Verwaltungsgericht Karlsruhe:
Gerichtsbeschei vom 26. Oktober 2012
Aktenzeichen: 6 K 1837/12

(VG Karlsruhe: Gerichtsbeschei v. 26.10.2012, Az.: 6 K 1837/12)

Weder das "Wohlverhalten" eines Schuldners in der Zeit zwischen Ankündigung der Restschuldbefreiung (vgl. § 291 Abs. 1 InsO) und deren Gewährung (vgl. § 300 Abs. 1 InsO), noch die Wahrung geordneter finanzieller Verhältnisse in der Zeit danach begründen atypische Umstände, die unter Beachtung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 120, 378) zu einer vorzeitigen Prüfung im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG zwingen, ob eine länger währende Speicherung der personenbezogenen Daten noch erforderlich ist.

Tenor

1. Ziffern 1, 3 und 4 der Verfügung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg vom 06.07.2012 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine datenschutzrechtliche Löschungsverfügung.

Bei ihr handelt es sich um eine Auskunftei, deren Unternehmensgegenstand es ist, bonitätsrelevante Negativmerkmale zu Privatpersonen und Unternehmen in einer dafür vorgesehenen Datei zu sammeln, Dritten auf Anfrage Auskünfte aus dieser Datei zu erteilen und sog. Scorewerte zu berechnen und zu übermitteln. Zu diesem Zweck erhebt und speichert sie diesbezügliche Informationen in personenbezogener Form. In einem Kalenderjahr werden mehr als 80 Millionen Anfragen zu Bonitätsnegativmerkmalen an die Klägerin gerichtet und von dieser beauskunftet.

Über das Vermögen des Beigeladenen wurde ausweislich eines Beschlusses des Amtsgerichts Würzburg - Insolvenzgericht - vom 05.10.2010 am 17.03.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. In diesem Beschluss erteilte es dem Beigeladenen Restschuldbefreiung, nachdem seine Wohlverhaltenszeit am 17.03.2010 abgelaufen war. Die Klägerin speicherte hierzu neben den Grundpersonalien, also Name, Anschrift und Geburtsdatum des Beigeladenen, die Angaben

Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom 05.10.2010 und Restschuldbefreiung vom 05.10.2010.

Von diesen Angaben unterrichtete die Klägerin am 06.12.2011 die ...bank ... auf deren Anfrage zur Bonität des Beigeladenen.

Mit Schreiben vom 13.12.2011 wandte sich der Beigeladene an den Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz, weil die Klägerin seine Anfrage, welche Daten dort über ihn gespeichert seien, nicht beantwortet habe. Die Beschwerde wurde zuständigkeitshalber an die baden-württembergische Datenschutzaufsichtsbehörde abgegeben. Diese leitete am 15.02.2012 ein datenschutzaufsichtsrechtliches Verfahren nach § 38 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) gegen die Klägerin ein und bat diese um Äußerung zu der Beschwerde.

Mit Schreiben vom 09.03.2012 trug die Klägerin vor, die Speicherung der Angaben zum Beigeladenen werde für erforderlich gehalten, um die (Waren-)Kredit gebende Wirtschaft vor der Eingehung finanzieller Risiken zu bewahren. In einem weiteren Schreiben vom 30.04.2012 machte die Klägerin geltend, der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Beigeladenen sei ihr nicht bekannt. Die Angabe Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom 05.10.2010 sei inzwischen gelöscht worden. Sie gehe davon aus, dass von dem Beigeladenen noch immer eine Gefahr für Dritte ausgehe, da das Insolvenzgericht bei der Erteilung der Restschuldbefreiung lediglich prüfe, ob der Schuldner seinen Obliegenheiten nach § 295 InsO nachgekommen sei und ob ein Versagungsgrund nach den §§ 290, 296 bis 298 InsO vorliege. Durch die Erteilung der Restschuldbefreiung sei der Schuldner von den Insolvenzverbindlichkeiten befreit worden, was zeige, dass er gerade nicht so finanziell leistungsfähig sei, dass keine finanziellen Risiken mehr von ihm ausgingen. Die Löschung der Daten des Beigeladenen werde voraussichtlich zum 31.12.2013 erfolgen.

Mit Verfügung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg vom 06.07.2012 ordnete dieser an, dass sämtliche in dem automatisierten Datenverarbeitungssystem der Klägerin, aus dem Bonitätsauskünfte erteilt würden, zu dem Beigeladenen gespeicherte Daten zu löschen seien (Ziff. 1), ordnete den Sofortvollzug der Ziffer 1 an (Ziff. 2), drohte der Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- EUR für den Fall an, dass sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Zugang der Verfügung gegenüber der Dienststelle des Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg (Aufsichtsbehörde) versichert habe, sämtliche in dem in Ziff. 1 genannten Datenverarbeitungssystem zu dem Beigeladenen gespeicherten Daten gelöscht zu haben (Ziff. 3), und setzte eine Verwaltungsgebühr von 300,-- EUR fest (Ziff. 4).

Zur Begründung führte er aus, nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG könne die für die Datenschutzaufsicht zuständige Behörde zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten anordnen. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG lasse es zu, dass eine Wirtschaftsauskunftei geschäftsmäßig Daten, die etwas über die Bonität, also über die Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit einer Person aussagten, aus allgemein zugänglichen Quellen entnehme und speichere, es sei denn, das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung und Speicherung überwiege offensichtlich. Lägen diese Voraussetzungen nicht bzw. nicht mehr vor, sei die Speicherung dieser Angaben bei der Auskunftei zum Zwecke der Beauskunftung nicht zulässig. Solche Daten seien nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG zu löschen. Beschließe das Insolvenzgericht entsprechend dem Antrag des Schuldners auf Gewährung der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren nach § 287 InsO die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO), befinde sich der Schuldner in der insolvenzrechtlichen Wohlverhaltensperiode, in der er insbesondere seine pfändbaren Forderungen aus einem Dienstverhältnis an einen Treuhänder abzutreten habe, damit seine Insolvenzgläubiger möglichst optimal befriedigt werden könnten. Die Wohlverhaltensperiode umfasse in der Regel einen Zeitraum von sechs Jahren ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 287 Abs. 2 InsO) und werde durch den Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 300 InsO, dem Schuldner Restschuldbefreiung zu gewähren, abgeschlossen. Dieser Beschluss sei zu veröffentlichen und könne somit von einer Auskunftei nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG aus einer öffentlich zugänglichen Quelle erhoben und gespeichert werden.

Zwar prüfe das Insolvenzgericht bei der Entscheidung über den Antrag auf Restschuldbefreiung nicht die Zahlungswilligkeit als Bonitätsmerkmal für das künftige Verhalten des Schuldners im Geschäftsverkehr, sondern lediglich, ob ein Versagungsgrund nach § 290 InsO wegen eines pflichtwidrigen Verhaltens während der Wohlverhaltensperiode bekannt geworden sei. Doch könne nach einer sechsjährigen beanstandungsfrei verlaufenen Bewährungszeit davon ausgegangen werden, dass der Schuldner willens sei, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen. Allerdings beständen im Falle der Restschuldbefreiung für gewöhnlich nicht unerhebliche Zweifel an der künftigen Zahlungsfähigkeit eines Schuldners, weil er über Jahre nicht in der Lage gewesen sei, bestehende Verbindlichkeiten vollständig zu begleichen, so dass ihm diese sogar zumindest teilweise zu erlassen gewesen seien. Die Rechtsprechung akzeptiere deswegen, dass die Auskunfteien den Beschluss über die Restschuldbefreiung für die Dauer von drei Jahren speicherten und beauskunfteten.

Anders verhalte es sich jedoch im Falle der vorzeitigen Restschuldbefreiung. Eine solche werde gewährt, wenn der Insolvenzschuldner alles zurückbezahlt oder wenn er sich mit den Gläubigern auf ein tragfähiges Sanierungskonzept geeinigt habe. Dann sei nicht nur von Zahlungswilligkeit, sondern auch von Zahlungsfähigkeit auszugehen, so dass Dritte vor dem Eingehen von Geschäften mit dem Betroffenen grundsätzlich nicht mehr gewarnt werden müssten. Die Auskunftei dürfe eine derartige vorzeitige Restschuldbefreiung für sich genommen nur noch für die Dauer von sechs Monaten speichern und beauskunften, also während des Zeitraums, in dem auch das Insolvenzgericht diesen Beschluss in das Internet einzustellen habe (vgl. § 3 Abs. 2 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet). Diese Angabe sei - davon gehe auch die Klägerin aus - ungeachtet ihres unmittelbaren Aussagegehaltes, nämlich dass der Beigeladene keine Schulden mehr zu begleichen brauche, durchaus geeignet, bei den Empfängern einer entsprechenden Mitteilung den Eindruck zu erwecken, dass er nicht kreditwürdig sei, weil er in der Vergangenheit diese nicht habe bezahlen wollen oder können. § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG schreibe vor, dass Auskunfteien jeweils am Ende des vierten, im Falle der Erledigung eines Sachverhaltes am Ende des dritten Jahres, das auf die Speicherung eines Datums folge, zu prüfen habe, ob dieses noch benötigt werde oder gelöscht werden müsse. Im Falle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens verkürze sich die Prüffrist auf drei Jahre für die Angaben zu dem Insolvenzverfahren, weil sich dieses dadurch erledige. Doch dürfe die Auskunftei die Prüffrist im Falle der Zuspeicherung von bonitätsrelevanten Negativmerkmalen jeweils so lange verlängern, bis das jüngste dem Datensatz zugespeicherte Merkmal zu löschen sei. Bei dieser Rechtslage hätte die Speicherung der Gewährung von Restschuldbefreiung in dem Informationssystem der Klägerin im Falle des Beigeladenen spätestens am 30.04.2012 gelöscht werden müssen. Es sei dem Beigeladenen offenbar bereits im Jahre 2010 gelungen, das Insolvenzgericht davon zu überzeugen, dass er seine Gläubiger in ausreichendem Maße habe befriedigen können. Er sei somit in den Genuss einer vorzeitigen Restschuldbefreiung gekommen, wobei nicht einmal eine Wohlverhaltensperiode vorgeschaltet gewesen sei. Auch er habe keine Zweifel daran, dass der Beigeladene nunmehr über die erforderliche Bonität verfüge, zumal seit der Beendigung seines Insolvenzverfahrens keine weiteren Bonitätsnegativmerkmale bekannt geworden seien und auch die Klägerin nichts Derartiges vorgetragen habe. Es gebe somit keinen Anlass, künftige Vertragspartner des Beigeladenen noch vor finanziellen Risiken zu warnen. Allerdings sei zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass die Angaben zu dem Insolvenzverfahren infolge des Ablaufs der dreijährigen Prüffrist erst am 30.04.2012 gelöscht werden müssten. Deswegen habe auch der Beschluss zur Restschuldbefreiung dem Datensatz zum Insolvenzverfahren des Beigeladenen bis zu dessen Löschung zugespeichert bleiben dürfen. Dann allerdings habe auch diese Angabe gelöscht werden müssen. Aber auch die Grundpersonalien des Beigeladenen hätte in dem automatisierten Datenverarbeitungssystem der Klägerin zu besagtem Zeitpunkt gelöscht werden müssen. Diese Angaben würden seitdem nicht mehr zur Identifizierung des Beigeladenen im Zusammenhang mit der Speicherung und Beauskunftung ihn betreffender bonitätsrelevanter Erkenntnisse benötigt. Bei dieser Sachlage müsse er Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften bei der Speicherung bzw. Löschung von den Beigeladenen betreffenden personenbezogenen Daten durch die Klägerin feststellen.

Er übe das ihm in § 38 Abs. 5 BDSG eröffnete Ermessen dahingehend aus, dass er es für erforderlich erachte, zur Beseitigung dieser Verstöße eine Löschungsverfügung zu erlassen. Zum einen gingen die Interessen des Beigeladenen am Schutz seiner Persönlichkeit, die durch die ungerechtfertigte Speicherung besagter Daten beeinträchtigt werde, offensichtlich den Geschäftsinteressen der Klägerin vor. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des jedem Menschen zustehenden Persönlichkeitsrechts verbiete es grundsätzlich, dass Dritte personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen verarbeiteten. Nur soweit es ausnahmsweise eine gesetzliche Vorschrift zulasse, könne in dieses Recht im überwiegenden Allgemeininteresse eingegriffen werden. Das Vorhalten von Bonitätsnegativmerkmalen über in der Vergangenheit liegenden Gegebenheiten rechtfertige einen derartigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht, wenn - wie im Fall des Beigeladenen - kein Grund zu der Annahme mehr bestehe, dass von diesem noch aktuell eine Gefahr für Dritte ausgehe. Die Klägerin verletze somit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beigeladenen, ohne dafür einen Rechtfertigungsgrund zu haben. Im Übrigen werde der Erlass der in Rede stehenden behördlichen Anordnung auch deswegen für erforderlich erachtet, weil die Klägerin sich weigere, von sich aus hinsichtlich der Person des Beigeladenen rechtmäßige Zustände herbeizuführen. Ferner dürfe nicht übersehen werden, dass die Klägerin auch andere Unternehmen schädige, wenn sie diesen inhaltlich unzutreffende Warnungen vor Personen, die keineswegs kreditunwürdig seien, zuleite und sie dadurch am Abschluss von Geschäften hindere. Solche Angaben seien nicht geeignet, den von der Klägerin verfolgten Geschäftszweck, die Wirtschaft vor kreditunwürdigen Vertragspartnern zu warnen, zu fördern.

Am 08.08.2012 hat die Klägerin Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage bei Gericht gestellt. Diesen Antrag haben die Klägerin und der Beklagte in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Landesbeauftragte für den Datenschutz die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO aufgehoben hatte (vgl. Erledigungsbeschluss vom 13.09.2012 - 6 K 1838/12 -).

Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus, der Beklagte stelle die Rechtslage in seiner Verfügung ungenau dar. Er beschränke sich lediglich auf die Feststellung, dass die Auskunfteien den Beschluss über die Restschuldbefreiung für die Dauer von drei Jahren speichern dürften. Der Beklagte unterlasse es in diesem Zusammenhang, auf die gesetzliche Regelung für diese Frist hinzuweisen. Gesetzliche Grundlage sei die Frist des § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG, wonach eine Prüfung der zu löschenden Daten bei erledigten Sachverhalten am Ende des dritten Kalenderjahres vorzunehmen sei. Ergebe die Prüfung, dass eine länger währende Speicherung nicht erforderlich sei, so habe die Löschung zu erfolgen. Maßgeblich sei demnach also nicht allein der im Gesetz genannte Zeitraum von drei Jahren, sondern auch die weitere gesetzliche Regelung, wonach diese Frist zum Ende des dritten Kalenderjahres ablaufe. Die nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG maßgebliche Frist von drei Jahren, die auch für die Erteilung der Restschuldbefreiung gelte, beginne daher mit dem ersten Januar des auf die Speicherung folgenden Jahres und ende dann nach drei Jahren. Sei demgemäß am 05.10.2010 die Erteilung der Restschuldbefreiung in ihrem Datensatz über den Beigeladenen gespeichert worden, so habe nach den gesetzlichen Bestimmungen des BDSG eine Prüfung hinsichtlich einer längerwährenden Speicherung spätestens am 31.12.2013 zu erfolgen, mithin so wie von ihr beabsichtigt und dem Beklagten mitgeteilt. Es sei deshalb falsch und stehe mit der Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG nicht im Einklang, wenn der Beklagte in seiner Verfügung feststelle, dass eine Löschung der Gewährung der Restschuldbefreiung am 30.04.2012 zu erfolgen habe.

Die Klägerin beantragt,

die Verfügung des Beklagten vom 06.07.2012 aufzuheben.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es macht ergänzend geltend, die Klägerin habe nichts Substantiiertes vorzutragen vermocht, obwohl sie im konkreten Fall hierzu Veranlassung gehabt habe, als für die Datenverarbeitung verantwortliche Stelle eine exakte Prüfung vorzunehmen und seine Anfrage nachvollziehbar zu beantworten (vgl. § 38 Abs. 3 BDSG). Zur weiteren Speicherungserforderlichkeit habe die Klägerin auch in ihrer Klageschrift nichts ausgeführt. Dagegen habe der Beigeladene ihm gegenüber vorgetragen, er habe seine Insolvenzgläubiger ausreichend befriedigt. Der Beigeladene stelle auch künftig keine Gefahr für potentielle Gläubiger dar. Bei dieser Sachlage würden die Ermessenserwägungen in der streitgegenständlichen Verfügung nach § 114 Satz 2 VwGO wie folgt ergänzt: Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene in der Lage gewesen sei, seine Insolvenzgläubiger vollständig zu befriedigen. Er habe während der Wohlverhaltensperiode zumindest gezeigt, dass er gewillt sei, seine Verpflichtungen als Schuldner zu erfüllen. Deswegen könne insoweit nicht der Schluss gezogen werden, dass er künftig zahlungsunwillig sei. Es sei nicht Aufgabe einer Auskunftei, Dritte darüber zu informieren, ob ein Betroffener in der Vergangenheit einer finanziellen Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Vielmehr müssten zurückliegende Vorkommnisse eine Negativprognose zulassen, die für Warnungen vor Geschäften mit dem Betroffenen Veranlassung geben würden. Dafür bestehe im Falle des Beigeladenen kein Grund. Auch sei der Beigeladene nunmehr zahlungsfähig. Er müsse wegen seiner Insolvenz keine Forderungen mehr begleichen, die seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigen würden. Außerdem gehe er nur solche Verpflichtungen ein, die er finanziell korrekt abwickeln könne. Dafür ständen ihm ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen sowie auf die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten verwiesen, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ergibt.

Gründe

I. Das Gericht entscheidet durch Gerichtsbescheid, denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt (vgl. § 84 Abs. 1 VwGO).

II. Die durch eine anwaltlich nicht vertretene Partei erhobene Klage ist zunächst nach § 88 VwGO dahin auszulegen, dass sie auf die Aufhebung der Ziffern 1, 3 und 4 der Verfügung vom 06.07.2012 gerichtet ist. Der - ursprünglichen - Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO in Ziffer 2 der Verfügung kommt die Eigenschaft eines Verwaltungsakts im Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG nicht zu und ist von daher kein tauglicher Gegenstand einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO.

Die so ausgelegte Klage ist zulässig und begründet. Denn Ziffer 1 der angefochtenen Verfügung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin deshalb in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; dazu unter 1.). Gleiches gilt für die Ziffern 3 und 4 (dazu unter 2.).

1. Ziffer 1 der Verfügung des Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg vom 06.07.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin deshalb in ihren Rechten.

Die streitgegenständliche Löschungsverfügung hat der Beklagte auf die - einzig in Betracht kommende - Rechtsgrundlage des § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG gestützt. Hiernach sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn sie geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung verarbeitet werden und eine Prüfung jeweils am Ende des vierten, soweit es sich um Daten über erledigte Sachverhalte handelt und der Betroffene der Löschung nicht widerspricht, am Ende des dritten Kalenderjahres beginnend mit dem Kalenderjahr, das der erstmaligen Speicherung folgt, ergibt, dass eine längerwährende Speicherung nicht erforderlich ist. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

a) Die vollständigen Personalien des Beigeladenen und der Vermerk über die vom Amtsgericht - Insolvenzgericht - Würzburg erteilte Restschuldbefreiung nach Maßgabe des § 300 InsO stellen personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG dar. Diese Daten werden von der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Wirtschaftsauskunftei gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG auch geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung verarbeitet.

b) Ausweislich der Auskunft der Klägerin vom 09.03.2012 hatte sie vom Beigeladenen neben den Personalien als weitere personenbezogene Daten die dem Beigeladenen durch das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Würzburg am 05.10.2010 erteilte Restschuldbefreiung sowie die von diesem Gericht ausgesprochene Aufhebung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen nach Vollzug der Schlussverteilung vom 05.10.2010 gespeichert. Mit Schreiben vom 30.04.2012 hat sie mitgeteilt, dass sie im Hinblick auf die Speicherung der Restschuldbefreiung die bisher gespeicherte Aufhebung des Insolvenzverfahrens gelöscht habe.

Beide Beschlüsse sind öffentlich bekannt zu machen (vgl. § 200 Abs. 2 Satz 1 sowie § 300 Abs. 3 Satz 1 InsO) und im Übrigen taugliche und zulässige Gegenstände einer Speicherung durch eine Wirtschaftsauskunftei (OLG Frankfurt, Hinweisbeschluss vom 01.09.2009 - 21 U 45/09 - juris; VG Karlsruhe, Beschluss vom 05.09.2012 - 6 K 1782/12 - juris).

c) § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG sieht hinsichtlich der von der Klägerin zu beachtenden Löschungsfrist vor, dass jeweils am Ende des - grundsätzlich - vierten Kalenderjahrs eine Prüfung vorzunehmen ist, ob eine längerwährende Speicherung nicht erforderlich ist. Die Prüffrist verkürzt sich bei erledigten Sachverhalten auf drei Jahre. Als Fristbeginn bestimmt diese Vorschrift das Kalenderjahr, das der erstmaligen Speicherung folgt.

aa) Übertragen auf den vorliegenden Fall begann demnach die Prüffrist, ausgehend von einer Speicherung der dem Beigeladenen erteilten Restschuldbefreiung am 05.10.2010, für die regelmäßige Löschung nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG am 01.01.2011 (Kalenderjahr, das der erstmaligen Speicherung folgt) und wird, da es sich um einen erledigten Sachverhalt handelt, nach drei Jahren am 31.12.2013 enden (Ende des dritten Kalenderjahrs). Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird die Klägerin also zu prüfen haben, ob eine längerwährende Speicherung noch zulässig ist oder ob die zum Beigeladenen gespeicherten Daten zu löschen sind.

bb) Wie der Beklagte zu dem Ergebnis gelangt, dem Beigeladenen sei es bereits im Jahr 2010 gelungen, das Insolvenzgericht davon zu überzeugen, dass er seine Gläubiger in ausreichendem Maße befriedigen konnte und er somit in den Genuss einer vorzeitigen Restschuldbefreiung gekommen sei, wobei nicht einmal eine Wohlverhaltensphase 'vorgeschaltet' gewesen sei, erschließt sich dem Gericht nicht. So hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg zwar eine entsprechende Anfrage an den Beigeladenen gerichtet (vgl. Schreiben vom 22.05.2012). Dessen Antwort vom 26.05.2012 ist der vom Beklagten formulierte Sachverhalt aber nicht zu entnehmen. Der offensichtlich in Dingen des Insolvenzrechts nicht bewanderte Beigeladene (vgl. Schriftsatz vom 23.08.2012 an das Gericht) verwechselt augenscheinlich die Wahrung des Wohlverhaltens während der Zeit ab Eröffnung des Restschuldbefreiungsverfahrens am 17.03.2004 mit der Erteilung der Restschuldbefreiung. Auch spricht er von ausreichender Befriedigung der Insolvenzgläubiger und nicht, wie es der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg angefragt hatte, von dem Gelingen, sämtliche Insolvenzgläubiger zu befriedigen. Ferner spricht auch die Zeitspanne zwischen Eröffnung des (Verbraucher-)Insolvenzverfahrens am 17.03.2004 und der Bewilligung der Restschuldbefreiung am 05.10.2010 gegen die Annahme, eine Wohlverhaltensphase sei nicht vorgeschaltet gewesen. Schließlich erschließt sich dem Gericht nicht, wie der Beklagte zu dem Löschungsdatum des 30.04.2012 gelangt.

cc) Soweit der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg anführt, der Beigeladene habe während der Wohlverhaltensperiode zumindest gezeigt, dass er gewillt sei, seine Verpflichtungen als Schuldner zu erfüllen, weshalb insoweit nicht der Schluss gezogen werden könne, dass er künftig zahlungsunwillig sei, und dass es nicht Aufgabe einer Auskunftei sei, Dritte darüber zu informieren, ob ein Betroffener in der Vergangenheit einer finanziellen Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sondern vielmehr zurückliegende Vorkommnisse eine Negativprognose zulassen müssten, die für Warnungen vor Geschäften mit dem Betroffenen Veranlassung geben würden, führt dies ebenso wenig zur Rechtmäßigkeit seiner Löschungsverfügung wie der Vortrag, der Beigeladene sei nunmehr zahlungsfähig, weil er wegen seiner Insolvenz keine Forderungen mehr begleichen müsse, die seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigen würden, und er nur solche Verpflichtungen eingehe, die er finanziell korrekt abwickeln könne.

±) Der Gesetzgeber des BDSG hat mit der Festschreibung bestimmter Prüffristen in § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen. Er hat hierbei einerseits das Interesse der freien Wirtschaft in den Blick genommen, die vor zahlungsunfähigen Schuldnern Schutz wünscht und sich hierzu der Auskunfteien bedient. Auf der anderen Seiten bietet die auf vier bzw. drei Jahre festgelegte Prüffrist die Gewähr, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG des jeweils von der Speicherung Betroffenen zur Geltung zu bringen (vgl. zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung BVerfG, Urteil vom 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05 und 1254/07 - BVerfGE 120, 378). Nach Auffassung des Gesetzgebers ist bei erledigten Sachverhalten die dreijährige Frist regelmäßig ausreichend, um das Verhalten des Betroffenen einschätzen zu können (BT-Drs. 16/10529, S. 18). Hierin kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber für den Regelfall eine dreijährige Prüffrist für angemessen erachtet, den genannten widerstreitenden Belangen zu einem gerechten Ausgleich zu verhelfen. Durchgreifende Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht hegt das Gericht hieran nicht.

²) Soweit der Beklagte davon ausgeht, die Klägerin habe die zum Beigeladenen gespeicherten Daten bereits vor dem 31.12.2013, nämlich am 30.04.2012 löschen müssen, lässt sich dies dem Gesetz so nicht entnehmen. Insbesondere sieht die Vorschrift des § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG nicht vor, dass die Klägerin im Falle einer - nach Auffassung des Beklagten - nunmehr anzunehmenden Zahlungswilligkeit und -fähigkeit des Beigeladenen eine vorzeitige Prüfung der gespeicherten Daten vorzunehmen hat. Sie geht vielmehr von starren Fristen aus, wobei im Einzelfall eine Verlängerung, jedoch keine Verkürzung der Prüffrist möglich ist ([...] und eine Prüfung ergibt, [...] dass eine längerwährende Speicherung nicht erforderlich ist.).

Einziger Anknüpfungspunkt für die Sichtweise des Beklagten bietet der Wortlaut am Ende des vierten bzw. am Ende des dritten Kalenderjahres. Diese Formulierungen überlassen es der Wirtschaftsauskunftei, wann genau sie eine Prüfung der gespeicherten Daten vornimmt, solange sie der gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, dies jedenfalls am Ende des maßgeblichen Kalenderjahrs zu tun. Zugleich bedeutet dies aber für den vorliegenden Fall, dass die Klägerin - Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit des Beigeladenen unterstellt - zum 30.04.2012 die vom Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg geforderte Löschung nicht hätte vornehmen müssen. Denn dieses Datum lässt sich mit dem Gesetzeswortlaut am Ende des Kalenderjahrs nicht vereinbaren, liegt es immerhin mehr als neun Monate vor dem Ende eines Kalenderjahrs.

³) Auch im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Beigeladenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 GG besteht kein atypischer Fall, der der Klägerin hätte Anlass geben müssen, abweichend von den in § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG genannten Fristen bereits vor dem 31.12.2013 die Löschung der personenbezogenen Daten durchzuführen. Soweit der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg in einem ersten Schritt darauf abhebt, der Beigeladene sei als zahlungswillig einzustufen, weil er während der Wohlverhaltensperiode gezeigt habe, dass er gewillt sei, seine Verpflichtungen als Schuldner zu erfüllen, so lässt sich hieraus keine Atypik herleiten. Denn das Wohlverhalten in dieser Phase ist von Gesetzes wegen Voraussetzung, die begehrte Restschuldbefreiung überhaupt zu erlangen. Der Beigeladene hebt sich durch sein geordnetes Zahlungsverhalten von der Masse anderer Verbraucherinsolvenzschuldner nicht ab.

Nichts anderes ergibt sich auch im Hinblick auf die vom Beklagten angenommene mittlerweile wiederhergestellte Zahlungsfähigkeit des Beigeladenen. Denn selbst wenn dessen Angaben hierzu Glauben geschenkt werden, so handelt es sich hierbei um einen Vorgang, mit dem sich der Beigeladene nicht in atypischer Weise von anderen Schuldnern abhebt, die ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchlaufen haben. Eine andere Sichtweise würde auch die Gefahr bürgen, dass eine Wirtschaftsauskunftei den Angaben des Betroffenen, in ein finanziell geregeltes Leben zurückgefunden zu haben, in aller Regel mangels Nachprüfbarkeit Glauben schenken müsste. Hierdurch würde der in § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG gefundene Ausgleich zwischen den Interessen der freien Wirtschaft und des von der Speicherung Betroffenen zu dessen Gunsten über Gebühr verschoben. Von daher dürfte nach Auffassung des Gerichts allenfalls in klaren Ausnahmefällen - der vormalige Insolvenzschuldner gewinnt beispielsweise im Lotto oder er wird Erbe eines nachweisbaren großen Firmenvermögens - ein vorzeitiger Anspruch auf Löschung bestehen.

2. Auch die weiteren Ziffern 3 und 4 der Verfügung vom 06.07.2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin deshalb in ihren Rechten. Mit der Aufhebung von Ziffer 1 der genannten Verfügung fehlt es für die Zwangsgeldandrohung an einer vollstreckbaren Grundverfügung. Für die in Ziffer 4 der Verfügung vom 06.07.2012 getroffene Gebührenentscheidung bleibt damit kein Raum mehr und sie ist ebenfalls aufzuheben.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und auch sonst das Verfahren nicht gefördert. Von daher entsprach es nicht der Billigkeit, dem unterliegenden Teil seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).

Von einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wird gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO abgesehen.

III. Die Berufung war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.






VG Karlsruhe:
Gerichtsbeschei v. 26.10.2012
Az: 6 K 1837/12


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