Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 10. Mai 2011
Aktenzeichen: I-20 U 149/10

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 10.05.2011, Az.: I-20 U 149/10)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16. September 2010 verkündete Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und durch Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen,

in welchem Umfang sie Kinderwagen, die die nachstehenden Gestaltungsmerkmale aufweisen, im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft angeboten haben und/oder haben anbieten lassen, in Verkehr gebracht haben und/oder haben in Verkehr bringen lassen oder zu den vorstehend genannten Zwecken besessen haben:

(1) annähernd elliptisch geformter Rahmen aus Aluminiumstangen, dessen Ellipsenform nur im oberen Bereich durch eine horizontal verlaufende Stange begrenzt wird;

(2) Applikationen aus schwarzem Kunststoff an den Gelenkstellen und am unteren Ende des Rahmens;

(3) horizontal verlaufende Verbindung der äußeren Streben des Rahmens im Griffbereich;

(4) Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen eingespannt ist;

(5) hängemattenartige Form der Sitzfläche, die einstufig in den Stoff eingelassen ist;

(6) zwei Räder im hinteren Bereich, die durch Aluminiumstangen pfeilartig mit zwei im Abstand voneinander angeordneten Rädern an der Spitze des Pfeilsegments verbunden sind;

wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind, wobei es auf die konkrete Farbgebung nicht ankommt:

Modell "X"

Modell "Y"

und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse unter Vorlage von Rechnungen und etwaigen Gutschriften;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und unter Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer sowie unter Vorlage von Rechnungen und etwaigen Gutschriften;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein Hersteller von Produkten, die der Mobilität von Babys und Kleinkindern dienen. Ihr bekanntestes Produkt ist der "A.", ein Auto-Schalensitz für Babys. Daneben stellt sie unter der Marke "B." Kinderwagen her und vertreibt diese weltweit. Sie ist Inhaberin des am 3. Juli 2003 angemeldeten und am selben Tage eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nummer ..., welches nachfolgend wiedergegeben wird:

Diesem Geschmacksmuster ist das seit 2003 unter der Marke "B." vertriebene Kinderwagenmodell "C." nachgebildet, das sich jedoch von dem eingetragenen Geschmacksmuster in einigen Details, insbesondere im Bereich der Fußstütze, unterscheidet. Eine Abbildung des im vorangegangenen Verfahren I - 20 U 46/09 zur Akte gereichten Originalkinderwagens wird nachfolgend wiedergegeben:

Die Beklagte zu 1. ist ein Deutschland ansässiges Unternehmen, das ebenfalls Kinderwagen europaweit vertreibt. Der Beklagte zu 2. ist ihr Geschäftsführer. Die von der Beklagten zu 1. vertriebenen, nachstehend wiedergegeben Kinderwagenmodelle "X" und "Y" waren Gegenstand des vorangegangen Verfahrens I - 20 U 46/09:

Der Senat hat in diesen Modellen eine Nachahmung des Geschmacksmusters der Klägerin gesehen und der Beklagte den Vertrieb durch Urteil vom 30. Dezember 2009 untersagt. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1. und dortigen Beklagten hin hat der Bundesgerichtshof die Revision mit Beschluss vom 18. November 2010 zugelassen. Das Revisionsverfahren ist unter dem Aktenzeichen I ZR 23/10 anhängig. Die Beklagte zu 1. hat mit Rücksicht auf die Entscheidung vom 30. Dezember 2009 die Modellgestaltung verändert. In der Folgezeit vertrieb sie die im Tenor wiedergegebenen Modelle "X" und "Y":

Wie schon bei den Vorgängermodellen gehörten zum Lieferumfang neben dem eigentlichen Kinderwagen auch einen ausklappbares Verdeck, ein Frontbügel und ein Korb unter Sitzfläche. Diese können sie vom Benutzer nach Belieben entfernt und auch wieder angebaut werden.

Die Klägerin ist der Ansicht, auch diese Modelle verletzten das Klagegeschmacksmuster. Zudem stellten sie eine unlautere Nachahmung ihres Kinderwagenmodells "C." im Sinne des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes nach § 3, § 4 Nr. 9 a) und b) UWG dar, insoweit bestehe auch die Gefahr einer Verwechslung und damit einer Irreführung nach § 5 Abs. 2 UWG.

Die Beklagte ist dem bereits in erster Instanz entgegengetreten. Sie meint, mit den vorgenommenen Veränderungen habe sie der Auffassung des Senats zu den das Geschmacksmuster prägenden Merkmalen Rechnung getragen. So sei die elliptische Rahmenform aufgegeben worden, die Holme seien nun vollständig gerade ausgebildet. Die Einzelgriffe seien ersatzlos wegegefallen, die horizontal verlaufende Verbindung aus metallisch hellem Material sei nicht mehr vorhanden. Wegen der nunmehr eckigen Ausgestaltung des Rahmens nehme das rund ausgebildete Fahrwerk die Rahmenform nicht mehr auf.

Durch einstweilige Verfügung vom 24. August 2010, Az. I-20 U 54/10, hat der Senat der Beklagten den Vertrieb der Modelle X und Y untersagt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Modelle der Beklagte stellten sich nicht als verbotene Nachbildung dar. Zwar weise das Geschmacksmuster einen erheblichen Abstand vom vorbekannten Formenschatz auf. Gleichwohl bleibe es bei seiner Auffassung, die angegriffenen Modelle erweckten beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck. Die Merkmale des Geschmacksmusters fänden sich nur teilweise wieder. So seien lediglich die Merkmale 2, schwarze Kunstoffapplikationen an den Gelenkstellen und am unteren Ende des Rahmens, und 7, zwei Räder im hinteren Bereich, die durch metallischhelle Stangen pfeilartig mit zwei im Abstand voneinander angeordneten Rädern an der Spitze des Pfeilsegments verbunden sind, verwirklicht. Das modern wirkende, die dynamische Linie des Geschmacksmusters unterstreichende Gestänge unter dem Sitz (Merkmale 8 und 9) fehle hingegen völlig. Der besonders prägende, elliptische Aluminiumrahmen (Merkmal 1) sei nicht identisch übernommen. Der Rahmen sei nunmehr mit geraden Streben gestaltet, die leicht abgeknickt seien. Allerdings werde immer noch im Wesentlichen dieselbe Kontur ausgebildet, wobei insbesondere die halbrund geformte Fußstütze den fortbestehenden Eindruck einer Ellipse bestärke. Allerdings werde diese Ellipse nicht mehr mit einer horizontalen metallischhellen Stange begrenzt, sondern durch einen eher kräftigen schwarzen umlaufenden Griff. Die noch beim Vorgängermodell vorhandenen Einzelgriffe entfielen. Dieser Unterschied sei besonders augenfällig, da beide Grifflösungen zwar vorbekannt, aber gleichwohl sehr unterschiedlich seien. Zudem sei der Stoff bei den angegriffenen Modellen nur im unteren Bereich gespannt, wobei dort noch zusätzlich eine Stufe für die Füße geschaffen worden sei. Sportliche Dynamik werde so nicht mehr vermittelt. Insgesamt erweckten die Modelle daher beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck. An diesen Unterschieden scheitere auch ein Anspruch aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz sowie wegen Irreführung.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründeten Berufung.

Nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils haben die Beklagten eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und erklärt, keine der streitgegenständlichen Modelle mehr zu besitzen.

Die Klägerin hat daraufhin die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Vernichtung in ihrer Berufungsbegründung für erledigt erklärt. Zur Begründung ihrer Berufung trägt sie vor, das Landgericht habe dem Unterschied in der Griffgestaltung ein deutlich zu großes Gewicht beigemessen. Der elliptische Rahmen sei als solcher deutlich erhalten geblieben. Es sei auch nicht richtig, dass die die xförmige Stützkonstruktion zwischen Sitzfläche und Fahrgestell beschreibenden Merkmale 8 und 9 bei den angegriffenen Modellen fehlten. Auch dort finde sich eine im Wesentlichen xförmige Stützstruktur. Soweit es Abweichungen gebe, sei noch nachzutragen, dass diese nicht nur aufgrund der technischen Erfordernisse geringer zu gewichten seien, sondern derartige Stützkonstruktionen seien auch vorbekannt. Entscheidend sei auch nicht die Spannung des Stoffs, sondern seine Verankerung im Rahmen ohne sichtbare Befestigungspunkte, die bei Geschmacksmuster und angegriffenen Modellen übereinstimme.

Die Klägerin beantragt,

auf die Berufung der Berufungsklägerin das am 16. September 2010 verkündete und ihr am 21. September zugestellte Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (Az: 14c O 94/10) abzuändern und

1. festzustellen, dass sich

a) der von der Klägerin verfolgte, nachfolgend wiedergegebene Unterlassungsanspruch:

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, untersagt,

Kinderwagen, die die nachstehenden Gestaltungsmerkmale aufweisen, im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft anzubieten und/oder anbieten zu lassen, in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen oder zu den vorstehend genannten Zwecken zu besitzen:

(1) annähernd elliptisch geformter Rahmen aus Aluminiumstangen, dessen Ellipsenform nur im oberen Bereich durch eine horizontal verlaufende Stange begrenzt wird;

(2) Applikationen aus schwarzem Kunststoff an den Gelenkstellen und am unteren Ende des Rahmens;

(3) horizontal verlaufende Verbindung der äußeren Streben des Rahmens im Griffbereich;

(4) Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen eingespannt ist;

(5) hängemattenartige Form der Sitzfläche, die einstufig in den Stoff eingelassen ist;

(6) zwei Räder im hinteren Bereich, die durch Aluminiumstangen pfeilartig mit zwei im Abstand voneinander angeordneten Rädern an der Spitze des Pfeilsegments verbunden sind;

wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind, wobei es auf die konkrete Farbgebung nicht ankommt:

(es folgen die im Tenor wiedergegebenen Abbildungen)

b) sowie der auf S. 7 in dem angefochtenen Urteil unter Ziff. I.3. wiedergegebene Vernichtungsanspruch

erledigt haben;

2. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen und durch Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die im vorstehend zu Ziffer 1.a) wiedergegebenen Unterlassungsantrag bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse unter Vorlage von Rechnungen und etwaigen Gutschriften;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und unter Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer sowie unter Vorlage von Rechnungen und etwaigen Gutschriften;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die im vorstehend zu Ziffer 1.a) wiedergegebenen Unterlassungsantrag bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung der Klägerin angeschlossen. In der Sache verteidigen sie das erstinstanzliche Urteil. Zu Recht habe das Landgericht eine Verletzung verneint. Es bestünden allerdings erhebliche Zweifel, ob das zwischenzeitlich mit einem Nichtigkeitsantrag angegriffene Geschmacksmuster überhaupt rechtsbeständig sei. Der von dritter Seite gestellte Nichtigkeitsantrag stütze sich auf das deutsche Gebrauchsmuster DE ..., welches das Klagegeschmacksmuster vorwegnehme. Auch beim Gebrauchsmuster DE ... verjünge sich der Rahmen sowohl nach oben als auch nach unten hin, die Streben der Hinterräder liefen an der Spitze pfeilartig zusammen und nähmen so die Form des Rahmens gestalterisch auf. Letztlich seien die Merkmale 1 bis 3 und 7 bis 9 des Klagegeschmacksmusters gestalterisch vorweggenommen. Es verbleibe lediglich der durchgehend elliptisch geformte Rahmen, der durch eine horizontal verlaufende metallischhelle Stange begrenzt wird. Selbst wenn eine völlige Vorwegnahme verneint werden sollte, verbleibe für das Klagegeschmacksmuster allenfalls noch ein kleiner Schutzbereich. Kinderwagen, deren Rahmen im mittleren Bereich ihren breitesten Punkt aufweisen und sich nach oben und unten verjüngten, zeigten auch die US ... und die DM ..., wobei letztere zudem eine Verbindung der Hinterräder durch metallischhelle Stangen mit dem Vorderrad an der Spitze des dadurch gebildeten Pfeilsegments offenbare. Freiliegende Rahmen seien gleichfalls vorbekannt. Das Klagegeschmacksmuster hebe sich folglich nur durch seine Merkmale 1, den elliptisch geformten, nur oben durch eine metallischhelle Stange begrenzten Rahmen, 3, Griffe aus schwarzem Kunststoff, die die äußeren Streben des Rahmen fortsetzten und nach vorne zeigten, und 4, die horizontal verlaufende Verbindung der Griffe mit einem schwarzen Versatzstück um das sich in der Mitte befindliche Gelenk herum, sowie die Merkmale 8 und 9 vom vorbekannten Formenschatz ab, die bei ihren - der Beklagten - Modellen alle nicht verwirklicht seien. Insbesondere der Rahmenschluss durch einen massiven, schwarzen Schiebebügel lasse die für das Geschmacksmuster charakteristische Kombination einer nach oben offenen Ellipse mit nach vorne geneigten Haltegriffen vermissen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 131 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung seine vorläufige Einschätzung mitgeteilt, dass der für das Nichtigkeitsverfahren angefertigte "Prototyp" zielorientiert mit Blick auf eine optische Anlehnung an das Klagegeschmacksmuster gefertigt worden sei und über den Offenbarungsgehalt des deutsche Gebrauchsmuster DE ..., des sogenannten B.-Musters, deutlich hinausgehe. So lasse das Gebrauchsmuster eine Verjüngung im oberen Bereich des Rahmens nicht erkennen. Das Gebrauchsmuster stehe für Fortentwicklung vom vier- zum dreirädrigen Buggy, dies bedinge einen vförmigen Verlauf des Gestänges im unteren Bereich, während ein Abgehen vom parallelen Verlauf im oberen Bereich für den Benutzer nicht erkennbar sei.

Dem sind die Beklagten mit nachgelassenem Schriftsatz entgegengetreten, in dem sie vorgetragen haben, die Verjüngung im oberen Bereich ergebe sich aus dem deutlichen Knick des Gestänges im Gelenk 26a, 26b der Zeichnung. Das B.-Muster nehme damit den Grundaufbau des Klagegeschmacksmusters vorweg.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat, soweit über sie nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung von Unterlassungs- und Vernichtungsbegehren noch zu entscheiden war, auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 42 Abs. 2 GeschmMG. Der Vertrieb der Modelle "X" und "Y" verletzte das Geschmacksmusterrecht der Klägerin.

Die Klägerin ist Inhaberin des Gemeinschaftsgeschmacksmusters Nr. ..., von dessen Rechtsgültigkeit nach Art. 85 Abs. 1 S. 1 GGV auszugehen ist. Eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit haben die Beklagten nicht erhoben, das von ihnen angeführte ältere deutsche Gebrauchsmuster DE ... ist nicht ihr Musterrecht. Das eingetragene Geschmacksmuster gewährt seinem Inhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen, Art. 19 Abs. 1 GGV, wobei sich der Schutz auf jedes Geschmacksmuster erstreckt, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt, Art. 10 Abs. 1 GGV.

Bei der Bestimmung des Schutzumfangs nach Art. 10 Abs. 2 GGV ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen. Dabei besteht zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und damit ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers führt zu einem engen Schutzumfang des Musters, mit der Folge, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen können. Dagegen führt eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers zu einem weiten Schutzumfang des Musters, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken. Der bereits vor Umsetzung der Richtlinie 98/71/EG durch das Geschmacksmusterreformgesetz anerkannte Grundsatz, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz abhängt, gilt daher nach wie vor (BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 - Untersetzer). Das Geschmacksmuster ist so, wie es eingetragen ist, dem angegriffenen Muster gegenüberzustellen. Bei der Bestimmung des Gesamteindrucks sind nicht nur die Übereinstimmungen, sondern auch die Unterschiede der Muster zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 20 - Untersetzer). Der übereinstimmende Gesamteindruck ist aus der Übereinstimmung in konkreten Gestaltungsmerkmalen abzuleiten (BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 23 - Untersetzer)

Das Klagegeschmacksmuster weist folgende Gestaltungsmerkmale auf:

(1) elliptisch geformter Rahmen aus metallischhellen Stangen, dessen Ellipsenform nur im oberen Bereich durch eine horizontal verlaufende metallischhelle Stange begrenzt wird;

(2) Applikationen aus schwarzem Material an den Gelenkstellen und am unteren Ende des Rahmens;

(3) Griffe aus schwarzem Material, die die äußeren Streben des Rahmens fortsetzen und nach vorne zeigen;

(4) horizontal verlaufende Verbindung der Griffe mit einem schwarzen Versatzstück um das sich in der Mitte befindende Gelenk herum;

(5) Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen eingespannt ist;

(6) hängemattenartige Form der Sitzfläche, die einstufig in den Stoff eingelassen ist;

(7) zwei Räder im hinteren Bereich, die durch metallischhelle Stangen pfeilartig mit zwei im Abstand voneinander angeordneten Rädern an der Spitze des Pfeilsegments verbunden sind;

(8) zwei metallischhelle Stangen, die jeweils von den hinteren Rädern zu einem Verbindungsstück unter der Sitzfläche führen, von dem aus ein weiteres Verbindungsrohr zur vorderen Spitze führt;

(9) zwei metallischhelle Stangen, die von dem Mittelgelenk der Seitenstangen gleichfalls zu dem Verbindungsstück führen.

Der durch diese Merkmale vermittelte Gesamteindruck weist einen erheblichen Abstand zum vorbekannten Formenschatz auf, das Klagegeschmacksmuster setzt sich dementsprechend deutlich vom vorbekannten Formenschatz ab.

Der Grundaufbau wird durch das B.-Muster nicht vorweggenommen. Der für das Nichtigkeitsverfahren gefertigte, im vorliegenden Verfahren vorgelegte sogenannte "Prototyp", Bl. 220, 221 d. GA., stellt keine naturgetreue Umsetzung dieses Musters, sondern dessen zielorientierte Fortentwicklung dar. So findet sich die beim "Prototyp" in Anlehnung an das Klagegeschmacksmuster vorhandene Verjüngung des Rahmens im oberen Bereich in der Gebrauchsmusterschrift DE ... (Anlage PBP 1b) nicht. In den Ansprüchen und der Beschreibung findet sich hierzu nichts. Hier wird nur der vförmige Verlauf des Gestänges im unteren Bereich (2a, 2b) beschrieben. Keine der Abbildungen zeigt das Muster in Fronttalansicht. Das Gebrauchsmuster DE ... steht für die Fortentwicklung des vorbekannten vierrädrigen Buggys zu einem dreirädrigen Modell. Beim vierrädrigen Buggy verlaufen die seitlichen Stangen parallel. Ausgehend von diesem Kenntnisstand entnimmt der informierte Benutzer dem Gebrauchsmuster DE ... eine Verjüngung im oberen Bereich nicht. Er wird davon ausgehen, dass es im oberen Bereich bei dem ihm bekannten parallelen Verlauf der in den Griffen endenden Seitenstangen verbleiben soll und lediglich die untere Hälfte des seitlichen Gestänges vförmig auf das vordere Rad zuläuft. Etwas anderes kann auch dem Knick im Gelenkbereich (26a, 26b) nicht entnommen werden. Ohne diesen Knick würde sich der vförmige Verlauf aus dem unteren Bereich im oberen fortsetzen. Es entstünde ein durchgehend vförmiges Gestell, bei dem die Griffe einen für den Nutzer nicht mehr praktikablen Abstand voneinander hätten. Eine Messung der Abstände ist bei einer halbseitlichen Darstellung nicht aussagekräftig, ebenso erlaubt der zusammengeklappte Zustand keinen Rückschluss über den genauen Verlauf im ausgeklappten Zustand. Hätte der Entwerfer eine - gegenüber dem vorbekannten Formenschatz neue - Verjüngung im oberen Bereich offenbaren wollen, hätte er entsprechende Ausführungen in die Beschreibung aufgenommen und das Gestell auch in Frontalansicht wiedergegeben. Dass der "Prototyp" geschaffen wurde, um einen dem Klagegeschmacksmuster ähnlichen Gesamteindruck zu erwecken, zeigt auch das auffällig breit ausgeführte Verbindungselement zwischen den vorderen Enden der Stangen und dem Vorderrad, durch das der "Prototyp" in Aufweichung der in der Gebrauchsmusterschrift DE ... offenbarten V-Form optisch an die Ellipsenform des klägerischen Geschmacksmusters angenähert werden soll. Letzteres haben die Beklagten in ihrem nachgelassenen Schriftsatz sogar ausdrücklich eingeräumt, indem sie vorgetragen haben, beim - hier als "Modell" bezeichneten - "Protoptyp" seien die Streben an der Spitze in weitaus größerem Abstand zueinander angeordnet, als im B.-Muster offenbart.

Zum vorbekannten Formenschatz gehört nicht der "Prototyp", vorbekannt war nur das Gebrauchsmusters DE ... . Dieses weist im Rahmen nicht die für das Klagegeschmacksmuster charakteristische Ellipsenform, sondern im unteren Bereich eine für die Verbindung von zwei Punkten mit einem dritten klassische V-Form auf, bei der die das V bildenden Schenkel etwa in der Rahmenmitte abrupt in zwei zueinander parallele Seitenstangen übergehen. Zwar ist die Radaufhängung pfeilartig gestaltet, diese nimmt jedoch nicht wie beim Klagegeschmacksmuster die Rahmenform schlechthin, sondern allenfalls deren unteren Teil auf. Wegen der für die Verbindung von zwei Punkten mit einem dritten klassischen V-Form liegt hierin zudem kein in vergleichbarer Weise gestalterisches Element. Zudem offenbart die Gebrauchsmusterschrift DE ... keinen Kinderwagen, sondern lediglich ein Gestell. Wie die Stoffbespannung eines hierauf aufbauenden Kinderwagens aussehen könnte, hat der Entwerfer dieses Musters offen gelassen. Zum vorbekannten Formenschatz gehörten Stoffbespannungen, die in den Rahmen eingehängt wurden, wobei dieser entweder vollflächig oder teilweise durch Stofflaschen bedeckt wurde. Eine Vorbekanntheit der ohne sichtbare Befestigungspunkte in den Rahmen eingespannten Sitzfläche aus gespanntem Stoff lässt auch das Anlagenkonvolut PBP 3 nicht erkennen. Dort ist die Sitzfläche klassisch in den Rahmen eingehängt, nicht eingespannt. Teile des Rahmens, wie die obere Querstrebe, sind mit Stofflaschen bedeckt. Dass dem Rahmen über die allgemeine Formgebung hinaus eine besondere Gestaltungswirkung zukommen solle - wie dem freiliegenden Rahmen beim Klagegeschmacksmuster - konnte der informierte Benutzer dem B.-Muster folglich gar nicht entnehmen.

Das Geschmacksmuster DM ... der D. GmbH & Co. KG (Anlage PBP 1a) verfügt zwar ebenfalls über Applikationen aus schwarzem Material (Merkmal 2). Jedoch fehlt es schon an der elliptischen Gestaltung des Rahmens. Dieser läuft nach unten spitz zu, eine - nur im Griffbereich abgeschnittene - Ellipse bildet er nicht. Auch die dreirädrig anmutende Radanordnung wird nicht durch die die Form der geschnittenen Ellipse aufnehmende pfeilartige Fahrwerkkonstruktion des Klagegeschmacksmusters erreicht. Das Vergleichsmuster entspricht vielmehr einem herkömmlichen Kinderwagen und ruft daher einen stark vom Klagegeschmacksmuster abweichenden Gesamteindruck hervor.

Das Modell Z. (Anlagen PBP 1c und PBP 1d) ruft ebenfalls einen deutlich anderen Gesamteindruck hervor. Zwar weist dieses Modell einen ellipsenförmigen Rahmen auf. Dieser weicht aber schon deshalb erheblich von dem Klagegeschmacksmuster ab, weil er nicht im oberen Bereich durch eine horizontal verlaufende Stange begrenzt wird. Vielmehr wird die Ellipsenform hier nicht - wie beim Klagegeschmacksmuster - geschnitten, sondern in den Griffbereich fortgeführt. Die Fahrwerkkonstruktion des Modells "Z" unterscheidet sich vollständig von derjenigen des Klagegeschmacksmusters, insbesondere wird hier nicht die Rahmenform wieder aufgenommen, sondern es wird ein "klassisches" vierrädriges Fahrgestell genutzt. Die Sitzfläche schließlich ist nicht in den Rahmen eingespannt, sondern findet sich gleichsam als Sitzschale im Zentrum der Ellipse.

Die US Design-Patentschrift ... (Anlage PBP 1e) weist keine der für das Klagegeschmacksmuster charakteristischen Eigenschaften auf. Weder ist der Rahmen elliptisch gestaltet, noch findet sich hier die pfeilartige Radaufhängung. Auch die Sitzfläche ist nicht in den Rahmen eingespannt, sondern umfasst diesen, so dass der Rahmen vollständig von der Sitzbespannung verborgen wird. Gleiches gilt für die US-Design-Patentschrift ... (Anlage PBP 1f), die ein Kinderwagengestell offenbart, welches ebenfalls keines der vorgenannten Merkmale des Klagegeschmacksmusters aufweist.

Bei der US Design-Patentschrift ... (Anlage PBP 1g) läuft der Rahmen im unteren Teil in klassischer Weise V-förmig auf die Achse des vorderen Rades zu. Soweit sich der Rahmen im oberen Bereich wieder verjüngt, entsteht eine an eine Raute angelehnte Grundform, die keinerlei Ähnlichkeit mit der elliptischen Rahmenform des Klagegeschmacksmusters aufweist. Die Hinterräder sind nicht unmittelbar mit Vorderrad, sondern nur mit dem Rahmen verbunden. Die Gestaltung der Stoffbespannung lässt die Design-Patentschrift völlig offen.

Die internationale Geschmacksmusterregistrierung DM ... (Anlage PBP 1h) weist zwar zwei Räder im hinteren Bereich auf, die durch metallischhelle Stangen pfeilartig mit dem Vorderrad an der Spitze des Pfeilsegments verbunden sind. Auch findet sich hier die Gestaltung des unteren Rahmenteils im Fahrwerk wieder. Diese Verbindungen sind jedoch nicht konvex, sondern konkav gekrümmt. Auf diese Weise entsteht ein in Richtung auf das Vorderrad zunehmend spitzer werdendes Pfeilsegment, was der Front des Kinderwagens eine aggressive Anmutung verleiht. Zudem weist der Rahmen am Übergang von den seitlichen Stangen zum Pfeilsegment einen deutlichen Knick auf, der den kantigen, aggressiven Eindruck noch unterstützt. Die Stoffbespannung ist mit dem Rahmengestänge durch eine sich um das Gestänge windende Schnur verbunden. An das eine vorn sanft (stumpf) gerundete Rahmen- und Fahrwerksform aufweisende Klagegeschmacksmuster fühlt sich der informierte Benutzer wegen des divergierenden ästhetischen Eindrucks nicht erinnert.

Das Anlagenkonvolut PBP 2 enthält ausschließlich nach dem 3. Juli 2003 offenbarte Muster. Zum Anlagenkonvolut PBP 3, dessen Modelle hinsichtlich der Formgebung unstreitig keine Ähnlichkeiten mit den Klagegeschmacksmuster aufweisen und die allein zur Frage der Vorbekanntheit der Stoffbedeckung des Rahmens vorgelegt worden sind, ist bereits anlässlich der Erörterung der Gebrauchsmusterschrift DE ... und des sie angeblich umsetzenden "Prototyps" ausgeführt worden.

Der Senat bleibt zudem bei seiner Auffassung, dass der Gestalter eines Kinderwagens nur wenige funktionale Vorgaben beachten muss, ihm also ein großer Gestaltungsspielraum verbleibt. Schon die Beklagte hat im Rahmen ihres Vortrags eine Vielzahl unterschiedlichster Gestaltungen vorgelegt. Dabei ist auch die Entscheidung zwischen einer vierrädrigen und einer dreirädrigen Fahrwerksgestaltung keine technische, sondern eine gestalterische. Eine im zusammengeklappten Zustand möglichst kleine Form hat zwar Vorteile, technisch zwingend ist sie aber nicht. Hier mag gegebenenfalls eine gewisse Spannung zwischen Funktionalität und Ästhetik entstehen. Viele Konsumenten sind jedoch bereit, für eine schöne Form Abstriche bei der Funktionalität in Kauf zu nehmen. Dem Klagegeschmacksmuster ist daher weiterhin ein großer Schutzbereich zuzumessen.

Die angegriffenen Modelle "X" und "Y" erwecken beim informierten Benutzer, einem an der Gestaltung von Kinderwagen interessierten und über die bestehende Formenvielfalt unterrichteten Verbraucher, keinen anderen Gesamteindruck. Die Merkmale des Klagegeschmacksmusters finden sich in identischer oder ähnlicher Form auch bei den Modellen der Beklagten.

Bei dem Modell "X" sind die Merkmale 1, 2, 5, 6 und 7 des Geschmackmusters nahezu identisch übernommen. Das Modell "X" orientiert sich in der Rahmenform unverändert an der Ellipse (Merkmal 1). Zwar weisen die seitlichen Stangen nunmehr gerade Abschnitte auf, durch jeweils drei sanfte Krümmungen und die halbrunde Umrahmung der Fußstütze wird jedoch weiterhin der Eindruck einer Ellipse hervorgerufen. Ebenso findet sich bei dem Modell "X" die Wiederaufnahme der Form der Ellipse bei der Fahrwerkgestaltung (Merkmal 7). Auch hinsichtlich der Sitzfläche übernimmt das Modell die wesentlichen Merkmale des Klagegeschmacksmusters (Merkmale 5 und 6). Das klägerische Geschmacksmuster unterscheidet sich vom vorbekannten Formenschatz, insbesondere der US Design-Patentschrift ... (Anlage PBP 1e), dadurch, dass der Stoff der Sitzfläche in den Rahmen eingespannt ist, wodurch anders als bei den vorbekannten Modellen der Rahmen vollständig sichtbar bleibt. Genau dieses Gestaltungsmerkmal weist auch das Modell "X" auf. Zwar ist der Stoff beim Klagegeschmacksmuster straff eingespannt, während bei dem angegriffenen Modell eine eher lockere Gestaltung zu finden ist. Der Umstand beeinflusst den Gesamteindruck jedoch weit weniger als der deutlich sichtbare Rahmen.

Ebenso wenig Bedeutung wird der informierte Benutzer dem Umstand beimessen, dass das Klagegeschmacksmuster lediglich eine Stufe für den Sitz offenbart, während das Modell "X" - wie im Übrigen auch das Modell "C" der Klägerin - demgegenüber eine weitere Stufe für die Füße aufweist. Die Rückfront der Stufe tritt nur leicht hinter die durch den Rahmen definierte Ebene zurück. Die Fußstütze ist schmal und nach vorne geneigt. Der mit der Stufe einhergehende Einschnitt in die Ebene wird so optisch abgemildert. Zudem wurde ein schwarzer Stoff gewählt. Gleiches gilt für die unterhalb der Stufe in den Rahmen integrierte Kunststoffapplikation, durch die die Breite der Fußstütze nach vorne verlängert wird. Auch diese ist in Schwarz gehalten und zu den Seiten und nach unten hin abgerundet. Dem informierten Benutzer, der weiß, dass das klägerische Geschmacksmuster im unteren Bereich des Rahmens eine schwarze Applikation aufweist, wird sie nicht weiter auffallen. Gleiches gilt für das Fehlen der kleinen Öffnungen im Stoff, die das Geschmacksmuster für das Einstellen der Füße vorsieht.

Lediglich im oberen Bereich des elliptischen Rahmens unterscheidet sich das Modell "X" deutlicher von seinem Vorgängermodell und vom Klagegeschmacksmuster. Die horizontale obere Begrenzung schneidet die Ellipse nicht (Merkmal 4), sondern ist in Form eines die oberen Enden der offenen Ellipse verbindenden Griffs ausgebildet. Die Verbindung der oberen Enden verläuft jedoch im Wesentlichen gerade, insbesondere ist sie nicht - wie beim vorbekannten Modell Z. - halbrund ausgebildet. Sie bildet daher eine im Grundsatz horizontal verlaufende Verbindung der oberen Rahmenenden, wie sie auch das Klagegeschmacksmuster aufweist. Zudem verfügt sie wie dieses über ein Gelenk in der Mitte, das beidseitig von schwarzen Applikationen flankiert wird, auch wenn diese sich im Gegensatz zum Geschmacksmuster bis zu den oberen offenen Enden des elliptischen Rahmens hin erstrecken. Durch die schwarze Farbgebung ist der Griffbereich vom metallfarbenen Rahmen zudem optisch deutlich abgesetzt, wobei die dunklere Griffgestaltung zurücktritt, so dass der für das Klagegeschmacksmuster wesentliche Eindruck der oben abgeschnittenen Ellipse aus metallischhellen Stangen und deren Wiederaufnahme im Fahrwerk erhalten bleibt. Gegenüber diesen Übereinstimmungen treten die fehlenden Einzelgriffe (Merkmal 3) zurück.

Wie schon das Vorgängermodell weicht das Modell "X" zudem im Bereich der Stützkonstruktion unterhalb der Sitzfläche, bei der das klägerische Geschmacksmuster die Verwendung von zweimal zwei metallischhellen Stangen vorsieht (Merkmale 8 und 9), etwas ab. Auch insoweit überwiegen jedoch die Übereinstimmungen. Die vier beim Klagegeschmacksmuster verwandten Stangen bilden zwei Diagonalverbindungen zwischen dem elliptischen Rahmen und dem Fahrgestell, welche sich in einem zentralen Verbindungsstück schneiden. Über eine Stützkonstruktion, bei der zwei Metallstangen den elliptischen Rahmen mit dem Fahrgestell über Kreuz verbinden, verfügt aber auch das Modell "X". Auch hier findet sich eine im Wesentlichen xförmige Stützstruktur. Zwar besteht diese nur aus zwei durchgehenden, im Kreuzungspunkt lediglich mit einer Schraube verbundenen Stangen, die zudem in Schwarz gehalten sind. Auch ist der Ansatzpunkt am Fahrgestell nach vorne verlagert. Wesentliche Bedeutung für den Gesamteindruck kommt diesen Abweichungen jedoch nicht zu. Eine Verbindung zwischen Rahmen und Fahrgestell ist technisch erforderlich, eine Verbindung lediglich im Bereich des Vorderrades ist wegen der dann wirkenden Hebelkräfte unzureichend. Dabei muss die Verbindung diagonal ausgebildet sein, um auftretende Scherkräfte aufzufangen und dem Kinderwagen die notwendige Steifigkeit zu verleihen. Auch wenn für die konkrete Ausgestaltung ein gewisser Spielraum verbleibt, wird die Stützstruktur von dem informierten Benutzer als eher technisch bedingt erkannt werden. Die Stützkonstruktion ist daher weder in der Ausprägung des Geschmacksmusters noch bei derjenigen des Modells "X" geeignet, den Gesamteindruck, der durch die sichtbare geschnittene Ellipsenform des Rahmens und deren Wiederaufnahme im Bereich der pfeilförmigen Fahrwerksgestaltung bestimmt wird, zu ändern.

Die weiteren Unterschiede erschöpfen sich Kleinigkeiten, die schon im Ansatz nicht geeignet sind, einen abweichenden Gesamteindruck zu begründen. Dass die seitlichen Kunststoffapplikationen etwas nach unten verlängert und mit einem silbernen Punkt auf dem Gelenk versehen sind, fällt dem informierten Benutzer nicht auf. Auch das Klagegeschmacksmuster verfügt über einen hellen Punkt auf dem Gelenk, mag dieser auch etwas kleiner gehalten sein. Die Räder beim Modell "X" bestehen aus einer schwarzen Lauffläche und einem hellgrauen Rad, auch dies stimmt mit dem Klagegeschmacksmuster überein. Gleiches gilt für die Größe. Die leicht abweichende Gestaltung der Speichen fällt nicht auf.

Das zum Lieferumfang gehörende Verdeck, der Frontbügel und der Korb unter der Sitzfläche haben bei dem vorzunehmenden Vergleich außer Betracht zu bleiben. Es handelt sich um typisches Zubehör. Seine Montage und Demontage steht im Belieben des Nutzers. Der informierte Benutzer wird daher erkennen, dass es sich um austausch- beziehungsweise verzichtbare Zubehörteile handelt und demnach diese bei der Beurteilung des Gesamteindrucks des Geschmacksmusters außer Betracht lassen. Soweit nach der Demontage des Korbes dessen Halterungen verbleiben, ist auch dies für den Gesamteindruck nicht relevant. Bei der die geschnittene Ellipse und deren Wiederaufnahme durch das Fahrwerk zeigenden Frontansicht sind sie durch die Sitzfläche ohnehin verdeckt, bei der Seitenansicht fallen sie aufgrund ihres geringen Durchmessers und der schwarzen Farbgebung nicht weiter auf.

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich die wesentlichen prägenden Gestaltungsmerkmale des Geschmacksmusters bei dem Modell "X" in identischer oder ähnlicher Gestaltung wiederfinden. Der abweichend gestaltete Griffbereich, die Stützkonstruktion und die nicht straffe Einspannung der Sitzfläche führen gegenüber dem Geschmacksmuster nicht zu einem abweichenden Gesamteindruck. Die nahezu identisch übernommenen Merkmale, namentlich der in Form einer oben abgeschnittenen Ellipse gestaltete Rahmen, der durch das ebenfalls in dieser Form gestaltete Fahrwerk wieder aufgenommen wird und die Stoffeinspannung in einer Weise, die den Rahmen sichtbar lässt und so die Rahmenform deutlich hervortreten lässt, wiegen bei der Beurteilung des Gesamteindrucks schon deshalb besonders schwer, weil sich das Geschmacksmuster gerade durch diese Merkmale deutlich vom vorbekannten Formenschatz abhebt. Die abweichende Griffgestaltung, die ohnehin eher technisch wahrgenommene Stützkonstruktion und die Straffheit der Sitzfläche haben demgegenüber einen geringeren Einfluss auf den vom Geschmacksmuster vermittelten Gesamteindruck. Dies hat zur Folge, dass der Kinderwagen "X" der Beklagte keinen anderen Gesamteindruck erweckt als das Geschmacksmuster.

Das Vorgesagte gilt in gleicher Weise für das Modell "Y" der Beklagte. Auch dieses ruft beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck hervor, als das Klagegeschmacksmuster. Von dem Modell "X" unterscheidet sich das Modell "Y" alleine dadurch, dass die beiden Vorderräder etwas weiter auseinander stehen. Das Fahrwerk als solches, insbesondere die Wiederaufnahme der Rahmenform, findet sich bei dem Modell "Y" in genau der gleichen Form, wie beim Modell "X" und beim Klagegeschmacksmuster. Auch das Modell "Y" ruft beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck hervor als das Geschmacksmuster.

Die Beklagten haben folglich die Rechte der Klägerin an ihrem Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzt. Der Geschäftsführer einer rechtswidrig handelnden Firma hat für diese Rechtsverletzung ebenfalls einzustehen, wenn er die Handlung veranlasst hat oder jedenfalls die ihm bekannte Handlung hätte unterbinden können (vgl. BGH, GRUR 2005, 1061, 1064 - Telefonische Gewinnauskunft; Köhler/ Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 8 Rn. 2.20). Dass er vom Vertrieb der angegriffenen Modelle keine Kenntnis hatte oder ihn nicht hätte unterbinden können, behauptet der Beklagte zu 2. nicht. Die Beklagten handelten bei der Verletzung der klägerischen Geschmacksmusterrechte zumindest fahrlässig, denn sie sind entweder schon ihrer Obliegenheit zur Überwachung der Schutzrechtslage nicht nachgekommen (vgl. Eichmann in Eichmann/von Falckenstein, Geschmackmustergesetz, 3. Aufl., § 42 Rn. 10) oder sie hatten sich jedenfalls nicht hinreichend sorgfältig mit der klägerischen Gestaltung auseinandergesetzt. Wer ein in besonderer Weise gestaltetes Erzeugnis vertreiben will, muss sich gewissenhaft davon überzeugen, dass er kein besseres Recht eines anderen verletzt (BGH, GRUR 1974, 735, 737 - Pharmamedan, zum Markenrecht).

Der Auskunftsanspruch der Klägerin ergibt sich hinsichtlich der Angaben zu a) und b) aus Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 46 GeschmMG. Da die Beklagten das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin rechtswidrig benutzt haben, sind sie nach Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 46 Abs. 1, Abs. 3 GeschmMG zur Auskunft über die Herkunft und Vertriebswege, insbesondere zu Angaben über Namen und Anschriften des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer sowie die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse verpflichtet. Der weitergehende Anspruch ergibt sich aus § 242 BGB. Steht die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz fest, so sind sie nach Treu und Glauben auch zur Auskunft verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, die Beklagten werden durch die von ihnen verlangte Auskunft nicht unzumutbar belastet.

Dabei kann die Klägerin von den Beklagten auch die Vorlage der Rechnungen verlangen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Gläubiger eines Schadensersatzanspruches einen Anspruch auf Belegvorlage, sofern nicht die Besonderheiten des Falles dem entgegenstehen, da er erst durch die Vorlage der Belege die Möglichkeit erhält, die Verlässlichkeit der Auskunft zu überprüfen und sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob ein Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung besteht (BGH, GRUR 2003, 433, 434 - Cartier-Ring). Der Gesetzgeber hat mit Schaffung der Verpflichtung, die Namen der Lieferanten und gewerblichen Abnehmer zu offenbaren, § 46 Abs. 3 GeschmMG, entschieden, dass das Geheimhaltungsinteresse des Verletzers hinter dem Aufklärungsinteresse des Verletzten zurückzustehen hat (BGH, a.a.O.). Die Beklagten werden durch die Verpflichtung zur Rechnungsvorlage auch nicht unzumutbar belastet. Schon die Auskunftspflicht beschränkt sich nicht auf das präsente Wissen des Verpflichteten, dieser ist vielmehr gehalten, seine Geschäftsunterlagen durchzusehen und alle ihm zugänglichen Informationen aus seinem Unternehmensbereich zur Erteilung einer vollständigen Auskunft heranzuziehen (BGH, a.a.O.). Die Beklagten müssen daher im Zuge der Auskunftserteilung ohnehin alle Rechnungen durchsehen, so dass sich der Mehraufwand auf das Fertigen von Kopien beschränkt.

Auf die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche kommt es nicht an. Schon aus der Formulierung des Klageantrags ist zu folgern, dass diese nur hilfsweise geltend gemacht werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 91a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die Kosten des Rechtsstreits ebenfalls den Beklagten aufzuerlegen, da sie ohne das erledigende Ereignis, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und die Auskunft, keine Modelle mehr in ihrem Besitz zu haben, unterlegen wären. Aus den vorgenannten Gründen hatte die Klägerin auch einen Anspruch auf Unterlassung aus Art. 89 Abs. 1 lit. a GGV und Vernichtung noch vorhandener Modelle aus Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV i.V. mit § 43 Abs. 1 GeschmMG. Dabei kann offen bleiben, ob der Vernichtungsanspruch auch gegen den Beklagten zu 2. bestanden hat, da selbst eine Verneinung des Anspruchs wegen des auch im Rahmen des § 91a ZPO zu berücksichtigenden Rechtsgedankens des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ohne Einfluss auf die Kostenentscheidung geblieben wäre. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Reichweite des Schutzes von Gemeinschaftsgeschmacksmustern ist noch nicht hinreichend geklärt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 10.05.2011
Az: I-20 U 149/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/648c865b0d95/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_10-Mai-2011_Az_I-20-U-149-10




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