Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 343/04

(BPatG: Beschluss v. 11.07.2006, Az.: 14 W (pat) 343/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 101 61 218 mit der Bezeichnung

"Verfahren zum Oxidationsschutz faserverstärkter kohlenstoffhaltiger Verbundwerkstoffe und Verwendung eines nach dem Verfahren hergestellten Verbundwerkstoffes"

ist am 3. Juni 2004 veröffentlicht worden. Es umfasst 12 Patentansprüche, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Verfahren zum Oxidationsschutz faserverstärkter, kohlenstoffhaltiger Verbundwerkstoffe, deren Matrix zumindest in der Randschicht Siliziumkarbid (SiC) enthält, beinhaltend folgende Schrittea) Imprägnieren des Verbundwerkstoffs mit einer wässrigen, phosphathaltigen Lösung, b) nach Trocknung Durchführung einer Wärmebehandlung bei einer Temperatur, welche wenigstens ausreicht, um die getrocknete Lösung in nicht lösliche Verbindungen umzuwandeln, die zur Ausbildung eines selbstheilenden Glases geeignet sind, dadurch gekennzeichnet, dassder Oxidationsschutz an einem faserverstärkten, kohlenstoffhaltigen Verbundwerkstoff ausgebildet wird, dessen Matrix zumindest in der Randschicht neben Siliziumkarbid (SiC) auch Silizium (Si) und/oder Siliziumlegierungen beinhaltet, und dassder Verbundwerkstoff vor dem Schritt a) oder zwischen den Schritten a) und b) oder während oder nach dem Schritt b) zur Ausbildung von Siliziumoxid (SiO2) oxidierend behandelt wird."

Zum Wortlaut der auf Anspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 12 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Gegen das Patent ist am 3. September 2004 Einspruch erhoben worden, der u. a. auf die Behauptung gestützt ist, das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents sei gegenüber der nachveröffentlichten, jedoch als Stand der Technik nach § 3 Abs. 2 PatG zu berücksichtigenden Entgegenhaltung D2 WO 02/44 106 A2 nicht mehr neu.

Die Einsprechende beantragt, das Streitpatent aus den in § 21 Abs. 1 PatG genannten Gründen in vollem Umfang zu widerrufen.

Eine Äußerung der Patentinhaberin auf den Einspruchsschriftsatz ist nicht zur Akte gelangt, demzufolge liegt auch kein Antrag der Patentinhaberin vor.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen, somit zulässig.

Er führt zum Widerruf des Patents wegen fehlender Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 im Hinblick auf D2.

Die am 6. Juni 2002 veröffentlichte D2 ist am 6. November 2001 unter Inanspruchnahme der amerikanischen Priorität vom 8. November 2000 international angemeldet worden. In Erfüllung des Art. 158 (2) EPÜ ist die internationale Anmeldung dem EPA in der Amtssprache Englisch zugeleitet worden, die Bundesrepublik Deutschland ist als Vertragsstaat benannt worden und am 9. Mai 2003 sind die nationale Grundgebühr und die Benennungsgebühren nach Art. 79 (2) EPÜ (zusammen mit der Prüfungsgebühr) entrichtet worden.

D2 ist somit als Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bei der Prüfung auf Neuheit zu berücksichtigen (Schulte PatG 7. Aufl. § 3 Rdn. 68 u. 72).

D2 betrifft ein Verfahren zur Verbesserung der Oxidationsbeständigkeit faserverstärkter, kohlenstoffhaltiger Verbundwerkstoffe, deren Matrix zumindest in der Randschicht Siliziumkarbid (SiC) und Silizium (Si) enthält (Anspruch 13 i. V. m. S. 3 Z. 11 bis 19, S. 9 Z. 1 bis 3 sowie S. 6 Z. 10 bis 30). Der Verbundwerkstoff wird mit einer wässrigen, phosphathaltigen Lösung behandelt (Ansprüche 24 u. 25), was dem im Oberbegriff des Anspruchs 1 unter a) aufgeführten Imprägnieren entspricht. Der so behandelte Verbundwerkstoff wird zunächst bei Raumtemperatur getrocknet und dann erhöhten Temperaturen ausgesetzt (S. 11 Z. 16 bis 25).

Im anschließenden Test der Oxidationsbeständigkeit wird der Verbundwerkstoff in Luft zunächst für 1 min einer Temperatur von 1000¡C, dann für 4 h einer Temperatur von 871 C ausgesetzt (S. 11 Z. 26 bis S. 12 Z. 2). Hierzu ist nicht ausdrücklich angegeben, dass die getrocknete Lösung in nicht lösliche Verbindungen umgewandelt wird, die zur Ausbildung eines selbstheilenden Glases geeignet sind und dass die oxydierende Behandlung zur Ausbildung von Siliziumoxid (SiO2) durchgeführt wird. Diese Wirkungen ergeben sich jedoch zwangsläufig als Folge der gewählten Verfahrensbedingungen, denn nach Anspruch 11 bzw. Abschnitt [0023] des Streitpatents sind Temperaturen von 480¡C (bei einer Dauer von 4 bis 24 h) oder 800¡C (bei einer Dauer unter 1 h) zur Erzielung der gewünschten Ergebnisse geeignet. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die in D2 (auf S. 13 Abs. 1) geäußerte Vermutung, die Phosphatverbindungen würden durch Wanderung in Mikrorisse der SiC-Schicht zu einem Blockieren des Durchgangs von Sauerstoff tendieren, vom Fachmann als Hinweis auf eine Ausbildung eines selbstheilenden Glases zu interpretieren sein könnte.

Nach alledem ist die (gemäß [0023] bevorzugte) Ausführungsform des patentgemäßen Verfahrens, bei der während der thermischen Umwandlung der Phosphatverbindungen die Ausbildung von Siliziumoxid durch Oxidation erfolgt, durch D2 neuheitsschädlich vorweggenommen. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass der Oxidationsbeständigkeitstest an Proben durchgeführt wird, deren Herstellungsverfahren nach D2 bereits als abgeschlossen anzusehen ist. Dies kann aber nichts an dem Befund ändern, dass in D2 mit den Proben nach dem Test Verbundwerkstoffe beschrieben sind, bei deren Entstehung - wie ausgeführt - die obligatorischen Maßnahmen des geltenden Anspruchs 1 eingehalten worden sind.

Anspruch 1 ist daher mangels Neuheit seines Gegenstandes nicht rechtsbeständig. Die übrigen Ansprüche müssen mit dem erteilten Anspruch 1 fallen, da über das Streitpatent nicht in Teilen entschieden werden kann.






BPatG:
Beschluss v. 11.07.2006
Az: 14 W (pat) 343/04


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