Landgericht Köln:
Urteil vom 19. Oktober 2012
Aktenzeichen: 7 O 161/11

(LG Köln: Urteil v. 19.10.2012, Az.: 7 O 161/11)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt und war beim H-Konzern (zuletzt bei der Beklagten) über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren als Arbeitnehmer beschäftigt. Am 12.10.2005 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag über das Arbeitsverhältnis (Bl. 9 d.A.). Gleichzeitig schlossen die Parteien unter demselben Datum einen so genannten "Mandatierungsvertrag", wonach der Kläger ab dem 1.7.2006 bis zum 30.6.2009 als Rechtsanwalt für die Beklagte und andere H Konzernunternehmen in rechtlichen Angelegenheiten, vorzugsweise im Bereich Kapitalanlagen, tätig werden sollte (Bl. 73 d.A.). Nach § 2 des Mandatierungsvertrages sollten prozessuale anwaltliche Tätigkeiten nach dem RVG und nichtprozessuale Tätigkeiten zu einem Stundensatz von 300,00 EUR netto vergütet werden. Dem Kläger wurde im Vertrag für das erste Jahr ein Honorarvolumen von mindestens 84.000,00 EUR netto, für das zweite Jahr von 72.000,00 EUR netto und für das dritte Jahr von 60.000,00 EUR netto garantiert. Das jeweilige Mindest-Honorarvolumen sollte in 12 gleichen Monatsraten bezahlt und mit den erbrachten Leistungen verrechnet werden. Eine außerordentliche Kündigung des Vertrages nach § 627 BGB wurde in § 5 des Vertrages ausgeschlossen. Unter § 7 der Vereinbarung ist bestimmt, dass für Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung das Amts- bzw. Landgericht Köln zuständig ist.

Der Kläger erhob mit Klageschrift vom 24. Juli 2006 - zugestellt am 28.08.2006 - vor dem Landgericht Köln gegen den H Versicherungsbank VVaG, die Obergesellschaft des H Versicherungskonzerns, Klage auf Feststellung, dass ein Beschluss der Mitgliederversammlung vom 23. Juni 2006 über die Wahl von 3 Mitgliedern in die Mitgliederversammlung nichtig ist. Der Kläger ist Mitglied des H Versicherungsbank VVaG. Nach Zustellung dieser Klage kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 28. August 2006 den Mandatierungsvertrag fristlos (Bl. 16 d.A.). In der betreffenden Klageschrift hatte der Kläger unter anderem ausgeführt, dass die Mitgliedervertreterversammlung der Konzernobergesellschaft einen "closed shop bar jeder demokratischen Legitimation" darstelle, bei dem 63 Mitglieder "zur Wahl eines neuen oder alten Kumpels" ausreichten, sie mehrere 100.000 Mitglieder dominiere und dass die Wahl zur Mitgliedervertreterversammlung und deshalb auch der Aufsichtsrat und der Vorstand illegitim seien. Dieser Unternehmensverfassung - so die Klageschrift - könnten und dürften keine Milliardenbeträge anvertraut werden. Wegen der Einzelheiten der Klageschrift wird auf die beigezogene Akte 82 O 212/06 verwiesen.

Nachdem der Kläger unter dem 21.11.2006 ein Schreiben an den Aufsichtsrat des H Versicherungsbank VVaG (Bl. 353 d.A.) geschickt hatte, kündigte die Beklagte den Mandatierungsvertrag hilfsweise erneut mit Schreiben vom 08.12.2006 (Bl. 352 d.A.) aus wichtigem Grund.

Der Kläger klagte sodann mit einer zunächst beim Arbeitsgericht eingereichten Klage vom 6.10.2006 seinen Honoraranspruch für den Monat September 2006 ein. Das Arbeitsgericht verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Köln; das Landesarbeitsgericht Köln wies die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 24.07.2007 zurück. Klage und Berufung vor dem LG und OLG Köln blieben rechtskräftig ohne Erfolg (Bl. 92 ff. und 103 ff. d.A.). Insoweit wird auf die beigezogenen Akten 14 O 385/07 verwiesen.

Der Kläger macht mit seiner hiesigen Klage nunmehr Garantiehonoraransprüche aus dem Mandatierungsvertrag für die Monate Oktober 2006 bis Dezember 2008 geltend.

Der Kläger ist der Meinung, dass die von der Beklagten am 28.8.2006 ausgesprochene Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksam sei. Die von ihm gegen den H Versicherungsbank VVaG erhobene Feststellungsklage stelle keinen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Dem Kläger als Mitglied des VVaG müsse es möglich sein, gegen (rechtswidrige) Beschlüsse und Satzungen des Vereins vorzugehen, ohne vertragsrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt zu sein. Auch aus dem Mandatierungsvertrag ergebe sich nichts anderes. Ein Anwalt sei berechtigt, eigene Interessen gegen einen von ihm vertretenen Auftraggeber zu verfolgen - gegenläufige Interessen einer anderen Seite habe der Kläger nicht verfolgt (Bl. 376 d.A.). Der Stil der Klage sei auch nicht abwertend und unsachlich gewesen - einzelne pointierte Sätze seien vielmehr im Gesamtzusammenhang der Klage zu bewerten. Eine solche Gesamtbewertung ergebe, dass die Klageschrift von der Beklagten noch hinzunehmen sei (Bl. 377 f. d.A.). Für den Kläger spräche außerdem seine grundrechtlich geschützte Meinungsäußerungsfreiheit. Von der Meinungsäußerungsfreiheit seien auch polemische Äußerungen geschützt. Es seien nur Äußerungen verwehrt, die strafbar, bewusst unwahr oder herabsetzend seien. Solche fänden sich in der Klageschrift aber nicht.

Außerdem sei der Kläger aufgrund der durch das Urteil des BGH vom 17. Juli 2009, 5 StR 394/08 geschaffenen Situation sogar zu einer klaren Ansage gegenüber dem Vorstand gezwungen gewesen (Bl. 6 d.A.). Er habe im Ergebnis sogar berechtigte Interessen des H Versicherungsbank VVaG wahrgenommen (Bl. 380 d.A.). Ein eine Kündigung rechtfertigender Vertrauensverlust habe durch die Klage außerdem deshalb nicht entstehen können, da der Beklagten sowohl den Sprachduktus des Klägers als auch dessen Kritik an der inneren Struktur des H Konzerns bekannt gewesen seien und sie dennoch den Mandatierungsvertrag abgeschlossen habe. Dies gelte umso mehr, als dass die Beklagte in dieser Kenntnis auch noch die Kündigung nach § 627 BGB vertraglich ausgeschlossen habe. Ein Vertrauensverhältnis habe außerdem bereits vorher nicht mehr bestanden (Bl. 404 ff. d.A.). Darüber hinaus begründe die Beklagte die Kündigung lediglich mit dem Vertrauensverlust eines Dritten, nämlich der Muttergesellschaft (Bl. 376, 382 d.A.). Desweiteren sei die Kündigung jedenfalls deswegen unwirksam, weil eine vorherige Abmahnung nicht erfolgt ist (Bl. 7 d.A.).

Nachdem der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 10.12.2010 (Bl. 229 d.A.) und vom 21.12.2011 (Bl. 328 d.A.) jeweils erweitert hat, beantragt er nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 21.000,00 EUR zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 7.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.11.2006,aus weiteren 7.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.12.2006,aus weiteren 7.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.01.2007

zu zahlen;

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger 78.000,00 EUR zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 7.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.02.2007,aus weiteren 7.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.03.2007,aus weiteren 7.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.04.2007,aus weiteren 7.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.05.2007,aus weiteren 7.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.06.2007,aus weiteren 7.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.07.2007,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.08.2007,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.09.2007,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.10.2007,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.11.2007,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.12.2007,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.01.2008,

zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 66.000,00 EUR zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.02.2008,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.03.2008,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.04.2008,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.05.2008,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.06.2008,aus weiteren 6.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.07.2008,aus weiteren 5.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.08.2008,aus weiteren 5.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.09.2008,aus weiteren 5.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.10.2008,aus weiteren 5.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.11.2008,aus weiteren 5.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.12.2008,aus weiteren 5.000,00 EUR (zzgl. Mehrwertsteuer) seit dem 01.01.2009,

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage anzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung des Mandatsverhältnisses bestanden habe. In der Klageschrift habe der Kläger gegen den H Konzern missachtend polemisiert. Dies sei ihm wegen seiner konkreten Sonderrechtsstellung als Rechtsanwalt der Beklagten und deren verbundener Unternehmen aber verwehrt gewesen. Der Kläger habe gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43a Abs. 3 BRAO verstoßen und durch den Angriff auf den H Konzern einen massiven Interessenwiderstreit verursacht. Das für ein Mandatsverhältnis erforderliche Mindestmaß an Loyalität und Vertrauen sei dadurch zerstört worden. Der Beklagten sei es daher nicht mehr zumutbar gewesen, an dem Vertrag festzuhalten und sich vom Kläger anwaltlich vertreten und beraten zu lassen. Die Beklagte erhebt bzgl. angeblicher Honorarforderungen aus dem Jahr 2008 außerdem die Einrede der Verjährung (Bl. 338 d.A.).

Der Kläger hat die vorliegende Klage ursprünglich beim Arbeitsgericht Köln erhoben. Das Arbeitsgericht Köln hat zunächst mit Beschluss vom 1. September 2010 (Bl. 208 ff. d.A.) den Rechtsweg zum Arbeitsgericht für eröffnet erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Köln den vorgenannten Beschluss aufgehoben und den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen (Bl. 288 ff. d.A.).

Die Akten des Landgerichts Köln 82 O 212/06 und 14 O 385/07 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat aus dem Mandatierungsvertrag vom 12.10.2005 keine Honoraransprüche mehr. Der Mandatierungsvertrag ist durch die von der Beklagten am 28.08.2006 ausgesprochene außerordentliche Kündigung wirksam beendet worden.

Auf die zwischen den Parteien zu Beginn des Verfahrens ausgiebig diskutierte Frage, ob der Kläger eine arbeitnehmerähnliche Person war oder nicht, kommt es insoweit nicht an. Diese Frage war allein für die Eröffnung des jeweiligen Rechtsweges relevant und wurde insoweit von den Arbeitsgerichten entschieden. Auf die Frage der Wirksamkeit der Kündigung hat dieser Umstand aber keine Auswirkungen, denn der abgeschlossene Mandatierungsvertrag stellt (in diesem Verfahren) unstreitig einen Rechtsanwaltsvertrag gem. §§ 675, 611 BGB und keinen Arbeitsvertrag dar. Er ist daher rechtlich nach den für Anwaltsverträge geltenden Maßgaben zu beurteilen.

Ein wichtiger Grund zur Kündigung gem. § 626 BGB lag vor. Aufgrund der vom Kläger gegen die Muttergesellschaft der Beklagten erhobenen Klage war der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden.

Es kann hier zunächst auf die den Parteien bekannten zutreffenden und ausführlichen Ausführungen im Urteil des Landgerichts Köln im Vorprozess 14 O 385/07 (Bl. 100 ff. d.A.) und denen des OLG Köln (Bl. 104 f. d.A.) zu exakt derselben Frage verwiesen werden. Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an. Auch die nunmehr vom Kläger erhobenen weiteren Einwendungen gegen die dortigen rechtlichen Ausführungen ändern an dieser Rechtslage nichts:

Zunächst war die Klageschrift für sich genommen geeignet, einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen. Der Kläger war als Rechtsanwalt der Beklagten und der übrigen H Konzerngesellschaften zu deren Interessenwahrnehmung verpflichtet. Indem er die Klage gegen die Muttergesellschaft der Beklagten erhoben hat und insbesondere in dieser in grob polemischer Form ("göttliche Fügung", "Dinosaurier deutscher Unternehmensverfassung", "dürfen keine Milliardenbeträge anvertraut werden" etc.) der Muttergesellschaft Verfassungswidrigkeit und Sittenwidrigkeit, einen illegitimen Aufsichtsrat und Vorstand und nahezu unverblümt Vetternwirtschaft vorwarf ("Wahl eines neuen oder alten Kumpels", "closed shop", "Verfassung für family and friends"), hat der Kläger gegen diese Verpflichtungen in grober Weise verstoßen. Desweiteren suggeriert der Kläger eine kritische wirtschaftliche Lage der H Versicherungsbank VVaG, wenn er in der Klage von den Pleiten dreier Versicherungsgesellschaften und den drohenden Pleiten zahlreicher weiterer Versicherer ("Darwin€s waiting room") spricht, um anschließend von einer Schadensbegrenzung für den Versicherungsverein zu sprechen, die mit der Klage bewirkt werden soll. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei den vorstehenden Formulierungen auch erkennbar nicht um einzelne als Stilmittel verwendete pointierte Äußerungen. Vielmehr zieht sich dieser Sprachduktus durch die gesamte Klageschrift. All diese Vorwürfe und Darlegungen erfolgen zudem (gerichts-)öffentlich.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger hier behauptet, eigene Rechte geltend gemacht zu haben. Dass ungeachtet der Frage, ob der Kläger hier berechtigt war, eigene Rechte gegen den VVaG geltend zu machen, jedenfalls die Art und Weise des Klagevortrages für die Beklagte hinzunehmen unzumutbar war, kann nicht ernsthaft bestritten werden. Auch ist der Fall nicht mit zum Beispiel dem eines Rechtsanwalts vergleichbar, der gegen einen Mandanten eigene Honorarforderungen geltend macht. Hier war, wie aus der Klage sehr unverblümt hervorgeht, vielmehr offenbar die eigene Frustration des Klägers, selbst nicht in die Mitgliedervertreterversammlung gewählt worden zu sein, Klageanlass. Dieser Frustration gab der Kläger in der Klageschrift freien Lauf. Die Klage musste der Kläger überdies auch nicht erheben, um den Bestand eigener Rechte zu schützen - er wollte vielmehr lediglich die eigenen Rechte (mittelbar) erweitern. Als Rechtsanwalt (auch) des VVaG hätte der Kläger aber hiermit zumutbar bis nach Beendigung des Mandates warten können. Eine Eilbedürftigkeit bestand jedenfalls nicht. Wenn für ihn subjektiv eine solche dennoch gegeben gewesen sein sollte, hätte er das Mandat entsprechend niederlegen müssen, bevor er versucht, öffentlich in grob polemischer Weise mittelbar eigene Rechte gegenüber dem VVaG geltend zu machen. Der Kläger durfte als zu einer loyalen und vertrauensvollen Interessenvertretung verpflichteter Rechtsanwalt eine derartige Klage jedenfalls nicht zeitgleich mit seinem Mandat verfolgen.

Sofern der Kläger desweiteren auf die Compliance-Entscheidung des BGH verweist und ernsthaft meint, hieraus eine eigene Verpflichtung zu einer deutlichen Ansprache und zu einem Vorgehen gegen die Muttergesellschaft herleiten zu können, geht dieser Ansatz ebenfalls fehl. Die in der Unternehmenswelt zu Recht vielbeachtete strafrechtliche BGH-Entscheidung befasste sich in der zitierten Passage ausschließlich mit der Strafbarkeit eines eine Garantenstellung innehabenden leitenden Angestellten eines Unternehmens. Die hier streitgegenständliche Situation war mit der aus der genannten BGH-Entscheidung in keiner Weise vergleichbar. Hier war der Kläger Rechtsanwalt der Beklagten und ihrer Muttergesellschaft - als solcher hat er gerade keine Garantenstellung, gegen seine Mandantschaft vorzugehen. Auch stand hier kein strafbares Handeln im Streit, sondern letztlich lediglich die rechtliche Überprüfung der bestehenden Gesetzeslage, welche vor allem rechtspolitischen Erwägungen geschuldet war. Dass der Kläger - wie er behauptet - mit der Klage sogar die Interessen der Muttergesellschaft wahrgenommen hat, ist in keiner Weise ersichtlich.

Auch eine Interessenabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit der Kläger sich hier wiederholt auf eigene Grundrechte beruht, ist ihm zwar zuzugestehen, dass diese Grundrechte grundsätzlich auch eine mittelbare Drittwirkung unter Privaten entfalten. Sie sind aber - was dem Kläger als Rechtsanwalt bekannt sein dürfte - dennoch in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat. Unter Dritten wirken sie lediglich mittelbar mit ihren Grundwerten als Teil der verfassungsrechtlichen Ordnung. Es ist demnach im Privat- und vor allem Geschäftsleben selbstverständlich möglich, dass z.B. die Meinungsäußerungsfreiheit eher eingeschränkt wird, bzw. ihre Ausübung zu zivilrechtlichen Konsequenzen führt, als dies im Verhältnis zum Staat der Fall wäre. Insofern gehen die Verweise des Klägers auf Definitionen des BVerfG, wonach nur strafbare, unwahre oder herablassende Äußerungen verwehrt sind, erkennbar fehl. Selbstverständlich kann die Meinungsäußerungsfreiheit eines Rechtsanwalts im Rahmen seines Mandatsverhältnisses grundsätzlich auch dann zivilrechtlich eingeschränkt sein, wenn sie nicht den strafrechtlichen, unwahren oder ehrenrührigen Bereich berührt. Man stelle sich vor, dass ein Rechtsanwalt, der die Interessen seines Mandanten vertreten soll, während einer Verhandlung z.B. auf einmal sagt: "Um ehrlich zu sein, ich glaube meinem Mandanten kein Wort. An der ganzen Sache ist meiner Meinung nach doch nichts dran." Diese Äußerung ist weder strafbar, noch herabwürdigend und als Meinungsäußerung geschützt - sie würde aber wohl dennoch ohne Weiteres den Mandanten zu einer Kündigung nach § 626 BGB berechtigen.

Auch der Umstand, dass die Klage sich nicht gegen den Vertragspartner des Klägers aus dem Mandatierungsvertrag, sondern gegen dessen Obergesellschaft richtete, führt zu keiner anderen Wertung. Zum einen war der Kläger nach dem Vertrag auch verpflichtet, die Interessen des VVaG zu vertreten. Zum anderen war die Beklagte durch die Angriffe gegen die Muttergesellschaft des H-Konzerns selbstverständlich mittelbar auch selbst betroffen.

Insofern führt eine Abwägung der Interessen der Parteien dazu, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt. Auch insoweit kann im Übrigen auf die zutreffenden Entscheidungen des Vorprozesses verwiesen werden.

Einer Kündigung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagten die Art des Klägers und dessen kritische Haltung bei Abschluss des Mandatierungsvertrages bekannt waren. Denn gerade weil die Parteien nunmehr einen Rechtsanwaltsvertrag abgeschlossen haben, durfte die Beklagte berechtigterweise davon ausgehen, dass der Kläger seine Pflichten als Rechtsanwalt standesgemäß erfüllt und seine Kritik am Konzern der Beklagten jedenfalls nicht in derart überspitzter Form öffentlich kundtut, wie er es in der besagten Klageschrift getan hat. Sie konnte auch davon ausgehen, dass der Kläger seinen rhetorischen Stil öffentlich nur für und nicht gegen die Beklagte und ihre verbundenen Unternehmen einsetzt.

Auch die Behauptung des Klägers, dass das Vertrauensverhältnis bereits vorher zerstört gewesen sei, verfängt nicht. Die Parteien haben in Kenntnis der Vorgeschichte gerade einen Mandatierungsvertrag abgeschlossen, der nach (nunmehrigem) Vortrag des Klägers auch kein Scheingeschäft war. Dies zeigt gerade, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien jedenfalls für eine derartige Sonderbeziehung noch ausreichte.

Eine Abmahnung war - wie im Vorprozess richtig entschieden - nicht erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, dass nach dem öffentlichen Auftritt des Klägers durch eine Abmahnung das Vertrauensverhältnis wieder hätte hergestellt werden können.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert:

bis 19.12.2010: 21.000,00 EUR

bis 21.12.2011: 99.000,00 EUR

ab 22.12.2011: 165.000,00 EUR






LG Köln:
Urteil v. 19.10.2012
Az: 7 O 161/11


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