Landgericht Münster:
Urteil vom 14. April 2008
Aktenzeichen: 12 O 16/08

(LG Münster: Urteil v. 14.04.2008, Az.: 12 O 16/08)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre-ckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien betreiben Videotheken in X. Die Klägerin betreibt ihre Videothek dort werktags unter Einsatz von Personal. Die Beklagte vermietet auch an Sonn- und Feiertagen in ihrem Ladenlokal an ihre Kunden, wobei sie sich eines Automatensystems ohne Personaleinsatz bedient; nur im Störfall kann der Kunde über eine Rufnummer Kontakt aufnehmen.

Die Klägerin sieht in diesem Betrieb der Beklagten einen Verstoß gegen §§ 3,4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 3 Feiertagsgesetz NW, 15 Abs. 1 Nr. 4 Jugendschutzgesetz.

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs in Nordrhein-Westfalen die von ihr betriebene Automatenvideothek - auch ohne Einsatz von Personal - an Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen geöffnet zu halten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Betrieb der Automatenvideothek nicht wettbewerbsrechtlich wegen eines Verstoßes gegen die genannten Vorschriften verbietbar sei.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht ein Unterlassensanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Der Betrieb der von der Beklagten geführten Automatenvideothek an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen stellt nach Auffassung der Kammer keinen Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 4 Ziff. 11 UWG dar.

Es kann hier offen bleiben, ob die genannten Vorschriften des Sonn- und Feiertagsschutzes sowie des Jugendschutzes gesetzliche Vorschriften darstellen, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Einer Entscheidung bedarf es auch nicht, ob das gewerbliche Verleihen von DVD´s als "öffentlich bemerkbare Arbeiten" im Sinne von § 3 FTG NW aufzufassen ist.

Bezogen auf den Sonn- und Feiertagsschutz hält die Kammer nämlich jedenfalls den Betrieb eines DVD-Automaten nicht für geeignet, die Ruhe des Tages im Sinne von § 3 Abs. 1 FTG zu stören. Insofern folgt die Kammer der Argumentation der Oberlandesgerichte L, Urteil vom 26.09.2007 - 4 U ...... - sowie OLG T, Urteil vom 05.11.2007 - 2 U ...... - sowie des BayVGH, Urteil vom 26.04.2007 - 24 BV .......# - (a.A. VGH C. B.v. 09.07.2007 - 9 S ......#; OLG E, U.v. 11.09.2007 - I-20 U ......).

Die Kammer nimmt hier beispielhaft auf die überzeugenden Ausführungen in der Entscheidung des Oberlandesgerichts T Bezug. Die dortige Argumentation ist auf die hiesige Fallgestaltung übertragbar, weil § 6 des C.ischen Gesetzes über die Sonn- und Feiertage der Regelung in § 3 FTG NW entspricht. Das OLG T hat in der genannten Entscheidung folgendes ausgeführt:

"Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV bleiben der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Die Regelung zielt in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung aber auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. Besonders wichtig ist, dass die Bürger sich an Sonn- und Feiertagen von der beruflichen Tätigkeit erholen und das tun können, was sie je individuell für die Verwirklichung ihrer persönlicher Ziele und als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen (BVerfG NJW 2004, 2363, 2371 [zu § 3 LadSchlG]). Maßgebliches Abgrenzungsmerkmal ist dabei, ob die betreffenden Arbeiten typischen werktäglichen Charakter besitzen (vgl. OLG L/G. a.a.O. [US 7]; VGH C. a.a.O. [BS 4]) oder eher getragen werden von einem, wenn auch gewandelten Verständnis einer sonn- oder feiertäglichen Freizeitbeschäftigung."

....

"Das Betrachten von Filmen ist ein typisches Freizeitvergnügen. Es dient der geistigen Anregung, seelischen Erhebung oder Zerstreuung und ist weit davon entfernt, selbst Arbeit oder einem von Werktäglichkeit geprägten Freizeitprogramm angenähert zu sein, wie sich dies aber etwa im Betrieb und der Benutzung einer Autowaschanlage oder eines Münzwaschsalons ausdrückt. Dies selbst ist - soweit ersichtlich - auch ernstlich nicht im Streit. Der Wertungsansatz, wonach die Vorbereitungshandlung (Ausleihe) zur Freizeitgestaltung (Film anschauen) selbst von werktäglichem Gepräge sei und deshalb unter das Verbot des § 6 Abs. 1 FTG fiele, zumal es zu werktäglichen Zeiten bewerkstelligt werden könne, spaltet das lebenseinheitliche Ausleben der Bedürfnisbefriedigung eines Freizeitgestaltungsplanes lebensfern und künstlich in zeitlich voneinander gelöste Handlungsschritte auf. Dies läuft nicht nur dem von Ungezwungenheit und Spontaneität bestimmten Freizeitverhalten zuwider, sondern einer - im Übrigen auch bei mit Personaleinsatz betriebenen Videotheken üblichen und wirtschaftlich nachvollziehbaren - Vergütungsstruktur. Denn die Ausleihgebühr hängt naturgemäß von der Leihdauer ab. Wer sich danach planvoll für das Wochenende bevorratet, bindet sich nicht nur selbst in seiner Freizeitgestaltung, sondern muss auch - dies verkennt etwa der Beschluss des VGH C. - unvertretbar mehr bezahlen allein für die reine Lagerdauer des Produktes bei sich. Die Richtigkeit eines Wertungsansatzes, der in Ausleihe und zeitnaher Betrachtung der DVD eine freizeitliche Handlungseinheit sieht, ergibt sich auch mit Blick auf den sonn- und feiertäglichen Kino- oder Theaterbetrieb. Auch dort kann man weit vor der eigentlichen Veranstaltung (manchmal sogar mit einer Vorverkaufsvergünstigung) Karten erwerben. Gleichwohl ist es nach der allgemeinen Anschauung des Verkehrs auch ein lebenseinheitlicher Vorgang, erst kurz vor der Veranstaltung am geöffneten Verkaufsschalter die Karte zu lösen. Dafür, warum es hier unverhältnismäßig sein soll, sich werktags zu bevorraten, bei der Videothek aber geboten, den Kunden auf die Ausleihe an Werktagen zu verweisen, bleibt auch der Beschluss des VGH C. (a.a.O. [BS 6]) eine nähere Begründung schuldig und verharrt insoweit einzig auf der Stufe der reinen Rechtsbehauptung. Nicht zuletzt ist nicht zu erkennen, inwieweit sich ein sonntägliches Freizeitprogramm in Form der Ausleihe einer DVD und deren zeitnahes Betrachten unterscheiden soll von einer denkbaren Entwicklung in der Kinobranche, den Kinobesuch weitgehend personalfrei durch das Lösen von Karten an einem Automaten und einer automatischen Einlasskontrolle zu gestalten.

Vorliegend ist auch der von der automatischen Arbeitsverrichtung: Ausleihe der DVD ausgehende Störgehalt gering."

...

"Dass in Fällen des Versagens des automatischen Betriebes ein Notdienst verständigt werden kann, ist schon angesichts des Ausnahmecharakters dieses Vorganges von vernachlässigbarer Beeinträchtigungsqualität. Dass vom Kundenverkehr in nennenswertem Umfang ein Störeffekt ausginge, ist nicht dargetan. Jedenfalls kann nicht erkannt werden, dass mit ihm mehr an Störung einherginge als mit anderer, zweifelsfrei zulässiger sonn- und feiertäglicher Automatennutzung. Wer sich in die Räume begibt, in denen der Automat aufgestellt ist, beeinträchtigt die Umgebung dieses Ortes nahezu weitgehend nicht, jedenfalls weit weniger als derjenige, der an Außenwänden angebrachte Automaten betätigt. Auch der Zu- und Abfahrtverkehr wird nicht belästigender, sondern eher geringer belastend sein als bei im Außenbereich angebrachten Automaten. Denn die scheinbar leichte Zugänglichkeit von Außenautomaten mag Autofahrer eher verleiten, ihr Fahrzeug mit laufendem Motor abzustellen, um die vermutet rasche Besorgung abzuwickeln, als diejenigen, die wissen, dass sie oft erst eine gewisse Auswahl treffen und sich dafür - gegebenenfalls mit besonderer Zugangskontrolle - noch in geschlossene Räume begeben müssen. Der Störgehalt ist im Verhältnis zu Kino- oder Theaterveranstaltungen zudem deutlich geringer. Dort kommt es wegen der festgelegten Anfangszeiten zu einer Zuschauerballung und damit einem großen Lärmaufkommen zu diesen Stoßzeiten. Demgegenüber ist der Publikumszufluss an DVD-Automaten naturgemäß entzerrt und besteht nur aus dem Auftreten vereinzelter Kunden. Der Verweis auf das von Autowaschanlagen ausgehende Beeinträchtigungsbild trägt ebenso wenig. Dort kann der reine Arbeitscharakter, und zwar in seinem doppelten Sinne als - zum einen - den Begriff von "Arbeiten" im Sinne von § 6 Abs. 1 FTG ausfüllend und - zum anderen - dem Freizeitgepräge nachhaltig abträglich nicht fraglich sein. Diese Arbeiten tragen sich zudem naturgemäß im Freien zu, wenngleich zum Teil - in allerdings einsehbaren - Waschstraßen, und sind mit Lärm und auch im Vorbereitungsbereich mit einer Betriebsamkeit, einer Arbeitshaltung und einem Betätigungszuschnitt verbunden, welche eindeutig für Werktäglichkeit stehen."

Dieser Argumentation schließt sich die Kammer nach eigener Würdigung des Parteivortrags in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollinhaltlich an.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in Nordrhein-Westfalen der Landtag das Anliegen einer Volksinitiative "Öffnung der Videotheken an Sonn- und Feiertagen" abgelehnt hat. Darin kommt der gesetzgeberische Wille, Automaten-Videotheken an Sonn- und Feiertagen nicht zuzulassen, nämlich nicht zum Ausdruck. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen bezog sich die Volksinitiative darauf, Videotheken an Sonn- und Feiertagen insgesamt, d.h. auch unter Einsatz von Personal, zuzulassen. Dies betrifft aber nicht die hier im Streit stehende Frage, ob der Beklagte der Betrieb von DVD-Videoautomaten an Sonn- und Feiertagen ohne den Einsatz von Personal wettbewerbsrechtlich wegen eines darin liegenden Verstoß gegen das Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe verbietbar ist.

Auch ein Verstoß gegen die Gesetze zum Jugendschutz vermag die Kammer in dem Betrieb der Automatenvideothek durch die Beklagte nicht zu sehen. Insofern ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte nur an Erwachsene Personen die Karte ausgibt, welche erforderlich ist, um sich zur Ausleihe der DVD´s zu legitimieren. Durch die Abgabe eines Fingerprints ist zudem gewährleistet, dass Kinder oder Jugendliche nicht unberechtigt mit der Karte eines Volljährigen Videofilme ausleihen, die für sie nach den Jugendschutzvorschriften nicht geeignet sind.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.






LG Münster:
Urteil v. 14.04.2008
Az: 12 O 16/08


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