Bundesgerichtshof:
Urteil vom 15. Dezember 2011
Aktenzeichen: I ZR 129/10

(BGH: Urteil v. 15.12.2011, Az.: I ZR 129/10)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 9. Juni 2010 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte, die Deutsche Post AG, lässt jede Woche über ihre Zusteller vorwiegend in Ballungsgebieten und großen Städten an alle Haushalte die Postwurfsendung "Einkauf Aktuell" verteilen, der regelmäßig weitere Werbebeilagen beigefügt sind und die neben dem Fernsehprogramm redaktionelle Beiträge in den aus dem nachstehend wiedergegebenen Klageantrag ersichtlichen Rubriken enthält.

Größter Einzelaktionär der aus dem ehemaligen Monopolunternehmen "Deutsche Bundespost" hervorgegangenen Beklagten ist mit einem Anteil von 30,5% die Kreditanstalt für Wiederaufbau, an der der Bund zu 80% und die Länder zu 20% beteiligt sind.

Die Kläger, die Interessenverbände der Zeitungsverleger und Anzeigenblätter, sind der Ansicht, das Verteilen der Postwurfsendung "Einkauf Aktuell" verstoße wegen der an der Beklagten beteiligten öffentlichen Stellen gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgende Gebot der Staatsferne der Presse. Sie haben deswegen die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG in Anspruch genommen und beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, das Objekt "Einkauf Aktuell" zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, sofern es die Rubriken "Editorial" und/oder "Titelstory" und/oder "Gesundheit" und/oder "TV-Höhepunkte" und/oder "TV-Lieblinge" und/oder "Essen und Trinken" und/oder "Technik" und/oder "Reisen" und/oder "Computer & Co." und/oder "Horoskop" wie in den als Anlagen K 6, K 8, K 10, K 12, K 14, K 16, K 18, K 20, K 22 und K 24 beigefügten Ausdrucken aus seinen Ausgaben "Hamburg/Kiel/Lübeck" geschehen enthält.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Hamburg, ZUM-RD 2009, 215). Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamburg, AfP 2010, 499). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte nicht Adressatin des aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Gebots der Staatsferne der Presse ist und den Klägern daher kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit dieser Grundrechtsbestimmung zusteht. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Das Gebot der Staatsferne der Presse setze einer pressemäßigen Betätigung öffentlicher Stellen enge Grenzen. Die Beklagte sei jedoch nicht der öf-3 fentlichen Hand zuzurechnen. Sie sei zwar ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen. Eine beherrschende Einflussnahme von staatlicher Seite sei aber ausgeschlossen. Sonstige Umstände, aus denen eine zumindest faktische Beherrschung folge, hätten die Kläger nicht dargelegt. Die von Bund und Ländern über die Kreditanstalt für Wiederaufbau gehaltenen Anteile reichten hierfür auch deshalb nicht aus, weil in den vergangenen Jahren auf den Hauptversammlungen der Beklagten zwischen 67% und 74% der Stimmen repräsentiert gewesen seien, so dass die staatlichen Stellen dort keine sichere Mehrheit gehabt hätten. Aus der möglichen politischen Einflussnahme auf den Rücktritt des früheren Vorstandsvorsitzenden der Beklagten Dr. Z. oder den Verkauf der Postbank ergebe sich ebenso wenig eine beherrschende Stellung wie aus dem Inhalt der Postwurfsendung "Einkauf Aktuell" oder der früheren Monopolstellung der Beklagten. Im Übrigen sei das Gebot der Staatsferne der Presse als bloßes Abwehrrecht gegen staatliche Einflussnahme keine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Kläger hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht als unbegründet abgewiesen. Der von den Klägern gestellte Klageantrag ist allerdings entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht unbestimmt (dazu unter II 1). Das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitende Gebot der Staatsferne der Presse stellt auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar (dazu unter II 2 bis 4). Die Beklagte ist jedoch nicht Adressatin dieses Gebots, weil der Bund und die Länder mit ihrem an dieser über die Kreditanstalt für Wiederaufbau gehaltenen Anteil von 30,5% die Beklagte nicht beherrschen (dazu unter II 5).

1. Der Klageantrag genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist - anders als die Revisionserwiderung meint - nicht deswegen unbestimmt, weil einzelne im Antrag aufgeführte Rubriken von "Ein-7 kauf Aktuell" Beiträge enthalten, die auch nach Ansicht der Kläger unbedenklich sind; der Einwand, dass der Beklagten mit dem Antrag auch ein zulässiges Verhalten untersagt werden soll, richtet sich nicht gegen die Zulässigkeit, sondern gegen die Begründetheit der Klage. Unabhängig davon ist der Klageantrag ohnehin auf ein Verbot der konkreten Verletzungsform gerichtet, das keinen Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit begegnet; denn die Verbreitung von "Einkauf Aktuell" soll nach dem Antrag nur untersagt werden, wenn die angeführten Rubriken dort so ausgestaltet sind wie in den im Antrag wiedergegebenen Ausgaben (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2011 - I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 Rn. 17 = WRP 2011, 873 - Leistungspakete im Preisvergleich, mwN).

2. Die Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fordert zur Sicherung der Meinungsvielfalt die Staatsferne der Presse. Dieser Grundsatz schließt es aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar Presseunternehmen beherrscht, die nicht lediglich Informationspflichten der öffentlichen Stellen erfüllen. Der Staat kann zwar zur Sicherung der Vielfalt und zur Vermeidung einseitigen Einflusses auf die öffentliche Meinungsbildung infolge Zusammenballung publizistischer Macht Gefahren durch gesetzliche Regelungen begegnen. Er selbst darf sich jedoch nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse betätigen (vgl. BVerfGE 20, 162, 175; vgl. zur Rundfunkfreiheit BVerfGE 121, 30, 52 mwN). Das verfassungsrechtliche Gebot, dass die Presse von staatlichen Einflüssen freizuhalten ist, bezieht sich nicht nur auf manifeste Gefahren unmittelbarer Lenkung oder Maßreglung der im Bereich der Presse tätigen Unternehmen, sondern weitergehend auch auf die Verhinderung aller mittelbaren und subtilen Einflussnahmen des Staates (vgl. wiederum zur Rundfunkfreiheit BVerfGE 121, 30, 52 f. mwN).

3. Da die Grundrechte die staatliche Gewalt umfassend und insgesamt binden und die Frage der Grundrechtsbindung für das jeweilige Unternehmen 9 nur einheitlich beantwortet werden kann, gelten diese Grundsätze nicht nur für Unternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sondern auch für gemischtwirtschaftliche Unternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden (vgl. BVerfGE 128, 226 Rn. 49 ff.). Der Begriff der staatlichen Gewalt ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen und beschränkt sich daher nicht auf sogenannte imperative Maßnahmen (vgl. BVerfGE 128, 226 Rn. 47). Auch steht die theoretische Möglichkeit, die Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 GG über den Umweg der Einwirkungsrechte geltend zu machen, nicht der Annahme entgegen, dass ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen unmittelbar grundrechtsverpflichtet sein kann (vgl. BVerfGE 128, 226 Rn. 52 ff.).

4. Das für den Staat bestehende Gebot, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, dient - wie oben ausgeführt - der Sicherung der Meinungsvielfalt. Es regelt damit die Frage, wie sich Hoheitsträger und von Hoheitsträgern beherrschte Unternehmen im Falle ihrer Teilnahme am Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse zu verhalten haben. Das Gebot der Staatsferne der Presse stellt damit insoweit, als es auch den Schutz der Mitbewerber und der Verbraucher bezweckt, eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rn. 13.53 f.; v. Walter, Rechtsbruch als unlauteres Verhalten, 2007, S. 61).

5. Die Beklagte wird jedoch - anders als die Revision meint - nicht von ihren öffentlichen Anteilseignern beherrscht. Die von ihr vorgenommene Herausgabe und Gestaltung der Postwurfsendung "Einkauf Aktuell" stellt daher kein staatliches Handeln dar.

a) Ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen wird in der Regel von öffentlichen Anteilseignern beherrscht, wenn die öffentliche Hand mehr als die Hälfte seiner Anteile hält. Für die Grundrechtsverpflichtung ist dabei grundsätzlich an die entsprechenden zivilrechtlichen Wertungen in den §§ 16, 17 AktG sowie in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG anzuknüpfen (vgl. BVerfGE 128, 226 Rn. 53). Das Kriterium der Beherrschung mit seiner Anknüpfung an die eigentumsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse stellt danach nicht auf konkrete Einwirkungsbefugnisse hinsichtlich der Geschäftsführung ab, sondern auf die Gesamtverantwortung für das jeweilige Unternehmen. Unerheblich ist daher, ob die öffentliche Beteiligung durch eine öffentliche Stelle oder durch mehrere öffentliche Stellen erfolgt und ob diese ihre Handlungen koordinieren (vgl. BVerfGE 128, 226 Rn. 54; abweichende Meinung aaO Rn. 113). Die Frage, ob ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, ist im Übrigen in erster Linie aus der Sicht des betroffenen Unternehmens zu beurteilen. Aus seiner Sicht ist es unerheblich, ob der - nach außen einheitliche - fremde Unternehmerwille, dem eine Gesellschaft unterworfen sein soll, von einem anderen Unternehmen oder von mehreren anderen Unternehmen gebildet wird (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1974 - II ZR 89/72, BGHZ 62, 193, 197).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte kein vom Bund und den Ländern beherrschtes Unternehmen.

aa) Der Abhängigkeitstatbestand nach § 17 AktG oder Art. 2 Abs. 1 Buchst. f RL 2004/109/EG ist erfüllt, wenn ein rechtlich selbständiges Unternehmen aus seiner Sicht in eine Situation geraten ist, in der es der Möglichkeit einer Beherrschung durch ein anderes Unternehmen ausgesetzt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 1997 - II ZB 3/96, BGHZ 135, 107, 114 mwN). Dies wird nach § 17 Abs. 2 AktG vermutet, wenn ein Unternehmen im Mehrheitsbe-13 sitz eines anderen Unternehmens steht. Das ist vorliegend unstreitig nicht der Fall.

bb) Eine unter 50% liegende Beteiligung kann in Verbindung mit weiteren verlässlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art eine Abhängigkeit im Sinne von § 17 AktG oder Art. 2 Abs. 1 Buchst. f RL 2004/109/EG begründen, wenn die abstrakte Möglichkeit einer beständigen und umfassenden gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussnahme besteht (vgl. BGHZ 62, 193, 201). Das kann auch dann der Fall sein, wenn die Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft aufgrund von Streubesitz erfahrungsgemäß so schlecht besucht sind, dass die unter 50% liegende Beteiligung eines Großaktionärs regelmäßig ausreicht, um für einen längeren Zeitraum Beschlüsse mit einfacher Mehrheit durchzusetzen. Die Abhängigkeit kann ferner durch die Möglichkeit einer tatsächlichen Einflussnahme auf den Vorstand und seine Geschäftspolitik verstärkt werden, die ein Großaktionär bei einer Gesellschaft, an der überwiegend Klein- und Kleinstaktionäre beteiligt sind, in hohem Maße ausüben kann. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Großaktionär ein Mandat oder sogar mehrere Mandate im Aufsichtsrat besetzen kann (vgl. BGHZ 135, 107, 114 f.).

cc) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Nach den getroffenen Feststellungen waren auf den Hauptversammlungen der Beklagten in den letzten Jahren immer mindestens 67% der stimmberechtigten Anteilseigner vertreten. Damit verfügten die hinter der Kreditanstalt für Wiederaufbau stehenden öffentlichen Anteilseigner über keine Hauptversammlungsmehrheit. Für den Umstand, dass über eine besondere Mandatsverteilung im Aufsichtsrat oder sonst in personeller Hinsicht eine durch die Beteiligung in Höhe von 30,5% anzunehmende Abhängigkeit verstärkt worden ist, haben die Kläger, die - wie der Gegenschluss aus § 17 Abs. 2 AktG ergibt - in dieser Hinsicht die Darlegungs- 16 und Beweislast tragen (vgl. Koppensteiner in Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., 2. Bearb. 2009, § 17 Rn. 99), nichts dargetan.

Vergeblich verweist die Revision demgegenüber auf die Rechtsprechung des Senats, wonach im Rahmen des § 4 Nr. 11 UWG bei einem Verhalten, das unter einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht, das Vorliegen einer Erlaubnis vom Adressaten des Verbots darzulegen und im Bestreitensfall auch zu beweisen ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265, 273 f. - Atemtest; Urteil vom 19. November 2009 - I ZR 186/07, GRUR 2010, 160 Rn. 15 = WRP 2010, 250 - Quizalofop; Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 8/09, GRUR 2011, 842 Rn. 18 = WRP 2011, 1144 - RC-Netzmittel). Im Streitfall geht es nicht darum, ob die Beklagte als öffentlich beherrschtes Unternehmen ausnahmsweise - etwa in Erfüllung ihr obliegender Informationspflichten - auf dem Gebiet der Presse tätig werden darf. Zu entscheiden ist hier vielmehr die vorgelagerte Frage, ob überhaupt eine Grundrechtsbindung der Beklagten besteht. Das Vorliegen einer solchen Bindung war - als anspruchsbegründende Tatsache - von den Klägern darzulegen. Davon ist zutreffend auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat ausdrücklich ausgeführt, dass die Kläger die dafür erforderliche Beherrschung der Beklagten durch ihre öffentlichen Anteilseigner nicht dargelegt haben.

dd) Die Revision rügt ferner, für die Frage der Beherrschung der Beklagten komme es nicht auf die Frage an, in welchem Umfang ihre Anteilseigner in den letzten Jahren auf ihren Hauptversammlungen präsent gewesen seien; maßgeblich sei vielmehr die Sicht des beherrschten Unternehmens und deshalb die Frage, ob sich der Vorstand oder der Aufsichtsrat der Beklagten nach den Interessen der Hauptaktionäre ausrichte (vgl. Vetter in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 17 Rn. 6 mwN). Auch diese Rüge führt die Revision nicht zum Erfolg. 18

(1) Die Revision beanstandet zu Unrecht, dass sich das Berufungsgericht nicht mit dem Vortrag der Kläger zur Einflussnahme der Bundesregierung auf die Besetzung des Postens des Vorstandvorsitzenden bei der Beklagten auseinandergesetzt hat. Die behauptete Einflussnahme hätte keine Beherrschung begründet, zumal selbst eine rechtlich nicht abgesicherte zufällige Mehrheit in der Hauptversammlung hierfür nicht ausgereicht hätte (vgl. MünchKomm.AktG/Bayer, 3. Aufl., § 17 Rn. 50). Aus demselben Grund kam es auch nicht auf die Behauptung der Kläger an, wonach die Bundesregierung den Verkauf der Postbank beeinflusst habe und nichts dafür ersichtlich sei, dass die Besetzung der Spitzenpositionen der Beklagten nicht mit staatlicher Billigung erfolgt sei. Die Beklagte brauchte deshalb entgegen der Ansicht der Revision nicht darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass auf den Hauptversammlungen Entscheidungen gegen die Stimmen der öffentlichen Anteilseigner getroffen worden sind.

(2) Der von den Klägern vorgetragene Umstand, ein Staatssekretär oder ein Vorstandsmitglied der Kreditanstalt für Wiederaufbau befinde sich im Aufsichtsrat der Beklagten, war als solcher nicht geeignet, eine Beherrschung zu begründen (vgl. MünchKomm.AktG/Bayer aaO § 17 Rn. 41; Spindler/Stilz/Schall, AktG, 2. Aufl., § 17 Rn. 31; Großkomm.AktG/Windbichler, 4. Aufl., § 17 Rn. 46). Ebenso wenig führt die Möglichkeit, ein Mitglied des Aufsichtsrats zu bestellen, zur Beherrschung eines Unternehmens (vgl. Münch-Komm.AktG/Bayer aaO § 17 Rn. 50; Vetter in K. Schmidt/Lutter aaO § 17 Rn. 12, 40).

(3) Gleichfalls ohne Erfolg rügt die Revision, die Beherrschung der Beklagten durch ihre öffentlichen Anteilseigner ergebe sich bereits aus § 29 Abs. 2 WpÜG. Der dort geregelte formale Beherrschungsbegriff, wonach Kontrolle das 20 Halten von mindestens 30% der Stimmrechte an der Zielgesellschaft ist, kann nicht mit der Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG oder anderer Bestimmungen gleichgesetzt werden, die an die materielle Beherrschung anknüpfen. Die Vorschrift des § 29 Abs. 2 WpÜG enthält demgegenüber eine eigenständige, an den spezifischen Zwecken des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes ausgerichtete Begriffsbestimmung, die die in anderen Gesetzen verwendeten Kontrollbegriffe unberührt lässt und umgekehrt auch nicht mit dem Begriff der konzernrechtlichen Abhängigkeit nach § 17 AktG gleichgesetzt werden kann (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 53; v. Bülow in Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., § 29 Rn. 80; Noack in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., § 29 WpÜG Rn. 22; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., Vor § 311 Rn. 27; aA Spindler/Stilz/Schall aaO § 17 Rn. 29).

(4) Für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte von ihren öffentlichen Anteilseignern beherrscht wird, kommt es nicht darauf an, ob - wie die Revision geltend macht - in der Postwurfsendung "Einkauf Aktuell" veröffentlichte Werbeanzeigen der CDU den Eindruck einer redaktionellen Berichterstattung erweckten. Eine sich daraus etwa ergebende Rechtswidrigkeit jener Anzeigen würde weder einen Beweis noch auch nur ein Indiz für die im vorliegenden Zusammenhang allein bedeutsame Beherrschung der Beklagten durch ihre öffentlichen Anteilseigner darstellen.

(5) Keine Beherrschung der Beklagten und damit auch nicht deren Grundrechtsbindung ergibt sich schließlich aus dem Wettbewerbsvorteil, den die Beklagte nach dem Vortrag der Kläger infolge ihrer früheren Monopolstellung auch weiterhin genießt. Das Berufungsgericht hat hierzu zutreffend 23 ausgeführt, dass sich dieser Vorteil allenfalls bei der Zustellung der Postwurfsendung der Beklagten auswirken kann, die aber im vorliegenden Rechtsstreit nicht Streitgegenstand ist. Die Kläger begehren die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Verteilung von "Einkauf Aktuell", sofern diese Postwurfsendung die im Klageantrag aufgeführten Rubriken enthält.

ee) Vergeblich verweist die Revision auch darauf, dass sich die Beteiligungsverhältnisse bei der Beklagten und die Mehrheitsverhältnisse auf deren Hauptversammlungen ändern können. Ein vorbeugender Unterlassungsanspruch ist von den Klägern in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht worden. Er wäre im Übrigen nur dann begründet gewesen, wenn die Kläger eine Erstbegehungsgefahr, das heißt ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgetragen und im Bestreitensfall bewiesen hätten, dass die Beklagte sich in naher Zukunft in der entsprechenden Weise rechtswidrig verhalten werde (BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, GRUR 2011, 1038 Rn. 44 = WRP 2011, 1609 - Stiftparfüm). Diese Erstbegehungsgefahr muss sich dabei auf eine konkrete Verletzungshandlung beziehen; aufgrund der Umstände muss sich die drohende Verletzungshandlung so konkret abzeichnen, dass sich die Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt (BGH, Urteil vom 13. März 2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Rn. 17 = WRP 2008, 1353 - Metrosex, mwN). Die Kläger hätten daher Umstände vortragen und gegebenenfalls beweisen müssen, die den Schluss hätten rechtfertigen können, die Beklagte werde ihre Postwurfsendung "Einkauf Aktuell" auch bei einer absehbaren Änderung der bei ihr bestehenden Beteiligungs- oder Stimmverhältnisse in unveränderter Form fortführen.

III. Nach allem ist die Revision der Kläger mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Bornkamm Pokrant Büscher Schaffert Koch Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 06.11.2008 - 315 O 136/08 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 09.06.2010 - 5 U 259/08 - 26






BGH:
Urteil v. 15.12.2011
Az: I ZR 129/10


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