Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2000
Aktenzeichen: 26 W (pat) 111/99

(BPatG: Beschluss v. 26.04.2000, Az.: 26 W (pat) 111/99)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden 1 wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Februar 1999 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 397 05 706.7 hinsichtlich der Waren "Rohtabak und Tabakfabrikate" der angegriffenen Marke zurückgewiesen worden ist.

2. Die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 397 30 745.4 wird im Umfang der Waren "Rohtabak und Tabakfabrikate" wegen des Widerspruchs aus der Marke 397 05 706.7 angeordnet.

3. Im übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden 1 zurückgewiesen.

4. Die Beschwerde der Widersprechenden 2 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke 397 30 745.4

"RED"

ist für die Waren der Klasse 34

"Rohtabak und Tabakfabrikate; Raucherartikel, nämlich Tabakdosen, Zigarren- und Zigarettenspitzen, -etuis, Aschenbecher (sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetall oder damit plattiert), Pfeifenständer, -reiniger, -bestecke, Zigarrenabschneider, Tabakpfeifen, -beutel, Feuerzeuge, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Zigarettenpapier, Zigarettenfilter, Zigarettenhülsen, Feuchthalter für Tabakwaren; Streichhölzer"

eingetragen.

Hiergegen hat die Widersprechende 1 Widerspruch erhoben aus ihrer Marke 2 104 572

"REX", die für die Waren

"Tabakerzeugnisse (ausgenommen Zigarren), insbesondere Zigaretten; Zigarettenpapier", eingetragen ist, sowie aus der Marke 394 02 667.5

"Red Seal", die für die Waren

"Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Zigaretten; Raucherartikel, soweit in Klasse 34 enthalten; Streichhölzer", eingetragen ist, und aus der Marke 397 05 706.7

"red lights", die für die Waren

"Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten; Raucherartikel soweit in Klasse 34 enthalten; Streichhölzer"

eingetragen ist.

Die Widersprechende 2 hat Widerspruch erhoben aus der Marke 600 644

"Red Rock", die für die Waren

"Rohtabak, Tabakfabrikate, Zigarettenpapier"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es stünden sich zwar zumindest teilweise identische Waren gegenüber, jedoch bestehe auch unter diesen Umständen zwischen den Vergleichszeichen keine Verwechslungsgefahr. Die Markenwörter "RED" und "REX" unterschieden sich wegen der Unterschiede in den Endbuchstaben sowohl klanglich als auch schriftbildlich markant. Diese Unterschiede würden durch die abweichenden Sinngehalte gestützt. Die übrigen Widerspruchsmarken unterschieden sich in unmittelbarer Hinsicht in ihren Längen hinreichend von der angegriffenen Marke. Sie würden zudem nicht auf ihre jeweils ersten Bestandteile verkürzt werden , weil dem Bestandteil "red" keine derart prägende Wirkung zukomme, daß die übrigen Bestandteile damit in den Hintergrund träten. Vielmehr entstünden Gesamtbegriffe. Die Gefahr einer mittelbaren Verwechslung bestehe ebenfalls nicht, da es sich bei dem Wort "red" nicht um einen eigenständigen betrieblichen Hinweis handle.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Widersprechende 1 sowie die Widersprechende 2 jeweils mit der Beschwerde.

Die Widersprechende 1 hält angesichts größtenteils identischer Waren und billiger Massenkonsumartikel trotz der Kürze der Vergleichszeichen wegen häufig schlechter Übermittlungsbedingungen eine klangliche und schriftbildliche Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke "RED" und der Widerspruchsmarke 2 104 572 "REX" für gegeben. Der in der weiteren Widerspruchsmarke 397 05 706.7 "red lights" enthaltene Zeichenteil "lights" sei auf dem vorliegenden Warensektor eine rein beschreibende Beschaffenheitsangabe, die zudem, wie es in der Tabakbranche üblich sei, dem eigentlichen Markennamen nachgestellt sei. Damit werde die Widerspruchsmarke "red lights" nicht als Gesamtbegriff gesehen und dem Bestandteil "red" der Widerspruchsmarke komme die allein kollisionsbegründende Wirkung zu. Auch bei der Widerspruchsmarke 394 02 667.5 "Red Seal" sei mit einer Verkürzung auf den Bestandteil "Red" zu rechnen. Das Wort "Seal" gehöre nicht zum Grundwortschatz der englischen Sprache und sei außerdem mehrdeutig. "Red" sei bereits aufgrund seiner räumlichen Stellung als eigentlicher Betriebshinweis prädestiniert. Damit sei "Red Seal" auch kein Gesamtbegriff.

Die Widersprechende 2 hält eine Verwechslungsgefahr für gegeben, weil der Zeichenbestandteil "Red" in der Widerspruchsmarke 600 644 "Red Rock" eine mindestens den Gesamteindruck mitprägende Wirkung habe und überdies am Zeichenanfang stehe. Außerdem seien nicht nur ähnliche, sondern identische Waren zu beurteilen. Die Vergleichszeichen würden auch gedanklich miteinander in Verbindung gebracht.

Die Widersprechenden 1 und 2 beantragen sinngemäß, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Februar 1999 aufzuheben und die Übereinstimmung der angegriffenen Marke mit den Widerspruchsmarken festzustellen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerden der Widersprechenden 1 und 2 zurückzuweisen.

Sie hält die Zeichen "RED" und "REX" wegen des deutlichen Unterschieds in den Endkonsonanten nicht für verwechselbar. Die Widerspruchsmarke "Red Seal" bilde ebenso wie die Widerspruchsmarke "Red Rock" einen Gesamtbegriff, bei dem das Wort "Red" adjektivisch verwendet werde. Auch die Widerspruchsmarke "red lights" werde von beiden Wörtern gleichermaßen geprägt und stelle außerdem einen Gesamtbegriff dar, bei dem das Wort "red" ebenfalls adjektivisch gebraucht werde. Eine Verwechslungsgefahr bestehe deshalb auch insoweit nicht.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden 1 hat teilweise Erfolg. Der Senat erachtet eine Gefahr von Verwechslungen zwischen der angegriffenen Marke 397 30 745.4 "RED" und der Widerspruchsmarke 397 05 706.7 "red lights" im Umfang der Waren "Rohtabak und Tabakfabrikate" der angegriffenen Marke gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG für gegeben.

Bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist der Grad der Ähnlichkeit der Waren und Marken sowie der Grad der Kennzeichnungskraft der älteren Marke zu berücksichtigen, wobei diese einzelnen Gesichtspunkte zueinander in Beziehung zu setzen sind und in jeweils unterschiedlicher Gewichtung zusammenwirken (BGH GRUR 1995, 216, 219 - Oxygenol II). Die Waren "Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten" der Widerspruchsmarke 397 05 706.7 "red lights" und die Waren "Rohtabak und Tabakfabrikate" der angegriffenen Marke sind weitgehend gleich, bzw äußerst ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liegt mangels anderer Anhaltspunkte im mittleren Bereich. Dann aber sind an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand strenge Anforderungen zu stellen, die sie im genannten Umfang nicht einhält.

Zwar ist der Inhaberin der angegriffenen Marke insoweit zuzustimmen, als sich die Vergleichsmarken bei einer Gegenüberstellung in ihrer Gesamtheit (BGH GRUR 1996, 198, 199 - Springende Raubkatze; EuGH GRUR Int 1998, 56 - Springende Raubkatze II) nicht verwechselbar nahe kommen. In ihrer Gesamtheit nämlich unterscheiden sie sich sowohl in klanglicher wie auch in schriftbildlicher Hinsicht aufgrund ihrer unterschiedlichen Längen hinreichend.

Die Gefahr von Verwechslungen zwischen den beiden Marken "RED" und "red lights" ist jedoch deshalb anzunehmen, weil dem Bestandteil "red" in der Widerspruchsmarke die allein prägende Stellung zukommt. Bestehen nämlich die sich gegenübertretenden Zeichen jeweils aus mehreren Bestandteilen und stimmen sie - wie im vorliegenden Fall - nur in einem dieser Bestandteile in verwechslungsfähiger Weise überein, so kann dem Gesamteindruck nach gleichwohl eine Verwechslungsgefahr anzunehmen sein, wenn der betreffende Bestandteil im Verhältnis zu den weiteren Bestandteilen in dem Gesamtzeichen eine selbständige und kennzeichnende Stellung innehat. Als solchermaßen prägend ist ein Bestandteil dann zu erachten, wenn der Verkehr den weiteren Markenbestandteilen daneben keinen besonderen Hinweis auf die Betriebsstätte der mit dem Gesamtzeichen versehenen Waren entnimmt (BGH GRUR 1976, 353, 354 - COLORBOY; 1991, 190, 191 - HURRICANE).

Dem auf dem Gebiet der Tabakwaren für die angesprochenen Verkehrskreise ersichtlich beschreibenden Zeichenbestandteil "lights" wird der Verkehr aber keinen solchen besonderen Hinweis auf die Betriebsstätte entnehmen. Der Begriff "lights" stellt nämlich - auch in der Pluralform - bei Tabakwaren und Tabakerzeugnissen lediglich einen Hinweis darauf dar, daß es sich bei den so gekennzeichneten Waren um "leichte" Erzeugnisse handelt, die einen verminderten Nikotin- und Kondensat-(Teer-)gehalt haben. Aufgrund der großen Anzahl der auf dem betreffenden Warengebiet bereits angebotenen entsprechenden "Light(s)" - Produkte und der Geläufigkeit dieses Begriffs besteht kein Anlaß mehr für die Annahme, der Verkehr werde ihm eine kennzeichnende Bedeutung entnehmen oder ihn zusammen mit dem weiteren Markenbestandteil "red" als Gesamtbegriff verstehen. Ist damit in der Widerspruchsmarke der Zeichenbestandteil "red" allein prägend, dann besteht wegen der klanglichen Übereinstimmung mit der angegriffenen Marke insgesamt eine Verwechslungsgefahr im Umfang der Waren "Rohtabak und Tabakfabrikate".

Soweit sich der Widerspruch aus der Marke 397 05 706.7 der Widersprechenden 1 jedoch gegen die Waren " Raucherartikel, nämlich Tabakdosen, Zigarren- und Zigarettenspitzen, -etuis, Aschenbecher (sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetall oder damit plattiert), Pfeifenständer, -reiniger, -bestecke, Zigarrenabschneider, Tabakpfeifen, -beutel, Feuerzeuge, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Zigarettenpapier, Zigarettenfilter, Zigarettenhülsen, Feuchthalter für Tabakwaren; Streichhölzer" richtet, war die Beschwerde zurückzuweisen. Für diese Waren nämlich ist der Markenteil "lights" nicht beschreibend. Dem Wort "red" kommt deshalb für die vorstehend aufgeführten Waren innerhalb der Marke "red lights" nicht die allein prägende Stellung zu, so daß die Widerspruchsmarke in diesem Warenumfang als Gesamtbegriff, jedenfalls aber als Gesamtheit zu sehen ist, bei der keiner der beiden Markenbestandteile allein eine prägende oder wenigstens wesentlich mitbestimmende Stellung innehat.

Die Beschwerde der Widersprechenden 1 aus den Widerspruchszeichen 2 104 572 "REX" und 394 02 667.5 "Red Seal" sowie die Beschwerde der Widersprechenden 2 aus der Marke 600 644 "Red Rock" waren ebenfalls zurückzuweisen.

Trotz teilweise gleicher und im übrigen ähnlicher Waren sowie einer mittleren Kennzeichnungskraft ist die Widerspruchsmarke 2 104 572 "REX" sowohl in ihrem klanglichen als auch in ihrem schriftbildlichen Erscheinungsbild der angegriffenen Marke nicht so ähnlich, daß eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG festgestellt werden könnte. Die jeweiligen Endkonsonanten unterscheiden sich nämlich deutlich voneinander. Diese Unterschiede finden trotz ihrer Stellung am Wortende wegen der Kürze der Vergleichszeichen eine verhältnismäßig stärkere Beachtung. Zu einer sicheren Unterscheidbarkeit trägt zudem der in beiden Marken enthaltene, deutlich unterschiedliche Sinngehalt bei, wie dies auch bereits von der Markenstelle festgestellt worden ist.

Auch zwischen der angegriffenen Marke und dem Widerspruchszeichen 394 02 667.5 "Red Seal" besteht trotz des verwechslungsfördernden Umstands gleicher bzw. sehr ähnlicher Waren insgesamt keine Verwechslungsgefahr. Die Vergleichszeichen unterscheiden sich in ihrer Gesamtheit bereits durch ihre deutlich unterschiedlichen Längen. Die Widerspruchsmarke wird nicht allein durch den Bestandteil "Red" geprägt. Diejenigen Verkehrskreise, denen das Wort "Seal" in ihrem Bedeutungsgehalt bekannt ist, werden das Wort "Red" als adjektivische Ergänzung des nachfolgenden Substantivs erkennen und die Widerspruchsmarke als Gesamtbegriff sehen. Diejenigen Verkehrskreise, die das Wort "Seal" nicht kennen, werden die gesamte Widerspruchsmarke als Phantasiebegriff sehen und damit keinem der beiden Zeichenteile eine prägende oder wesentlich mitbestimmende Bedeutung zumessen.

Entsprechendes gilt auch für den Widerspruch aus der Marke 600 644 "Red Rock". Auch hier besteht zwar Warengleichheit bzw -ähnlichkeit. Zwischen den Vergleichsmarken besteht jedoch ebenfalls keine Verwechslungsgefahr, weil sie sich in ihrer Länge hinreichend unterscheiden. Ein Anlaß, das allein verwechslungsbegründende Wort "Red" als prägend oder wesentlich mitbestimmend anzusehen, besteht hier aus den bei der Widerspruchsmarke "Red Seal" genannten Gründen ebenfalls nicht.

Auch die Gefahr, daß die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarken "Red Seal" und "Red Rock" gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, ist nicht gegeben. Die als Hauptfall dieser Art von Verwechslungsgefahr vornehmlich in Betracht kommende mittelbare Verwechslungsgefahr scheidet wegen des Fehlens eines Stammbestandteils mit Hinweischarakter auf den Inhaber der rangbesseren Marke aus. Der allein für die Erwägung einer mittelbaren Verwechslungsgefahr in Betracht kommende Markenteil "Red" wird nicht als Teil einer Zeichenserie benützt, da die Zeichen "Red Seal" und das derselben Inhaberin gehörende Zeichen "red lights" nicht übereinstimmend aufgebaut sind und das Zeichen "Red Rock" einer anderen Inhaberin gehört. Im übrigen zeigt bereits die Tatsache, daß mehrere Zeicheninhaber den Zeichenbestandteil "Red" zur Bildung ihrer zusammengesetzten Zeichen verwenden, daß dieses Wort nicht allein für einen einzelnen (älteren und rangbesseren) Zeicheninhaber Hinweischarakter hat.

Aus diesen Gründen konnten die Beschwerde der Widersprechenden 1 aus den Widerspruchszeichen 2 104 572 "REX" und 394 02 667.5 "Red Seal" und die Beschwerde der Widersprechenden 2 aus der Marke 600 644 "Red Rock" ebenfalls keinen Erfolg haben.

Besondere Gründe, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen, sind nicht gegeben.

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BPatG:
Beschluss v. 26.04.2000
Az: 26 W (pat) 111/99


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