Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2003
Aktenzeichen: 32 W (pat) 412/02

(BPatG: Beschluss v. 10.12.2003, Az.: 32 W (pat) 412/02)

Tenor

Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 41 - vom 14. März 2001 insgesamt und der Beschluss vom 24. September 2002 insoweit aufgehoben, als der angemeldeten Marke die Eintragung versagt worden ist.

Gründe

I.

Die am 30. Juni 1999 erfolgte Anmeldung der Wortmarke FirstLine, bestimmt für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 38, 41 und 42, ist seitens der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts zunächst in einem Zwischenbescheid vom 10. Mai 2000 als nicht schutzfähige Qualitätsbezeichnung - i.S. eines Hinweises darauf, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einem gut ausgestatteten Sortiment angeboten würden und die Telekommunikationsmöglichkeit erstklassig sei - beanstandet worden. Außerdem wurde vorgeschlagen, der Anmelder möge ein in parallel getätigten Anmeldungen mit der Markenstelle abgestimmtes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis auch vorliegend einreichen. Der Anmelder ist dem nachgekommen und hat am 16. Juni 2000 das nachfolgende Waren- und Dienstleistungsverzeichnis vorgelegt:

Kl. 09: elektrische und elektronische Geräte soweit in Klasse 9 enthalten; Lehr-, Unterrichts- und Informationsmaterial in Form von Disketten, DCs, CD-Roms, Audio- und Videokassetten oder anderer Datenträger, Computer-Software, soweit in Klasse 9 enthalten; magnetische und optische Datenträger;

Kl. 16: Papier, soweit in Klasse 16 enthalten; Lehr- Unterrichts- und Informationsmaterial in Druckform, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckerzeugnisse; gerahmte und ungerahmte Schnitte, Bilder und Drucke;

Kl. 35: Werbung, Geschäftsführung für Dritte; Unternehmensberatung; Personal- und Stellenvermittlung; Organisation und Veranstaltung von Messen für wirtschaftliche und gewerbliche Zwecke; Telefonantwortdienste; Durchführung von Versteigerungen und Auktionen im Internet; Entwicklung von Franchisekonzepten für die Vermittlung von wirtschaftlichen und organisatorischem Know how; Dienstleistungen im Internet, nämlich Veranstaltung von Tauschbörsen, Vermittlung von Verträgen über den Verkauf von Waren und deren Abrechnung (Online-Shopping) in Computer-Netzwerken und/oder mittels anderer Vertriebskanäle; Betrieb von elektronischen Märkten im Internet durch Online-Vermittlung von Verträgen sowohl über die Anschaffung von Waren als auch über die Erbringung von Dienstleistungen; Vermittlung und Abschluß von Handelsgeschäften im Rahmen eines elektronischen Kaufhauses; Betrieb eines Call-Centers, nämlich Abwicklung von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren (Auftrags- und Bestellannahme) sowie Beratung im Hinblick darauf, Marktforschung, Betrieb einer Informations-, Beschwerde- und Notfall-Hotline; vorgenannte Dienstleistungen via Telekommunikation, insbesondere mit dem Ziel der Außendienstunterstützung/-optimierung, der Stammkundenpflege und der Neukundengewinnung;

Kl. 36: Finanzdienstleistungen; Immobilienvermittlung; Wertpapierhandel; Bereitstellen von Informationen zum Wertpapierhandel; Entwicklung von Franchisekonzepten für die Vermittlung von finanziellem Know how;

Kl. 38: Telekommunikation; Anbieten von Dienstleistungen im Internet, nämlich die elektronische Entgegennahme von Warenbestellungen, Sammeln und Liefern von Nachrichten, Übermittlung von Nachrichten; Zugangsvermittlung zu Verzeichnissen der in Daten-Netzwerken, insbesondere im Internet, verfügbaren Informationen;

Kl. 41: Erziehung, Unterhaltung; Organisation und Veranstaltung von Ausstellungen, Seminaren, Symposien und Kolloquien, Unterricht; schulischer Lese-, Rechtschreib-, Sprach- und Rechenunterricht; Schülerkurse, insbesondere Förderunterricht, Nachhilfeunterricht, Hausaufgabenhilfe, Sprachkurse, Musikunterricht, Examensvorbereitungen; Computer-, Internet- und Informatikkurse; pädagogischer Unterricht aller Art; Erstellung von Konzepten zur Anwendung individuell abgestimmter Lernmethoden, auch für Legastheniker; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen der Kl. 41, auch über Internet; Dienstleistungen eines Verlegers, nämlich Herausgabe und Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen;

Kl. 42: Erstellung von Computer-Software, Verwaltung von Urheberrechten, Entwicklung (Design) von Marken und Produkten für Dritte; Such- und Vermittlungsdienste, nämlich suchen und Auffinden von Informationen in einem Daten-Netzwerk, insbesondere dem Internet; Vermittlung von Bekanntschaften, Brief- und Chat-Freundschaften.

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle hat die Anmeldung mit Beschluss vom 14. Mai 2001 insgesamt als nicht unterscheidungskräftig und freihaltebedürftig zurückgewiesen. Die Wortfolge FirstLine werde zwanglos mit "Das Beste online" oder "Beste Produktlinie" übersetzt. Es werde somit schlagwortartig und werbemäßig zum Ausdruck gebracht, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem erstklassigen "online-Telekommunikations-Netzwerk" stünden bzw. dass es sich um eine Produktlinie mit den besten Waren und Dienstleistungen handele.

Auf die Erinnerung des Anmelders hat die Markenstelle mit Beschluss vom 24. September 2002 den Erstbeschluss teilweise aufgehoben, wobei die Erinnerungsprüferin, eine Beamtin des höheren Dienstes, ihrer Entscheidung das vom Anmelder ursprünglich eingereichte Waren- und Dienstleistungsverzeichnis zugrundegelegt hat. Sie hält das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft hinsichtlich folgender Waren und Dienstleistungen weiterhin für gegeben:

"Elektrische und elektronische Geräte; Computer-, Internet- und Informatikkurse; Informationsmaterial in Form von Disketten, CD, CD-Roms, Audio- und Videokassetten oder anderer Datenträger, soweit in Klasse 9 enthalten; magnetische und optische Datenträger; Informationsmaterial in Druckform, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckerzeugnisse; Werbung, Geschäftsführung für Dritte; Messen für wirtschaftliche und gewerbliche Zwecke; Telekommunikation; Unternehmensberatung; Erstellen von Computer-Software".

Der englischsprachige Bestandteil "line" sei in unterschiedlichen Warenbereichen als Bezeichnung für "Produktreihe" und "Kollektion" bekannt und stehe auf dem Gebiet der Telekommunikation für "Verbindung" oder "Leitung" i.S.v. "online". Der Markenbestandteil "first" habe die Bedeutung von "erster" bzw. "bester". In der Gesamtheit werde FirstLine ohne weiteres als "beste Netzwerkverbindung" oder "erstes Kommunikationsnetz" verstanden. Die weiterhin versagten Waren in Klasse 9 könnten funktionaler Bestandteil eines modernen online-Netzwerks sein, für die Waren in Klasse 16 liege eine Inhaltsangabe vor. Die versagten Dienstleistungen könnten mittels online-Netzwerken (in digitaler Form oder über das Internet) erbracht werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Eine - angekündigte - Begründung ist nicht zu den Gerichtsakten gelangt.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und begründet.

Hinsichtlich der im Erinnerungsbeschluss weiterhin versagten Waren und Dienstleistungen steht einer Registrierung der angemeldeten Marke weder das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch das einer Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Produkte und Angebote zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren (entsprechendes gilt für Dienstleistungen) im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr.; vgl BGH BlPMZ 2002, 85 - INDIVIDUELLE).

In ihrer Gesamtheit weist die Marke FirstLine für die noch strittigen Waren und Dienstleistungen keinen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt auf. Zwar sind die englischsprachigen Wörter first und line auch im Inland (weitgehend) bekannt und die Zusammenstellung als solche entspricht den Regeln dieser Sprache. Jedoch ist bereits der Sinngehalt der Einzelwörter nicht völlig eindeutig. "First" kann sowohl das (numerisch) Erste als auch das (qualitativ) Beste bedeuten, "line" je nach Sprachzusammenhang neben den wörtlichen Übersetzungen Line, Reihe, Zeile auch Produktreihe, Kollektion, (Telefon-) Verbindung, Leitung (wobei diese Aufzählung keineswegs abschließend ist; vgl. Langenscheidts Handwörterbuch Englisch, 2. Aufl, S. 379, 380). Ob die Kombination eines voranstehenden Begriffs mit der Endung line als beschreibend oder markenmäßig verstanden wird, lässt sich daher nicht gerenell beantworten, sondern hängt vom Gesamteindruck und der Gesamtaussage des so gebildeten Wortes und vom Bezug zu den jeweiligen Waren und Dienstleistungen ab.

Die Wortbildung FirstLine (wobei allerdings der abstandslosen Zusammenschreibung der Einzelteile keine maßgebliche Bedeutung zukommt) ist deshalb unterscheidungskräftig, weil dieser - wie auch die teilweise wechselnde Argumentation der Markenstelle im Laufe des Verfahrens belegt - ganz unterschiedliche Bedeutungsinhalte entnommen werden können, wobei keiner sich als ausschließlich beschreibend unmittelbar aufdrängt. Zudem fehlt es an Hinweisen darauf, dass FirstLine (bzw. first line) bereits als Fachbegriff oder sonstige Produktmerkmalsangabe in Gebrauch wäre. Der dem Erstbeschluss als Anlage beigefügte Beleg (betr. Online-Shop von FirstLine Telekommunikation Hoch) lässt, sowohl innerhalb dieser Schriftzeile als auch in der typographischen Gestaltung der Überschrift in Alleinstellung, eine marken- oder firmenmäßige Verwendung erkennen; diese Belegstelle vermag somit die Argumentation der Markenstelle nicht zu stützen. Der Sinngehalt von FirstLine ist nicht hinreichend eindeutig, um vom angesprochenen deutschen Verkehr als - bisher unbekannte - Sachaussage und damit nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden.

Diese Beurteilung gilt für sämtliche noch streitbefangenen Waren und Dienstleistungen. Bezüglich der Geräte und Datenträger in Klasse 9 bleibt unklar, inwiefern FirstLine in sachbezogener Weise die Gewährleistung einer bestmöglichen online-Verbindung anzeigen soll. Bei Informationsmaterial und sonstigen Druckerzeugnissen in Klasse 16 liegt ein wörtliches Verständnis von line (Linie, Zeile) an sich viel näher, wobei dann bei Voranstellung von First aber offen bleibt, worauf die Aussage "erste Linie" sachbezogen hinweisen soll. Für die allgemeinen Dienstleistungen Werbung, Geschäftsführung, Organisation von Messen und Ausstellungen sowie Unternehmensberatung ist FirstLine ersichtlich keine Merkmalsbeschreibung. Soweit die Dienstleistungen sich auf das Internet und/oder einen Computer-Einsatz beziehen, mag zwar die gedankliche Verbindung zum Fachbegriff online nicht fern liegen; daraus folgt aber noch nicht, dass der Wortfolge FirstLine zwanglos (nur) der Hinweis auf eine bestmögliche Netzverbindung dieser Art entnommen würde. Die angemeldete Marke stellt auch insoweit keine eindeutige Beschaffenheits- oder Bestimmungsangabe dar.

2. Da die Markenstelle einen aktuellen beschreibenden Gebrauch der Bezeichnung FirstLine nicht belegt hat und es auch dem Senat nicht möglich war, entsprechende Verwendungsformen zu ermitteln, fällt die Marke nicht unter die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. MarkenG. Ausreichende Anhaltspunkte für eine zukünftige deskriptive Verwendung der Marke auf den maßgeblichen Waren- und Dienstleistungssektoren liegen ebenfalls nicht vor.

3. Der Senat geht davon aus, dass die Erinnerungsprüferin nur irrtümlich das ursprüngliche Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, für die Registrierung insgesamt - also auch bezüglich der im Zweitbeschluss nicht mehr versagten Waren und Dienstleistungen - mithin das zweite, in der Formulierung mit der Markenstelle abgestimmte Verzeichnis allein maßgeblich ist. Selbstverständlich bleibt es dem Deutschen Patent- und Markenamt unbenommen, das geltende Waren- und Dienstleistungsverzeichnis nochmals auf seine Bestimmtheit zu überprüfen.

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BPatG:
Beschluss v. 10.12.2003
Az: 32 W (pat) 412/02


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