VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss vom 23. August 2012
Aktenzeichen: 194/10, 193/10

(VerfGH des Landes Berlin: Beschluss v. 23.08.2012, Az.: 194/10, 193/10)

Tenor

Die Verfahren VerfGH 193/10 und VerfGH 194/10 werden unter dem führenden Aktenzeichen VerfGH 193/10 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich jeweils gegen die Zurückweisung ihrer Anträge auf Bewilligung einer Pauschvergütung für ihre Tätigkeit als Pflichtverteidiger durch das Kammergericht.

1. Die Beschwerdeführerin zu 1 war seit dem Dezember 1996 als Wahlanwältin für ihren seit dem Juli 1996 inhaftierten Mandanten, einen der deutschen Sprache nicht mächtigen vietnamesischen Staatsangehörigen, tätig. Mit Anklageschrift vom Februar 1997 klagte die Staatsanwaltschaft Berlin den Mandanten der Beschwerdeführerin zu 1 sowie 15 weitere vietnamesische Staatsangehörige unter anderem wegen verschiedener Tötungsdelikte an. Mit Beschluss des Landgerichts vom März 1997 wurde die Beschwerdeführerin zu 1 ihrem Mandanten als notwendige Verteidigerin beigeordnet. Mit Beschluss vom Mai 1997 ordnete das Landgericht dem Mandanten der Beschwerdeführerin zu 1 eine weitere Rechtsanwältin als Pflichtverteidigerin bei.

Im November 1998 beantragte die Beschwerdeführerin zu 1, ihr einen angemessenen Vorschuss auf die Pauschvergütung des beigeordneten Anwalts gemäß § 99 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGO - zuzubilligen. Zur Begründung führte sie an, dass die Hauptverhandlung in der Regel auf zwei Verhandlungstage pro Woche terminiert und ein Ende gegenwärtig nicht abzusehen sei. Nach nahezu 50 Hauptverhandlungstagen sei noch nicht einmal die Befragung des ersten einer Vielzahl von Zeugen abgeschlossen. Außerdem sei der zu behandelnde Verfahrensstoff äußerst umfangreich.

Der Bezirksrevisor des Kammergerichts schlug aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeit sowie der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer künftigen Bewilligung einer Pauschvergütung die Bewilligung einer in €derartigen Großverfahren üblichen Abschlagszahlung in Höhe von 9.000 DM€ vor. Mit Beschluss vom 10. März 1999 bewilligte das Kammergericht der Beschwerdeführerin zu 1 eine Abschlagszahlung in dieser Höhe auf die später festzusetzende Pauschvergütung.

Mit Urteil vom 6. November 2000 verurteilte das Landgericht den Mandanten der Beschwerdeführerin zu 1 nach Abtrennung des Verfahrens zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Das Urteil wurde durch einen Rechtsmittelverzicht sofort rechtskräftig. Die Beschwerdeführerin zu 1 erhielt für ihre Tätigkeit Gebühren (ohne Auslagen) in Höhe von 91.255 DM (netto).

Mit Schreiben vom 29. Juni 2001 beantragte die Beschwerdeführerin zu 1 die Bewilligung einer Pauschvergütung, welche sie der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts stellte. Zur Begründung verwies sie auf ihren Antrag zur Bewilligung der Abschlagszahlung sowie darauf, dass die Verfahrensakten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens insgesamt 70 Bände umfassten.

Im April 2005 nahm der Bezirksrevisor des Kammergerichts nach Zurückweisung von vier gleichgelagerten Anträgen weiterer an dem Verfahren beteiligter Pflichtverteidiger allgemein zu den Anträgen von insgesamt 21 Rechtsanwälten Stellung. Nach seiner Auffassung rechtfertigten die Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens in einer Gesamtschau nicht die Bewilligung einer Pauschvergütung. Dem mit dem Aktenstudium verbundenen besonderen Arbeitsaufwand stehe die weit unterdurchschnittliche Anwesenheitszeit (deutlich unter vier Stunden) der Pflichtverteidiger in den Verhandlungsterminen entgegen. Ferner seien die Angeklagten jeweils von zwei Pflichtverteidigern vertreten worden, so dass die Möglichkeit der Arbeitsteilung bestanden habe, von der offensichtlich auch Gebrauch gemacht worden sei. Der Bezirksrevisor legte den betroffenen Rechtsanwälten eine Rücknahme ihrer Anträge nahe.

Die Beschwerdeführerin zu 1 erklärte hierzu, dass auch unter Berücksichtigung der Dauer der einzelnen Verhandlungstage keine vernünftigen Zweifel an dem besonderen Umfang der Hauptverhandlung bestehen könnten. Eine Arbeitsteilung zwischen den Pflichtverteidigern widerspreche den Berufspflichten des beigeordneten Verteidigers. Jeder Verteidiger müsse die Termine seinen Berufspflichten entsprechend vorbereiten und wahrnehmen. Die Beschwerdeführerin zu 1 habe dementsprechend in einer über zwei Jahre und neun Monate dauernden Hauptverhandlung 156 Schwurgerichtssitzungen persönlich vorbereitet, wahrgenommen und nachbereitet. Im Übrigen sei im Rahmen der anzustellenden Gesamtschau zu berücksichtigen, dass der inhaftierte Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig gewesen sei und einem fremden Kulturkreis angehört habe. Schließlich habe das Kammergericht durch die Gewährung eines Vorschusses auf die Pauschvergütung einen Vertrauenstatbestand geschaffen.

Hierzu erklärte der Bezirksrevisor des Kammergerichts, die Beschwerdeführerin zu 1 habe nach Lage der Akten an 159 Hauptverhandlungstagen als Pflichtverteidigerin teilgenommen. Die durchschnittliche Verhandlungsdauer habe aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes einiger Angeklagter nur knapp vier Stunden betragen. Die durchschnittliche Verhandlungsdauer der Beschwerdeführerin zu 1 habe noch darunter gelegen, weil offensichtlich die Möglichkeit der Arbeitsteilung mit einer weiteren Pflichtverteidigerin genutzt worden sei. Durch die Gewährung eines Vorschusses auf die Pauschvergütung sei kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden.

Mit Beschluss vom 14. Oktober 2009 wies der Einzelrichter des zuständigen Senats des Kammergerichts den Antrag der Beschwerdeführerin zu 1 auf Bewilligung einer Pauschvergütung zurück. Auf die Vergütung der Antragstellerin sei nach § 61 Abs. 1 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - das alte Gebührenrecht der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte anzuwenden. Danach sei eine Pauschvergütung nicht schon dann zu bewilligen, wenn das Verfahren besonders umfangreich und/oder besonders schwierig war. Vielmehr müssten die gesetzlichen Gebühren augenfällig unzureichend und unbillig sein. Dies sei nicht der Fall, da die Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu 1 mit den gezahlten Gebühren insgesamt nicht unzumutbar niedrig vergütet worden sei. Zwar sei ein aufwändiges Aktenstudium erforderlich gewesen, allerdings seien dagegen der Tatzeitraum und die konkret zur Last gelegten Vorwürfe überschaubar gewesen. Die Konzentration der Beschwerdeführerin zu 1 auf die Wahrung der Interessen des Mandanten in der Hauptverhandlung sei aufgrund der Konfliktverteidigung einiger Mitverteidiger nicht unerheblich erschwert worden. Belastend habe sich auch die Tbc-Erkrankung von mehreren Angeklagten ausgewirkt. Ein wesentliches Bemessungskriterium stelle jedoch die unterdurchschnittliche Anwesenheit der Beschwerdeführerin zu 1 von deutlich unter vier Stunden an 156 Verhandlungstagen dar. Durch die Bewilligung eines Vorschusses sei kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden.

Hiergegen erhob die Beschwerdeführerin zu 1 unter dem 23. Dezember 2009 Gegenvorstellung und Anhörungsrüge. Am selben Tage legte sie gegen den Beschluss des Kammergerichts Verfassungsbeschwerde ein. Zur Begründung führte sie an, der Beschluss verletze ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 15 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung von Berlin - VvB -, weil das Recht auf effektiven Rechtsschutz auch eine Entscheidung in einem zumutbaren zeitlichen Rahmen umfasse und seit Beantragung der Pauschvergütung über acht Jahre und seit Zahlung des Vorschusses über zehn Jahre vergangen seien. Außerdem verletze der Beschluss ihren sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Vertrauensschutz. Der damals geltende § 99 BRAGO habe keine Regelung über die Zahlung eines Vorschusses enthalten. Die von der Rechtsprechung entwickelte Vorschussleistung habe sich nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nur auf bereits erbrachte Teilleistungen bezogen. Nach diesem Verständnis genieße ein Vorschuss einen erhöhten Vertrauensschutz. Sie habe außerdem nach einem Zeitraum von fast zehn Jahren nicht mehr damit rechnen müssen, dass eine von der damaligen Festsetzung des Vorschusses abweichende Entscheidung getroffen werden würde. Im Übrigen lägen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die eine von der damaligen Vorschussentscheidung abweichende Festsetzung rechtfertigen würden. Das Kammergericht habe bei seiner damaligen Entscheidung Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens bereits gewürdigt. Die Sachlage habe sich insofern nicht verändert. Außerdem verstoße die angegriffene Entscheidung gegen das sich aus Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB ergebende Gebot des gesetzlichen Richters. Der Beschluss sei von einem Einzelrichter anstelle des zuständigen Spruchkörpers gefasst worden. Der nach der Übergangsregelung in § 61 Abs. 1 RVG weiterhin anwendbare § 99 BRAGO sehe eine Entscheidung durch das zuständige Oberlandesgericht vor. Erst § 51 Abs. 2 Satz 4 RVG in Verbindung mit § 42 Abs. 3 RVG weise die Entscheidung dem Einzelrichter im Strafsenat des Oberlandesgerichts zu. Weiterhin verletze der angefochtene Beschluss das Grundrecht der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin zu 1 aus Art. 17 VvB. Die Bestellung zum Pflichtverteidiger sei eine besondere Form der Indienstnahme zu öffentlichen Zwecken, welche einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung des betroffenen Anwalts darstellen. Dieser Eingriff sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt werde. Dies sei ohne eine zusätzliche Pauschvergütung nach § 99 BRAGO angesichts des Umfangs der Tätigkeit der Beschwerdeführerin zu 1 im vorliegenden Fall nicht gewährleistet. Schließlich habe das Kammergericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 15 Abs. 1 VvB verletzt, weil es ihre Stellungnahmen bei seiner Entscheidung nicht erwogen habe.

Aufgrund der zeitgleich erhobenen Gegenvorstellung und Anhörungsrüge hat der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsbeschwerde zunächst in das Allgemeine Register eingetragen. Mit Beschluss vom 15. Oktober 2010, der Beschwerdeführerin zu 1 am 20. Oktober 2010 zugestellt, hat das Kammergericht die Rügen der Beschwerdeführerin zu 1 zurückgewiesen. Die Gegenvorstellung sei unzulässig, da die Unanfechtbarkeit der Entscheidung nicht durch ungeschriebene Rechtsbehelfe umgangen werden dürfe. Die Anhörungsrüge sei verspätet. Darüber hinaus sei sie auch unbegründet. Das Kammergericht habe das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu 1 zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Im Übrigen sei der Senat ordnungsgemäß besetzt gewesen.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 hat die Beschwerdeführerin zu 1 dem Verfassungsgerichtshof den Beschluss des Kammergerichts vom 15. Oktober 2010 mitgeteilt und um Fortsetzung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens gebeten.

2. Der Beschwerdeführer zu 2 wurde mit Beschluss des Landgerichts vom Mai 1997 als notwendiger Verteidiger einem weiteren Angeklagten in demselben Prozess wie die Beschwerdeführerin zu 1 beigeordnet. Im April 1998 beantragte er, ihm einen angemessenen Vorschuss auf die Pauschvergütung des beigeordneten Anwalts gemäß § 99 BRAGO zuzubilligen. Zur Begründung führte er an, dass es sich um ein Großverfahren handele und die bislang anberaumten 28 Hauptverhandlungstage voraussichtlich nicht ausreichen würden.

Der Bezirksrevisor des Kammergerichts schlug auch hier die Bewilligung einer in €derartigen Großverfahren üblichen Abschlagszahlung in Höhe von 9.000 DM€ vor. Mit Beschluss vom 10. Juni 1998 bewilligte das Kammergericht dem Beschwerdeführer zu 2 eine Abschlagszahlung in dieser Höhe auf die später vor-aussichtlich zu gewährende Pauschvergütung.

Mit Urteil vom 16. Juni 2000 verurteilte das Landgericht den Mandanten des Beschwerdeführers zu 2 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Das Urteil wurde durch einen Rechtsmittelverzicht sofort rechtskräftig. Der Beschwerdeführer zu 2 erhielt für seine Tätigkeit Gebühren (ohne Auslagen) in Höhe von 79.254 DM (netto).

Mit Schreiben vom 15. November 2001 beantragte der Beschwerdeführer zu 2 die Bewilligung einer Pauschgebühr in Höhe von 100.000 DM. Zur Begründung führte er an, dass es sich aufgrund der Zahl der Verhandlungstage und des Aktenumfangs um ein besonders umfangreiches Verfahren gehandelt habe. Die Haftbedingungen hätten die Verteidigung weiter erschwert.

Im April 2005 übermittelte das Kammergericht dem Beschwerdeführer zu 2 die bereits erwähnte allgemeine Stellungnahme des Bezirksrevisors des Kammergerichts vom 4. April 2005 zu den Anträgen von 21 an dem Verfahren beteiligten Rechtsanwälten. Das Kammergericht wies ergänzend darauf hin, dass es der Länge der einzelnen Hauptverhandlungstage eine wesentliche Bedeutung zumesse.

Der Beschwerdeführer zu 2 erklärte hierzu, dass zumindest in Höhe des bereits gezahlten Vorschusses Vertrauensschutz bestehe. Die Verhandlungsdauer von jeweils etwa vier Stunden habe schon für die zum Zeitpunkt der Beantragung eines Vorschusses auf die Pauschvergütung bereits stattgefundenen 17 Hauptverhandlungstage gegolten. Es sei aufgrund des Gesundheitszustands der Angeklagten zu diesem Zeitpunkt absehbar gewesen, dass sich daran für die weiteren Verhandlungstage nichts ändern werde. Dies sei auch durch die Anträge mehrerer am Verfahren beteiligter Rechtsanwälte dokumentiert, die Verhandlungsdauer auf unter vier Stunden zu beschränken. Der Bezirksrevisor habe seine Stellungnahme vom 20. Mai 1998, mit welcher er eine Vorschussleistung auf die Pauschgebühr befürwortet hatte, in Kenntnis dieser Umstände abgegeben. Im weiteren Verlauf des Verfahrens sei keine Veränderung der Umstände eingetreten. Aufgrund der damals fehlenden gesetzlichen Grundlage für eine Vorschussleistung sei ein solcher Vorschuss auf die Pauschvergütung nur für bereits erbrachte aber mangels Abschlusses des Verfahrens noch nicht abrechenbare Verfahrenstätigkeiten für möglich gehalten worden, bzw. wenn in einer Gesamtschau mit Sicherheit mit der Entstehung einer Pauschgebühr zu rechnen sei. Außerdem habe der Bezirksrevisor sich in seiner Stellungnahme nicht ausreichend mit verschiedenen für die besondere Dauer des Verfahrens relevanten Aspekten auseinandergesetzt.

Hierzu erklärte der Bezirksrevisor des Kammergerichts, der Beschwerdeführer zu 2 habe nach Lage der Akten an 139 Hauptverhandlungstagen als Pflichtverteidiger teilgenommen. Aus entsprechenden Erwägungen wie im Fall der Beschwerdeführerin zu 1 beantragte der Bezirksrevisor, den Antrag des Beschwerdeführers zu 2 auf Gewährung einer Pauschvergütung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 15. Oktober 2009, dem Beschwerdeführer zu 2 zugegangen am 19. Oktober 2009, wies der Einzelrichter des zuständigen Senats des Kammergerichts den Antrag des Beschwerdeführers zu 2 auf Bewilligung einer Pauschvergütung zurück. Die Begründung entspricht im Wesentlichen derjenigen des am Vortag im Fall der Beschwerdeführerin zu 1 ergangenen Beschlusses.

Hiergegen erhob der Beschwerdeführer zu 2 unter dem 17. Dezember 2009 Gegenvorstellung und Anhörungsrüge. Mit am 21. Dezember 2009 beim Verfassungsgerichtshof eingegangenen Schreiben vom 14. Dezember 2009 legte der Beschwerdeführer zu 2 Verfassungsbeschwerde ein. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde entspricht derjenigen der Beschwerdeführerin zu 1.

Aufgrund der parallel zur Verfassungsbeschwerde eingelegten Gegenvorstellung und Anhörungsrüge hat der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zunächst in das Allgemeine Register eingetragen. Mit Beschluss vom 18. Oktober 2010, dem Beschwerdeführer zu 2 am 21. Oktober 2010 zugestellt, hat das Kammergericht die Rügen des Beschwerdeführers zu 2 zurückgewiesen. Die Begründung entspricht derjenigen des im Verfahren gegenüber der Beschwerdeführerin zu 1 am 15. Oktober 2010 ergangenen Beschlusses.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 hat der Beschwerdeführer zu 2 dem Verfassungsgerichtshof den Beschluss des Kammergerichts vom 18. Oktober 2010 mitgeteilt und um Fortsetzung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens gebeten.

3. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

II.

Die Verfassungsbeschwerden sind teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

1. Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerden bereits mangels Erschöpfung des Rechtswegs oder aus Gründen der Subsidiarität unzulässig sind. Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG - kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden, wenn gegen die behauptete Verletzung der Rechtsweg zulässig ist. Rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Fachgericht, so ist der Rechtsweg nur erschöpft, wenn er diesen Verstoß gegenüber dem Instanzgericht im Wege der Anhörungsrüge, die gegen alle unanfechtbaren Endentscheidungen gegeben ist, geltend gemacht hat (Beschluss vom 27. Mai 2008 - VerfGH 114/07 - wie alle nachfolgend zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs unter www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de, Rn. 7; st. Rspr.). Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer überdies, vor Anrufung des Verfassungsgerichtshofs - über die formale Einlegung der statthaften Rechtsbehelfe hinaus - alle ihm bei den Fachgerichten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur des geltend gemachten Verfassungsverstoßes durch die Fachgerichte zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (Beschluss vom 23. Oktober 2007 - VerfGH 128/07, 128 A/07 - Rn. 5; st. Rspr.). Daher reicht es beispielsweise nicht aus, ein an sich statthaftes Rechtsmittel oder einen statthaften Rechtsbehelf nur einzulegen; vielmehr müssen diese auch hinreichend begründet worden sein und alle sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllen (vgl. Beschluss vom 19. Dezember 2006 - VerfGH 102/06 - Rn. 16).

Die von den Beschwerdeführern jeweils eingelegten Anhörungsrügen gegen die angegriffenen Beschlüsse des Kammergerichts waren verspätet. Dafür ist es unerheblich, ob auf die Anhörungsrügen § 12a des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - Anwendung fand. Selbst wenn - wie von den Beschwerdeführern vertreten - die Beantragung der Pauschvergütung sich im vorliegenden Fall sowohl hinsichtlich der Höhe als auch des Verfahrens aufgrund der Übergangsvorschrift des § 61 RVG weiterhin nach den außer Kraft getretenen Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte richtete, hätten die Anhörungsrügen innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Zustellung der Entscheidungen eingelegt werden müssen. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfG, NJW 2003, 1924 <1929>). Es sind keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Anwendung von § 33a StPO ersichtlich. Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine Vergütungsangelegenheit (vgl. § 1 Abs. 1 RVG und § 1 Abs. 1 BRAGO) und nicht um eine strafprozessuale Frage.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Fristversäumnis hier unschädlich ist, weil das Kammergericht sich in den die Anhörungsrügen zurückweisende Beschlüssen auch zur Begründetheit geäußert hat (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 9. Februar 2012 - Vf. 31-VI-11 - juris Rn. 28/31; Heinrichsmeier, NVwZ 2010, 228 <231>). Die Verfassungsbeschwerden sind aus anderen Gründen teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

2. Soweit die Beschwerdeführer jeweils einen Verstoß gegen das in Art. 15 Abs. 5 Satz 2 der Verfassung von Berlin - VvB - in Übereinstimmung mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Recht auf den gesetzlichen Richter rügen, weil über ihre Anträge auf Bewilligung einer Pauschvergütung nicht der Senat, sondern der Einzelrichter befand, sind die Verfassungsbeschwerden mangels einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Darlegung unzulässig. § 49 Abs. 1 und § 50 VerfGHG setzen voraus, dass ein Beschwerdeführer hinreichend deutlich die konkrete Möglichkeit darlegt, er könne durch die beanstandete Maßnahme der öffentlichen Gewalt des Landes Berlin in einem seiner in der Verfassung von Berlin enthaltenen Rechte verletzt sein. Wird eine Gerichtsentscheidung angefochten, hat sich die Darlegung daran auszurichten, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs ist, fachgerichtliche Entscheidungen als eine Art Superrevisionsinstanz ganz allgemein auf formelle oder materielle Rechtsverstöße zu überprüfen. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind vielmehr grundsätzlich Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und insoweit der verfassungsgerichtlichen Prüfung entzogen. Der Verfassungsgerichtshof überprüft eine gerichtliche Entscheidung vielmehr nur auf Auslegungs- und Anwendungsfehler, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung und Tragweite des als verletzt bezeichneten Grundrechts beruhen. Hieraus folgt, dass ein Beschwerdeführer die konkrete Möglichkeit einer Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte grundsätzlich nicht allein dadurch darlegen kann, dass er einen Rechtsanwendungsfehler des Fachgerichts aufzeigt. Vielmehr muss er in Auseinandersetzung mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung erläutern, warum der Rechtsfehler das als beeinträchtigt gerügte Grundrecht verletzt, sofern der Verfassungsverstoß nicht offensichtlich ist (Beschluss vom 16. März 2010 - VerfGH 111/09, 111 A/09 - Rn. 16; st. Rspr.).

Diesen Maßstäben genügen die Ausführungen der Beschwerdeführer zu dem Recht auf den gesetzlichen Richter nicht. Das Recht auf den gesetzlichen Richter ist erst verletzt, wenn die Auslegung und Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit willkürlich war, das heißt insbesondere wenn die die Zuständigkeitsverletzung begründende gerichtliche Entscheidung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (Beschluss vom 6. Oktober 1998 - VerfGH 26 A/98, 26/98 - Rn. 15 m. w. N.). Dass dies der Fall ist, geht aus den Verfassungsbeschwerden nicht hervor. Die Beschwerdeführer machen lediglich geltend, das Kammergericht habe die Übergangsvorschrift des § 61 RVG falsch angewandt. Sie legen aber nicht substantiiert dar, warum die Auffassung des Kammergerichts, wonach sich § 61 RVG nur auf das materielle Recht und nicht auf das gerichtliche Verfahren bezieht, offensichtlich unhaltbar ist. Insbesondere setzen sie sich nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur auseinander. Dessen hätte es umso mehr bedurft, als die Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in Altfällen gemäß § 61 RVG in Rechtsprechung und Literatur nicht einhellig beurteilt wird (für Anwendung des RVG: KG, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - 1 Ws 164/09 -; Schneider, AGS 2004, 221; offen gelassen von OLG Hamm, Beschluss vom 3. Februar 2005 - 2 Ws 306/04 -; implizit offengelassen von BGH, Beschluss vom 24. April 2008 - IX ZR 53/07 - juris Rn. 16; für Anwendung der BRAGO: FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Juni 2008 - 4 KO 554/08 -; OLG Thüringen, Beschluss vom 25. November 2005 - 1 Ws 223/05 - juris Rn. 11 m. w. N.).

3. Die Verfassungsbeschwerden genügen auch nicht den Darlegungsanforderungen, soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit gemäß Art. 17 VvB rügen.

Die Darlegung eines Verstoßes gegen das in Art. 17 VvB in Übereinstimmung mit Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht der Berufsfreiheit hat sich daran auszurichten, dass die Bestellung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken ist. Angesichts der umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für die Wahrnehmung dieser im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe hat der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht angesehen, sondern den Pflichtverteidiger honoriert. Dass sein Vergütungsanspruch unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers liegt, ist durch einen vom Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit für den Pflichtverteidiger gewahrt ist. In Strafsachen besonderen Umfangs, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, ohne sich dieser Belastung entziehen zu können, gewinnt die Höhe des Entgelts für den betroffenen Rechtsanwalt existenzielle Bedeutung. Für solche besonderen Fallkonstellationen gebietet das Grundrecht des Pflichtverteidigers auf freie Berufsausübung eine Regelung, die sicherstellt, dass ihm die Verteidigung kein unzumutbares Opfer abverlangt(vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 68, 237 <255>; BVerfG, NJW 2007, 3420).

Eine Verletzung dieser Maßstäbe legen die Verfassungsbeschwerden nicht substantiiert dar. Die Beschwerdeführer führen nicht konkret aus, inwieweit und in welchen Zeiträumen ihre Arbeitskraft durch die erfolgten Beiordnungen als Pflichtverteidiger ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen wurde. Die Verfassungsbeschwerden beschränken sich zum Beleg des Umfangs der Inanspruchnahme auf allgemeine Informationen zu der Zahl der Verhandlungstage und der Anzahl der Aktenbände sowie weitere allgemeine Hinweise zu Besprechungen unter Einschaltung von Dolmetschern und einer durch die Inhaftierung allgemein erschwerten Verteidigertätigkeit. Sie machen keine konkreten Angaben zu dem zeitlichen Gesamtaufwand der Beschwerdeführer für die Bearbeitung der Pflichtmandate und zu der zeitlichen Verteilung des Arbeitsanfalls. Davon entbindet die Beschwerdeführer auch nicht ihr Hinweis, dass sie nach acht bzw. zehn Jahren nicht mehr in der Lage seien, sekündlich darzustellen, welche Tätigkeiten sie jeweils wann vorgenommen hätten. Eine derart ins Detail gehende Darlegung ist nicht geboten. Die Beschwerdeführer legen aber bereits nicht dar, inwieweit ihnen die für die Verteidigung gewährten Gebühren im Vergleich zur begehrten Pauschvergütung unzumutbare Opfer durch ihre konkrete Beanspruchung auferlegen.

4. Soweit die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 15 Abs. 4 VvB aufgrund der langen Verfahrensdauer bis zu einer Entscheidung über ihre Anträge auf Bewilligung einer Pauschvergütung rügen, sind die Verfassungsbeschwerden wegen der schon zuvor ergangenen und hier angegriffenen Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Nach Beendigung der geltend gemachten Grundrechtsverletzung besteht ein Rechtsschutzbedürfnis nur unter besonderen Umständen fort (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2012 - 1 BvR 359/09 - juris Rn. 17 m. w. N.), etwa dann, wenn die beeinträchtigenden Wirkungen andauern, wenn eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu besorgen ist (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 91, 125 <133>; BVerfGK 2, 33 <35> m. w. N.) oder wenn der gerügte Grundrechtseingriff besonders schwer wiegt (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 104, 220 <233>). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

5. Soweit die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das sich aus Art. 7 VvB in Verbindung mit dem Rechtsstaatprinzip (in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) ergebende Gebot des Vertrauensschutzes geltend machen, sind die Verfassungsbeschwerden unbegründet.

Das Gebot des Vertrauensschutzes ist zu berücksichtigen, wenn eine einmal gewährte Rechtsposition wieder entzogen werden soll (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 59, 128 <164 f.> m. w. N.). Es fordert nicht, dass jegliche einmal erworbene Rechtsposition Bestand hat; es nötigt aber zu einer an den Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit ausgerichteten, im Einzelfall vorzunehmenden Prüfung, ob jeweils die Belange des Allgemeinwohls oder das Interesse des Einzelnen am Fortbestand einer Rechtslage, auf die er sich eingerichtet hat und auf die er vertraute, den Vorrang verdienen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 59, 128 <166>; BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2012 - 2 BvR 2355/10 - juris Rn. 21). Unter welchen Umständen das Gebot auch für Gerichtsentscheidungen gilt, kann im vorliegenden Fall offen bleiben (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - NJW 2009, 1469 <1475> m. w. N.). Das Kammergericht hat Bedeutung und Tragweite des Vertrauensschutzes jedenfalls nicht grundsätzlich verkannt. Es liegen schon die Voraussetzungen für eine Verletzung schutzwürdigen Vertrauens nicht vor.

Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführer auf der Grundlage der Entscheidungen über die Abschlagszahlungen eine gewisse Erwartungshaltung hinsichtlich der endgültigen Bewilligungsentscheidung hatten. Bloße Erwartungen genießen aber keinen grundrechtlichen Schutz aus Art. 7 VvB in Verbindung mit dem Rechtsstaatprinzip.

Im vorliegenden Fall fehlt es an dem Entzug einer erworbenen Rechtsposition durch die Zurückweisung der Anträge auf endgültige Bewilligung einer Pauschvergütung. Den Beschwerdeführern war eine Pauschvergütung durch das Kammergericht bislang nicht endgültig bewilligt worden. Daran ändert auch die Bewilligung einer €Abschlagszahlung von 9.000 DM auf eine später festzusetzende Pauschvergütung€ im Fall der Beschwerdeführerin zu 1 durch Beschluss des Kammergerichts vom 10. März 1999 bzw. einer Abschlagszahlung €auf eine ihm später voraussichtlich zu gewährende Pauschvergütung€ im Fall des Beschwerdeführers zu 2 durch Beschluss des Kammergerichts vom 10. Juni 1998 nichts.

Die Bewilligung der Abschlagszahlungen stellt keine Rechtsposition dar, die den Beschwerdeführern durch die angegriffenen Beschlüsse wieder entzogen wurde. Abschlagszahlung und endgültige (Nicht-) Bewilligung der Pauschvergütung stellen unterschiedliche Entscheidungsgegenstände dar. Aus den bewilligten Abschlagszahlungen ergibt sich kein Anspruch auf eine endgültige Bewilligung. Es handelte sich vielmehr nur um vorläufige Leistungen, die noch unter dem Vorbehalt der endgültigen Bewilligung standen. Dies ergibt sich zum einen aus der gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG auf die Bewilligung einer Pauschvergütung im vorliegenden Fall anwendbaren Regelung in § 99 BRAGO. Darin war weder die Bewilligung einer Abschlagszahlung bzw. eines Vorschusses noch eine Bindung des Gerichts an eine Entscheidung über eine Abschlagszahlung bei der endgültigen Bewilligung vorgesehen. Zum anderen enthalten auch die Beschlüsse zur Bewilligung der Abschlagszahlungen keine Anhaltspunkte für ein endgültiges €Behaltendürfen€ unabhängig von der endgültigen Entscheidung. Ungeachtet der im Detail voneinander abweichenden Formulierungen wird darin jeweils deutlich, dass die bewilligten Vorschüsse noch unter dem Vorbehalt der endgültigen Bewilligungsentscheidungen standen.

Ein schutzwürdiges Vertrauen ergibt sich auch nicht umgekehrt gerade daraus, dass es im anwendbaren Gebührenrecht an einer gesetzlichen Grundlage für eine Abschlagszahlung fehlte und die Rechtsprechung solche Zahlungen nur unter engen Voraussetzungen als gesetzlich nicht geregelten Ausnahmefall gewährte. Der Umstand, dass Grundlage der Abschlagszahlungen allein die diesbezüglichen gerichtlichen Entscheidungen waren, führt nicht zu einem erhöhten Vertrauen. Generell verringert das Fehlen einer gesetzlichen Regelung eher ein schutzwürdiges Vertrauen. Gesetzliche Tatbestände führen durch ihren für alle Gerichte verbindlichen Inhalt zu einer gleichförmigen Anwendung und damit zu einem erhöhten Maß an Verlässlichkeit. Dies ist nur in erheblich geringerem Maß der Fall bei einer nur richterrechtlich begründeten Ausnahme, zumal wenn und so lange dazu eine höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt.

Ausgehend davon konnten die Entscheidungen des Kammergerichts über die Bewilligung von Abschlagszahlungen an die Beschwerdeführer kein schutzwürdiges Vertrauen begründen. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Zahlung von Abschlagszahlungen existierte damals nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts kamen Abschlagszahlungen €in Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn die künftige Bewilligung hinreichend wahrscheinlich ist und es dem Pflichtverteidiger nicht zuzumuten ist, außergewöhnliche Arbeitsleistungen für längere Zeit ohne Vergütung zu erbringen€ (KG, Beschluss vom 23. Dezember 1999 - 4 ARs 89/99 - juris Rn. 3 m. w. N.). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wird die endgültige Entscheidung über eine Pauschvergütung gerade nicht durch die Bewilligung von Abschlagszahlungen determiniert. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet nicht, dass zum Zeitpunkt der Bewilligung der Abschlagszahlung die spätere Pauschvergütung schon sicher zu gewähren sein muss. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass das Kammergericht mit Abschlagszahlungen auf die Pauschvergütung nur bereits erbrachte Leistungen vergüten wollte. Im Gegenteil verwies es in der genannten Entscheidung auf die Möglichkeit €nach §§ 97 Abs. 4, 127 BRAGO einen Vorschuss auf die bereits entstandenen gesetzlichen Gebühren zu verlangen€, zu denen die Pauschvergütung gerade nicht gehört (KG, Beschluss vom 23. Dezember 1999, a. a. O.).

6. Die Verfassungsbeschwerden sind ebenfalls unbegründet, soweit die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 15 Abs. 1 VvB geltend machen.

Art. 15 Abs. 1 VvB garantiert - inhaltsgleich mit Art. 103 Abs. 1 GG - den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zum Sachverhalt und zur Rechtslage vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Dem Recht der Parteien, sich im Verfahren mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten, entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Zwar ist grundsätzlich ohne Weiteres davon auszugehen, dass ein Gericht dieser Pflicht genüge getan hat; denn die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt aber dann vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen oder Rechtsausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen wurden. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn das Gericht zu einer Frage, die für das Verfahren nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts von zentraler Bedeutung ist, trotz entsprechenden Parteivortrags in den Entscheidungsgründen nicht Stellung nimmt (Beschluss vom 29. Mai 2012 - VerfGH 87/10 - m. w. N.; st. Rspr.).

Nach diesen Maßstäben hat das Kammergericht den Anspruch auf rechtliches Gehör der Beschwerdeführer nicht verletzt. Es sind keine besonderen Umstände dafür erkennbar, dass es Vorbringen der Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat. Zunächst besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht für letztinstanzliche Entscheidungen keine Begründungspflicht (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschlüsse vom 4. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05 - NJW 2007, 2977 <2981> - und vom 4. April 1998 - 1 BvR 968/97 - NJW 1998, 3484 f.; jeweils m. w. N.). Aus den dennoch vom Kammergericht angegeben Gründen ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein Übergehen von entscheidungserheblichem Vortrag. Die angegriffenen Entscheidungen gehen auf das von den Beschwerdeführern vorgetragene Argument des Vertrauensschutzes jeweils knapp ein. Dies ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das Kammergericht macht damit hinreichend deutlich, dass es den Aspekt zu Kenntnis genommen und erwogen hat, aber letztlich zu einem anderen Ergebnis kommt. Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit den einzelnen Argumenten der Beschwerdeführer war verfassungsrechtlich nicht geboten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abgeschlossen.






VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss v. 23.08.2012
Az: 194/10, 193/10


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