr begründen würde (vgl BGH GRUR 2000, 1031, 1032 "Carl Link"; GRUR 2001, 1158, 1160 "DORF MÜNSTERLAND"; WRP 2004, 1037, 1038 "EURO 2000"). Nachdem, wie oben festgestellt, der Wortbestandteil "service point" keine Unterscheidungskraft besitzt (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG), ist ihm aus Rechtsgründen eine den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägende Bedeutung abzusprechen und demgemäß eine (allein) auf die Übereinstimmung oder Ähnlichkeit der angegriffenen Marke mit diesem Wortbestandteil gestützte Verwechslungsgefahr zu verneinen.

Da andere Arten der Verwechslungsgefahr ersichtlich nicht in Betracht kommen und von der Widersprechenden auch nicht geltend gemacht werden, war der Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke stattzugeben.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 und 4 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Ströbele Guth Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 13.07.2004
Az: 24 W (pat) 348/03


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