Bundesgerichtshof:
Urteil vom 29. Juli 2009
Aktenzeichen: I ZR 77/07

(BGH: Urteil v. 29.07.2009, Az.: I ZR 77/07)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. April 2007 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte hinsichtlich des Schreibens vom 6. Februar 2006 zur Unterlassung verurteilt worden ist. Das genannte Urteil wird insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 18. Dezember 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, zu werblichen Zwecken Briefe an Tankstellenpächter mit folgendem Wortlaut zu versenden:

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Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien sind Steuerberatungsgesellschaften, zu deren Mandanten Tankstellenpächter gehören, die ein bestimmtes Abrechnungssystem ("EKW-System") verwenden. Die Beklagte wandte sich mit Werbeschreiben vom 6. und 13. Februar 2006 wie folgt an Tankstellenpächter, darunter auch Mandanten der Klägerin.

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Mit freundlichen Grüßen Die Klägerin hält eine Vielzahl von Aussagen in diesen Rundschreiben für standes- und damit wettbewerbswidrig. Ihre auf Unterlassung gerichtete Klage hatte vor dem Landgericht keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, zu werblichen Zwecken Briefe an Tankstellenpächter mit folgendem Wortlaut zu versenden:

Prüfen Sie anhand der folgenden Fragen selbst, ob Sie bereits optimal betreut werden:

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und bzw. oder 2. Können Sie die Höhe Ihrer Steuerberatungsgebühren selbst bestimmen€

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jeweils verknüpft mit dem Satz:

Wenn Sie eine der Fragen mit nein beantwortet haben, gibt es noch Verbesserungspotential, und bzw. odersich unter Bezugnahme auf ein solches Schreiben in einem weiteren Schreiben an Tankstellenpächter zu wenden mit folgendem Inhalt:

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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß der beanstandeten Werbeschreiben gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 57a StBerG, § 10 Abs. 2 Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (im Folgenden: BOStB) angenommen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Beklagte habe mit den (im Unterlassungstenor wiedergegebenen) Fragen im Schreiben vom 6. Februar 2006 unzulässig in reklamehafter Weise geworben. Bei den Fragen 2 und 5 handele es sich um Suggestivfragen ohne sachlichen Gehalt. Die in Frage 2 enthaltene Aussage, die Mandanten könnten die Höhe der Steuerberatergebühren bei der Beklagten beeinflussen, sei auch irreführend, weil die suggerierte freie Vereinbarkeit von Honoraren nicht der Rechtslage entspreche. Frage 5 nach der Zufriedenheit und der Höhe der Steuerabgaben spreche lediglich Emotionen an und habe ausschließlich Anlockfunktion. Soweit den Fragen 1, 3 und 4 indirekt Informationen entnommen werden könnten, trete der informatorische Gehalt gegenüber der Anlockwirkung in den Hintergrund. Die Fragen beträfen Selbstverständlichkeiten oder "Serviceleistungen am Rande". Es sei eine mit dem Sachlichkeitsgebot unvereinbare Werbemethode, solche Selbstverständlichkeiten in Frageform zu verkleiden, um die Leser zu einer bestimmten Meinung zu bringen.

Auch das Schreiben vom 13. Februar 2006 enthalte keine sachliche Unterrichtung, sondern suggeriere den Adressaten, sie könnten Steuern und Steuerberaterhonorare einsparen. Dem Empfängerkreis werde zudem ein Zeit- und Handlungsdruck vorgetäuscht.

II. Die Revision hat zum Teil Erfolg. Der Klägerin steht wegen des Rundschreibens vom 6. Februar 2006 kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu (unten zu 2). Dagegen erweist sich der Unterlassungsantrag hinsichtlich des Werbeschreibens vom 13. Februar 2006 unter dem Aspekt der Irreführung (§ 5 UWG) und der unlauteren pauschalen Herabsetzung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 7 und 10 UWG) als begründet (unten zu 3).

1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) anzuwenden, mit dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist. Der im Streitfall auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zum Zeitpunkt seiner Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk; Urt. v. 28.6.2007 - I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Tz. 17 = WRP 2008, 220 - Telefonaktion). Das von der Klägerin beanstandete Verhalten der Beklagten fällt in die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414, im Folgenden: UWG 2004). Der Unterlassungsanspruch setzt daher voraus, dass das beanstandete Verhalten auch auf der Grundlage des UWG 2004 wettbewerbswidrig war.

Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage ist jedoch nicht eingetreten. Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren und wird im Streitfall durch die Regelungen der Richtlinie 2005/29/EG auch nicht berührt (vgl. Art. 3 Abs. 1, 8 der Richtlinie). Die Änderungen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und den §§ 3, 5 UWG sind vorliegend ohne Bedeutung. Das beanstandete Verhalten der Beklagten stellt eine Handlung gegenüber Gewerbetreibenden dar, die sowohl die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 als auch diejenigen einer geschäftlichen Handlung i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG erfüllt. Die Bestimmungen des § 4 Nr. 7 und 10 UWG sind unverändert geblieben.

2. Die Revision ist begründet, soweit sie sich dagegen wendet, dass die Beklagte zur Unterlassung der Äußerungen im Rundschreiben vom 6. Februar 2006 verurteilt worden ist.

a) Dieses Schreiben enthält keine unlautere Herabsetzung der Leistung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 7, 10 UWG). Die Fragen 1 bis 4 fordern die Tankstellenpächter nur zu einer Prüfung des Umfangs der von ihren gegenwärtigen Steuerberatern erbrachten Leistungen auf. Frage 5 ist nicht herabsetzend, weil Unzufriedenheit mit der Höhe der Steuerabgaben unabhängig von der Leistung der Wettbewerber der Beklagten bestehen kann.

b) Das Schreiben vom 6. Februar 2006 kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung (§ 5 UWG) beanstandet werden.

Frage 1 (Bietet Ihnen Ihr EKW-Steuerberater keine Standardlösungen, sondern individuelle Betreuung€) verstößt nicht gegen das Irreführungsverbot. Zwar ist die individuelle Betreuung selbstverständlicher Bestandteil einer Steuerberatung. Die Frage ist aber im Zusammenhang mit der vorherigen Aussage des Werbeschreibens zu verstehen, dass die Beklagte langjähriges Knowhow im Tankstellengeschäft mit individuell auf die Bedürfnisse der Tankstellenpächter zugeschnittenen Lösungen in Steuerangelegenheiten verbinde. Die Werbung bringt damit zum Ausdruck, dass der Steuerberatungsbedarf der einzelnen Tankstellenpächter im Zusammenhang mit dem EKW-Abrechnungssystem unterschiedlich sein kann, und stellt im Hinblick darauf individuelle Lösungen in Aussicht, die etwa unterschiedliche Eigenleistungen der Tankstellenpächter berücksichtigen können. Darin liegt keine Irreführung.

Frage 2 (Können Sie die Höhe Ihrer Steuerberatungsgebühren selbst bestimmen€) kann keinen Irrtum hervorrufen. Tankstellenpächtern ist als Unternehmern bewusst, dass sie das Honorar für eine Steuerberaterleistung keinesfalls allein bestimmen können. Denn es ist entweder gesetzlich fixiert oder mit dem Steuerberater zu vereinbaren. Der Frage lässt sich allenfalls die Aussage entnehmen, der Mandant könne mittelbar über den Umfang der Beauftragung des Steuerberaters die Honorarhöhe bestimmen. Das trifft aber zu.

Frage 3 (Hat Ihr Steuerbüro einen Abhol- und Bringdienst für Ihre Buchführung€) ist nicht irreführend, selbst wenn nahezu jeder andere Steuerberater einen solchen Service anbieten sollte. Die Beklagte ist nicht gehindert, mit dieser zusätzlichen Nebenleistung zu werben (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.2003 - I ZR 167/01, GRUR 2004, 164, 166 = WRP 2004, 221 - Arztwerbung im Internet).

Keine Irreführung enthält auch Frage 4 (Ist Ihr EKW-Berater gesetzlich zugelassener Steuerberater€). Sie könnte nur irreführend sein, wenn alle EKW-Berater gesetzlich zugelassene Steuerberater wären. Das ist jedoch nicht der Fall. Wie sich aus dem Zusammenhang des Rundschreibens ergibt, ist der EKW-Berater eine Person, die den Tankstellenpächter bei der Anwendung des EKW-Abrechnungssystems unterstützt. Dabei kann es sich etwa um betriebswirtschaftliche Berater oder Buchhalter handeln, die nur ausnahmsweise auch zugelassene Steuerberater sein werden. Es kann daher EKW-Berater geben, die nicht zugleich Steuerberater sind.

Die Frage 5 (Sind Sie mit der Höhe Ihrer Steuerabgaben zufrieden€) ist von vornherein nicht geeignet, bei den angesprochenen Tankstellenpächtern einen Irrtum zu erregen.

c) Der Klägerin steht wegen des Werbeschreibens vom 6. Februar 2006 auch kein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 57a StBerG, § 10 Abs. 2 BOStB zu.

aa) Die Vorschriften der § 57a StBerG, § 10 Abs. 2 BOStB sind Marktverhaltensregelungen i.S. von § 4 Nr. 11 UWG. Den Bestimmungen in den Berufsordnungen der freien Berufe, die sich ausdrücklich mit der Zulässigkeit von Werbung befassen, kommt eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion zu; sie sind auch Marktverhaltensregeln i.S. von § 4 Nr. 11 UWG (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.2005 - I ZR 202/02, GRUR 2005, 520, 521 = WRP 2005, 738 - Optimale Interessenvertretung, zu § 43b BRAO, § 6 BORA).

bb) Nach § 72 Abs. 1 StBerG, § 1 Abs. 1 BOStB gelten für die Beklagte als Steuerberatungsgesellschaft die Werbebeschränkungen der § 57a StBerG, § 10 BOStB sinngemäß. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass diese Vorschriften Werbung erlauben, die in Form und Inhalt über die berufliche Tätigkeit sachlich unterrichtet. Seine Auffassung, die beanstandeten Werbeschreiben überschritten die Grenze berufsrechtlich zulässiger Werbung, beachtet jedoch nicht die Schranken, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 12 Abs. 1 GG für berufsrechtliche Werbeverbote bestehen.

(1) Nach § 57a StBerG ist dem Steuerberater Werbung erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Die Bestimmung wird inhaltlich teilweise konkretisiert durch § 10 BOStB. Danach darf der Steuerberater über seine berufliche Tätigkeit informieren, soweit die Unterrichtung sachlich zutreffend, objektiv nachprüfbar und nicht reklamehaft ist.

Die Vorschrift des § 57a StBerG eröffnet nicht eine ansonsten verschlossene Werbemöglichkeit, sondern konkretisiert die verfassungsrechtlich garantierte Werbefreiheit. Deshalb bedarf nicht die Gestattung der Steuerberaterwerbung der Rechtfertigung, sondern ihre Einschränkung. Sie ist nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 12.9.2001 - 1 BvR 2265/00, WRP 2001, 1284, 1285; Kammerbeschl. v. 4.8.2003 - 1 BvR 2108/02, GRUR 2003, 965 f. = WRP 2003, 1213; BGHZ 147, 71, 74 f. - Anwaltswerbung II; BGH, Urt. v. 27.1.2005 - I ZR 202/02, GRUR 2005, 521 - Optimale Interessenvertretung). Das von den Angehörigen eines freien Berufs zu beachtende Sachlichkeitsgebot verlangt keine auf die Mitteilung nüchterner Fakten beschränkte Werbung (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 26.8.2003 - 1 BvR 1003/02, GRUR 2003, 966, 968 = WRP 2003, 1209; BVerfGE 111, 366, 379 f.; BGH GRUR 2005, 520, 521 - Optimale Interessenvertretung). Zudem ist es gerade legitimer Zweck der auch Steuerberatern grundsätzlich erlaubten Werbung, Kunden zulasten der Konkurrenz zu gewinnen (BVerfG, Kammerbeschl. v. 26.9.2003 - 1 BvR 1608/02, GRUR 2004, 68, 69; BVerfGE 111, 366, 378). Soweit § 10 BOStB generell Steuerberatern reklamehafte Darstellungen in der Werbung untersagt, bedarf dies vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer einschränkenden Auslegung.

Nach diesem Maßstab ist der beanstandete Inhalt des Werbeschreibens vom 6. Februar 2006 noch als in Form und Inhalt sachliche Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit der Beklagten anzusehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen Fragen dieses Schreibens im Kontext der gesamten Werbeaussage zu verstehen sind (BGH GRUR 2005, 520, 521 - Optimale Interessenvertretung).

(2) Das Berufungsgericht hat die Unzulässigkeit der Fragen 1, 3 und 4 damit begründet, dass diese zwar in indirekter Form Informationen enthielten, ihr informatorischer Gehalt aber gegenüber der Anlockwirkung in den Hintergrund trete. Dem vermag der Senat nicht zuzustimmen.

Die Anlockwirkung ist jeder Werbung immanent. Das Sachlichkeitsgebot verlangt weder eine auf die Mitteilung nüchterner Fakten beschränkte Werbung (BGH GRUR 2005, 520, 521 - Optimale Interessenvertretung) noch einen Überschuss der Sachinformation gegenüber der Anlockwirkung (vgl. BVerfG GRUR 2004, 68, 69). Verboten und eingeschränkt werden kann die Werbung eines Steuerberaters nur, um das Vertrauen der steuerliche Beratung suchenden Personen darauf zu erhalten, dass der Steuerberater seine Dienste nicht rein gewerblich und gewinnorientiert anbietet und seine Leistungen an den Interessen des Mandanten, nicht aber am eigenen wirtschaftlichen Vorteil ausrichtet (vgl. BVerfGE 111, 366, 379).

Danach begegnet zunächst die Frage 3 (Hat Ihr Steuerbüro einen Abhol- und Bringdienst für Ihre Buchführung€) auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt keinen Bedenken. Unabhängig davon, ob nahezu jeder andere Steuerberater einen solchen Service ebenfalls anbietet, darf die Beklagte mit dieser zusätzlichen Nebenleistung werben (vgl. BGH GRUR 2004, 164, 166 - Arztwerbung im Internet).

Nicht als berufsrechtswidrig zu beanstanden ist auch die Frage 4 (Ist Ihr EKW-Berater gesetzlich zugelassener Steuerberater€). Die in der Frage mittelbar getroffene Aussage, dass der EKW-Berater bei der Beklagten zugelassener Steuerberater ist, hat einen berufsbezogenen, sachlichen Gehalt. Denn bei dem EKW-Berater kann es sich - wie dargelegt - auch um einen betriebswirtschaftlichen Berater oder Buchhalter handeln.

Frage 1 (Bietet Ihnen Ihr EKW-Steuerberater keine Standardlösungen, sondern individuelle Betreuung€) verstößt ebenfalls nicht gegen Berufsrecht. Wie oben zu II 2 b) bereits ausgeführt, verweist diese Frage nach dem Gesamtzusammenhang des Werbeschreibens auf einen möglichen unterschiedlichen Steuerberatungsbedarf der einzelnen Tankstellenpächter beim EKW-Abrechnungssystem und stellt im Hinblick darauf individuelle Lösungen in Aussicht, die etwa unterschiedliche Eigenleistungen der Tankstellenpächter berücksichtigen können. Auch das ist eine auf die Tätigkeit der Beklagten bezogene sachliche Information.

Frage 2 (Können Sie die Höhe Ihrer Steuerberatungsgebühren selbst bestimmen€) und Frage 5 (Sind Sie mit der Höhe Ihrer Steuerabgaben zufrieden€) stellen sich bei der gebotenen grundrechtskonformen Auslegung im Gesamtkontext des Schreibens vom 6. Februar 2006 noch als zulässige Mittel der Aufmerksamkeitswerbung dar.

Mit dem Schreiben weist die Beklagte auf ihre Beratungskompetenz im Zusammenhang mit dem EKW-Abrechnungssystem im Tankstellengeschäft hin und bemüht sich um die Gelegenheit, sich auch persönlich potentiellen Mandanten vorstellen zu können. Damit dient das Schreiben insgesamt einer sachlichen Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit der Beklagten. Die Fragen 2 und 5 sollen - für die Adressaten erkennbar - bewirken, Interesse an einem solchen Präsentationsgespräch zu wecken. Frage 2 kann außerdem noch die Aussage entnommen werden, der Mandant könne mittelbar über den Umfang der Beauftragung des Steuerberaters die Honorarhöhe bestimmen (vgl. oben zu II 2 b). Obwohl das offenkundig ist, hat diese Frage damit einen, wenn auch geringen, sachlichen Gehalt.

Mit Frage 5 erfolgt dagegen keine sachliche Unterrichtung. Sie hat einen ausschließlich suggestiven Charakter ohne sachliche Aussage. Das Sachlichkeitsgebot verlangt indes keine auf die Mitteilung nüchterner Fakten beschränkte Werbung. Mittel der Aufmerksamkeitswerbung sind einem Steuerberater im Rahmen eines Werbeschreibens, das insgesamt sachlicher Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit dient, daher nur dann verboten, wenn sie Gemeinwohlbelange beeinträchtigen. Dafür ist im Streitfall nichts ersichtlich.

cc) Die Beklagte hat mit dem Werbeschreiben auch nicht gegen § 10 Abs. 2 BOStB verstoßen. Soweit diese Vorschrift eine reklamehafte Darstellung für die Werbung von Steuerberatern untersagt, ist dieses Verbot bei der im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG gebotenen einschränkenden Auslegung allein auf die äußere Gesamtanmutung einer Werbung zu beziehen. Das beanstandete Werbeschreiben entspricht in seiner äußeren Gestalt aber üblichen Geschäftsbriefen und ist deshalb nicht reklamehaft.

3. Ohne Erfolg bleibt die Revision der Beklagten dagegen, soweit sie sich gegen deren Verurteilung wegen des Werbeschreibens vom 13. Februar 2006 wendet.

a) Allerdings enthält dieses Schreiben in den ersten vier Sätzen bis zur Angabe der Telefonnummer für die Terminvereinbarung noch keine unlautere Werbung. Dieser Teil ist, isoliert betrachtet, weder irreführend noch setzt er Wettbewerber pauschal herab. Er ist, für sich betrachtet, auch berufsrechtlich nicht zu beanstanden.

Insoweit handelt es sich um eine eindringliche und - im Rahmen des Zulässigen - aufdringliche Erinnerungswerbung für das im ersten Werbeschreiben vom 6. Februar 2006 angebotene Beratungsgespräch. Dieses Gespräch, für das die angeschriebenen Tankstellenpächter gewonnen werden sollen, soll der Beklagten die Möglichkeit geben, ihre berufliche Tätigkeit vorzustellen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Beratungsgespräche mit einem berufsrechtlich unzulässigen, unsachlichen Inhalt geführt hat oder führen wollte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Gespräche einer in Form und Inhalt sachlichen Information über die berufliche Tätigkeit der Beklagten dienten. Damit ist grundsätzlich auch ein ausreichender sachlicher Bezug des zweiten Werbeschreibens hergestellt. Die Beklagte war berufsrechtlich nicht gehindert, durch Werbung auf die Möglichkeit eines Beratungsgesprächs hinzuweisen, solange sie damit keine Gemeinwohlinteressen beeinträchtigte.

Davon ausgehend ist auch der Hinweis auf eine kostenlose Beratung zur Gewinnmaximierung nicht zu beanstanden. Es entspricht der Berufspflicht des Steuerberaters, in rechtlich zulässiger Weise die Abgabenlast des steuerpflichtigen Unternehmens zu minimieren und dadurch dessen Gewinn zu optimieren. Die anschließenden drei Sätze ("Sie haben bisher nicht auf unser Angebot reagiert. Verschenken Sie kein Geld! Fordern Sie Ihren Beratungsanspruch!") gehören zu den in der allgemeinen Erinnerungs- und Aufmerksamkeitswerbung üblichen Stilmitteln. Die Aufforderungen sollen den Steuerpflichtigen veranlassen, mit Hilfe der Beklagten seine Steuerbelastung zu verringern. Da das die Berufspflicht des Steuerberaters ist, sind sie nicht geeignet, das Vertrauen der steuerlichen Rat suchenden Personen auf eine an ihren Interessen ausgerichtete und nicht ausschließlich am eigenen Gewinn orientierte Tätigkeit des Steuerberaters zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 111, 366, 379).

b) Mit dem letzten Satz des Werbeschreibens vom 13. Februar 2006 bietet die Beklagte an, den angeschriebenen Tankstellenpächtern zu zeigen, wie sie die zuviel gezahlten Steuerberaterhonorare sowie Steuern und Abgaben zumindest für die Zukunft einsparen. Diese Werbung ist unlauter unter dem Aspekt der Irreführung (§ 5 UWG) und der unlauteren pauschalen Herabsetzung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 7 und 10 UWG). Sie überschreitet damit auch den berufsrechtlich zulässigen Rahmen sachbezogener Werbung und verstößt daher auch gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 57a StBerG.

aa) Wie sich bereits in der Bezugnahme auf - angeblich zuviel - gezahlte Steuerberaterhonorare zeigt, geht die Beklagte in dem Schreiben vom 13. Februar 2006 erkennbar davon aus, dass die angeschriebenen Tankstellenpächter bereits von Mitbewerbern der Beklagten steuerlich beraten werden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Annahme unzutreffend ist. Die Beklagte teilt den umworbenen Tankstellenpächtern mit, sie hätten ihren bisherigen Steuerberatern zuviel Honorar gezahlt und zudem mehr Steuern und Abgaben als notwendig entrichtet. Damit werden die Preiswürdigkeit und die fachliche Qualität der Leistung der Wettbewerber der Beklagten in unlauterer Weise pauschal herabgesetzt. Die Beklagte hat nichts für die Richtigkeit ihrer pauschalen Kritik an den Mitbewerbern geltend gemacht. Deren Beratungsleistungen und Honorarforderungen im Einzelfall können ihr auch kaum und jedenfalls nicht für alle angeschriebenen Tankstellenpächter bekannt gewesen sein. Da die Herabsetzung eines Mitbewerbers nach § 4 Nr. 7 UWG letztlich ein Unterfall der gezielten Behinderung i.S. des § 4 Nr. 10 UWG ist, ist auch dieser Behinderungstatbestand erfüllt.

bb) Der letzte Satz des Schreibens vom 13. Februar 2006 ist darüber hinaus irreführend i.S. des § 5 Abs. 1 UWG. Die Beklagte gibt vor, den Tankstellenpächtern sicher mitteilen zu können, sie hätten bisher zuviel Steuerberaterhonorare und Steuern gezahlt. Eine solche Aussage kann sie jedoch nicht treffen. Die Beklagte hat keine Kenntnis der von den Tankstellenpächtern gezahlten Steuern und Honorare sowie ihrer Berechnungsgrundlagen und kann deshalb nicht wissen, ob sie tatsächlich zuviel gezahlt haben. Ein solches Wissen hat die Beklagte auch nicht behauptet.

cc) Eine Werbung, die gegen § 4 Nr. 7, 10 und § 5 Abs. 1 UWG verstößt, verlässt zudem den Rahmen berufsrechtlich zulässiger Werbung. Sie verletzt das Sachlichkeitsgebot und ist daher auch gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 57a StBerG unlauter.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm Büscher Schaffert Bergmann Kirchhoff Vorinstanzen:

LG Hannover, Entscheidung vom 28.12.2006 - 21 O 100/06 -

OLG Celle, Entscheidung vom 19.04.2007 - 13 U 7/07 -






BGH:
Urteil v. 29.07.2009
Az: I ZR 77/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/106be4c63f87/BGH_Urteil_vom_29-Juli-2009_Az_I-ZR-77-07




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