Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Dezember 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 72/00

(BPatG: Beschluss v. 04.12.2000, Az.: 30 W (pat) 72/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Januar 2000 aufgehoben.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister ist angemeldet die Wortfolge DER KLARE STANDARD für die Waren

"Technische Endoskope und deren Teile; technische Sonden; Beleuchtungseinrichtungen und -geräte, insbesondere für die Endoskopie; Kameras, insbesondere CCD-Kameras, insbesondere für die Endoskopie; Mikroskope; Adapter und Kabel zum Anschließen von Kameras an Endoskope; Bildwiedergabe- und -aufzeichnungsgeräte, insbesondere für die Endoskopie; Saug- und Spülgeräte für medizinische Anwendungen; Hochfrequenzgeräte, Hochfrequenzspannungsquellen für chirurgische Anwendungen; Ultraschallgeräte und -instrumente für medizinische Anwendungen, Ultraschallquellen; Schulungs- und Unterrichtseinrichtungen und -geräte; Prüfeinrichtungen und -geräte sowie Aufbewahrungs- und Transportbehälter für die genannten Apparate und Instrumente; Datenverarbeitungsgeräte, Datenträger, Dokumentationseinrichtungen und -geräte für die Endoskopie.

Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche Instrumente und Apparate, orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial; Prüfeinrichtungen und -geräte sowie Aufbewahrungs- und Transportbehälter für die genannten Apparate und Instrumente."

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Begründend ist im wesentlichen ausgeführt: die angemeldete Marke stelle eine werbesloganmäßige Qualitätsangabe in dem Sinne dar, daß die beanspruchten Waren einem eindeutig definierten Standard unterlägen. Diese beschreibende Angabe müsse für die Mitbewerber freigehalten werden. Dieser beschreibende Hinweis sei auch nicht geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen die angemeldete Bezeichnung für schutzfähig, weil sie in ihrer Gesamtheit keinen eindeutigen Begriffsinhalt habe. Insbesondere verweist sie darauf, daß die beanspruchten Waren keinem Standard unterlägen und es im Übrigen auch keinen "klaren" Standard gäbe; allenfalls sei von einem hohen Standard die Rede. Die Kürze und Prägnanz der Marke begründe auch ihre Unterscheidungskraft.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Beschluß der Markenstelle Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, da der Eintragung der angemeldeten Marke die Eintragungshindernisse des § 8 Absatz 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegenstehen.

1. Nach § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (u.a.) zur Bezeichnung der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen können. Dieses Eintragungshindernis bezieht sich allerdings nicht nur auf die in der genannten Bestimmung ausdrücklich aufgeführten Angaben, sondern auch auf solche, die andere für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die Ware selbst beschreiben; ein darüber hinausgehendes Eintragungshindernis eines Freihaltungsbedürfnisses an allgemeinen, nicht warenbezogenen und in verschiedenen Warenbereichen einsetzbaren Ausdrücken kann § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG indessen nicht entnommen werden (vgl BGH GRUR 1999, 1093 - FOR YOU; GRUR 1998, 465, 467 - BONUS).

Hiervon ausgehend kann nicht angenommen werden, daß die Wortfolge "DER KLARE STANDARD" zum freien beschreibenden Gebrauch benötigt wird. Die Annahme der Markenstelle, die Marke enthalte lediglich eine sloganartige Beschreibung in dem Sinn, daß die beanspruchten Waren einem eindeutig definierten Standard unterlägen, berücksichtigt nicht hinreichend die Marke in ihrem Wortlaut und in ihrer Gesamtheit mit all ihren Bestandteilen (vgl BGH GRUR 1996, 771, 772 - THE HOME DEPOT). Nur die Wortfolge in ihrer Gesamtheit ist der Beurteilung zugrunde zu legen; eine zergliedernde Betrachtung ist nicht vorzunehmen (vgl BGH Beschluß vom 11. Mai 2000, I ZB 22/98 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION, veröffentlicht in JURIS).

Für die Anmeldung "DER KLARE STANDARD" in ihrer Gesamtheit läßt sich indessen ein eindeutig beschreibender Inhalt nicht konkret feststellen. So ist - ebenso wie das englische Wort "clear" - auch das deutsche Wort "klar" mehrdeutig. Es bedeutet sowohl "hell, durchsichtig" wie auch "deutlich, genau erkennbar, unterscheidbar, sachlich nüchtern, verständlich, eindeutig" (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 3. Aufl 1996 S 840). All diese Wörter beschreiben irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die Waren selbst (entgegen dem Wortlaut) doch nur eher diffus. "STANDARD" bedeutet ursprünglich "Standarte" (Duden aaO S 1452) und ist insbesondere die Bezeichnung für einen - vom Hersteller oder von Industrieverbänden festgelegten - Qualitätsmaßstab (im Gegensatz zur staatlich vorgegebenen Norm). Die Wortfolge wirkt aber in ihrer Gesamtheit unspezifisch und verschwommen und erscheint zumindest etwas interpretationsbedürftig. Eine hinreichend konkret auf die beanspruchten Waren bezogene Aussage läßt sich ihr somit nicht ohne weiteres entnehmen. Mit den dem Senat zur Verfügung stehenden Mitteln ließ sich auch eine tatsächliche Verwendung des Ausdrucks "der klare Standard" nicht belegen. Meistens wird in vergleichbarem Zusammenhang nur von eindeutigem oder speziellem Standard gesprochen. Auch ist nicht belegbar, daß der angemeldete Ausdruck synonym für "der hohe Standard" bereits derzeit verstanden oder gebraucht werden könnte oder daß ein solches Verständnis aufgrund sich bereits konkret abzeichnender Umstände in absehbarer Zukunft zu erwarten ist.

2. Die angemeldete Wortfolge besitzt auch die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 MarkenG. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr zuletzt BGH Beschluß vom 15. Juni 2000, I ZB 4/98 - Buchstabe K, veröffentlicht in JURIS; MarkenR 2000, 48 - Radio von hier; MarkenR 2000, 50 - Partner with the Best). Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort (Wortfolge) der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH aaO - Partner with the Best; GRUR 1999, 1089 - "YES"; BGH aaO - FOR YOU mwN). Diese Unterscheidungseignung kann der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit mit all ihren Bestandteilen für die beanspruchten Waren nicht abgesprochen werden, zumal ein konkretes Interesse an der Freihaltung nicht nachgewiesen werden kann und damit keine hohen Anforderungen an die erforderliche Unterscheidungskraft gestellt werden dürfen (BGH GRUR 1993, 136, 137 - NEW MAN), wenngleich beide Eintragungshindernisse eigenständige und nicht zwangsläufig miteinander verknüpfte Tatbestände darstellen (vgl BPatG GRUR 1997, 530, 531 - Rohrreiniger). Die Marke vermittelt aber - wie oben dargelegt - keine ohne weiteres einleuchtende, eindeutige, rein warenbeschreibende Gesamtaussage, so daß von daher dem Zeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist (vgl BGH aaO - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 1997, 627, 628 - à la Carte).

3. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß § 8 Absatz 2 Nr 4 MarkenG der Eintragung entgegensteht. Im Eintragungsverfahren ist nämlich nicht hinreichend sicher feststellbar, inwieweit wettbewerbsrechtliche Gründe einer Verwendung der angemeldeten Wortfolge entgegenstehen könnten (etwa unter dem Gesichtspunkt der Berufung auf eine nur scheinbar bestehende Norm, vgl zB OLG Frankfurt GRUR 1984, 59; KG GRUR 1984, 218) oder (falls für die beanspruchten Waren ein bestimmter Standard besteht) als Werbung mit Selbstverständlichkeiten (vgl zB BGH GRUR 1987, 916 Gratis-Sehtest). Hierbei wird nämlich die tatsächliche Verwendung der Marke eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Diese ist im Eintragungsverfahren unbekannt. Eine nicht ersichtlich täuschende Verwendung kann daher nicht ausgeschlossen werden.

Der Beschwerde der Anmelderin ist deshalb stattzugeben.

Dr. Buchetmann Winter Schramm Fa






BPatG:
Beschluss v. 04.12.2000
Az: 30 W (pat) 72/00


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