Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 6. Mai 2003
Aktenzeichen: I-20 U 174/02

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 06.05.2003, Az.: I-20 U 174/02)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve vom 20. September 2002 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt abgeändert:

Der Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwider-handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Mona-ten, zu vollstrecken an den Geschäftsführer, untersagt, im ge-schäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1.

auf Geschäftsbriefen, insbesondere Rechnungen, die an einen be-stimmten Empfänger gerichtet sind, ausschließlich eine gebühren-pflichtige Sondernummer als Kontaktadresse anzugeben, insbe-sondere wenn nicht gleichzeitig die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister ein-getragen ist, sowie alle Geschäftsführer angegeben werden;

und/oder

2.

in Branchenbüchern wie den Gelben Seiten mit einem Eintrag für das eigene Leistungsangebot für eine bestimmte Gemeinde unter Angabe einer örtlichen Telefonnummer zu werben, sofern in der Gemeinde kein Büro oder keine Geschäftsniederlassung mit eige-nem Personal eingerichtet ist oder die Subunternehmer der Be-klagten nicht ausschließlich in der betreffenden Gemeinde ansässig sind, wenn nicht klargestellt wird, dass der Telefonanruf an eine andere Gemeinde weitergeleitet wird.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 176,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juni 2001 zu zahlen.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 5/6 und dem Kläger zu 1/6 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Beklagte wirbt bundesweit in Branchenfernsprechbüchern zahlreicher Gemeinden unter Angabe örtlicher Telefonnummern für ihren Schlüsseldienst. Da die Beklagte ihren Firmensitz in G. hat und ansonsten keinerlei Niederlassungen in anderen Orten unterhält, werden Kundenanrufe an ein Call-Center in G. umgeleitet. Von dort werden vertraglich an die Beklagte gebundene Handwerker mit der Ausführung der Schlüsseldienste beim Kunden beauftragt. Die nach Auftragsausführung dem Kunden übergebene Rechnung enthält weder die korrekte Firmenbezeichnung noch die Anschrift der Beklagten, sondern lediglich die Angabe

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Das Landgericht, auf dessen Urteil gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. auf Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind, ausschließlich eine gebührenpflichtige Sondernummer als Kontaktadresse anzugeben, sofern nicht gleichzeitig die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Geschäftsführer angegeben werden;

und/oder

2. in Branchenbüchern wie den "Gelben Seiten" mit einem Eintrag für das eigene Leistungsangebot für eine bestimmte Gemeinde unter Angabe einer örtlichen Telefon-Nummer zu werben, sofern in der Gemeinde kein Büro oder keine Geschäftsniederlassung mit eigenem Personal eingerichtet ist oder, wenn nicht klargestellt wird, dass der Telefonanruf an eine andere Gemeinde weitergeleitet wird.

Darüber hinaus hat es die Beklagte zur Zahlung von 176,06 EUR Abmahnkosten nebst Zinsen verurteilt.

Mit der gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten Berufung stellt die Beklagte die Klagebefugnis des Klägers in Frage.

Gegen ihre Verurteilung zu Ziffer 1. bringt die Beklagte vor, dass ein Verstoß gegen § 35 a GmbHG als wertneutrale Norm nicht zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG bewirke. Die fehlenden Angaben auf ihrem Geschäftspapier führten zu keinem Wettbewerbsvorteil der Beklagten und zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf demselben Markt. Im Übrigen sei der Urteilstenor insoweit zu weit gefasst.

Die Telefonbucheinträge, zu deren Unterlassung das Erstgericht unter Ziffer 2. verurteilt hat, führten zu keiner relevanten Irreführung. Für den Kunden sei der Sitz der Beklagten unmaßgeblich, da gewährleistet sei, dass ein Monteur, der über Funk gerufen werde, schnellstmöglich erscheine. Auch sei die Handhabung, die die Beklagte praktiziere, üblich. Die angesprochenen Verkehrskreise wüssten, dass bei einer örtlichen Telefonnummer nicht unbedingt der Sitz des Unternehmens an dem betreffenden Ort sein müsse.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass im Urteilstenor zu Ziffer 1) nach Geschäftsbriefen eingefügt wird "insbesondere Rechnungen" und statt der Worte "sofern nicht" die Worte eingefügt werden "insbesondere wenn nicht" und dass in den Verbotstenor zu 2. des landgerichtlichen Urteils nach den Worten "weitergeleitet wird" eingefügt wird: "Insbesondere wenn die Subunternehmer der Beklagten nicht ausschließlich in der betreffenden Gemeinde ansässig sind".

Zur Klagebefugnis verweist der Kläger auf die bei ihm bestehende Mitgliedschaft sämtlicher Industrie- und Handelskammern und des deutschen Handwerkskammertages sowie auf die die Prozessführungsbefugnis des Klägers anerkennenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (GRUR 1995, 122 - Laienwerbung für Augenoptiker - und WRP 1996, 194 - Goldkrone -).

Dadurch, dass die Beklagte gezielt und planmäßig gegen die der Markttransparenz dienende Vorschrift des § 35 a GmbHG verstoße, um sich berechtigten Reklamationen von Kunden zu entziehen, seien die Voraussetzungen des § 1 UWG zu bejahen. Die wettbewerbsrechtliche Relevanz folge aus dem Interesse der Allgemeinheit und der Nachahmungsgefahr durch Mitbewerber.

Durch ihre Einträge in den Branchenfernsprechbüchern täusche die Beklagte örtliche Nähe vor und täusche den Verbraucher über den mit der Auftragserteilung verbundenen Zeit- und Kostenaufwand.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.

1.

Ohne Erfolg rügt die Beklagte die ihrer Ansicht nach fehlende Klagebefugnis des Klägers. Diese ist jedoch gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG gegeben. Wie der Kläger in der Berufungserwiderung - unbestritten und dem Senat aus anderen Fällen bekannt - vorträgt, gehören ihm alle Industrie- und Handelskammern, der Deutsche Handwerkskammertag und zahlreiche - auf das Gebiet von NRW bezogen sogar alle - Handwerkskammern (wie die Vertreterin des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2003 unwidersprochen angegeben hat) an. Da diese selbst zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der gegebenen Art prozessführungsbefugt gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG wären, kommt es nicht darauf an, ob Schlüsseldienstunternehmen unmittelbar Mitglieder beim Kläger sind (vgl. BGH WRP 1995, 104, 105 - Laienwerbung für Augenoptiker -). Der maßgebliche räumliche Markt erfasst, ausgehend von einer bundesweiten Tätigkeit der Beklagten, das gesamte Bundesgebiet. Da die nicht handwerklich orientierten Schlüsseldienstunternehmen über ihre Mitgliedschaft bei der jeweiligen IHK und derer sämtlicher Mitgliedschaft beim Kläger zu dessen mittelbaren Mitgliedern zählen und die handwerklich betriebenen Schlüsseldienstunternehmen Mitglied der jeweiligen Handwerkskammer sind, die jedenfalls in Nordrhein-Westfalen ausnahmslos Mitglied des Klägers sind, bestehen an der Begegnung auf dem selben Markt keine Bedenken.

2. Die Berufung hat weiter keinen Erfolg, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zu Ziffer 1. in der nunmehr vom Kläger klarstellend formulierten Fassung wendet.

Zwar stellt nach herrschender Meinung (Michalski, § 35 a GmbHG, Rdnr. 12; Baumbach/Hueck, 17. Aufl., § 35 a GmbHG Rdnr. 12; Scholz, 9. Aufl., § 35 a GmbHG Rdnr. 22; Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 656 a. E.; KG Berlin, DB 1991, 1510) ein Verstoß gegen die nach § 35 a GmbHG erforderlichen Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen einer GmbH in der Regel nicht zugleich einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG dar, weil es sich bei § 35 a GmbHG, der Dritten, insbesondere Geschäftspartnern der Gesellschaft, bereits bei der Korrespondenz Aufklärung über gesellschaftserhebliche Tatsachen geben und durch Nennung handelsregisterrechtlicher Daten die Einsichtnahme ins Handelsregister zur weiteren Informationsbeschaffung erleichtern soll (vgl. Michalski-Lenz, § 35 a GmbHG Rdnr. 1; Baumbach/Hueck-Zöllner, 17. Aufl., § 35 a GmbHG, Rdnr. 1), - auch nach Auffassung der Parteien - um eine wertneutrale (Ordnungs-) Vorschrift handelt. Ein Verstoß gegen eine solche Vorschrift ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn besondere wettbewerbliche Umstände hinzutreten, die das gesetzwidrige Verhalten auch aus wettbewerblicher Sicht anstößig erscheinen lassen, was der Fall wäre, wenn sich der Verletzer durch den in Frage stehenden Gesetzesverstoß einen sachlich nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft hätte (BGH GRUR 1989, 330, 332 - Impressumspflicht -; Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 646).

Ob im vorliegenden Fall der Gesetzesverstoß gegen § 35 a GmbHG das Verhalten der Beklagten als (gerade auch) wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG prägt, braucht insofern nicht weiter vertieft zu werden, als sich hier der Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb bereits - wie in der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2003 erörtert - unter einem weiteren Aspekt ergibt.

Es ist ein elementarer Grundsatz wettbewerblichen Anstands, dass der Wettbewerbsteilnehmer sich offen zu seiner Identität bekennt und diese nicht verbirgt, damit sein Geschäftspartner erforderlichenfalls etwaige zivilrechtliche Ansprüche durchsetzen kann (vgl. KG Berlin, GewA 1991, 270, 271). Gegen dieses Gebot der Transparenz und Verbot der Tarnung, das zum Beispiel auch in den Regelungen des § 312 c BGB, § 6 TDG und der § 15 a und b GewO seinen Niederschlag gefunden hat, hat die Beklagte hier verstoßen, indem sie auf den von ihr ausgestellten Rechnungen/Quittungen für ihren Geschäftsbetrieb eine Bezeichnung wählt, die keinerlei Identifizierung der natürlichen oder juristischen Person, die sich dahinter verbirgt, ermöglicht, wie dies auch schon für die Telefonbucheintragungen der Beklagten, aufgrund derer sich die Kunden an sie wenden, gilt. Letzteres wird im Stadium der Vertragsanbahnung vom Verkehr aber offensichtlich hingenommen. Ist der Vertrag dann aber zustande gekommen, hat der Kunde spätestens bei Rechnungs- bzw. Quittungserteilung, wenn auch er seine Leistungspflicht erfüllt, Anspruch auf Klarheit über den Namen und die Anschrift seines Vertragspartners, damit er sich z. B. für den Fall etwaiger Gewährleistungsfragen an diesen wenden kann. Das wird von der Beklagten jedoch systematisch verhindert, in dem die Kunden als einzigen Anhaltspunkt zur Ermittlung ihres Ansprechpartners eine 0190er Telefon-Nummer haben, die nicht zur Beklagten selbst, sondern zu einem Call-Center führt, in dessen Belieben es steht, auf Nachfrage die vollständige Firmenbezeichnung und Adresse der Beklagten bekannt zu geben. Soweit (wie der Kläger auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 02.05.2002, Bl. 102 d. A. unwidersprochen vorgetragen hat) oben links auf der Rechnung der von der Beklagten eingesetzte Subunternehmer mit Namen und Ortsbezeichnung angegeben wird, vermag auch dies den Kunden der Beklagten keine Hilfe zur Feststellung ihres Vertragspartners zu geben. Im Gegenteil benutzt die Beklagte diesen Umstand - wie ihr Prozessverhalten und insbesondere ihr durch die Beweisaufnahme eindeutig widerlegter Vortrag auf Seite 2 der Klageerwiderung, Bl. 53 d. A. zeigen - dazu, weiterer Verwirrung über den Aussteller der Rechnung und den Vertragspartner zu schaffen. Durch den von der Beklagten erstinstanzlich vertretenen Standpunkt, dass ihr die Rechnungsgestaltung nicht zuzurechnen sei, wird deutlich, dass sie ihre Tarnung zu einem Geschäftsprinzip erhoben hat.

Insofern stellt sich der vorliegende Fall auch anders dar als der vom Kammergericht Berlin (Gewerbearchiv 1991, 382, 383) entschiedene. Dort bestand trotz einzelner fehlender Angaben nach § 35 a GmbHG noch hinreichende Möglichkeit, sich über die Gesellschaft, deren Firma, Rechtsform und Ort bekannt waren, zu informieren. Auf dieser Linie ist auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1989, 830, 832 - Impressumspflicht -) zu sehen, in der die Verletzung der presserechtlichen Impressumspflicht nicht als Wettbewerbsverstoß angesehen wurde, weil aufgrund sonstiger Angaben eine hinreichende Identifizierungsmöglichkeit bestanden hat.

Der vorstehend aufgezeigte Verstoß der Beklagten gegen das Transparenzgebot führt auch zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen gegenüber solchen Mitbewerbern, die ihre Identität offen legen.

Dadurch, dass die Beklagte die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche erschwert und somit nur in geringem Umfang eine diesbezügliche Belangung befürchten muss, vermag sie sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2003, 92, 93).

3. Das Rechtsmittel der Beklagten hat jedoch teilweise Erfolg, soweit sie ihre Verurteilung zu Ziffer 2. angegriffen hat. Hier ist - wie aus dem Tenor ersichtlich - die dem Hilfsantrag des Klägers entsprechende Einschränkung zu machen gewesen.

Grundsätzlich hat das Landgericht zu Recht festgestellt, dass die Beklagte durch ihre Telefonbucheintragungen von örtlichen Telefonnummern irreführende Werbung im Sinne von § 3 UWG betreibt.

Für die Bedeutung einer Angabe ist entscheidend, welche Wirkung sie auf einen nicht unerheblichen Teil der Verkehrskreise hat, an die sie sich wendet (vgl. Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 3 UWG Rdnr. 23; Köhler/Piper, 3. Aufl., § 3 UWG Rdnr. 108).

Mit den Telefonbucheintragungen wendet sich die Beklagte überwiegend an in Bedrängnis geratene Personen, die nicht in ihrer Wohnung oder ihr Haus gelangen können, weil sie den zur Öffnung der Türe erforderlichen Schlüssel nicht bei sich führen und deren vordringliches Interesse darin besteht, nicht lange warten zu müssen, bis ihnen ein Handwerker die Türe öffnet. Wichtig ist für diesen Verbraucherkreis außerdem, dass ihn die meist auf Gedankenlosigkeit beruhende Situation nicht allzu teuer zu stehen kommt.

Angesichts dieser Interessenlage ist das maßgebliche Auswahlkriterium für den Verbraucher bei seiner Entscheidung, welches Unternehmen er mit der Öffnung seiner Türe beauftragt, die Ortsnähe. Diese gewährleistet in der Vorstellung der betroffenen Verkehrskreise einerseits die Unverzüglichkeit der Ausführung des Auftrags und andererseits eine gewisse Begrenzung der Kosten dadurch, dass der Anfahrtsweg nicht so groß ist und die dafür zu berechnenden Fahrtkosten nicht allzu hoch sind.

In Bezug auf die räumlich Nähe des zu beauftragenden Unternehmens ist entgegen der von der Beklagten in der Berufungsbegründung (Bl. 205/206 d. A.) vertretenen Ansicht für den angesprochenen Verkehr der Sitz des Unternehmens der entscheidende Anknüpfungspunkt, weil der Verbraucher damit wiederum die Vorstellung verbindet, es käme ein Handwerker direkt vom Firmensitz, um den Auftrag auszuführen oder die Mitarbeiter der betreffenden Firma befänden sich, soweit sie andere Aufträge ausführen - nicht allzu weit vom Firmensitz entfernt. Ob eine Firma - wie die Beklagte es für sich in Anspruch nimmt - den Auftrag immer an den Monteur weitergibt, der sich in größter Nähe zum betreffenden Ort befindet, kann der angesprochene Verkehr anhand der Telefonbucheintragung nicht beurteilen. Da der Auftrag jedoch aufgrund der Telefoneintragung und ohne weitere Nachforschungen erteilt werden soll, kann sich der Verbraucher nur an den dortigen Angaben, die durch die Telefonnummer Rückschlüsse auf den Sitz des Unternehmens zulassen, orientieren.

Auch kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass Anrufweiterschaltungen, und zwar gerade auch bei Schlüsseldienstleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen inzwischen derart üblich seien, dass der Kunde mit einer örtlichen Telefonnummer nicht (mehr) die Vorstellung verknüpfe, der Anzurufende habe in diesem Ortsnetz bereits seinen Sitz. (Das vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2003 angesprochene Funkrufverfahren bei Taxiunternehmen ist schon deshalb nicht vergleichbar, weil bei Taxidiensten der Anfahrtsweg nicht bezahlt werden muss) Abgesehen davon, dass die Beklagte kein anderes Unternehmen ihrer Branche benennt, das in ähnlicher Weise verfährt wie sie und die Anrufe in eine andere, teils weit entfernt liegende Gemeinde umleiten lässt, macht sich die Beklagte doch selbst die oben dargelegte Verbrauchervorstellung zunutze, in dem sie z. B. (Bl. 14/15 d. A.) als einziges Schlüsselunternehmen in kleinen Gemeinden unter einer örtlichen Telefonnummer auftritt. Die in erster Instanz (Bl. 55 - 58 d. A.) von der Beklagten vorgelegten Telefonbucheintragungen ergeben für sich nicht, dass die betreffenden Firmen in den jeweiligen Orten keinen Sitz haben. In Bezug auf die Ausführungen der Beklagten unter Ziffer II. 2. b) der Berufungsbegründung sei nochmals betont, dass der angesprochene Verkehrskreis nur durch umfangreiche Nachfragen, die sich jedoch wegen der gegebenen Eile verbieten, feststellen könnte, welches Unternehmen (unabhängig von seinem Sitz) am schnellsten zum Einsatzort gelangen kann. Da ein großer Teil der Verbraucher seine Entscheidung anhand der Telefonbucheintragungen trifft, wählt er in der Regel das von seinem Sitz her nächstgelegene Unternehmen.

Des weiteren kommt es für die Relevanz der Irreführung nicht darauf an, ob ortsansässige und auswärtige Unternehmen tatsächlich gleichermaßen Fahrtkosten (pauschal) verlangen, sondern darauf, ob die betreffenden täuschenden Angaben wegen ihrer Unrichtigkeit geeignet ist, die wirtschaftliche Entschließung des Publikums zu beeinflussen (vgl. Köhler/Piper, 3. Aufl., § 3 UWG Rdnr. 202; Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 3 UWG Rdnr. 87). Insoweit hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass die Beklagte bei Offenlegung der Verhältnisse deutlich weniger Aufträge erhielte. Dass die Beklagte einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil aufgrund ihrer Telefonbucheintragungen erlangt, zeigt schon die Tatsache, dass sie andernfalls nicht einen derartigen Aufwand mit mehr als 5.000 bundesweit zugeteilten Telefonnummern betreiben würde (vgl. insoweit die vom Landgericht zur Streitwertermittlung getroffene und von den Parteien nicht angegriffene Feststellung Bl. 156 d. A.).

Allerdings ist der Tenor des landgerichtlichen Urteils zu Ziffer 2. zu weit gefasst.

Eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise entfällt nicht nur dann, wenn die Beklagte in der betreffenden Gemeinde ein Büro oder eine Niederlassung mit eigenem Personal hat, sondern auch dann, wenn der von der Beklagten betraute Subunternehmer in der betreffenden Gemeinde ortsansässig ist (so auch OLG Frankfurt/Main MDR 2002, 656).

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Verbraucher, der sich aufgrund einer örtlichen Telefonnummer an die Beklagte wendet, die Vorstellung hat, die Beklagte werde den Auftrag nur durch eigenes (ortsansässiges) Personal ausführen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es dem Verbraucher, der einen Schlüsselnotdienst beauftragt, nicht darauf ankommt, in welcher Rechtsbeziehung der die Arbeiten Ausführende zum Auftragnehmer steht.

Als maßgebliches Kriterium für die Verbrauchervorstellung in Bezug auf die örtliche Telefonnummer der Beklagten hat der Kläger die (vorgetäuschte) Ortsnähe in den Prozess eingeführt. Für die räumliche Entfernung des den Auftrag Ausführenden zum Einsatzort spielt es jedoch keine Rolle, ob er Arbeitnehmer oder Subunternehmer des Beauftragten ist. Dies kann für einen Auftraggeber grundsätzlich in anderer Hinsicht von Bedeutung sein, wenn es ihm z. B. von der Art und dem Umfang des Auftrags her auf die Person des Leistenden ankommt, was allerdings bei einer Türöffnung, für die der Auftrag spontan und ohne längere Überlegung vergeben wird, nicht der Fall ist. Dass sich der angesprochene Verkehrskreis bei Auftragsvergabe eine Vorstellung dahingehend macht, nicht nur den ausführenden Handwerker, sondern auch den Vertragspartner vor Ort haben zu wollen, um z. B. Gewährleistungsansprüche einfacher geltend machen zu können, wird vom Kläger nicht vorgebracht und ergibt sich nicht ohne weiteres.

Der Punkt, ob der Verkehr eine ortsnahe Aufsicht über den ausführenden Handwerker und über die Ordnungsgemäßheit seiner Leistung erwartet, die der Prozessbevollmächtigte des Klägers erst in der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2003 angesprochen hat, ist nicht hinreichend aufgeklärt, um die Annahme einer Irreführung zu tragen. Es ist nicht nachvollziehbar dargelegt, dass hierzu konkrete Vorstellungen bestehen. Im Grundsatz entspricht es nicht der Funktion des Wettbewerbsrechtes und dem Schutzzweck des § 3 UWG, die Fälle von vertragswidriger Schlechterfüllung zu erfassen (vgl. Köhler/Piper, 3. Aufl., § 3 UWG Rdnr. 6).

4. Gegen die Verurteilung zur Zahlung der Abmahnkosten werden von der Beklagten keine selbständigen Berufungsgründe vorgebracht. Die Beklagte hält den diesbezüglichen Anspruch nur deshalb für unbegründet, weil sie auch die Unterlassungsansprüche des Klägers verneint, die jedoch - wie oben ausgeführt - weit überwiegend gegeben sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 15.176,00 EUR.

Bei der Bemessung des Streitwertes für die Anträge zu 1. und 2. ist auf das Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers an der verlangten Untersagung abzustellen (BGH GRUR 1998, 998, 999; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. Kapitel 49 Rdnr. 20 a). Dieses Interesse ist objektiv zu bestimmen, wobei die Angabe des Klägers, wie er sein Interesse selbst bemisst, einen indiziellen Anhaltspunkt darstellt (vgl. Melullis, Der Wettbewerbsprozess, Rdnr. 843). Insoweit ist festzustellen, dass der Kläger sein Interesse in der Klageschrift mit 30.000,00 DM angegeben hat, wovon er nicht erkennbar abrücken möchte, wenngleich er in seiner Beschwerdeschrift vom 19.12.2002 (Bl. 194, 195 d. A.) die Höhe des Streitwertes mit 20.000,00 bis 25.000,00 EUR als ausreichend und angemessen bewertet. Da keine objektiven oder vom Kläger vorgebrachten Anhaltspunkte ersichtlich sind, die eine Abweichung von der ursprünglich Bemessung durch den Kläger rechtfertigen könnten, ist der Streitwert für die Anträge zu 1. und 2. mit 15.000,00 EUR und für den Zahlungsantrag mit 176,00 EUR zu bewerten.

F.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 06.05.2003
Az: I-20 U 174/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/14d99e2c4a37/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_6-Mai-2003_Az_I-20-U-174-02




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