Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Februar 2004
Aktenzeichen: 20 W (pat) 47/02

(BPatG: Beschluss v. 25.02.2004, Az.: 20 W (pat) 47/02)

Tenor

Der Beschluß des Patentamts vom 6. Februar 2002 wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Das von der Beschwerdeführerin mit Einspruch angegriffene Patent 199 35 013 wurde vom Patentamt in vollem Umfang aufrechterhalten. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gehöre nicht zum Stand der Technik und ergebe sich daraus auch nicht in naheliegender Weise. Im angefochtenen Beschluß ist ua die Literaturstelle

(2) IEEE Journal of Solid-State Circuits, Band 32, Nr. 11, Nov. 1997, Seiten 1790-1806 abgehandelt.

Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent mit den Hilfsanträgen 1 bis 3 aufrechtzuerhalten.

Zum Anspruch 1 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 nur im Oberbegriff. Der Oberbegriff stimmt mit dem Oberbegriff des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 überein.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2, versehen mit durch Unterstreichung hervorgehobenen Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1, lautet:

"1. Digitales programmierbares in dem Ohr tragbares, hinter dem Ohr tragbares oder implantierbares Hörhilfegerät (1) mit wenigstens einem Eingangswandler (2), einer Signalverarbeitungseinheit (3), einem ersten Speicher (8) und einem Ausgangswandler (4), d a d u r ch g e k e n n z e i c h n e t , daß wenigstens ein Bauelement (6) der Signalverarbeitungseinheit programmierbare vorkonfigurierte Logikelemente und Register aufweist, die abhängig vom Inhalt des ersten Speichers (8) verschaltbar sind, wobei die Verschaltung der programmierbaren vorkonfigurierten Logikelemente und/oder Register während des Betriebs des Hörhilfegeräts (1) veränderbar ist."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3, gleichfalls mit unterstrichenen Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 versehen, hat folgenden Wortlaut:

"1. Digitales programmierbares in dem Ohr tragbares, hinter dem Ohr tragbares oder implantierbares Hörhilfegerät (1) mit wenigstens einem Eingangswandler (2) einer Signalverarbeitungseinheit (3), einem ersten Speicher (8), einem zweiten Speicher (10), einer Ablaufsteuerung (9) und einem Ausgangwandler (4), d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß von der Ablaufsteuerung gesteuert der Inhalt des zweiten Speichers (10) ganz oder teilweise auf den ersten Speicher (8) übertragbar ist und wenigstens ein Bauelement (6) der Signalverarbeitungseinheit programmierbare vorkonfigurierte Logikelemente aufweist, die abhängig vom Inhalt des ersten Speichers (8) verschaltbar sind."

Der Senat verweist in der mündlichen Verhandlung auf die Literaturstelle Tietze/Schenk, Halbleiter-Schaltungstechnik, 10. Aufl, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, 1993 S 302 bis 313.

II.

Das Patent ist nicht rechtsbeständig, sein Gegenstand nach den §§ 1 und 4 PatG nicht patentfähig.

1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist dem Fachmann durch (2) in Verbindung mit seinem Fachwissen nahegelegt.

a) Die knapp zwei Jahre vor dem Anmeldetag veröffentlichte Entgegenhaltung (2) beschreibt ein digitales Hörhilfegerät mit einem Mikrofon als Eingangswandler, einem Lautsprecher als Ausgangswandler und einer Signalverarbeitungseinheit, bestehend aus AD/DA-Umsetzer, Digitalfiltern und programmierbarem Prozessor DSP (Fig 1, Abschn II). Auf einer verhältnismäßig kleinen Chip-Fläche aufgebracht ermöglicht der integrierte Baustein den Einsatz zumindest in einem HdO-Gerät. Ein jederzeit möglicher Programmwechsel erlaubt eine Anpassung der Hörhilfe an unterschiedliche Umgebungssituationen, auch während des Betriebes (Abschn I Abs 1, Abschn V G).

Durch besondere Architektur des programmgesteuerten Prozessors DSP, die eine Parallelverarbeitung der Datensignale zuläßt, erzielt man die für ein Hörgerät gewünschte niedrige Leistungsaufnahme und schnelle Verarbeitungsgeschwindigkeit der digitalen Signalverarbeitungseinheit (Fig 13 iVm Abschn V D).

b) Es entspringt lediglich Durchschnittswissen, wenn der Fachmann die zur Echtzeitverarbeitung des Hörgerätes erforderliche hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit dem Vorschlag der Erfindung gemäß erhält: Die benutzerseitige Programmierung des Hörgerätes kann er auch durch Programmierung vorkonfigurierter Logikelemente und Register erreichen, die er zumindest in einem Teil der Signalverarbeitungseinheit vorsieht und die dann abhängig von einem Speicherinhalt verschaltbar sind.

Ein Elektroingenieur mit Hochschul- oder Universitätsabschluß, beruflich in der Entwicklung digitaler Hörhilfegeräte bewandert, weiß nämlich, daß die Durchführung von Rechenoperationen mittels eines programmgesteuerten Prozessors verhältnismäßig langsam verläuft, da Stelle für Stelle durch Programm abgearbeitet werden muß. Zum anderen sind Systeme, die auf festverdrahteter Logik beruhen, optimal, wenn hohe Geschwindigkeit oder Durchsatz verlangt werden.

Wie er festverdrahtete Logikschaltungen als Alternative zu Prozessoranwendungen mit festen Instruktionen, die keine Programmänderungen benötigen, kennt, so zählt es gleichermaßen zu seinem Erfahrungsschatz, daß eine Alternative für Prozessoranwendungen mit Programmänderungen Systeme mit jeweils unterschiedlich verdrahteten logischen Schaltungen darstellen, Schaltungen, die im Betrieb "umverdrahtet" werden.

Solche Schaltungen, die vorkonfigurierte Logikelemente und Register enthalten und abhängig vom Inhalt eines Speichers verschaltbar und dieserhalb programmierbar sind, zählten am Anmeldetag in Form von anwenderprogrammierbaren Gate-Arrays (FPGA s) nicht nur zu seinem Wissensstand (Tietze/Schenk aaO), sondern standen ihm auch auf Abruf für passende Anwendungsfälle bereit, wie (2) belegt (S 1800 liSp).

Da sie aus einer großen Anzahl von Gattern und Flipflops bestehen, lassen sich durch geeignete Verdrahtung Schaltnetze für kombinatorische Logik und Schaltwerke für sequenzielle Logik nach Belieben zusammenstellen (Tietze/Schenk, S 313 Abs 1). Die Konfiguration der Verdrahtung wird dabei üblicherweise in einem RAM gespeichert (S 313 Abs 3), so daß die Verschaltung der programmierbaren vorkonfigurierten Logikelemente und/oder Register im Betrieb beliebig oft geändert, umverdrahtet werden kann.

Da bei einem Hörgerät an einer möglichst hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit gelegen ist, wird der Fachmann diese ihm bekannten, im Betrieb umverdrahtbaren logischen Schaltungen als Alternative zum softwaregesteuerten Prozessor ins Auge fassen. Ob er dies auch bei einem digitalen programmierbaren Hörhilfegerät, das der Benutzer hinter dem Ohr trägt, ausführt, ist keine Frage erfinderischer Tätigkeit, sondern hängt davon ab, ob die im Handel angebotenen FPGAs im Hinblick auf ihre Komplexität, Miniaturisierung und Leistungsverbrauch den Einbau in einem solchen Gerät zulassen. Die Entwicklung hochkomplexer Logikschaltungen mit immer größer werdender Packungsdichte ließ dies am Anmeldetag für die Zukunft nicht als aussichtslos erscheinen.

2. Auf den Hauptantrag und Hilfsantrag 1 braucht nicht gesondert eingegangen zu werden, weil ihre allgemeineren Ansprüche 1 den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 mitumfassen.

3. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist gleichfalls nicht rechtsbeständig.

Es drückt einem HdO-Hörhilfegerät mit im Betrieb umverdrahtbaren vorkonfigurierten Logikelementen nicht den Stempel einer auf erfinderischer Tätigkeit beruhenden Erfindung auf, wenn man die im Speicher RAM festgelegte Verschaltung der Logikelemente von einem anderen Speicher über eine Ablaufsteuerung dorthin überträgt.

Bei dem programmgesteuerten Hörhilfegerät nach (2) wird zum augenblicklichen Anpassen an die jeweilige Umgebungssituation der Arbeitsspeicher RAM möglichst ohne Verzug mit dem hierfür erforderlichen Hörprogramm versorgt (S 1790 liSp Abs 1, Abschn V G).

Vergleichbar müssen die Dinge bei einem Ersatz des Prozessors durch eine im Betrieb umverdrahtbare Logikschaltung ablaufen: Bei einem FPGA ist die Verdrahtungskonfiguration üblicherweise in einem EPROM - einem weiteren Speicher - abgelegt und wird von dort über eine serielle Schnittstelle in den Arbeitsspeicher RAM geladen. Unterschiedliche Umgebungssituationen verlangen hier unterschiedliche Verdrahtungskonfigurationen: Man speichert sie im EPROM ab und überträgt die zur jeweiligen Hörsituation passende Verdrahtung der Logikelemente während des Betriebs seriell zum RAM. Dies findet unter Einbeziehung einer Ablaufsteuerung statt.

Dr. Anders Obermayer Kalkoff Martens Pr






BPatG:
Beschluss v. 25.02.2004
Az: 20 W (pat) 47/02


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