Landgericht Bochum:
Urteil vom 21. Oktober 2010
Aktenzeichen: 14 O 69/10

(LG Bochum: Urteil v. 21.10.2010, Az.: 14 O 69/10)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Bochum hat in dem Urteil vom 21. Oktober 2010, Aktenzeichen 14 O 69/10, entschieden, dass die Beklagten es zukünftig unterlassen müssen, für Zahnimplantate mit den Begriffen "Vollkaskoimplantat" und "Vollkaskozahnimplantat" zu werben. Bei Zuwiderhandlung droht ihnen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Außerdem wurden die Beklagten dazu verurteilt, dem Kläger 208,65 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 25.11.2009 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wenn die Beklagten jeweils eine Sicherheitsleistung von 35.000,00 EUR erbringen.

Im Tatbestand des Urteils wird festgestellt, dass der Kläger ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen ist und die Beklagte zu 1. eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 3. ist. Die Beklagte zu 1. betreibt die weltweite Vermarktung des "Vollkasko-Zahnimplantats Q" von Bochum aus. Die Beklagte zu 2. hat ihren Sitz unter derselben Adresse wie die Beklagte zu 1. und wirbt im Internet unter anderem mit der Adresse *Internetadresse*. Die Beklagte zu 3. ist die Muttergesellschaft der Beklagten zu 1. und vertreibt gemeinsam mit ihnen das Vollkasko-Zahnimplantat Q.

Der Kläger mahnte die Beklagten ab und forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Die Beklagten lehnten dies ab, woraufhin der Kläger Klage erhob. Der Kläger beantragte, den Beklagten zu verbieten, mit den Begriffen "Vollkaskoimplantat" und "Vollkaskozahnimplantat" zu werben. Außerdem verlangte er die Zahlung von 208,65 EUR zuzüglich Zinsen von den Beklagten. Die Beklagten widersprachen den Ansprüchen des Klägers.

Das Gericht entschied, dass die Werbung der Beklagten mit den Begriffen "Vollkaskoimplantat" und "Vollkaskozahnimplantat" irreführend und daher unzulässig ist. Der Begriff "Vollkasko" ist aus dem Bereich der KFZ-Versicherungen bekannt und vermittelt die Vorstellung eines umfassenden Schutzes gegen alle möglichen Schäden. Diese Vorstellung wird jedoch bei den beworbenen Zahnimplantaten nicht erfüllt, da viele Kosten und Leistungen nicht abgedeckt sind. Die Kunden können daher nicht abschätzen, welche Kosten im Fall eines Implantatverlusts auf sie zukommen. Die Beklagten wurden daher verurteilt, es zukünftig zu unterlassen, mit den genannten Begriffen zu werben. Die Kosten des Rechtsstreits wurden den Beklagten auferlegt und sie müssen dem Kläger die Abmahnkosten erstatten.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Bochum: Urteil v. 21.10.2010, Az: 14 O 69/10


Tenor

Die Beklagten werden bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt,

es zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd für Zahnimplantate mit dem Begriff „Vollkaskoimplantat“ und/oder „Vollkaskozahnimplantat“ zu werben, wenn dies wie aus den Anlagen K 1, K 4, K 5, K 19, K 20, K 21 und K 22 ersichtlich geschieht.

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger 208,65 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 25.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 208,65 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 25.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagte zu 3. wird verurteilt, an den Kläger 208,65 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 25.11.2009 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist gegen jeden der drei Beklagten gegen Sicherheitsleistung von jeweils 35.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne von § 8 Abs. 2 Ziff. 2 UWG. Die Beklagte zu 1. ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 3., die von Bochum aus die weltweite Vermarktung des "Vollkasko-Zahnimplantats Q" betreibt. Außerdem ist die Beklagte zu 1. Inhaberin der Domain *Internetadresse*, die mit der Seite *Internetadresse* verlinkt ist, so dass bei Aufruf der Adresse *Internetadresse* die Seite *Internetadresse* erscheint. Außerdem ist sie Inhaberin der Domain*Internetadresse*. Die Beklagte zu 2. hat ihren Sitz unter derselben Adresse wie die Beklagte zu 1. und wirbt im Internet u. a. unter der Adresse *Internetadresse*, deren Inhaberin die Beklagte zu 3. Ist.

Auf der Seite *Internetadresse* wirbt die Beklagte zu 1. unter der Überschrift "Das Vollkaskokonzept: Implantatschutzbrief schafft Wachstumspotential" mit einem Interview von H, dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung der Beklagten zu 3. (Bl. 13 f. d. A.). Dieses Vollkaskokonzept wurde durch die Beklagten zu 2. und 3. in Zusammenarbeit mit der H1 Versicherung entwickelt. Die Beklagte zu 2. stellt dem der Vollkaskokampagne teilnehmenden und das Implantat einsetzenden Zahnarzt ein 10jähriges Garantiezertifikat zur Verfügung, welches er kostenfrei an den Patienten weitergeben kann. Die Schutzbriefleistungen sind gemäß den Angaben von Herrn H bereits im Implantatpreis enthalten. Gemäß den Garantiebedingungen (Bl. 32 f. d. A.) sind von diesem Zertifikat umfasst im Falle des Implantatsverlusts ein kostenfreies Neuimplantat der Beklagten, die für die Kronen- und Brückenherstellung benötigten Implantatkomponenten, die zahnärztlichen Behandlungskosten für das standardmäßige Einbringen des Ersatzimplantats bis zu einem Gebührenrahmen von Steigerungsfaktor 2,3 sowie die Behandlungskosten für das Einbringen des Ersatzimplantats durch den Zahnarzt nach den Nrn. 900 bis 904 GOZ. Weiter ist ein Festkostenzuschuss für die prothetische Versorgung von 200,00 EUR enthalten. Von den Leistungen nicht umfasst sind Röntgenleistungen, Sonderleistungen wie Sinuslift, Knochenaugmentation und Bone Spreading sowie alle damit zusammenhängenden Leistungen. Von der Garantie ausgeschlossen sind Boxer sowie Implantatverluste durch Teilnahme an Kampfsportarten, Stuntman, Teilnehmer von Fahrveranstaltungen, Folgen von Vorsatz und vorsätzlich ausgeführten Straftaten sowie weitere Fälle höherer Gewalt. Bei einem Schadensfall innerhalb des ersten 1/2 Jahres nach Einsetzen des Implantats ist der vollständige Garantieumfang noch nicht in Kraft, ersetzt wird lediglich das Implantat.

Unter *Internetadresse* bewirbt die Beklagte zu 1. das Zahnimplantat u. a. mit folgendem Text:

"Patienten, die sich für ein Vollkasko-Implantat entscheiden, sind damit 10 Jahre lang ohne Aufpreis rundum und unbürokratisch gegen Implantatverlust abgesichert."

Mit Schreiben vom 23.10.2009 (Bl. 44 ff. d. A.) mahnte der Kläger die Beklagten wegen der Werbung mit den Begriffen "Vollkaskoimplantat" und "Vollkaskozahnim- plantat" ab und begehrte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dies lehnten die Beklagten zu 1. und 2. mit Schreiben vom 02. und 19.11.2009 ab (Bl. 47 ff. d. A.). Mit vorliegender Klage verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.

Der Kläger ist der Ansicht, die Werbung der Beklagten sei wettbewerbswidrig, da sie irreführend sei. Der Begriff "Vollkasko" sei aus dem KFZ-Versicherungsbereich der Bevölkerung bekannt. Damit verbunden werde ein "Rundum-Sorglos-Paket", mit dem alle möglichen Schäden abgesichert werden. Das sei vorliegend aber nicht der Fall, da die Ausschlüsse so gravierend seien, dass die Vorstellung von einem Rundum-Schutz nicht erfüllt werde. Ganz gravierend seien die Ausschlüsse im Bereich der Kosten der zahnärztlichen Leistungen sowohl auf Grund der Begrenzung des Steigerungssatzes als auch durch die Herausnahme der Gebührenziffern ab 905 GOZ sowie diverser weiterer Leistungen. Außerdem werde die auf Grund des Verlusts erforderliche prothetische Versorgung nur geringfügig bezuschusst und nicht umfassend bezahlt. Dies alles sei mit der Vorstellung eines Vollkaskoschutzes nicht in Einklang zu bringen.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd für Zahnimplantate mit den Begriffen "Vollkaskoimplantat" und/oder "Vollkaskozahnimplantat" zu werben, wenn dies wie aus den Anlagen K 1, K 4, K 5, K 19, K 20, K 21 und K 22 ersichtlich geschieht,

2.

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an ihn 208,65 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 25.11.2009 zu zahlen,

3.

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an ihn 208,65 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 25.11.2009 zu zahlen,

4.

die Beklagte zu 3. zu verurteilen, an ihn 208,65 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 25.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 3. rügt, dass sie nicht mit den beanstandeten Begrifflichkeiten werbe, so dass ein Unterlassungsbegehren ihr gegenüber nicht geltend gemacht werden könne. Darüber hinaus sind die Beklagten der Ansicht, dass die Werbung nicht irreführend sei. Zum einen könne der verständige Kunde bei Lesen der Garantiebedingungen auch erkennen, welche konkreten Leistungen zu erwarten seien und welche nicht. Zudem sei der Begriff "Vollkasko" aus der KFZ-Versicherung bekannt und daher wisse der Kunde auch, dass es auch dort Ausschlüsse z. B. bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit gebe sowie einen Selbstbehalt. Der Kunde wisse daher, dass nicht alles bezahlt werde. Im Übrigen seien die Ausschlüsse so geringfügig, dass von einem Vollkaskoschutz gesprochen werden könne. Die Beklagten rügen, dass die mit Schriftsatz vom 13.10.2010 formulierte Antragsergänzung teilweise eine Klageerweiterung und teilweise eine Klagerücknahme darstelle, zumal die Anlagen K 20 ff. nicht von ihnen stammten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Unterlassung der beanstandeten Werbung aus §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 UWG.

Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 3. genügt der Klageantrag den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt Unterlassung der Werbung für zwei feststehende Begriffe, so dass klar erkennbar ist, was der Kläger als wettbewerbswidrig beanstandet. Von daher ist den Beklagten auch die Möglichkeit der umfassenden Verteidigung gegeben. Soweit der Antrag gleichwohl möglicherweise zu weit gefasst war und nicht auf konkrete Verletzungshandlungen Bezug nahm, stellt dies eine Frage der Begründetheit des Antrags dar. Insoweit hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.10.2010 durch Bezugnahme auf konkrete Verletzungshandlungen diese Konkretisierung vorgenommen. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten stellt dies hinsichtlich der Anlagen K1, K4 und K5 weder eine Klageerweiterung noch eine Teilklagerücknahme dar, da lediglich auf schriftsätzlich vorgetragenes Werbematerial in der Klageschrift Bezug genommen wird. Soweit im Übrigen eine Klageänderung in Form der Klageerweiterung vorliegen mag, ist sie sachdienlich, da die beanstandeten Webeaussagen mit den in der Klageschrift gerügten Werbeverhalten identisch ist und keine Mehrforderung damit verbunden ist. Insoweit ist kein neuer Streitgegenstand eingeführt worden.

Weiter ist das Unterlassungsbegehren auch gegenüber der Beklagten zu 3. gemäß § 8 UWG durchsetzbar. Zum einen ist sie die Muttergesellschaft der Beklagten zu 1. und als solche Herstellerin des beworbenen Zahnimplantats. Zudem ist unstreitig, dass die Beklagte zu 3. gemeinsam mit den übrigen Beklagten das Vollkasko-Zahnimplantat Q vertreibt und das Vollkaskokonzept mitentwickelt hat. Die Werbehandlungen kommen ihr als Herstellerin ebenfalls zu Gute. Darüber hinaus ist sie Inhaberin der Domain*Internetadresse*, auf der die Beklagte zu 2. werbend tätig ist und auch das Vollkasko-Implantat beschreibt und bewirbt. Wenn die Beklagte zu 3. ihre Internetdomain der Beklagten zu 2. zur Verfügung stellt, um damit ein gemeinsames Produkt und Konzept zu vermarkten, sind ihr die Inhalte dieses Werbekonzepts in dem Internetauftritt zurechenbar. Hinzu kommt, dass H als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Beklagten zu 3. auf der Internetseite *Internetadresse* für das Vollkaskokonzept wirbt und das Konzept in einem Interview erläutert. Aus alledem ergibt sich, dass die Werbemaßnahmen der Beklagten zu 1. und 2. der Beklagten zu 3. zurechenbar sind, so dass das Unterlassungsbegehren auch ihr gegenüber geltend gemacht werden kann.

Der Unterlassungsanspruch besteht, denn die von den Beklagten vorgenommene Werbung mit den Begriffen "Vollkaskoimplantat" und "Vollkaskozahnimplantat" ist in der dargestellten Form irreführend gemäß § 5 Abs. 1 UWG. Insoweit ist beiden Parteien zunächst Recht zu geben, dass der Begriff "Vollkasko" weiten Bevölkerungskreisen aus dem Bereich der KFZ-Versicherung bekannt ist. Von daher ist auch bekannt, dass im Falle des Vollkasko-Schutzes mit Ausnahme von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit sämtliche Schäden sowie Folgeschäden, die damit ursächlich zusammenhängen, von dem Versicherungsschutz umfasst sind. Soweit die Beklagten darauf hinweisen, dass die Kunden auch den Begriff der Selbstbeteiligung kennen, ist dies zutreffend, vorliegend aber unerheblich, da die Beklagten für ihren Vollkaskoschutz nicht ebenfalls eine Form der Selbstbeteiligung gewählt haben und diese darüber hinaus im Rahmen der KFZ-Versicherung nur eine mögliche Tarifwahl ist, wobei die Höhe des Selbstbehalts oder deren Wegfall letztlich auch die Höhe der Prämie bestimmt. Im Übrigen verbindet die Bevölkerung mit dem Begriff der "Vollkasko" den Effekt, dass ein potentieller Schaden, sofern nicht die Ausschlusskomponenten des Vorsatzes oder grobe Fahrlässigkeit vorliegen, auf Grund der Vollkaskoversicherung von dieser übernommen wird und ein möglicherweise beim Versicherungsnehmer verbleibender Schaden kalkulierbar auf den Selbstbehalt begrenzt ist.

Bei Übertragung dieser Vorstellungen auf das Vollkasko-Zahnimplantat zeigt sich, dass diese in einschneidender Weise nicht erfüllt werden. So ist zunächst einmal eine Karenzzeit von 6 Monaten vorgesehen, in der nicht der volle Garantieschutz eingreift, dies gibt es in der KFZ-Versicherung nicht. Weiter kommt hinzu, dass zwar das verlustig gegangene Implantat nebst den für die Kronen bzw. Brückenaufbau erforderlichen Implantatkomponenten kostenfrei ersetzt wird, nicht jedoch die danach erforderliche Prothetik. Dafür gibt es lediglich einen festen Zuschuss von 200,00 EUR, der gerichtsbekanntermaßen regelmäßig prothetische Versorgungen nicht abdeckt. Hinzu kommt, dass auch die zahnärztlichen Leistungen auf einen maximalen Steigerungssatz von 2,3 sowie die Gebührenziffern 900 bis 904 begrenzt sind. Selbst wenn zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird, dass - wie sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben - die Gebührenziffern ab 905 jedenfalls für das Implantat der Beklagten, das als Ersatz gestellt wird, nicht einschlägig sind, verbleibt es dabei, dass ein durchaus denkbarer höherer Steigerungssatz für einzelne Leistungen nicht ersetzt wird. Hinzu kommen selbstverständlich noch die ärztlichen Leistungen für die Prothetik, sowie die Röntgenkosten und die möglicherweise weiteren Kosten zum Zwecke des Knochenaufbaus hinzu, die ebenfalls nicht getragen werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass es für den Kunden überhaupt nicht abschätzbar ist, welche Kosten bei Implantatverlust auf ihn zukommen und welche bei ihm verbleiben bzw. in welcher Höhe die Beklagten bzw. die H1 Versicherung diese Kosten übernehmen. Hinzu kommt, dass der Patient mit der Wahl des Zertifikats eine 10- jährige Bindung an den Zahnarzt eingeht, regelmäßige Untersuchungen stattzufinden haben, wenn der "Vollkasko-Schutz" aufrecht erhalten werden soll, und ein Wechsel wenn überhaupt nur zu einem Zahnarzt möglich ist, der an diesem Konzept teilnimmt. Abgesehen davon, dass dieser Gesichtspunkt in der Werbung nicht sehr deutlich ist, findet dies auch keine Entsprechung in der KFZ-Versicherung. Werkstattbindungen sind dort immer freiwillig und verbunden mit Prämienreduzierungen.

Im Prinzip werden Patienten keine konkreten Vorstellungen haben, welche Kosten überhaupt beim Einsatz von Implantaten bzw. bei deren Ersetzung entstehen oder entstehen können. Wenn daher mit dem Begriff "Vollkasko" geworben wird, entsteht bei den Kunden die Vorstellung aus dem Bereich der KFZ-Versicherung, dass sie für den Zeitraum von 10 Jahren rundum bei Implantatverlust abgesichert sind. Das entspricht aber schon deshalb nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, weil eine Fahrzeug-Vollkasko auch für Folgeschäden einsteht, das Vollkasko-Zahnimplantat-Zerti- fikat allerdings nicht. Abschließend bleibt daher festzuhalten, dass das Vollkasko-Zahnimplantat entgegen der Bezeichnung Vollkasko nicht die Verbrauchervorstellung von einer Vollkasko, wie sie im KFZ-Bereich üblich ist, erfüllt, da im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten die gewährten Leistungen nur einen Teilbereich umfassen und für den Kunden eben keine Sicherheit oder Kostenabschätzung möglich ist. Der Hinweis auf die gesetzliche Krankenversicherung, die möglicherweise die nicht vom Zertifikat umfassten Kosten ganz oder teilweise ersetzt, ist unerheblich, denn dies findet auch keine Parallele in der KFZ-Versicherung, zumal die Krankenkassenleistungen für den Kunden ebenfalls nicht abschätzbar sind.

Der Einwand der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Begriff der Vollkasko im Zahnimplantatswesen habe sich noch nicht etabliert, so dass von einer feste Vorstellung der Kunden nicht ausgegangen werden könne, ist im Ergebnis unzutreffend. Zwar ist es richtig, dass der Begriff der Vollkasko sich im medizinischen Bereich noch nicht etabliert hat, allerdings ist dieser Begriff wie bereits geschildert vorgeprägt aus dem Bereich der KFZ-Versicherungen. Wenn die Beklagten einen derartigen vorgeprägten Begriff in den Bereich der Medizintechnik und insbesondere hier in den Bereich des Zahnimplantatwesens übertragen, dann ist auch das Verständnis für diesen Begriff mit zu übertragen, bis sich möglicherweise davon abweichend ein anderes Verständnis für den Bereich der Zahnimplantate gebildet hat. Schließlich haben die Beklagten den Begriff des Vollkasko-Implantats auch deshalb gewählt, weil es auf Grund der gegebenen Vorstellungen bei den Kunden Assoziationen weckt und verständlich ist und somit auch werbewirksam eingesetzt werden kann. Gleichwohl ist es irreführend, weil die Vorstellungen, die mit Vollkasko verbunden sind, wie bereits dargelegt auch nicht ansatzweise erfüllt werden. Keinesfalls erhält der Kunde einen vollen Schadensersatz, so dass ein potentieller, bei ihm verbleibender Schaden der Höhe nach kalkulierbar begrenzt wird. Vielmehr sind die Kosten, die bei ihm verbleiben, von dem Kunden überhaupt nicht überschaubar.

Die Beklagten können auch nicht damit gehört werden, dass in den Fällen, in denen die Kunden alles und insbesondere auch die Garantiebedingungen sorgfältigst lesen, ein Irrtum ausgeschlossen ist. Schließlich werben sie plakativ mit dem Begriff "Vollkasko" in verschiedenen Verbindungen, so auf der Seite *Internetadresse* mit "Vollgas mit Vollkasko" oder "Das Vollkasko-Konzept: Implantatschutzbrief schafft Wachstumspotential" (Anlage K 1). Unter *Internetadresse* wird geworben mit "Vollkaskoimplantat in der Diskussion" sowie mit "Die Verbesserung der Periointegration stand bei der Entwicklung des Vollkaskozahnimplantats Q stets im Vordergrund (Anlage K 4)." Unter der hervorgehobenen Überschrift "10 Jahre Garantie mit Brief und Siegel" werden das Vollkaskoimplantat und der Implantatschutzbrief auf der Internetseite *Internetadresse* beschrieben und beworben (Anlage K 5). Diese plakative Werbung mit dem Begriff "Vollkasko" auch in hervorgehobenen Überschriften mit den Werbezusätzen der 10jährigen Sicherheit suggeriert dem Kunden hervorgehoben eine umfassende Garantie, so dass diese Fehlvorstellungen erzeugt werden, bevor er sich die Mühe macht, das Kleingedruckte zu lesen. Die Tatsache, dass der Irrtum letztlich durch vertieftes Lesen und Studieren der Garantiebedingungen wieder ausgeglichen werden kann, beseitigt die anfängliche Irreführung der von der Beklagten vorgenommenen Werbung nicht.

Von daher war wie erkannt den Beklagten die Werbung mit den Begriffen "Vollkaskoimplantat" und "Vollkaskozahnimplantat" wie in den im Antrag genannten Anlagen geschehen wegen Irreführung zu untersagen. Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingewandt haben, die Anlagen K 19 ff. seien keine Werbemaßnahmen auf ihren Internetseiten, bleibt dies im Ergebnis unerheblich. Denn aus den Anlagen ergibt sich, dass z. B. auf ZWP Online, dem Nachrichtenportal für die Detal- branche, offenkundig von der Beklagten zu 3. zur Verfügung gestellte Nachrichten vermittelt werden. So ist nicht nur die Beklagte im Kopf dieses Nachrichtenportals ausdrücklich aufgeführt, sondern es befindet sich dort ein Videofilm, von dem der Verfügungskläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angegeben hat, dass es sich um einen Werbefilm der Beklagten handele, den er gesehen habe. Auch die Anlage K 21 stellt letztlich eine Wiedergabe der "Pressemappe der D GmbH", also der Beklagten zu 3. dar, ebenso ist die Anlage K 22 eine Selbstdarstellung des Präsidenten der Beklagten zu 3., H, sowie eine offenkundige Verlautbarung der Beklagten zu 3. Von daher sind die darin enthaltenen Aussagen und die hervorgehobene Werbung für das Vollkasko-Implantat sowie des Implantatschutzbriefs auch in den Überschriften den Beklagten zurechenbar.

Der Kläger hat auch einen Anspruch gegen die Beklagten auf Erstattung der Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die geltend gemachten Gebühren sind der Höhe nach nicht beanstandet worden, sie sind unter Berücksichtigung des Streitwertes auch nicht überhöht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.






LG Bochum:
Urteil v. 21.10.2010
Az: 14 O 69/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/1559dcfd7f97/LG-Bochum_Urteil_vom_21-Oktober-2010_Az_14-O-69-10




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