Landgericht Bonn:
Urteil vom 26. Oktober 2010
Aktenzeichen: 18 O 466/09

(LG Bonn: Urteil v. 26.10.2010, Az.: 18 O 466/09)

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Behinderung der Bautätigkeit bei dem Bauvorhaben Nplatz in L-S in Anspruch. Die Klageforderung von insgesamt 359.051,28 EUR setzt sich aus Behinderungskosten des Generalunternehmers C in Höhe von 126.768,24 EUR für 36 Behinderungstage sowie 82 Tagen Mietausfall, der mit 232.283,04 EUR netto angesetzt wird, zusammen.

Die Klägerin war Bauherrin des Bauprojektes Nplatz in L S, bei dem ein Tiefgaragenbau auf zwei unteren Ebenen sowie entsprechende Hochbauarbeiten geplant und ausgeführt wurden. Die Stadt L war ursprünglich Eigentümerin der betroffenen Grundstücksflächen Nplatz. Die Beklagte war Eigentümerin eines Schachtbauwerks im Untergrund der geplanten Tiefgarage, von dem aus Leitungsstränge durch den Baugrund verliefen. Zur Verdeutlichung wird auf die Anlage K ... (Bl. ...# GA) samt Vortrag der Klägerin (Bl. ...# f. GA) sowie den technischen Funktionsplan der Beklagten, Anlage B ... (Bl. ...# GA) Bezug genommen. Der Ausgang des unterirdischen Verteilerbauwerks befand sich unstreitig im öffentlichen Verkehrswegebereich (Anlage B ..., Bl. ...# GA), während zwischen den Parteien Streit darüber besteht, ob sich das gesamte unterirdische Bauwerk unterhalb der öffentlichen Verkehrsfläche im Gehwegbereich oder auf dem Flurstück #/# (Grünfläche) befand. Am 22.12.2003 schloss die Stadt L mit der Klägerin einen Kaufvertrag über die benötigten Baugrundstücke. Am 22.Juni 2004 gab es ein Gespräch zwischen den Parteien, bei dem es um die Koordinierung der erforderlichen Verlegearbeiten von Telekommunikationseinrichtungen der Beklagten mit den geplanten Bauarbeiten der Klägerin ging. Es folgten im Sommer 2004 mehrere Abstimmungsgespräche, deren Inhalt im Einzelnen streitig ist. Beide Parteien gingen mindestens von einem Zeitraum von 2,5 Monaten aus, der für Vorbereitung und Planung der Verlegearbeiten der Beklagten erforderlich sein würde, und von 5 Monaten für die Durchführung der Arbeiten selbst. Der Antrag auf Genehmigung des Baus der Tiefgarage wurde am 30.06.2004 beim Bauaufsichtsamt eingereicht und die Genehmigung am 12.12. 2005 erteilt. Am 21.07.2004 wurde der Beschluss über die beabsichtigte Einziehung bzw. Teileinziehung der hier betroffenen Grundstücke im Amtsblatt der Stadt L bekannt gemacht (Anlage B #, Bl. ... GA). Baubeginn war am 29.05.2006. Am 05.10.2006 wurde die Klägerin als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen. Mit Schreiben vom 18.04.2006 wurde die Beklagte über die öffentliche Auslegung des Bauleitplanes betreffend das Bauvorhaben Nplatz von der Stadt L informiert (Anlage B #, Bl. ... GA). Am 06.12.2006 wurde der Bebauungsplan vom 14.11.2006 bekannt gemacht. Am 14.11.2006 begann die Beklagte die Arbeiten zur Verlegung der TK-Anlagen, die am 06.08.2007 abgeschlossen waren. Am 11.01.2007 erteilte die Klägerin die Eintragungsbewilligung für die Grunddienstbarkeiten zur Sicherung der neuen Standorte der Telekommunikationseinrichtungen. Am 17.01.07 wurde die Einziehung und Teileinziehung der betroffenen Grundstücke im Amtsblatt der Stadt L bekannt gemacht (Anlage B #). Am 15.02.2007 drang Hochwasser in die Baustelle ein und machte das Gießen der Tiefgaragendecke unmöglich. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt, dass die Beklagte jedenfalls nicht vor Baubeginn am 29.05.2006 verpflichtet war, die gesamte Telekommunikationsanlage auf den betroffenen Baugrundstücken zu entfernen oder zu verlegen, sondern dies in Koordination mit der Baumaßnahme der Klägerin nach und nach gleichzeitig mit den Baumaßnahmen erfolgen sollte.

Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, es sei bereits am 22.06.2004, jedenfalls in den darauf folgenden Gesprächen fest abgesprochen gewesen, dass die Beklagte die Verlegearbeiten in Koordination mit den Bauarbeiten bereits vor der Entwidmung der öffentlichen Verkehrsflächen habe vornehmen sollen. Das ergebe sich insbesondere auch aus dem Schreiben der „C2“ vom 10.11.2005 (Anlage K #). Die Anlage der Beklagten sei bereits von Anfang an rechtswidrig im Untergrund gewesen, da sich das Verteilerbauwerk unter einer Grünfläche und nicht im öffentlichen Verkehrsgrund befunden habe. Der verbindliche Gesamtterminplan und das Verhandlungsergebnis sei der Beklagten spätestens mit dem Schreiben des Projektsteuerers C2 vom 10.11.2005 (Anlage K #) mitgeteilt worden. Auch die Stadt L habe die Beklagte mehrfach zur Beseitigung aufgefordert und darauf hingewiesen, dass sich das unterirdische Bauwerk nicht im öffentlichen Verkehrsraum befinde. Dennoch habe die Beklagte die erforderlichen Arbeiten schuldhaft verzögert und trotz Behinderungsanzeigen und Aufforderungen sowie Zusicherungen der Beklagten zur Vornahme der Arbeiten Bauverzögerungen und teilweise Baustillstand verursacht. Da aus diesem Grund die Tiefgaragendecke nicht rechtzeitig vor dem Hochwasser am 15.02.07 aufgebracht worden sei, habe man den Bau nicht fortsetzen können, was trotz Hochwassers mit einer bereits gegossenen Decke möglich gewesen wäre. Der Generalunternehmer habe aufgrund dessen einen Bauverzögerungsschaden von 36 Tagen geltend gemacht. Wegen des Vortrags zur Baubehinderung im Einzelnen und den dadurch verursachten Schadenspositionen wird auf den Schriftsatz vom 25.06.2010, dort Seiten 9-15 nebst Anlagen Bezug genommen. Von der Beklagten sei die von ihr verursachte Bauverzögerung auch in mehreren Schreiben anerkannt, der Ausgleich der Mehrkosten zugesagt und einige Mehrkostenabrechnungen ausgeglichen worden. Am 23.08.2006 sei der Besitz an den Grundstücken auf die Klägerin übergegangen.

Zur Errichtung der Tiefgarage, die im öffentlichen Interesse erfolgt sei, sei ein vorhabenbezogener Bebauungsplan nicht erforderlich gewesen und nur dafür habe es der Verlegung der Leitungen bedurft.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 359.051,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.08.2008 sowie Kosten von 3.301,20 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet im Wesentlichen, sie sei nicht verpflichtet gewesen vor der Bestandskraft der Entwidmung der öffentlichen Verkehrsflächen, die sich über den streitgegenständlichen Kabelanlagen und dem Schachtbauwerk befunden hätten, also vor dem 17.02.2007 Bauarbeiten vorzunehmen. Sie sei nach § 68 TKG uneingeschränkt zur Nutzung berechtigt gewesen. Es habe sich um eine so aufwändige Baumaßnahme gehandelt, dass es ihr nicht zumutbar gewesen sei, ohne Planungssicherheit vor Bestandskraft der Entwidmung tätig zu werden. Auch sei der Abschluss des bauplanungsrechtlichen Verfahrens noch abzuwarten gewesen, der die Vorgaben für eine Entwidmung und Verlegung der neuen Trassen erst geschaffen habe. Auf Ziffer 4.3.2 und 4.3.3 der Begründung des Bebauungsplanes werde Bezug genommen (Anlage B #) Dennoch habe sie bereits im November 2006 mit Arbeiten begonnen und an der teilweisen provisorischen Verlegung und Sicherung der Trassen mitgewirkt, um die Baumaßnahmen der Klägerin nicht zu behindern. Die Klägerin selbst habe mit Schreiben vom 13. September 2006 (Anlage K ...) mitgeteilt, dass erst Mitte Januar 2007 mit Erdarbeiten im Bereich des unterirdischen Schachtes begonnen werde, woraufhin die Beklagte mitgeteilt habe, dass der Schacht erst abgebrochen werden könne, wenn alle Leitungen parallel zur Tiefgarage neu verlegt worden seien. Alle Beteiligten seien davon ausgegangen, dass die Beklagte erst zur Verlegung nach rechtskräftiger Entwidmung verpflichtet sei. Dazu werde auf das Schreiben der Stadt L vom 25.11.2004 (Anlage B #, Bl. ... GA) und das Schreiben des Projektsteuerers vom 28.09.2004 (Anlage K #) verwiesen. Die vorübergehende Annahme der Stadt L, die diese mit Schreiben vom 23.08.2006 (Anlage B #, Bl. ... GA) mitgeteilt habe, habe auf einem Versehen beruht, dass sie nach entsprechender Klarstellung der Beklagten mit Schreiben vom 10.02.2006 (Anlage B #, Bl. ... GA) richtiggestellt habe. Insofern werde auf das Schreiben der Stadt L vom 22.02.2006 (Anlage B ..., Bl. ... GA) verwiesen. Die Kausalität des Verhaltens der Beklagten für etwaige Behinderungen des Generalunternehmers sei nicht substantiiert und nachvollziehbar dargelegt. Die Behinderungsanzeigen des Generalunternehmers und ein entsprechender Ausgleich der Rechnungen durch die Klägerin seien im Verhältnis der Parteien, zwischen denen kein Vertragsverhältnis bestand, nicht maßgeblich und die Tatsache der Verzögerung durch Behinderung werde bestritten. Der Mietausfall sei ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Eine von Beklagtenseite verursachte Verzögerung des Baubeginns für die Hochbauten werde bestritten. Der Zeitplan der Klägerin sei unabhängig von dem Verhalten der Beklagten nicht eingehalten worden. So habe der beabsichtigte Baubeginn nicht im März 2005 sondern im Juni 2005 stattgefunden. Zudem sei die alternative Trassenführung der Beklagten bis Ende 2006 nicht geklärt gewesen. Soweit die Beklagte zugesagt habe, Kosten zur Sicherung von Leitungen zu übernehmen, und daraufhin auch einzelne Rechnungen ausgeglichen habe, bedeute das kein Anerkenntnis einer Schadensersatzpflicht für weitere Kosten, insbesondere habe sich das Schreiben der Beklagten vom 13.Juni 2007 (Anlage K ...) nur auf eine Einzelmaßnahme bezogen.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2010 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat aus keiner der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz von Mehrkosten wegen Bauzeitverlängerung oder Mietausfall wegen Behinderung von Bauarbeiten durch eine verspätete Verlegung eines unterirdischen Kabelschachtes und Telekommunikationstrassen unterhalb des Baugeländes bei dem Bauvorhaben Nplatz, da sie frühestens ab Januar 2007 verpflichtet war, die Verlegung der Trassen und den Abriss des unterirdischen Schachtbauwerks durchzuführen und ein schuldhaft verzögertes Verhalten dabei bis zur Beendigung der Arbeiten am 05.08.2007 nicht ersichtlich ist.

1.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung oder Verzögerung der Beseitigungspflicht aus einem Vertrag sui generis in Verbindung mit §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 249 BGB. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Parteien eine verbindliche Absprache zur Beseitigung der unterirdischen Telekommunikationseinrichtungen getroffen haben, aufgrund derer sich die Beklagte mit Rechtsbindungswillen verpflichtet hat, die Leitungen und das unterirdische Bauwerk zu einem konkreten Zeitpunkt zu beseitigen. Es war auch keine Beweisaufnahme zu der Behauptung veranlasst, dass die Beklagte sich verpflichtet habe, bereits vor bestandskräftiger Einziehung ihre Anlagen zu beseitigen, da es hierzu bereits an einem substantiierten Tatsachenvortrag fehlte, der einer Beweisaufnahme zugänglich gewesen wäre. Die Vernehmung der Zeugen hätte insoweit Ausforschung bedeutet, worauf die Klägerin auch ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2010 hingewiesen wurde. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.09.2010, dort Seite 6, nochmals bestätigen lassen, dass die Arbeiten der Beklagten im „Wechselspiel“ mit den Bauleistungen der Klägerin erfolgen sollten und ein konkreter Fertigstellungstermin gerade nicht benannt werden konnte. Damit hat die Klägerin selbst ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 25.06.2010 (Bl. ...# GA) widersprochen. Auch aus den von beiden Parteien vorgelegten Anlagen, insbesondere der Anlage K #, ergibt sich keine konkrete Absprache über die verbindliche Festlegung eines Beseitigungszeitpunkts, vielmehr ist daraus ersichtlich, dass im Jahre 2004 beide Parteien und auch die Stadt L davon ausgingen, dass eine Beseitigungspflicht der Beklagten erst nach verbindlicher Einziehung der Verkehrswegeflächen gemäß § 72 Abs. 2 TKG bestehen sollte (Anlagen K #, K # und B #), dagegen enthält die Anlage K # nur eine einseitige Festlegung von Klägerseite.

Soweit die Klägerin einen „verbindlichen Terminplan“ (K ..., Bl. ...# f. GA) vorgelegt hat, wird aus diesem und dem tatsächlichen Baubeginn erst am 29.05 2006 gerade deutlich, dass sich die gesamte Zeitplanung der Klägerin verschoben hat und nach übereinstimmendem Parteivortrag abweichend von diesem Plan zwischen den Parteien später unstreitig war, dass die Verlegung der Telekommunikationsanlage jedenfalls nicht vor Baubeginn der Klägerin stattfinden musste. Zudem hat die Beklagte ausweislich der vorgelegten Schreiben stets gegenüber der Stadt L und auch gegenüber der Klägerin klargestellt, dass sie zur Verlegung der Leitungen erst nach Einziehung verpflichtet ist.

2.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme aufgrund der Absprachen über die Koordinierung der Arbeiten unter besonderer Berücksichtigung der Regelung des § 72 Abs. 1 TKG.

Dabei kann dahinstehen aus welchem Rechtsgrund bei Verletzung einer etwaigen Beseitigungsverpflichtung ein Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht und ob § 72 Abs. 1 TKG Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der Klägerin ist, da die Voraussetzungen für einen Beseitigungsanspruch der Klägerin oder der Stadt L aus § 72 Abs. 1 TKG frühestens mit Abschluss des Planfeststellungsverfahrens am 14.11.2006 vorlagen, aufgrund Vertrauensschutzes allerdings die Beklagte mit der Verlegung bis zur förmlichen Einziehung dem. § 72 Abs. 2 TKG abwarten durfte.

Grundsätzlich gibt § 72 Abs. 1 TKG dritte Alternative dem Straßenbaulastträger einen Beseitigungsanspruch bereits vor förmlicher Einziehung nach § 72 Abs. 2 TKG, wenn eine Änderung des Verkehrswegs beabsichtigt ist und die Telekommunikationslinie dieses Vorhaben behindert. Umstritten ist jedoch, ob eine solche Absicht der Änderung auch dann vorliegt und zur Beseitigung verpflichtet, wenn nicht der Straßenbaulastträger selbst ein Vorhaben zur Änderung eines Verkehrswegs realisieren will, sondern ein anderer Vorhabenträger ein Vorhaben plant, dass nur als notwendige Folge eine Verkehrswegänderung mit sich bringt. Grundsätzlich soll § 72 Abs.1 TKG nämlich nicht „Drittinteressen“ schützen sondern muss verkehrsbezogene Gründe haben (siehe dazu TKG-Kommentar, Arndt/Fetzer/Scherer- Schütz, zu § 72 Rn. 9; Scheurle/Mayen-Reichert, TKG, 2. Aufl. 2008 zu § 72 Rn 8; Bundesverwaltungsgericht , Urteil vom 01.07.1999 in BVerwGE 109, S. 192 ff = NVwZ 2000, S. 316; BGH Beschluss vom 27.02.2003 - III ZR 229/02 in NVwZ 2003, 1018 f) . Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs muss jedoch nicht notwendiger Weise die Maßnahme im Interesse und auf Veranlassung des Straßenbaulastträgers geplant sein, der unterhaltspflichtig für den zu ändernden öffentlichen Verkehrsweg ist, sondern es genügt, wenn gesetzliche Vorgaben und Wertsetzungen ihn dazu nötigen, das Änderungsvorhaben auszuführen. Das gilt auch, wenn im Laufe des Vorhabens das Eigentum an den betroffenen Flächen übertragen wird. Stellt sich die Änderung des Verkehrswegs daher als planfeststellungsrechtlich zulässige und notwendige Folgemaßnahme dar und ist ein Planfeststellungsbeschluss gefasst, so kann nach der Rechtsprechung ebenfalls eine „Absicht“ des Wegeunterhaltspflichtigen anzunehmen sein. Mit dem Planfeststellungsbeschluss wäre die Stadt L also im vorliegenden Fall gehalten gewesen, die Änderung des Verkehrsweges als Folgemaßnahme vorzunehmen. Allerdings befassen sich die beiden zitierten Entscheidungen jeweils mit anderen Straßenbauvorhaben der öffentlichen Hand, die wiederum Auswirkungen auf eine Verkehrsführung des betroffenen öffentlichen Verkehrswegs haben, in dem Telekommunikationsleitungen liegen. Anders zu beurteilen ist der Fall hier, bei dem zwar die Tiefgarage und die dadurch geschaffenen Stellplätze teilweise auch im öffentlichen Interesse liegen dürften, es sich aber insgesamt um einen privatrechtlichen Vorhabenträger handelt, der auch nicht die Regelung oder Änderung der öffentlichen Verkehrswege betreibt, sondern eine Tiefgarage und Hochbauten errichtet, die nicht mit öffentlichen Verkehrswegen im Zusammenhang stehen.

Letztlich muss diese höchst umstrittene Frage aber auch nicht beantwortet werden, da die Beklagte berechtigt war, aufgrund des Schreibens der Stadt L vom 22.02.06 (Bl. ... GA) die rechtskräftige Einziehung des öffentlichen Verkehrswegs abzuwarten. Soweit § 72 Abs. 1 TKG ggfls. eine frühere Beseitigungspflicht mit Abschluss des Bebauungsplanverfahrens eröffnete, war eine Verzögerung der Arbeiten bis zur Einziehung jedenfalls unverschuldet. Da die Beklagte im Vertrauen auf die Angaben der Stadt L die formelle Einziehung abwarten durfte, war eine eventuelle Verzögerung durch dieses Abwarten nicht schuldhaft verursacht (dazu auch Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009 zu § 286 Rn. 34, § 276 Rn. 22 f.) Sollte es sich insoweit bei der Beklagten - abweichend von der hier vertretenen Ansicht - tatsächlich um einen Rechtsirrtum gehandelt haben, so gingen jedenfalls alle Beteiligten bereits im Jahr 2004 davon aus, dass eine rechtsverbindliche Einziehung des Verkehrsweges erforderlich sein würde, um eine Beseitigungsverpflichtung der Beklagten auszulösen (Anlage K #, Anlage B # (Bl. ...)). Daran durfte sich die Beklagte halten.

Die Frage, wer die Kosten der Verlegungsmaßnahmen der Beklagten zu tragen hat, ist dagegen nicht entscheidungserheblich und nicht Gegenstand des Rechtsstreits und muss daher hier nicht beantwortet werden.

Schließlich hat die Beklagte unstreitig bei der Sicherung und vorübergehenden Verlegung der Leitungen zur Vermeidung von Behinderungen beim Bauvorhaben der Klägerin bereits ab Baubeginn mitgewirkt und ab 14.11.2006 mit der geplanten Verlegung begonnen. Sie muss sich damit nicht dem Vorwurf des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens oder eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 242 BGB aussetzen. Die Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass es sich bei der Verlegung ihrer Trassen um eine sehr aufwändige Baumaßnahme gehandelt hat, die Kosten von ca. 0,5 Mio. EUR verursachte. Es war dazu eine Koordination mit weiteren Versorgern notwendig und die Umschaltung musste in Abstimmung mit zahlreichen gewerblichen Anschlussteilnehmern und Nutzern sowie der Stadt erfolgen. Die Außerbetriebnahme des unterirdischen Schachtbauwerks war nach Beklagtenvortrag erst mit Herstellung der notwendigen Vorkehrungen und Ersatztrassen möglich. Die Umschaltung konnte nur sukzessive im Nachtbetrieb erfolgen und bedurfte nach unbestrittenem Beklagtenvortrag aufwendiger Vorarbeiten und Abstimmungen. Gemessen an diesem Aufwand musste die Beklagte diese Arbeiten nur vornehmen, wenn ausreichende Planungssicherheit bestand und die Voraussetzungen für eine reibungslose Verlegung gegeben waren.

Hier muss sich die Klägerin eine Verzögerung ihrerseits anrechnen lassen. Erst mit Schreiben vom 20.12.2006 (Anlage B ...) war für die Beklagte geklärt, dass die Verlegung der Trassen auf der Garagendecke möglich sein würde, obwohl die Beklagte bereits im Jahr 2004 klar gemacht hatte, dass diese Position für die Verlegung der Leitung geplant sei (Anlage B ..., Bl. ...#). Die Notwendigkeit einer Klärung dazu ergibt sich auch aus Anlage K # und Anlage B ..., dort Seite # (Bl. ...#). Die Eintragungsbewilligung entsprechender Grunddienstbarkeiten wie im Bauplanungsverfahren vorgesehen erfolgte ebenfalls erst im Dezember 2006.

Die Beklagte hat auch nach Einziehung die Kabel im vorgesehenen Zeitrahmen verlegt. Von der Klägerin selbst ausweislich der Klageschrift veranschlagt waren mindestens 2,5 Monate für die Planung und 5 Monate für die Durchführung der Maßnahme. Damit befand sich die Beklagte nach Einziehung des Verkehrsweges am 17.01.2007 bei Beendigung der Verlegungsmaßnahme am 05.08.2007 selbst nach dem angesetzten Zeitbedarf aus Sicht der Klägerin nicht im Verzug. Nach unbestrittenem Beklagtenvortrag hat die Beklagte bereits einen Teil des Schachtbauwerks vom 29. Januar bis 2. Februar 2007 abgebrochen, um die Arbeiten des Generalunternehmers nicht zu behindern. Der endgültige Abbruch war bereits im Mai 2007 beendet. Selbst wenn man nach Einziehung hier nur 5 Monate ansetzten würde, so hat die Klägerin keinen kausal verursachten Schaden durch die Beklagte nach dem 17.06.2007 nachgewiesen, denn zu diesem Zeitpunkt war die Verzögerung durch Hochwasser und die Tatsache, dass vor Überschwemmung die Garagendecke nicht gegossen werden konnte, bereits eingetreten und damit durch eine etwaige Verzögerung nicht verursacht.

Die zwischen den Parteien im Streit stehende Lage des unterirdischen Verteilerbauwerks führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Es ist unstreitig, dass zumindest der Eingang und die von dem Bauwerk abgehenden Utrassen sich im öffentlichen Verkehrsgrund befanden und diese nur insgesamt verlegt werden konnten. Erst nach erfolgreicher Entkoppelung der Trassen konnte nach unbestrittenem Beklagtenvortrag aus dem Schriftsatz vom 02.07.2010, dort S. 14 (Bl. ... GA) das Bauwerk beseitigt werden. Damit lag aber eine Nutzungsberechtigung nach § 68 TKG bis zur Einziehung des Verkehrsweges vor, die mangels Teilbarkeit für die gesamte Anlage galt. Sollte ein Teil des Bauwerks unter dem Grünflächenbereich gelegen haben, so bestand jedenfalls auch insoweit seit Errichtung in den siebziger Jahren bis zu dem Bauvorhaben eine Nutzungsberechtigung der Beklagten gemäß § 76 Abs. 1 TKG bzw. dessen Vorgängerregelung.

Erst nach dem Kaufvertrag im Jahr 2003 fiel den Beteiligten überhaupt auf, dass sich die Telekommunikationsanlage im beabsichtigten Baugrund befand. Alle Beteiligten gingen zum damaligen Zeitpunkt davon aus, dass sie sich insgesamt im öffentlichen Verkehrswegebereich befand (Anlagen K#, B #). Die Beklagte hat klargestellt, dass die Stadt L auch nur vorübergehend (ausweislich Anlage ..., Bl. ... und Anlage B ... Bl. ...) annahm, dass sich das Verteilerbauwerk nicht unter öffentlichem Verkehrsgrund befand und die technische Zeichnung nicht die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten wiedergab, sondern nur eine Funktionszeichnung war. Da das Schreiben der Stadt L vom 22.02.06 (Anlage B ...) diese Auffassung bestätigte, durfte sich die Beklagte im Vertrauen auf diese seitens der Stadt geäußerte Auffassung jedenfalls darauf verlassen, solange sich ihr kein abweichender Sachverhalt aufdrängte.

3.

Die Klägerin hat mit den vorgelegten Schreiben der Beklagten, insbesondere den Schreiben vom 13.06.2007 und 12.07.2007 (Anlage K ... und K ...) und dem Sachvortrag zum Ausgleich einzelner Rechnungen auch nicht nachgewiesen, dass die Beklagte ein materielles Anerkenntnis abgegeben hat hinsichtlich der Übernahme sämtlicher Kosten, die durch eine verzögerte Beseitigung der Telekommunikationsanlagen entstanden sind. Zum Einen ist zwischen den Parteien gerade im Streit, ob die Beklagte die Verlegung verzögert hat und dadurch Schäden entstanden sind, zum anderen hat die Beklagte bestritten, dass ein Anerkenntnis abgegeben worden ist und dazu substantiiert vorgetragen, dass jeweils nur einzelne Sicherungsmaßnahmen bezahlt worden seien. Für eventuelle weitere Schäden unabhängig von den bereits ausgeglichenen Einzelmaßnahmen sei dagegen kein Anerkenntnis abgegeben worden. Beweis hat die Klägerin für ihren abweichenden Vortrag nicht angeboten.

4.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Besitzstörung aufgrund verbotener Eigenmacht gemäß §§ 823 Abs. 1, 861, 858 BGB, da die Beklagte wie bereits unter Ziffer I. 2. dargelegt zumindest bis zur Einziehung berechtigt war, die betroffenen Grundstücke zu nutzen und im Anschluss daran nicht schuldhaft die Beseitigung verzögerte. Damit war die Störung des Besitzes gemäß § 68 TKG beziehungsweise den Grundsätzen des Vertrauensschutzes durch Angaben der Stadt L gestattet und es lag keine widerrechtliche Besitzstörung vor.

5.

Auch soweit die Klägerin ihre Ansprüche auf § 1004, 823 Abs. 2 BGB oder 286 BGB stützt, bleibt das Vorbringen ohne Erfolg, da sich die Beklagte wie bereits unter Ziffer I. 2. dargelegt nicht mit der Beseitigung im Verzug befand oder der Verzug zumindest unverschuldet war und aufgrund Rechtsirrtums der Beklagten nicht zu einer Ersatzpflicht führt.

6.

Ein Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich auch nicht aus dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch außerhalb von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für dieses Rechtsinstitut überhaupt vorliegen, da durch die §§ 68 ff TKG die Nutzungsberechtigung für Telekommunikationseinrichtungen in Grundstücken oder in öffentlichem Verkehrsraum abschließend geregelt und dadurch für den vorliegenden Fall Ersatzansprüche wie oben dargelegt ausgeschlossen sind.

7.

Es besteht auch kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 990 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 286 BGB, da die Beklagte die Herausgabe des Grundstücksbesitzes jedenfalls nicht schuldhaft verzögerte und auch nicht bösgläubige Besitzerin war. Die Rechtslage ist vorliegend nicht mit der von Klägerseite zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil v. 19.09.2003, V ZR 360/02- NJW 2003, 3621) zur Beseitigung eines Grenzüberbaus vergleichbar. Es bedarf daher auch nicht der Klärung, ob hier überhaupt ein Eigentümer -Besitzerverhältnis vorlag. Das ist zumindest zweifelhaft, da die Beklagte schließlich Eigentümerin der Telekommunikationseinrichtungen war und blieb auch wenn das Nutzungsrecht später wegfiel (dazu BGH Urteil vom 01.02.1994, NJW 1994 S. 999 Zif. II 1.).

Da es nach den obigen Ausführungen bereits an einem Haftungsgrund fehlt, aufgrund dessen die Beklagte für eventuelle Verzögerungsschäden einzustehen hat, kommt es auf die Frage der Schadenshöhe und Prüfung der Kausalität des Verhaltens der Beklagten für die ebenfalls substantiiert bestrittenen Verzögerungen und die darauf begründeten Forderungen auf Ersatz für 36 Verzögerungstage, die durch den Generalunternehmer C in Rechnung gestellt wurden, sowie den Mietausfallschaden nicht mehr entscheidungserheblich an.

II.

Es besteht kein Anspruch auf Schadensersatz, daher hat die Beklagte auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin nicht zu erstatten.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 359.051,28 EUR






LG Bonn:
Urteil v. 26.10.2010
Az: 18 O 466/09


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