Oberlandesgericht München:
Urteil vom 3. April 2008
Aktenzeichen: 29 U 1607/08
(OLG München: Urteil v. 03.04.2008, Az.: 29 U 1607/08)
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 08.11.2007 aufgehoben.
2. Der Beklagte wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,€ Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Gewichtsreduzierung durch Muskeltraining zu werben:
"Rund 100 Frauen sind bereits an den Start gegangen. Die ersten haben mit der Myline-Methode schon in den ersten vier Wochen 5-9 Kilo abgenommen ... Was haben Sie zu verlieren€
Bis zum Sommer kriegen Sie Ihr Fett weg",
insbesondere im Zusammenhang mit der nachstehend wiedergegebenen Abbildung:
wenn dies geschieht wie in der nachfolgend wiedergegebenen Anlage K 2:
2. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der in erster Instanz angefallenen Kosten haben der Kläger 1/4, der Beklagte 3/4 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Dem Verfahren liegt eine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit zugrunde.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Nach seinen satzungsgemäßen Aufgaben achtet er auf die Einhaltung des lauteren Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr.
Der Beklagte bietet unter der Geschäftsbezeichnung ... mit der sogenannten Myline-Methode ein Verfahren zur Figurverbesserung durch Gewichtsabnahme an. Im Anzeigenblatt ... Nr. 16 vom 18.04.2007 bewarb der Beklagte dieses Verfahren wie aus Anlage K 2 ersichtlich. Hierin sieht der Kläger eine irreführende Werbung.
In erster Instanz beantragte der Kläger,
dem Beklagten bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für Muskeltraining zu werben:
"Rund 100 Frauen sind bereits an den Start gegangen. Die ersten haben mit der Myline-Methode schon in den ersten vier Wochen 5-9 Kilo abgenommen ... Was haben Sie zu verlieren€
Bis zum Sommer kriegen Sie Ihr Fett weg",
insbesondere im Zusammenhang mit der nachstehend wiedergegebenen Abbildung:
Der Beklagte beantragte in erster Instanz,
die Klage abzuweisen.
Am 08.11.2007 verkündete das Landgericht folgendes Urteil:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. (Sicherheitsleistung).
Zur Begründung führte das Erstgericht aus: Die streitgegenständliche Werbung des Beklagten sei nicht irreführend. Dem von der Werbung angesprochenen Verkehr werde vermittelt, dass die mit der Myline-Methode erstrebte Figurverbesserung nicht nur aufgrund Muskeltrainings, sondern auch mit Hilfe spezieller Ernährungstipps erzielt werde. Dem durchschnittlich informierten Adressaten der Werbung sei ohnehin bekannt, dass eine Reduzierung des Körpergewichts allein aufgrund Muskeltrainings ohne Änderung der Lebensgewohnheiten nicht möglich sei. Da auch die antragsgegenständlichen Werbeaussagen jeweils für sich genommen nicht erkennbar falsch seien, insbesondere keine konkreten Aussagen über die mit der beworbenen Myline-Methode erzielbare Wirkung getroffen würden, liege keine den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch rechtfertigende wettbewerbswidrige irreführende Werbung des Beklagten vor.
Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Nach Ansicht des Klägers werde dem von der streitgegenständlichen Werbung angesprochenen Verkehr vermittelt, dass das Muskeltraining zentraler Bestandteil der beworbenen Reduktionskur sei. Dadurch trete eine Beschleunigung des Stoffwechsels ein mit der Folge, dass es sogar möglich sei, mehr zu essen als zuvor, gleichwohl eine Figurverbesserung zu erwarten sei. Diese Werbeangabe sei irreführend, weil Muskeltraining allein eine Verminderung des Körpergewichts nicht bewirke. Vielmehr führe das Muskeltraining zu einem erhöhten Kalorienbedarf und einem damit einhergehenden verstärkten Hungergefühl. Nur bei einer das Muskeltraining begleitenden Ernährungsreduktion, die einen eisernen Durchhaltewillen erfordere € was in der angegriffenen Werbung des Beklagten durch den pauschalen Hinweis auf Ernährungstipps nicht zum Ausdruck komme € trete eine nachhaltige Verminderung des Körpergewichts ein. Demgegenüber vermittelten die angegriffenen Werbeaussagen beim hiervon angesprochenen Verkehr den € unzutreffenden € Eindruck, mit Hilfe der Myline-Methode durch Muskeltraining auf einfache Weise und mit Sicherheit abzunehmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts München I vom 08.11.2007 abzuändern und den Beklagten wie aus Ziffer 1. des Tenors dieses Senatsurteils ersichtlich zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt hierzu ergänzend aus: Der streitgegenständlichen Werbeanzeige entnehme der angesprochene Verkehr, dass Muskeltraining zwar ein entscheidender Faktor der vom Beklagten beworbenen Myline-Methode sei, darüber hinaus aber zum Erfolg der angestrebten Figurverbesserung aber auch die Ernährungstipps des Beklagten beitrügen. Dem Verkehr € dem bewusst sei, dass Grundvoraussetzung für eine Figurverbesserung die nachhaltige Einhaltung des vorgeschlagenen Trainingsprogramms sei € werde auch nicht vorgespiegelt, dass die angestrebte Gewichtsreduktion mit Sicherheit und Leichtigkeit zu erreichen sei. Der streitgegenständlichen Anzeige gemäß Anl. K 2 könne nämlich der Leser entnehmen, dass nur einige der dort beschriebenen Myline-Kursteilnehmerinnen die in der Werbung des Beklagten angesprochenen fünf bis neun Kilogramm abgenommen hätten. Die streitgegenständlichen Werbeaussagen entsprächen somit der Wahrheit und seien nicht irreführend.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins vom 03.04.2008 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Ersturteils und zur Verurteilung des Beklagten im vom Kläger in der Berufungsverhandlung beantragten Umfang. Der Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG.
1. Ob die streitgegenständlichen Werbeaussagen des Beklagten im Sinne von § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG irreführend sind, hängt vom Verständnis des von der beanstandeten Werbung angesprochenen Verkehrs ab (BGH GRUR 2003, 361, 362 € Sparvorwahl ; BGH GRUR 2002, 976, 979 € Kopplungsangebot I ; BGH GRUR 2002, 715, 716 € Scanner-Werbung ; BGH GRUR 2002, 550, 552 € Elternbriefe ). Bei der Beurteilung dieser Frage ist auf den Gesamteindruck der Werbung abzustellen; einzelne Äußerungen einer in sich geschlossenen Darstellung dürfen deshalb nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen werden (vgl. BGH GRUR 1996, 367, 368 € Umweltfreundliches Bauen ; BGH GRUR 2003, 800, 803 € Schachcomputerkatalog ).
2. Ein nicht völlig unbeachtlicher Teil des von der streitgegenständlichen Werbeanzeige des Beklagten gemäß Anl. K 2 angesprochenen Verkehrs € der sich zusammensetzt aus dem Kreis der durchschnittlich informierten und verständigen, am Angebot des Beklagten interessierten Leser, die der angegriffenen Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringen (vgl. BGH GRUR 2004, 793, 796 € Sportlernahrung II ; BGH GRUR 2004, 435, 436 € Frühlings-Flüge ; BGH GRUR 2004, 249, 251 € Umgekehrte Versteigerung im Internet ; BGH GRUR 2004, 244, 245 € Marktführerschaft ; BGH GRUR 2000, 619, 621 € Orient-Teppichmuster ) € wird der streitgegenständlichen Werbeaussage des Beklagten entnehmen, dass
€ eine Figurverbesserung in Anwendung der Myline-Methode des Beklagten im Wesentlichen aufgrund des in der Werbeanzeige Anl. K 2 angesprochenen Muskeltrainings eintritt
€ mit Hilfe der Myline-Methode auf einfache Weise eine Figurverbesserung sichergestellt sei
und läuft hierdurch Gefahr, in relevanter Weise im Sinne von § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG irregeführt zu werden.
Diesen Eindruck vermittelt die angegriffene Werbung des Beklagten gemäß Anl. K 2 im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung. Dass Einzelaussagen wie "Rund 100 Frauen sind bereits an den Start gegangen. Die ersten haben mit der Myline-Methode schon in den ersten vier Wochen 5 € 9 Kilo abgenommen" für sich genommen der Wahrheit entsprechen mögen, ändert nichts daran, dass sie wettbewerbsrechtlich unzulässig sind, weil sie im Gesamtkontext bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise einen unrichtigen Eindruck erwecken (vgl. Hefermehl/Köhler/ Bornkamm , Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG, 26. Aufl. 2008, UWG § 5 Rn. 2.71 mwN.).
Durch Angaben in der Werbeanzeige gemäß Anl. K 2 wie
€ Das Muskeltraining "ist der entscheidende Teil der Studie. Schließlich geht es ja darum herauszufinden wie effektiv sich das richtige Training auf das Körpergewicht auswirkt"
€ " Die Chance: Muskeltraining "
€ "Richtiges Muskeltraining bedeutet, in kurzer Zeit (nur 2 € 3 Std. pro Woche) ein Maximum an Energie zu verbrauchen und den Stoffwechsel dauerhaft zu beschleunigen"
wird dem Leser der Eindruck vermittelt, im Wesentlichen aufgrund Muskeltrainings mit Hilfe der Myline-Methode sicher und auf einfache Weise die erwünschte Reduzierung seines Körpergewichts herbeiführen zu können.
Inwieweit eine Änderung der Lebensgewohnheiten (neben dem Muskeltraining) erforderlich sein könnte, um trotz des aufgrund der sportlichen Betätigung ansteigenden Kalorienbedarfs die erwünschte Figurverbesserung herbeizuführen, gegebenenfalls in Form einer Ernährungsumstellung, wird dem interessierten Leser nicht vermittelt. Die Annonce weist lediglich pauschal auf Ernährungsempfehlungen hin, motiviert den Leser zur Anwendung der Myline-Methode gleichwohl durch Aussagen wie:
€ "Kalorien verbrennen durch richtiges Muskeltraining, anstatt immer weniger zu essen."
€ "Die Folge: Anstatt weniger zu essen ist nun mehr essen möglich!"
3. Grundsätzlich trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für seine Behauptung, dass die streitgegenständliche Werbung irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG sei (BGH GRUR 1991, 848, 849 € Rheumalind II ). Hierzu hat der Kläger unter Hinweis auf das als Anlage K 7 im Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg, Az. 416 O 44/05 von Prof. Dr. H H erstattete gerichtliche Sachverständigengutachten vorgetragen, dass allein aufgrund Muskeltrainings eine Gewichtsabnahme ohne Änderung der Lebens-, insbesondere Essgewohnheiten, eine nachhaltige Gewichtsreduzierung nicht möglich sei. Dieser Darstellung ist der Beklagte lediglich durch den Hinweis auf die in der angegriffenen Werbeanzeigen angesprochenen Ernährungsempfehlungen entgegengetreten, ohne diese näher zu spezifizieren. Dieses pauschale Bestreiten des Vortrags des Klägers, dass die sich auf Gewichtsabnahme (im Wesentlichen allein) durch Muskeltraining stützende angegriffene Werbung irreführend sei, ist nicht ausreichend, um das schlüssige Vorbringen des Klägers zu entkräften.
4. Darüber hinaus gilt: Wer € wie im Streitfall geschehen € mit Wirkungsaussagen wirbt, die wissenschaftlich ungesichert sind, hat darzulegen und zu beweisen, dass seine Angaben zutreffend und richtig sind (BGH GRUR 1991, 848, 849 € Rheumalind II ; OLG Köln, Urteil vom 20.08.1999, Az. 6 U 74/99, nachgewiesen in juris, Rn. 15; Hefermehl/Köhler/ Bornkamm , aaO., UWG § 5 Rn. 4.181 und 4.187). Dies gilt vor allem für die gesundheitsbezogene Werbung. Beweis für die Richtigkeit der angegriffenen € gesundheitsbezogenen € Werbeaussagen hat der Beklagte allerdings nicht angetreten.
III.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.). Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
OLG München:
Urteil v. 03.04.2008
Az: 29 U 1607/08
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https://www.admody.com/urteilsdatenbank/134d39ce02cf/OLG-Muenchen_Urteil_vom_3-April-2008_Az_29-U-1607-08