Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. September 2009
Aktenzeichen: 9 W (pat) 419/05

(BPatG: Beschluss v. 14.09.2009, Az.: 9 W (pat) 419/05)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten: -Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, -Patentansprüche 2 bis 6, -Beschreibung und Zeichnungen, jeweils gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das unter Inanspruchnahme der Priorität der französischen Voranmeldung 95 05 141 vom 28. April 1995 am 20. März 1996 angemeldete und am 14. Juli 2005 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Falzapparat mit einer Hauptfalzeinrichtung und einem zugeordneten Zusatzschneidemodul"

ist von der m... AG Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende ist der Meinung, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig.

Zum Stand der Technik macht sie eine offenkundige Vorbenutzung geltend. Im Rahmen von Angebotsverhandlungen bezüglich einer Rollenrotationsdruckmaschine habe am 23. September 1993 eine Besprechung bei einem Kunden stattgefunden, in welcher u. a. die Konfiguration des Punkturfalzwerks PFW 3J/1 anhand der Prinzipskizze K2 gezeigt und besprochen worden wäre. Das in dieser Skizze dargestellte Zusatzschneidemodul lege das streitpatentgemäß beanspruchte Zusatzschneidemodul zumindest nahe.

Zur Glaubhaftmachung der Behauptung, bei der Besprechung am 23. September 1993 sei Mitarbeitern der Kundin die Prinzipskizze K2 vorgelegt worden, hat die Einsprechende eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen B... vom 14. September 2005 vorgelegt. Beide Beteiligte haben sich mit der Verwertung der eidesstattlichen Versicherung zu Beweiszwecken einverstanden erklärt.

Des Weiteren hat sie hierzu vorgelegt:

-Hausbrief/Aktennotiz vom 24. September 1993 als Protokoll der Besprechung vom 23. September 1993 (Anlage K1) -Prinzipskizze eines Punkturfalzwerks PFW 3J/1 (Anlage K2) -Angebot Nr. 23 269 über eine Rollenrotationsdruckmaschine fürden wasserlosen Offsetdruck Typ ROTOMAN in Parterrebauart vom 28. Januar 1994 (Anlage K3) -vergrößerte Kopie eines Ausschnitts aus der Prinzipskizze des Punkturfalzwerks (Anlage K4).

Über den Inhalt der Angebotsverhandlungen habe weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Geheimhaltungsverpflichtung bestanden. Technische Sachverhalte, deren freie Benutzung durch Dritte sie unterbinden wolle, führe sie grundsätzlich vor Weitergabe an Außenstehende dem Patentschutz zu. Dies zeige sich am Beispiel der von o. g. Angebot umfassten Druckmaschine für den wasserlosen Offsetdruck, was durch folgende Patentbzw. Gebrauchsmusterdokumente belegt sei:

-EP 0 480 230 B1 -DE 42 02 544 A1 -DE 93 14 968 U1 -DE 93 14 967 U1.

In der mündlichen Verhandlung hat sie zur Glaubhaftmachung ihrer Behauptung, es sei mit der Kundin keine Geheimhaltung vereinbart worden, eine weitere eidesstattliche Versicherung des Zeugen B... vom 14. September 2009 vorgelegt. Auch mit der Verwertung dieser eidesstattlichen Versicherung zu Beweiszwecken haben sich beide Beteiligte einverstanden erklärt.

Zum Stand der Technik verweist die Einsprechende weiter auf folgende Druckschriften bzw. Fachliteratur -FR 2 575 701 A1

-Walenski, W.: "Der Rollen-Offsetdruck", Fachschriften-Verlag GmbH & Co. KG, 1. Auflage 1995, Seiten 204, 205, (im Folgenden bezeichnet mit "Rollen-Offsetdruck")

-Braun, A.: "Atlas des Zeitungsund Illustrationsdruckes", Polygraph Verlag GmbH, Auflage 1960, Seiten 65 bis 99, (im Folgenden bezeichnet mit "Atlas")

-Frei, O.: "Rollenoffset -Techniken Systeme Maschinen", Polygraph Verlag GmbH, © 1979, Seiten 41 bis 57, (im Folgenden bezeichnet mit "Rollenoffset-Techniken")

-GB-PS 339 480,

-JP 57-151 565 A mit Patent Abstracts of Japan, -JP 61-023 078 A mit Patent Abstracts of Japan.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten: -Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, -Patentansprüche 2 bis 6, -Beschreibung und Zeichnungen, jeweils gemäß Patentschrift.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"1. Falzapparat (11) mit einer Hauptfalzeinrichtung (12) und einem zugeordneten Zusatzschneidemodul (46), das dazu bestimmt ist, mindestens eine längsgefalzte Teilbahn (4, 5), die aus einer von einer Rotationsdruckmaschine kommenden Bahn stammt, in Exemplare zu zerschneiden, dadurch gekennzeichnet, dass das Zusatzschneidemodul (46) derart angeordnet ist, dass die Teilbahn(en) (4, 5) zwischen seinem Eingang und seinem Ausgang entlang einem geradlinigen Weg laufen, dass das besagte Zusatzschneidemodul (46) auf beiden Seiten der durchlaufenden Teilbahn(en) (4, 5) einen zwei winklig versetzte Schneidmesser (47) aufweisenden Schneidzylinder (33.1) und einen Gegenschneidzylinder (33.2) aufweist, die derart zusammenzuwirken, dass zwei aufeinanderfolgende Schneidevorgänge während einer Umdrehung der Zylinder durchführbar sind, dass die Hauptfalzeinrichtung (12) einen ersten Falztrichter (9) und das Zusatzschneidemodul (46) einen zweiten Falztrichter (8) aufweist, dass der erste Falztrichter (9) zum zweiten Falztrichter (8) in der Weise beweglich ist, dass die beiden gefalzten Teilbahnen (4, 5) so aufeinander legbar sind, dass sie zur Erzeugung von Fertigerzeugnissen mit vier mal vier Seiten fluchtend und zur Erzeugung von Fertigerzeugnissen mit zwei mal vier Seiten leicht gegeneinander versetzt sind."

Diesem Patentanspruch 1 schließen sich rückbezogen die Patentansprüche 2 bis 6 in der erteilten Fassung an.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass die von der Einsprechenden geltend gemachte Vorbenutzung nicht offenkundig geworden sei. In der von der Einsprechenden geschilderten Angebotsphase müsse zwischen der Einsprechenden und ihrem Kunden eine zumindest stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung bestanden haben. Dies ergebe sich auch aus folgenden Veröffentlichungen:

-Presseinformation der MAN Roland Druckmaschinen AG "presseinfo" No 01/07-1/2, Augsburg, 2007-01-04 -Internetauftritt der Fa. AVD Goldach Seite "Drucken: News", 15. März 2007

-Internetauftritt der Fa. AVD Goldach Seite "Unternehmen -Geschichte", 24.04.08.

Davon abgesehen stehe das Zusatzschneidemodul nach der behaupteten Vorbenutzung der Patentfähigkeit des streitpatentgemäß beanspruchten Falzapparats aber auch nicht entgegen.

Ebenso wenig könne der druckschriftliche Stand der Technik dem Gegenstand des Streitpatents die Patentfähigkeit nehmen.

Im Prüfungsverfahren war über den o. a. Stand der Technik hinaus noch die DE-AS 1 905 632 berücksichtigt worden.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs. 3 Satz 1 a. F. begründet.

1.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat teilweise Erfolg durch eine Beschränkung des Patents.

2.

Das Patent betrifft einen Falzapparat mit einer Hauptfalzeinrichtung und einem zugeordneten Zusatzschneidemodul.

Im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ist der Stand der Technik nach der FR 2 575 701 A1 berücksichtigt. Bei dem Falzapparat gemäß der FR 2 575 701 A1 ist ein Zusatzschneidemodul so angeordnet, dass die Teilbahnen zwischen seinem Eingang und Ausgang entlang einem S-förmigen Weg verlaufen. In der ersten Biegung des S-förmigen Weges werden die Teilbahnen von einer Transportbandeinrichtung in Anlage an einen Gegenschneidezylinder gehalten. Zwei entsprechend dem S-förmigen Weg auf Höhe der ersten Biegung nacheinander angeordnete Schneidzylinder sind mit jeweils einem Schneidmesser versehen und wirken mit dem zwei Gegenschneidelemente enthaltenden Gegenschneidezylinder zusammen. Die Schneidzylinder haben gegenüber dem Gegenschneidezylinder den halben Durchmesser.

Gemäß Streitpatentschrift ist dieses Zusatzschneidemodul mit Nachteilen behaftet. Der Hauptnachteil sei der von den Teilbahnen zu durchlaufende S-förmige Weg, der lang und kompliziert sei und zum Halten der Teilbahnen zwischen den beiden Schneidzylindern mindestens eine Transportbandeinrichtung erfordere. Die Leistung dieses Schneidemoduls sei wegen der Spezialanordnung reduziert und begrenzt (Absätze 0003, 0004).

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht deshalb darin (Absatz 0006), die Produktionskapazität des Falzapparates und insbesondere des zugeordneten Zusatzschneidemoduls zu vergrößern.

Dieses Problem soll durch den Falzapparat mit den im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst werden.

3. Das geltende Patentbegehren ist zulässig.

Patentanspruch 1 ergibt sich aus einer Zusammenfassung der Merkmale nach dem ursprünglichen Patentanspruch 1 mit Angaben aus der ursprünglichen Beschreibung (Seite 4, Zeilen 12 bis 16 und 33 bis 36; Seite 5, Zeilen 1 bis 11; Seite 9, Zeilen 19 bis 28). Die Merkmale nach den Unteransprüchen 2 bis 6 finden sich in den ursprünglichen Unteransprüchen 2 bis 6.

Die Streitpatentschrift offenbart den Falzapparat nach dem geltenden Patentanspruch 1 durch den erteilten Patentanspruch 1 in Verbindung mit den Angaben gemäß den Absätzen 0025, 0026 und 0046, 0047. Die Patentansprüche 2 bis 6 stimmen mit den erteilten Patentansprüchen 2 bis 6 überein.

Der geltende Patentanspruch 1 konkretisiert gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 die zuvor mögliche beliebige Relativbeweglichkeit der beiden Falztrichter zu einer Beweglichkeit des ersten Falztrichters und die zuvor mögliche gegenseitige beliebig weite (und damit auch geringe) Versetzbarkeit der Falztrichter zu einer Versetzbarkeit zur Erzeugung von Fertigerzeugnissen mit zwei mal vier Seiten. Sein Gegenstand ist somit gegenüber dem des erteilten Patentanspruchs 1 beschränkt.

4. Zum entgegengehaltenen Stand der Technik 4.1. Die behauptete Vorbenutzung ist nicht hinreichend nachgewiesen. Die Einsprechende hat behauptet, dass die Prinzipskizze (Anlage K2) des Punkturfalzwerks PFW 3J/1, in der u. a. ein Zusatzschneidemodul dargestellt ist, den Herren B1... und A... der Firma A1... in einer Besprechung in A2...... am 23. September 1993 als Präsentationsfolie gezeigt und erläutert worden sei. Dies konnte sie jedoch nicht nachweisen.

Denn weder der vorgelegte Hausbrief/Aktennotiz (Anlage K1) noch das Angebot vom 28. Januar 1994 (Anlage K3) nimmt auf diese Prinzipskizze Bezug, und der behauptete Sachverhalt wird auch durch die eidesstattliche Versicherung des Herrn B... vom 14. September 2005, mit deren Verwertung zu Beweiszwecken beide Beteiligte sich einverstanden erklärt haben, nicht belegt: abgesehen davon, dass nach dieser eidesstattlichen Versicherung die Besprechung vom 23. September 1993 nicht in A2..., sondern in G... stattfand, ist dort lediglich versichert, dass "im Rahmen der Besprechungen und Verkaufsverhandlungen" den Herren B1... und A... Präsentationsfolien gezeigt worden seien, darunter die Darstellung der Anlage K2, und dass dies vor der Zusendung des Angebots vom 28. Januar 1994 (Anlage K3) an die Fa. A1... geschah. Der Zeuge B... hat in seiner eidesstattlichen Versicherung mithin den Vortrag der Einsprechenden zur offenkundigen Vorbenutzung gerade nicht bestätigt.

Nach den Angaben des Vertreters der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge B... eigene Aufzeichnungen und die Aktennotiz vom 24. September 1993 als Grundlage für seine eidesstattliche Versicherung benutzt. Gleichwohl enthält die eidesstattliche Versicherung vom 14. September 2005 keine Angaben dazu, wer den beiden Mitarbeitern der Fa. A1... wann konkret die Prinzipskizze K2 gezeigt hat.

Nach alledem ist für die Annahme einer offenkundigen Vorbenutzung schon nicht hinreichend dargelegt, wann wer wem die Prinzipskizze K2 vorgelegt und erläutert hat, ganz abgesehen davon, dass nicht aus den Unterlagen hervorgeht, ob bei der behaupteten Vorlage der Skizze des Punkturfalzwerks PFW 3J/1 (Anlage K2) das lediglich schematisch erkennbare Zusatzschneidemodul überhaupt angesprochen wurde und wenn ja, ob dabei auch diejenigen Merkmale desselben in den Blickpunkt gestellt wurden, die nunmehr dem Gegenstand des Streitpatents entgegenstehen könnten. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die konkrete Ausgestaltung des Zusatzschneidemoduls thematisiert wurde und z. B. der in diesem Fall nur aus der Skizze entnehmbare geradlinige Verlauf der Bahn zwischen Eintritt und Austritt des Zusatzschneidemoduls überhaupt beachtet wurde.

Vorliegend kann daher die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht als Stand der Technik berücksichtigt werden.

4.2 Das Veröffentlichungsdatum von "Rollen-Offsetdruck" konnte nicht festgestellt werden.

Das Streitpatent nimmt die Priorität der französischen Voranmeldung vom 28. April 1995 in Anspruch. In besagtem Fachbuch findet sich als Datumsangabe lediglich das Erscheinungsjahr der Auflage ("1. Auflage 1995") sowie die Jahresangabe für das Copyright ("© 1995"). Eine Veröffentlichung vor dem Prioritätsdatum 28. April 1995 lässt sich hieraus nicht ableiten. Nachforschungen der Parteien wie auch des Senats hierzu sind erfolglos geblieben. Demnach kann diese Fachveröffentlichung vorliegend ebenfalls nicht als Stand der Technik berücksichtigt werden.

4.3 Die übrigen in Prüfungsund Einspruchsverfahren in Betracht gezogenen Dokumente sind vorveröffentlicht und demnach zu berücksichtigender Stand der Technik.

5.

Zur Patentfähigkeit des geltenden Patentanspruchs 1 5.1 Der zweifellos gewerblich anwendbare Falzapparat nach Patentanspruch 1 ist neu. Aus keiner der zu berücksichtigenden Druckschriften bzw. Fachveröffentlichungen ist ein Falzapparat mit sämtlichen in Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen bekannt. Insbesondere zeigt keines dieser Dokumente einen Falzapparat mit einer Hauptfalzeinrichtung und einem Zusatzschneidemodul, wobei der Falztrichter der Hauptfalzeinrichtung zur Erzeugung von "2x4"-Produkten gegenüber dem Falztrichter des Zusatzschneidemoduls versetzbar ist, das Zusatzschneidemodul einen geradlinigen Bahnverlauf zwischen seinem Eintritt und Austritt aufweist und sowohl Schneidzylinder als auch Gegenschneidzylinder zwei aufeinanderfolgende Schneidvorgänge während einer Umdrehung ausführen.

5.2 Der Falzapparat nach Patentanspruch 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit. Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Druckmaschinenhersteller oder -zulieferer mit der Entwicklung von Falzapparaten befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist der erteilte Patentanspruch 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:

1.0 Falzapparat (11), 1.1 der Falzapparat (11) weist eine Hauptfalzeinrichtung (12) auf, 1.2 der Falzapparat (11) weist ein der Hauptfalzeinrichtung (12) zugeordnetes Zusatzschneidemodul (46) auf, 2.

das Zusatzschneidemodul (46) ist dazu bestimmt, mindestens eine längsgefalzte Teilbahn (4, 5) in Exemplare zu zerschneiden, 3.

die Teilbahn (4, 5) stammt aus einer von einer Rotationsdruckmaschine kommenden Bahn,

-Oberbegriff 4.1 das Zusatzschneidemodul (46) ist derart angeordnet, dass die Teilbahn(en) (4, 5) zwischen seinem Eingang (30) und seinem Ausgang (33) entlang einem geradlinigen Weg laufen, 4.2 das Zusatzschneidemodul (46) weist auf beiden Seiten der durchlaufenden Teilbahn(en) (4 ,5) einen Schneidzylinder (33.1) und einen Gegenschneidzylinder (33.2) auf, 5.1 der Schneidzylinder (33.1) weist zwei winklig versetzte Schneidmesser (47) auf, 5.2 die Zylinder (33.1, 33.2) wirken derart zusammen, dass zwei aufeinanderfolgende Schneidevorgänge während einer Umdrehung der Zylinder (33.1, 33.2) durchführbar sind, 6.

die Hauptfalzeinrichtung (12) weist einen ersten Falztrichter (9) auf, 7.

das Zusatzschneidemodul (46) weist einen zweiten Falztrichter (8) auf, 8.1 der erste Falztrichter (9) ist zum zweiten Falztrichter (8) beweglich, 8.2 in der Weise, dass die beiden gefalzten Teilbahnen (4, 5) so aufeinanderlegbar sind, dass sie zur Erzeugung von Fertigerzeugnissen mit vier mal vier Seiten fluchtend sind, 8.3 und in der Weise, dass die beiden gefalzten Teilbahnen (4, 5) so aufeinanderlegbar sind, dass sie zur Erzeugung von Fertigerzeugnissen mit zwei mal vier Seiten leicht gegeneinander versetzt sind.

-Kennzeichen -

Ein Falzapparat mit den im Oberbegriff angegebenen Merkmalen 1 bis 3 ist unstreitig aus der FR 2 575 701 A1 bekannt. Es ist eine Hauptfalzeinrichtung 1 sowie ein dieser zugeordnetes Zusatzschneidemodul 2 vorhanden (Merkmale 1.0 bis 1.3), welches mindestens eine längsgefalzte, aus einer von einer Rotationsdruckmaschine kommenden Bahn 5 stammende Teilbahn 9, 10 in Exemplare zerschneidet (Seite 1, Zeilen 1 bis 5; Merkmale 2, 3).

Über diese gattungsbildende Ausgestaltung hinaus weist die Hauptfalzeinrichtung 1 einen ersten Falztrichter 3 auf sowie einen dem Zusatzschneidemodul 2 zugeordneten zweiten Falztrichter 4 (vgl. hier wiedergegebene Figur 1). Zum Schneiden der Exemplare sind zwei Schneidzylinder 22, 24 halben Durchmessers sowie ein Gegenschneidzylinder 18 einfachen Durchmessers vorgesehen. Die Schneidzylinder 22, 24 weisen jeweils ein Messer 21, 23 an ihrem Umfang auf (Seite 5, Zeile 23 bis Seite 6, Zeile 3; vgl. auch Figur 3). Um die Bahn über die zwischen den Kontaktstellen der Schneidzylinder mit dem Gegenschneidzylinder liegende Umfangslänge des Gegenschneidzylinders zur Erzielung eines positionsgenauen Schnitts zu führen, ist eine Transportbandeinrichtung 25 vorgesehen. Der Bahnverlauf zwischen Eingang und Ausgang des Zusatzschneidemoduls ist wegen der Anlage der Bahn 9, 10 an die Mantelfläche des Gegenschneidzylinders 18 zwangsläufig gekrümmt.

Mit diesem Falzapparat sind Fertigerzeugnisse mit zwei mal acht, vier mal vier und zwei mal vier Seiten erzeugbar. Dies folgt aus der Möglichkeit des Zusammenführens der Teilbahnen 9 und 10 sowohl miteinander fluchtend (deckungsgleich) als auch gegeneinander versetzt (Seite 5, Zeilen 6 bis 13) i. V. m. mit der Ausgestaltung der Schneidzylinder 22, 24 halben Durchmessers mit jeweils einem Messer 21, 23 am Umfang. Dabei sind bei der "2x4"-Produktion die Bahnen so weit gegeneinander versetzt, dass sie ohne gegenseitige Berührung nebeneinander liegen (vgl. Figur 4).

Um eine Umstellung von fluchtender zu versetzter Bahnführung zu ermöglichen, müssen die beiden Falztrichter 3, 4 zwangsläufig relativ zueinander verstellbar sein. Denn die jeweilige Position der Teilbahn in Achsrichtung der Schneidzylinder wird bestimmt durch die Lage des die Teilbahn falzenden Falztrichters. Demnach ist bei dem vorbekannten Falzapparat auch die Ausgestaltung nach den Merkmalen 6 bis 8.2 verwirklicht und nach Merkmal 8.3 nur insoweit, als ein Versatz der Teilbahnen für eine "2x4"-Produktion als solcher erzeugbar ist.

Der gekrümmte Bahnverlauf innerhalb des Zusatzschneidemoduls bedingt eine aufwendige Zwangsführung der Bahn (Transportbandeinrichtung) mit hoher Spannung derselben, um ein die Bahn in der zum Schneiden erforderlichen Positionsgenauigkeit zu führen. Dies kann sich zudem nachteilig auf die Leistung auswirken. Um diese Nachteile zu beheben, ist beim Gegenstand des Streitpatents das Zusatzschneidemodul so angeordnet und ausgebildet, dass ein geradliniger Bahnverlauf gegeben ist. Denn dadurch ist ein Andrücken der Bahn an die Mantelfläche des Gegenschneidzylinders nicht mehr nötig und eine Transportbandeinrichtung demnach überflüssig. Realisiert worden ist dies durch den Verzicht auf einen zweiten Schneidzylinder am Gegenschneidzylinder. Die Kontaktstellen der Rollenbzw. Zylinderpaare sowie der Übernahmeorgane der Auslegeeinrichtung sind dabei untereinander fluchtend angeordnet, und der verbleibende Schneidzylinder ist mit einem über die Bahnbreite durchgehenden Messer versehen.

Zu diesen Weiterbildungen sind der FR 2 575 701 A1 keine Anregungen zu entnehmen.

Unterstellt man trotzdem zugunsten der Einsprechenden, dass der von der FR 2 575 701 A1 ausgehende Fachmann diese Weiterbildungen im Rahmen seines für ihn typischen Fachverständnisses vornimmt (vgl. Streitpatentschrift Absatz 0003), so käme er zu einem Schneidzylinderpaar mit einem gegenüber dem Gegenschneidzylinder halbgroßen Schneidzylinder mit einem einzigen sich über die gesamte Bahnbreite erstreckenden Messer. Damit wäre das Ziel der geradlinigen Bahnführung und der Wegfall einer Transportbandeinrichtung erreicht, die Aufgabe somit gelöst. Ein Anlass zu einer weiteren Abänderung der aus der FR 2 575 701 A1 bekannten Anordnung bestünde demnach nicht mehr.

Die streitpatentgemäße Ausgestaltung wäre damit jedoch nicht gegeben. Denn der Schneidzylinder hat bei dieser zum Einen gleichen Durchmesser wie der Gegenschneidzylinder (zwei aufeinanderfolgende Schneidvorgänge während einer Umdrehung der (also beider) Zylinder) und weist zum Anderen zwei Schneidmesser am Umfang auf. Die Merkmale 5.1 und 5.2 wären demnach nicht verwirklicht. Ebenfalls nicht verwirklicht wäre das Merkmal 8.3 im Hinblick auf die aufeinanderliegenden Teilbahnen bei gegenseitigem Versatz. Bei der Anordnung nach der FR 2 575 701 A1 liegen dagegen die Bahnen bei der "2x4"-Produktion mit Abstand nebeneinander (s. o.).

Im Ergebnis zeigt sich, dass der von dem Falzapparat nach der FR 2 575 701 A1 ausgehende Fachmann zwar möglicherweise zu einer Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe hat kommen können, nicht jedoch zu der Lösung der streitpatentgemäßen Art.

Zwar trifft zu, dass -wie die Einsprechende ausführt -die Verwendung von Schneidzylindern mit zwei Schneidmessern seit langem gang und gäbe ist. Sie verweist dazu auf "Atlas". Dort ist u. a. in der hier wiedergegebenen Abbildung 82 ein Klappenfalzapparat dargestellt, dessen Schneidzylinder an seinem Umfang zwei Schneidmesser aufweist und gleichen Durchmesser wie der Nutzylinder hat. Davon abgesehen, dass bei dieser Anordnung offenbar nur ein Bahnstrang verarbeitet wird und der Versatz von Teilbahnen nicht in Rede steht, hat der Fachmann keinen Anlass, zusätzlich zu der oben geschilderten Abänderung des Falzapparates nach der FR 2 575 701 A1 auch noch einen Schneidzylinder mit zwei Messern am Umfang und gleichgroßem Durchmesser wie der Gegenschneidzylinder vorzusehen. Denn mit der geschilderten Abänderung ist -wie oben im Einzelnen dargelegt -die Aufgabe bereits gelöst.

Mit einer weiteren von der Einsprechenden entgegengehaltenen Anordnung nach Abbildung 95 in "Atlas" kommt der Fachmann der streitpatentgemäßen Lösung nicht näher als mit der FR 2 575 701 A1. Bei dieser weiteren Anordnung ist nämlich ebenfalls ein gegenüber dem Nutzylinder halben Durchmesser aufweisender Schneidzylinder vorgesehen, der sich -wie oben dargelegt -dem Fachmann bereits ausgehend von dem Falzapparat nach der FR 2 575 701 A1 naheliegend ergebenmag.

Auch die übrigen zu berücksichtigenden Dokumente führen nicht zu der Ausgestaltung nach dem streitpatentgemäßen Patentanspruch 1.

So zeigt die GB-PS 339 480 zwei Falztrichter 13 (vgl. hier wiedergegebene Figur 3), die aufeinander zu und voneinander weg bewegbar sind. Die Verschieberichtung ist dabei nicht die Laufrichtung der Bahn, sondern quer dazu. Diese Verschiebung wird zur Anpassung an unterschiedliche Bahnbreiten benötigt. Mit dieser Art der Verschiebbarkeit ist nur ein deckungsgleiches Zusammenführen der Teilbahnen in der Querfalzeinrichtung 36 möglich, ein gegenseitiger Versatz der Teilbahnen ist nicht erzeugbar (Seite 2, Zeilen 50 bis 53, 93 bis 99).

Gemäß der JP 57-151 565 A ist zwar ein gegenseitiger Versatz der Teilbahnen erzeugbar. Allerdings liegen auch hier die Teilbahnen wie bei der FR 2 575 701 A1 mit Abstand nebeneinander. Zur Erzeugung dieses Versatzes ist zusätzlich zu zwei nebeneinander liegenden Falztrichtern 8, 9 für deckungsgleiches Aufeinanderlegen der Teilbahnen ein dritter Falztrichter 10 vorgesehen, der in Bahnlaufrichtung stromaufwärts der beiden anderen Falztrichter angeordnet ist (vgl. hier wiedergegebene Figur 2). Für einen gegenseitigen Versatz der Teilbahnen wird der eine der beiden nebeneinander liegenden Falztrichter in eine Außerbetriebsstellung verschoben und die diesem an sich zugeordnete Teilbahn stattdessen über den zusätzlichen Faltrichter 10 geführt. Davon abgesehen, dass diese Lösung drei statt zwei Faltrichter benötigt, ist auch eine Verschiebbarkeit eines Falztrichters im Sinne der Merkmale 8.2 und 8.3 nicht gegeben.

Auch bei der Lösung gemäß der JP 61-023 078 A sind drei Falztrichter vorhanden

(vgl. hier wiedergegebene Figuren 3, 4). Bei diesem Falzapparat sind für Bahnen unterschiedlicher Breite zwei Falztrichter 23 kleiner Breite sowie ein Falztrichter 17 großer Breite vorgesehen. In einer ersten Betriebsart sind die beiden Falztrichter 23 kleiner Breite in eine Außerbetriebsstellung gestellt, undder Falztrichter 17 großer Breite befindet sich in Betriebsstellung. In einer zweiten Betriebsart sind der Falztrichter 17 großer Breite in eine Außerbetriebsstellung und die beiden Falztrichter 17 kleiner Breite in Betriebsstellung nebeneinander gestellt zur deckungsgleichen Zusammenführung zweier Teilbahnen. Ein gegenseitiger Versatz der beiden Teilbahnen ist damit nicht erzeugbar.

"Rollenoffset -Techniken" zeigt wie "Atlas" grundlegende Anordnungsund Gestaltungsprinzipien von Falzeinrichtungen und geht in diesem Zusammenhang über das aus "Atlas" Entnehmbare nicht hinaus.

Die im Prüfungsverfahren in Betracht gezogene, von der Einsprechenden nicht aufgegriffene DE-AS 1 905 632 zeigt einen Räderfalzapparat mit zwei Falztrichtern für zwei Teilbahnen und gegenüber den Nutzylindern halbgroßen Schneidzylindern mit zwei Schneidmessern. Ein gegenseitiger Versatz der Teilbahnen ist nicht angesprochen.

Noch weiter ab liegt die von der Einsprechenden ebenfalls nicht aufgegriffene Anordnung gemäß Abbildung 103 aus "Atlas". Hier ist der mit dem Gegenschneidzylinder gleichgroße Schneidzylinder mit nur einem Schneidmesser am Umfang versehen und ein Versatz der Teilbahnen ebenfalls nicht vorgesehen.

Aus alledem folgt, dass der Fachmann mit den im zu berücksichtigenden Stand der Technik auffindbaren Falzapparat-Ausgestaltungen nicht auf naheliegende Weise zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 hat kommen können.

Der Falzapparat nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist daher patentfähig.

6. Von Patentanspruch 1 getragen werden die Unteransprüche 2 bis 6, die zweckmäßige Weiterbildungen des Falzapparats nach Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine Selbstverständlichkeiten enthalten.

Pontzen Bülskämper Friehe Reinhardt Pü






BPatG:
Beschluss v. 14.09.2009
Az: 9 W (pat) 419/05


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