Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. April 2009
Aktenzeichen: 35 W (pat) 440/07

(BPatG: Beschluss v. 30.04.2009, Az.: 35 W (pat) 440/07)

Tenor

1.

Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin ihren Löschungsantrag mit Schriftsatz vom 16. Januar 2009 wirksam zurückgenommen hat und dass der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamtes -Gebrauchsmusterabteilung I -vom 2. Juli 2007 damit gegenstandslos ist.

2.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

3.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des durch Abzweigung aus der europäischen Patentanmeldung 99 952 243.6 mit dem Anmeldetag 4. August 1999 mit Priorität 4. August 1998 (DE 198 34 925.4) eingetragenen Gebrauchsmusters 299 24 716 mit der Bezeichnung "Biologische Substanz, hergestellt aus Kernen oder Nüssen".

Auf den Löschungsantrag der Antragstellerin vom 5. Juli 2005 hat das Deutsche Patentund Markenamt -Gebrauchsmusterabteilung I -das Streitgebrauchsmuster mit Beschluss vom 2. Juli 2007 im über die Schutzansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag vom 2. Juli 2007 der Antragsgegnerin hinausgehenden Umfang teilgelöscht und den Löschungsantrag im Übrigen zurückgewiesen.

Hiergegen haben beide Beteiligte Beschwerde eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2008 vor dem erkennenden Senat hat der Vorsitzende die Beteiligten einführend darauf hingewiesen hat, dass nach vorläufiger Auffassung des Senats der Beschwerde der Antragsgegnerin wohl stattzugeben sein werde. Daraufhin haben die Beteiligten nach weiterer Erörterung der Sachund Rechtslage und kurzer Unterbrechung übereinstimmend eine Vertagung beantragt, um die begonnenen Vergleichsverhandlungen insbesondere hinsichtlich etwaiger Lizenzhöhe, Anspruchsfassung und Einbeziehung aller Verfahren umfassend abschließen zu können.

Nach Scheitern dieser Vergleichsverhandlungen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16. Januar 2009 den Löschungsantrag zurückgenommen.

Auf die gerichtliche Mitteilung der Erledigung des Verfahrens durch die Rücknahmeerklärung hat die Antragsgegnerin vorgetragen, sie stimme der Antragsrücknahme nicht zu. Sie halte das Verhalten der Antragstellerin aus mehreren Gründen für rechtsmissbräuchlich, da damit nur bezweckt werde, eine das Verletzungsgericht gemäß § 19 S. 3 GebrMG bindende Entscheidung zu verhindern. In Hinblick auf den Zweck dieser gesetzlichen Bestimmung müsse daher anders als im Nichtigkeitsverfahren die Wirksamkeit einer Löschungsantragsrücknahme nach mündlicher Verhandlung gemäß § 269 Abs. 1 ZPO von der Zustimmung der Antragsgegnerin abhängig gemacht werden.

Die Antragsgegnerin beantragt, a) das Löschungsbeschwerdeverfahren fortzuführen, b) hilfsweise, festzustellen, dass sich die Antragstellerin im Verletzungsverfahren nicht auf die fehlende Bestandskraft des angefochtenen Beschlusses berufen darf, c) weiter hilfsweise, Zulassung der Rechtsbeschwerded) weiter hilfsweise, festzustellen, dass das Gebrauchsmuster in der ursprünglich eingetragenen Fassung gültig und die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen hat.

Die Antragstellerin beantragt, die Anträge der Antragsgegnerin in vollem Umfang als unzulässig abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Gesetzeskommentierung zur Rücknahme des Löschungsantrags, im übrigen sei die Stellung von Anträgen nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache nicht mehr zulässig.

II.

1. Die Antragstellerin hat ihren Löschungsantrag wirksam zurückgenommen. Die Rücknahme des Löschungsantrags ist im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ebenso wie im Nichtigkeitsverfahren nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist wirksam und führt zur Beendigung des Verfahrens (vgl. Bühring, GebrMG, 7. Auflage, § 16 Rdn. 30 m. w. Nw.).

Das durch § 269 Abs. 1 ZPO berücksichtigte Rechtsschutzinteresse des Beklagten, durch eine Klageabweisung vor einer erneuten Klage geschützt zu werden, entfällt sowohl beim Löschungsantrag als auch bei der Nichtigkeitsklage auf Grund der gesetzlichen Ausgestaltung dieser Rechtsbehelfe als Popularklage, § 18 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG.

Der Senat sieht keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzuweichen, wenngleich die Antragsgegnerin vorliegend zutreffend darauf hinweist, dass damit der Beklagte in einem Verletzungsstreit eine für ihn negative und den Verletzungsrichter gem. § 19 S. 3 GebrMG bindende Entscheidung des Deutschen Patentund Markenamtes oder des Patentgerichts im Löschungsverfahren verhindern und im Verletzungsstreit im Gegensatz zum Patentverletzungsstreit nochmals die Einrede der Schutzunfähigkeit erheben kann.

Seiner Entscheidung legt der Senat die Tatsache zugrunde, dass der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Regelung des § 19 GebrMG dem aus einem Gebrauchsmuster auf Verletzung Beklagten die Wahl gelassen hat, die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters allein mit der Einrede der Schutzunfähigkeit im Rahmen des Verletzungsprozesses anzugreifen oder zusätzlich ein Löschungsverfahren vor dem Patentamt durchzuführen. Vor dem Hintergrund dieser vom Gesetz freigestellten unterschiedlichen Verteidigungsmöglichkeiten stellt es sich auch als ein legitimes prozessuales Verhalten dar, wenn der Verletzungsbeklagte im parallel geführten Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt bzw. im nachfolgenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht den Löschungsantrag zurücknimmt, selbst wenn dies nur geschieht, um -wie im vorliegenden Fall -eine auf Grund der durchgeführten mündlichen Verhandlung offensichtlich drohende vollständige oder teilweise Zurückweisung des Löschungsantrags zu verhindern.

Da sich die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Zurückweisung des Löschungsantrags auch bereits vor der Durchführung der mündlichen Verhandlung andeuten kann, -sei es durch vorbereitende Hinweise des Senats, sei es durch Erlass eines Zwischenbescheids -und in diesem Fall eine Anwendung des § 269 Abs. 1 ZPO ohnehin ausscheidet, kann allein das Abwarten der mündlichen Verhandlung der Rücknahme des Löschungsantrags nicht den Charakter einer rechtsmissbräuchlichen Verfahrensweise des Antragstellers verleihen.

Der Senat verkennt dennoch nicht, dass angesichts der Entwicklung des Gebrauchsmusters in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Praxis Zweifel angebracht sind, ob sich die Vorschrift des § 19 S. 3 GebrMG noch als zeitgemäß erweist.

Den diese Vorschrift rechtfertigenden Grundgedanken, dass es sich bei dem Gebrauchsmuster um ein "kleines" Patent und damit um eine leicht verständliche Erfindung handelt, deren Schutzfähigkeit auch der erfahrene Verletzungsrichter beurteilen kann, hat der Gesetzgeber niemals im Gesetzeswortlaut verwirklicht. Das einzige Tatbestandsmerkmal, das das Gebrauchsmuster noch im GebrMG 1987 vom Patent abgrenzen sollte, die so genannte "Raumform" hat sich sehr bald als völlig untauglich erwiesen und wurde vom Gesetzgeber im Produktpirateriegesetz vom 1. Juli 1990 ersatzlos gestrichen. Als Folge hat sich in den letzten 20 Jahren gezeigt, dass -abgesehen von den vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossenen Verfahrenserfindungen -bei den Patentund Gebrauchsmusteranmeldungen kein qualitativer Unterschied mehr besteht und viele Erfindungen -wie auch vorliegend -parallel angemeldet werden. Da der Bundesgerichtshof mit der in Hinblick auf diese Entwicklung längst überfälligen Entscheidung zum jeweiligen Erfindungsgehalt von Gebrauchsmuster und Patent (BGH GRUR 2006, 842 -Demonstrationsschrank) nur den letzten, konsequenten Schritt vollzogen hat, steht der Verletzungsrichter vor der zunehmend schweren Aufgabe, unter Umständen im Gebrauchsmusterverletzungsverfahren bei der Frage der Schutzfähigkeit über einen schwierigen technischen Sachverhalt eigenverantwortlich zu entscheiden, ohne wie im Patentverletzungsstreit auf die Sachkunde des Bundespatentgerichts zurückgreifen zu können.

Da sich diese rechtliche Problematik auch dann stellt, wenn neben dem Verletzungsstreit aus einem Gebrauchsmuster kein Löschungsantrag gestellt wird oder wenn ein Löschungsantrag vor einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen wird, kann sie sich nach Auffassung des Senats auf die Wirksamkeit einer Antragsrücknahme unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht auswirken und in keinem Fall dazu führen, das Verhalten der Antragsstellerin als rechtsmissbräuchlich einzustufen.

Letztlich vermag auch der Hinweis der Antragsgegnerin auf die "Enforcement guideline" (Richtlinie 2004/EG) und eine darin gesehene Verpflichtung zur Beschleunigung der Durchsetzung von Gebrauchsmustern nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Eine Verzögerung der Entscheidung im Verletzungsstreit aus einem Gebrauchsmuster ergibt sich bereits durch die dem Verletzungsbeklagten frei gestellte Stellung eines Löschungsantrags. Diese Verzögerung tritt auch dann ein, wenn der Löschungsantrag vor der mündlichen Verhandlung und damit in jedem Fall ohne dem Erfordernis der Zustimmung durch den Antragsgegner zurückgenommen wird.

Die Rechtsfolge der wirksamen Antragsrücknahme war in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 4 ZPO durch Beschluss auszusprechen.

2.

Der hilfsweise gestellte Antrag, festzustellen, dass sich der Antragstellerin im Verletzungsverfahren nicht auf die fehlende Bestandskraft des angefochtenen Beschlusses berufen darf, erweist sich als unzulässig. Die Frage, welche Anträge oder welche Einwände die Parteien eines Verletzungsstreits im Einzelfall zulässigerweise stellen bzw. erheben dürfen, ist allein in die Entscheidungskompetenz des Verletzungsrichters gestellt und einer Entscheidung durch das Patentgericht nicht zugänglich.

3.

Da es sich bei der Frage der Wirksamkeit der Rücknahme des Löschungsantrags nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung um eine Frage grundsätzlicher Bedeutung handelt, war entsprechend dem Antrag die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

4.

Die Verpflichtung der Antragstellerin die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, ergibt sich aus entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Auch diese Rechtsfolge war in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 4 durch Beschluss auszusprechen.

Da die Antragstellerin in dem Löschungsverfahren aller Voraussicht nach weitgehend unterlegen wäre, besteht aus Billigkeitsgründen kein Anlass von dieser Entscheidung abzuweichen, § 18 II GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG.

Müllner Dr. Gerster Dr. Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 30.04.2009
Az: 35 W (pat) 440/07


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