Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 344/04

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2007, Az.: 21 W (pat) 344/04)

Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrecht erhalten mit der Maßgabe, dass der Patentanspruch 1 durch den in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2007 eingereichten Patentanspruch 1 ersetzt wird.

Gründe

I Auf die am 14. August 1999 beim deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent unter der Bezeichnung "Verstellbeschlag für Sitze mit neigungseinstellbarer Lehne, insbesondere für Kraftfahrzeugsitze" erteilt worden; die Veröffentlichung der Erteilung ist am 8. Juli 2004 erfolgt.

Gegen das Patent ist am 8. Oktober 2004 Einspruch erhoben worden.

Zur Begründung des Einspruchs hat die Einsprechende auf folgende Druckschriften verwiesen:

D1: DE 44 36 101 A1 D2: DE 30 13 304 C2 D3: DE 195 17 441 C1.

Die Einsprechende führt zur Begründung ihres Einspruchs im Wesentlichen aus, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann aus der Druckschrift D1 in Kombination mit der Druckschrift D2 nahe gelegt sei.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent beschränkt mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass Patentanspruch 1 durch den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentanspruch 1 ersetzt wird.

Die verteidigte Patentanspruch 1 lautet (mit einer Merkmalsgliederung versehen):

M1 Verstellbeschlag für Sitze mit neigungseinstellbarer Lehne, insbesondere für Kraftfahrzeugsitze, M2 bei denen ein dem Sitzteil zugeordneter, fester Beschlagteil und M3 ein der Lehne zugeordneter, verstellbarer Beschlagteil M4 über ein Stellglied miteinander verbunden sind, M5 wobei eine die Lage beider Beschlagteile zueinander bestimmende, als Getriebe ausgebildete Ver- und Feststelleinrichtung vorgesehen ist, und M6 das Stellglied (13) einen Exzenterabschnitt beinhaltet, auf dem der eine Beschlagteil gelagert ist, während der andere Beschlagteil den Exzenterabschnitt lagert, M7 der aus zwei einen Mitnehmer (20) bereichsweise überdeckenden, gegeneinander geneigten Keilsegmenten, M8 aus einem zwischen deren Schmalseite fassenden Mitnehmersegment und M9 aus einem die Breitseiten der Keilsegmente auseinanderdrückenden Kraftspeicher gebildet ist, M10 wobei das Stellglied bedarfsweise eine zentrale Aufnahme zur drehfesten Verbindung mit einer Übertragungsstange aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass M11 der Mitnehmer (20)

M12 aus einer Mitnehmerbuchse (21) und M13 einem damit drehfest verbundenen, das Mitnehmersegment (29) aufweisenden Mitnehmerring (26) gebildet ist, M14 wobei der Mitnehmerring (26) am Beschlagteil (11) gelagert ist und M15 auf seinem vom Mitnehmersegment (29) freien Umfangsbereich (30) seinerseits die Keilsegmente (27) lagert, M16 wobei bei einer durch die Mitnehmerbuchse (21) auf den Mitnehmerring (26) übertragenen Drehbewegung bis zu einer bestimmten, äußeren Last das Reibmoment zwischen den Keilsegmenten (27) und dem Mitnehmerring (26) ausreichend ist, um den Exzenterabschnitt (14) zu verdrehen und damit den der Lehne zugehörigen Beschlagteil (12) zu verstellen.

Die Patentinhaberin hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 für neu und erfinderisch.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung, da vorliegend die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat, der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist und das Bundespatentgericht auch nach Ablauf der befristeten Zuständigkeitsregelung des § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG durch das "Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchverfahrens und des Patentkostengesetzes" vom 26. Juni 2006 (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) mangels einer ausdrücklichen entgegenstehenden Regelung für die in dem bezeichneten befristeten Zeitraum zugewiesenen Einspruchsverfahren nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der fortwirkenden Zuständigkeit "perpetuatio fori" zuständig bleibt (vgl. hierzu ausführlich BPatG Beschl. v. 19. Oktober 2006 - 23 W (pat) 327/04).

Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen so dargelegt, so dass die Patentinhaberin und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können.

Der Einspruch hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als er zu einer Beschränkung des Patents führt, § 61 PatG.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig.

Der Streitpatentgegenstand betrifft einen Verstellbeschlag für Sitze mit neigungseinstellbarer Lehne, insbesondere für Kraftfahrzeugsitze. Gemäß der Patentschrift (siehe Absatz [0002]) weisen bekannte Verstellbeschläge mit einem Taumelgetriebe bei einem Verstellen des Beschlages, insbesondere bei einer Richtungsumkehr, einen gewissen Leerweg auf, der sich für den Sitzbenutzer als Totgang bemerkbar macht. Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine entsprechenden Verstellbeschlag dahingehend zu verbessern, dass der Totgang ausgeschaltet wird (siehe Patentschrift, Absatz [0003]).

Fachmann ist ein mit der Entwicklung von entsprechenden Verstellbeschlägen befasster, berufserfahrener Dipl.-Ing. der Fachrichtung Maschinenbau.

Die verteidigten Patentansprüche 1 bis 8 sind formal zulässig, da sie sowohl in der Streitpatentschrift als auch in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen eine ausreichende Stütze finden (§ 22 Abs. 1; § 21 Abs. 1, Nr. 4 PatG). Die Zulässigkeit wurde im Übrigen auch nicht von der Einsprechenden bestritten.

Der Verstellbeschlag gemäß Anspruch 1 ist - wie sich den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit entnehmen lässt - neu (§ 3 PatG), denn keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften sind sämtliche in diesem Anspruch genannten Merkmale entnehmbar.

Der Verstellbeschlag gemäß Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Aus den Druckschriften D1 (siehe insbesondere die Fig. 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung) und D2 (siehe insbesondere die Fig. 1 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung) mögen die Merkmale der Merkmalsgruppen M1 bis M15 bekannt sein. Dies kann jedoch dahin stehen, da aus keiner der Druckschriften die Merkmale der Merkmalsgruppe M16 bekannt oder nahe gelegt sind.

Die Druckschrift D1 offenbart einen Verstellbeschlag, bei dem die Keilsegmente 24 zwischen einem Lagerring 25 des verstellbaren Beschlagteils (Gelenkteil 12) und dem Kragenzug 19 des festen Beschlagteils (Gelenkteil 11) angeordnet sind (siehe Fig. 2). Bei einer durch die Mitnehmerbuchse 21 (in D1 als Nabe bezeichnet) übertragenen Drehbewegung werden die Keilsegmente 24 nach Überwindung eines gewissen Leerweges durch das Mitnehmersegment 22 (in D1 als Mitnehmerarm bezeichnet) verstellt, um den Exzenterabschnitt zu verdrehen (siehe Spalte 4, Zeile 3 bis 35). Ein Reibmoment zwischen den Keilsegmenten 24 und dem Mitnehmer 20 oder einem Teil des Mitnehmers, d. h. dem Mitnehmersegment 22 oder der Mitnehmerbuchse 21 zur Verdrehung des Exzenterabschnittes gemäß Merkmalsgruppe M16 ist aus der Druckschrift D1 nicht bekannt. Es ergeben sich für den Fachmann auch keine entsprechenden Hinweise aus der Druckschrift D1, da sich die D1 mit der Bauteilreduzierung und Getriebeabdeckung und nicht mit der Ausschaltung von Totgang befasst (siehe Spalte 2, Zeilen 1 bis 20).

Die Druckschrift D2 offenbart einen Verstellbeschlag, bei dem die Keilsegmente 31, 32 zwischen einer Bohrung 30 im festen Beschlagteil (Gelenkhebel 13) und einem Mitnehmerring der Mitnehmerscheibe 27 angeordnet sind (siehe Fig. 4). Bei einer durch die Mitnehmerbuchse 22 (in D2 als Schwenkachsenabschnitt bezeichnet) übertragenen Drehbewegung werden die Keilsegmente 31, 32 nach Überwindung eines gewissen Leerweges durch das Mitnehmersegment 29 (in D2 als Mitnehmernasen der Mitnehmerscheibe 27 bezeichnet) verstellt, um den Exzenterabschnitt zu verdrehen (siehe Spalte 10, Zeile 60 bis Spalte 11, Zeile 8). Ein Reibmoment zwischen den Keilsegmenten 31, 32 und dem Mitnehmerring 27 zur Verdrehung des Exzenterabschnittes gemäß Merkmalsgruppe M16 ist aus der Druckschrift D2 nicht bekannt. Es ergeben sich für den Fachmann auch keine entsprechenden Hinweise aus der Druckschrift D2, da sich die D2 mit der Einstellung der Spielfreiheit zwischen den Bauteilen des Taumelgetriebes durch Kraftspeicher und nicht mit der Ausschaltung von Totgang befasst (siehe Spalte 4, Zeile 55 bis Spalte 5, Zeile 43 und auch Fig. 5 bis 7).

Die Druckschrift D3 geht hinsichtlich der Merkmale im Patentanspruch 1 nicht über den Inhalt der Druckschrift D1 hinaus und bringt auch sonst keine Hinweise zur Ausschaltung von Totgang bei Taumelgetrieben. Die Druckschrift D3 hat entsprechend auch in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt.

Durch die im Verfahren befindlichen Druckschriften und auch durch eine Zusammenschau der Druckschriften ist der Anspruchsgegenstand daher nicht nahe gelegt.

Die Unteransprüche 2 bis 8 haben Bestand, da gegen sie ebenfalls keine Einspruchsgründe vorliegen und auch nicht vorgebracht wurden.






BPatG:
Beschluss v. 10.05.2007
Az: 21 W (pat) 344/04


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