Landgericht Hamburg:
Urteil vom 19. April 2005
Aktenzeichen: 312 O 105/05

(LG Hamburg: Urteil v. 19.04.2005, Az.: 312 O 105/05)

Unterlassung einer Werbeaussage auf dem Gebiete der Erbringung von Postdienstleistungen

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung wird bestätigt.

II. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Antragsstellerin nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung einer Werbeaussage in Anspruch.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiete der Erbringung von Postdienstleistungen. Sie verfügen über eine Postlizenz nach § 5 PostG, die sie dazu berechtigt, Briefsendungen, deren Einzelgewicht nicht mehr als 1000 Gramm beträgt, gewerbsmäßig für andere zu befördern. Beide Parteien bieten aufgrund dieser Lizenz die Durchführung förmlicher Zustellungen an und wenden sich mit diesem Angebot an Gerichte und Behörden. Die Antragsgegnerin führt förmliche Zustellungen entweder mit eigenen Mitarbeitern aus oder sie gibt den Auftrag - wenn die Zustellung im Einzelfall in Gebieten vorzunehmen ist, die sie nicht mit eigenen Mitarbeitern bedient - an die Deutsche Post AG weiter. Die Antragsgegnerin lässt hingegen Zustellungen auch durch von ihr beauftragte Subunternehmer ausführen, die über keine Postlizenz verfügen.

Unter dem 17. Januar 2005 verschickte die Antragsgegnerin ein mit "Rechtswirksamkeit Ihrer förmlichen Zustellungen bei Zustellung durch private Postdienste" überschriebenes Rundschreiben (Anlage Ast 2). Darin verwies die Antragsgegnerin auf ein beigefügtes Merkblatt der Regierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), wonach mit der Zustellung beauftragte Subunternehmer Lizenznehmer sein müssten, da es sonst an der Beleihung mit hoheitlichen Zustellungsaufgaben fehlen würde (vgl. Anlage Ast 3). Im weiteren Verlauf des Schreibens äußerte die Antragsgegnerin, dass bereits die Wirksamkeit einer Zustellungsurkunde anzuzweifeln sei, die ein Mitarbeiter ausgefüllt habe, der nicht zu dem mit der Zustellung beauftragten Unternehmen gehöre. Das Fehlen der hoheitlichen Beleihung lasse die Zustellung allerdings vollends unwirksam werden.

Die RegTP hat ihr Merkblatt inzwischen überarbeitet und den Passus über Zustellungen durch nichtlizenzierte Subunternehmen herausgenommen (vgl. Anlage Ast 7). In einem Schreiben an die Antragstellerin vom 3. Februar 2005 (Anlage Ast 6) begründete sie dies damit, dass vieles für die Rechtsauffassung der Antragstellerin spreche, wonach auch nichtlizenzierte Subunternehmen im Rahmen der förmlichen Zustellung als Erfüllungsgehilfen eingeschaltet werden könnten.

Nach erfolgloser Abmahnung der Antragsgegnerin vom 3. Februar 2005 beantragte die Antragsstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung, zu deren Begründung sie ausführte: Die Aussage der Antragsgegnerin, Zustellungen durch nichtlizenzierte Subunternehmer seien unwirksam, sei unzutreffend. Die entsprechenden Gesetze enthielten keine ausdrückliche Regelung der Frage, ob der Lizenznehmer im Rahmen der förmlichen Zustellung berechtigt sei, Subunternehmer einzuschalten und welche Anforderungen an diese zu stellen seien. § 5 Abs. 2 Nr. 1 PostG erlaube es aber, Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfen für einfache Briefsendungen einzuschalten. Dies müsse auch für förmliche Zustellungen nach § 33 PostG gelten. Hiergegen bestünden keine begründeten Bedenken. Der Lizenznehmer werde nämlich im Rahmen von § 6 Abs. 3 PostG der Prüfung unterworfen, ob er Gewähr dafür bieten könne, dass die bei der Ausübung der Lizenzrechte tätigen Personen über die erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten verfügten. Dieser Nachweis der Gewähr beziehe sich auch auf die mit der förmlichen Zustellung betrauten Personen. Die Lizenzierungsvorschriften stellten somit sicher, dass auch bei der Beauftragung von nichtlizenzierten Dienstleistern die strengen Anforderungen an die förmliche Zustellung eingehalten würden. Unternehmen, die dieser Prüfung nicht standhielten, werde keine Erlaubnis im Sinne von § 5 PostG erteilt.

Mit Beschluss der Kammer vom 11. Februar 2005 wurde der Antragsgegnerin antragsgemäß unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten,

"im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit einem Hinweis auf bestimmte Voraussetzungen der förmlichen Zustellung sinngemäß zu behaupten, die förmliche Zustellung sei unwirksam, sofern das mit der Zustellung beauftragte Unternehmen, das im Besitz einer Postlizenz ist, sich bei der Zustellung eines Subunternehmers bedient, der nicht selbst Inhaber einer Postlizenz ist, insbesondere wenn dies geschieht wie aus der nachfolgenden Anlage A ersichtlich."

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch vom 16. März 2005.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass die streitgegenständliche Aussage über die Unwirksamkeit von Zustellungen durch nichtlizenzierte Subunternehmer richtig sei. Die Wirksamkeit förmlicher Zustellungen beurteile sich nicht nach den Vorschriften des Postgesetzes, sondern der einschlägigen Verfahrensordnungen, z.B. der Zivilprozessordnung. § 5 PostG regele im Übrigen ausschließlich die Beförderung von Briefsendungen, jedoch nicht deren Zustellung. Die Regelungen der §§ 5 und 6 PostG könnten daher nicht auf den Bereich der Zustellungen übertragen werden.

Ferner sei zu beachten, dass der Zusteller als Beliehener zum Nachweis der Zustellung eine öffentliche Urkunde im Sinne von §§ 415, 418 ZPO anfertige. Daraus ergebe sich, dass eine nicht von einer mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteten Person ausgestellte Zustellungsurkunde eine Privaturkunde sei, die keinen Beweis über den Wahrheitsgehalt der Erklärung erbringen könne. Dies laufe dem Sinn und Zweck einer Postzustellungsurkunde zuwider, die in ihrem amtlichen Vordruck auch gar nicht vorsehe, dass die Zustellung von einem anderen als dem beliehenen Unternehmen ausgeführt werde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben.

Die Antragsstellerin beantragt,

die Bestätigung der einstweiligen Verfügung.

Die Antragsgegnerin vertieft ihren Rechtsstandpunkt. Sie ist der Auffassung, dass sich aus der Gestaltung des Vordrucks für die Zustellungsurkunde keine Anhaltspunkte für Lizenzpflicht von mit Zustellungen beauftragten Subunternehmern ergäben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zur Akte gereichten Anlagen verwiesen.

Gründe

Der Widerspruch der Antragsgegnerin ist unbegründet.

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 11. Februar 2005 erweist sich auch bei Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens der Antragsgegnerin als zu Recht ergangen.

I. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aus §§ 8, 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 UWG begründet. Die angegriffene Aussage aus dem Rundschreiben der Antragsgegnerin ist irreführend. Denn sie erweckt aufgrund ihrer Absolutheit bei dem angesprochenen Empfänger den Eindruck, dass die Unwirksamkeit von förmlichen Zustellungen durch Subunternehmen, die über keine Lizenz verfügen, eine eindeutige und unzweifelhafte Gesetzesfolge sei. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um eine offene Rechtsfrage, die noch nicht geklärt ist und zu der es noch keine maßgebliche Rechtspraxis gibt.

1. Es ist weder im PostG noch in den entsprechenden Prozessordnungen (z.B. ZPO, VwZG) ausdrücklich geregelt, ob die Wirksamkeit einer förmlichen Zustellung voraussetzt, dass sie durch eigene Mitarbeiter eines über eine Postlizenz verfügenden Unternehmens erfolgt oder ob es auch möglich ist, einen über keine Lizenz verfügenden Subunternehmer einzuschalten.

a) § 168 Abs. 1 Satz 2 ZPO besagt lediglich, dass mit der Zustellung ein nach § 33 Abs. 1 PostG beliehener Unternehmer ("Post" i.S.d. ZPO) beauftragt werden kann. Ob und inwieweit sich dieser Hilfspersonen bedienen kann, wird von der Vorschrift nicht geregelt.

Auch § 182 Abs. 2 ZPO ermöglicht keine Schlüsse in diese Richtung. Nach Nr. 8 dieser Vorschrift sind in der Zustellungsurkunde Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie der Name des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde anzugeben. Dem lassen sich keine Vorgaben entnehmen, ob der namentlich aufzuführende und die Zustellungsurkunde ausfüllende Zusteller ein Mitarbeiter des beauftragten (und lizenzierten) Unternehmens sein muss oder auch ein Subunternehmer damit beauftragt werden kann. Auch die auf § 190 ZPO beruhende Gestaltung des Vordrucks gibt nach Auffassung der Kammer dafür nichts her.

Für den Rechtsstandpunkt der Antragsgegnerin spricht allerdings § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Diese Vorschrift regelt, dass die zum Nachweis der Zustellung angefertigte Urkunde als eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 ZPO gilt, mit der Folge, dass die Urkunde vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs erbringt. Aufgrund der einschneidenden Wirkungen, die öffentliche Urkunden entfalten, dürfen diese nur von Behörden oder öffentlich bestellten Personen innerhalb des ihnen zugewiesenen Geschäftskreises errichtet werden. Diese Ausgangslage legt es nahe, dass die mit förmlichen Zustellungen verbundene Befugnis, Zustellungsurkunden auszufüllen, die in ihren Wirkungen öffentlichen Urkunden gleichstehen, nur ausgewählten Personen zukommen soll, die hierzu von der öffentlichen Hand ermächtigt wurden. Das spricht dafür, dass nur dem Lizenznehmer selbst die in § 33 Abs. 1 Satz 2 PostG zugesprochenen Hoheitsbefugnisse zustehen sollen und nicht selbständigen Dritten, die er als Subunternehmer einschaltet.

Für die Rechtsauffassung der Antragstellerin lässt sich demgegenüber anführen, dass das PostG in § 5 Abs. 2 Nr. 1 allgemein und ohne Einschränkungen regelt, dass sich der Lizenznehmer bei der Beförderung von Briefen auch solchen Personen als Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfen bedienen darf, die über keine eigene Lizenz verfügen. § 33 Abs. 1 Satz 1 PostG bestimmt des Weiteren, dass Lizenznehmer, die Briefzustelldienstleistungen erbringen, grundsätzlich verpflichtet sind, förmliche Zustellungen vorzunehmen. Dieser Regelungszusammenhang spricht dafür, dass die förmliche Zustellung aus der Sicht des PostG ein Teil der Briefbeförderungsdienstleistungen ist und demgemäß dabei auch nicht lizenzierte Subunternehmer eingeschaltet werden dürfen.

Damit ist festzuhalten, dass die Gesetzeslage nicht eindeutig ist und sich für die eine oder die andere Gesetzesauslegung gut vertretbare Argumente anführen lassen.

b) Aus der Gesetzesbegründung lassen sich ebenfalls keine eindeutigen Rückschlüsse darauf ziehen, ob der Gesetzgeber die Zustellung durch von einem Lizenzunternehmen beauftragte nichtlizenzierte Subunternehmer zulassen wollte oder nicht. Die Begründung zu § 32 Abs. 1 des Regierungsentwurfs (Bundesrats-Drucksache 147/97 vom 14. März 1997), der § 33 Abs. 1 PostG entspricht, betont die große Bedeutung der förmlichen Zustellung für eine funktionierende Rechtspflege und für viele förmliche Verwaltungsverfahren. Sie sei für die Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ebenso bedeutsam wie für den Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz in angemessener Zeit sowie für Rechtssicherheit als wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips. Deshalb sei das beauftragte Unternehmen mit Hoheitsbefugnissen auszustatten und in diesem Umfang beliehener Unternehmer. Das Problem, dass sich der Lizenznehmer bei Erbringung seiner Postbeförderungsleistungen nach § 5 Abs.2 Nr. 1 PostG grundsätzlich auch Personen bedienen darf, die über keine Lizenz verfügen, und ob dies auch für förmliche Zustellungen gelten soll, wurde vom Gesetzgeber offenbar nicht gesehen.

c) Es besteht auch keine Rechtspraxis, die die hier entscheidende Frage der Rechtswirksamkeit von Zustellungen durch nicht lizenzierte Subunternehmer in dem einen oder dem anderen Sinne beantworten würde. Gerichtliche Entscheidungen, die sich mit diesem Problem befassen, gibt es - soweit ersichtlich - nicht. Es gibt auch keine entsprechende feststehende Verwaltungspraxis der RegTP. Abgesehen davon, dass die Rechtsauffassung dieser Behörde keinen rechtsverbindlichen Charakter hätte, ist sie offenbar nach vertiefter Befassung mit der Gesetzeslage der Ansicht, dass die Rechtslage nicht eindeutig ist. So hat die RegTP ausweislich ihres Schreibens vom 3. Februar 2005 an die Antragstellerin (Anlage Ast 6) bei der Überarbeitung ihres Merkblatts bewusst davon abgesehen, erneut Festlegungen in dem hier streitigen Punkt zu treffen. Sie hat sich vielmehr in dem erwähnten Schreiben auf die Feststellung beschränkt, dass vieles für die Rechtsaufassung der Antragstellerin spreche.

2. Angesichts dieser ungeklärten Rechtslage steht es der Antragsgegnerin frei, auf die derzeit bestehenden rechtlichen Unsicherheiten in der Beurteilung der Wirksamkeit von förmlichen Zustellungen hinzuweisen, die ein beauftragtes Lizenzunternehmen unter Einschaltung nicht lizenzierter Subunternehmen bewirkt. Die Antragsgegnerin ist jedoch in dem angegriffenen Rundschreiben einen Schritt weiter gegangen. Sie hat nämlich nicht auf eine unklare Rechtslage verwiesen, in der gute Argumente für ihre Rechtsauffassung sprechen, sondern sie hat vielmehr apodiktisch festgestellt: "Das Fehlen der hoheitlichen Beleihung lässt die Zustellung allerdings vollends unwirksam werden." Diese Form der Darstellung verdeckt, dass es sich dabei lediglich um eine - keineswegs unumstrittene - Rechtsmeinung der Antragsgegnerin handelt. Damit wird der Adressat dieser Werbung in die Irre geführt, denn er muss annehmen, die Unwirksamkeit von Zustellungen durch nichtlizenzierte Subunternehmer stehe fest.

Dies ist jedoch - wie gezeigt - nicht der Fall. Denn zur Zeit ist nicht absehbar, welche der hier widerstreitenden Rechtsauffassungen sich in der Rechtspraxis durchsetzen wird. Bis dahin darf die Antragsgegnerin im Wettbewerb nicht zulasten ihrer Mitbewerber den Eindruck erwecken, die Rechtslage sei in ihrem Sinne geklärt. Solange dieser Eindruck nicht erweckt wird, bleiben ihr als solche ausgewiesene Bewertungen zu der Rechtslage unbenommen.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist mit Rücksicht auf die Natur des Eilverfahrens entbehrlich.






LG Hamburg:
Urteil v. 19.04.2005
Az: 312 O 105/05


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