Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Mai 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 157/01

(BPatG: Beschluss v. 03.05.2001, Az.: 25 W (pat) 157/01)

Tenor

Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Januar 2001 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Juli 2000 wirkungslos ist, soweit die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 397 45 985 angeordnet worden ist.

Gründe

Die Bezeichnung AGILO ist am 20. Januar 1999 für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" in das Warenverzeichnis eingetragen worden. Auf den Widerspruch aus der prioritätsälteren, für "pharmazeutische Präparate und Substanzen" eingetragenen Marke 397 45 985 ALIRO hat die Markenstelle für Klasse 5 des DPMA durch Beschluß vom 3. Juli 2000 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Der weitere Widerspruch aus der Marke IR 694 654 ist zurückgewiesen worden.

Hiergegen hat - neben der aus der Widerspruchsmarke IR 694 654 unterlegenen weiteren Widersprechenden - auch die Inhaberin der jüngeren Marke Erinnerung eingelegt, diese aber mit Schriftsatz vom 8. November 2000 unter Hinweis auf eine außeramtliche Einigung mit der Widersprechenden zurückgenommen. In einem weiteren Schriftsatz vom selben Tage hat sie ein neugefaßtes, auf "pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Tonika, Psychopharmaka und antriebssteigernde Mittel, ausschließlich Antirheumatika" beschränktes Warenverzeichnis vorgelegt. Beide Schriftsätze sind am 10. November 2000 beim DPMA eingegangen. Die Widersprechende hat ihrerseits mit Schriftsatz vom 14. November 2000, eingegangen beim DPMA am 15. November 2000, ihren Widerspruch unter Hinweis auf eine außeramtliche Einigung mit der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückgenommen.

Die Markenstelle hat nach vorangegangenem Zwischenbescheid in dem angefochtenen Beschluß vom 2. Januar 2001 festgestellt, daß der Beschluß vom 3. Juli 2000 rechtskräftig geworden sei. Da die Rücknahme des Widerspruchs nur bis zur Unanfechtbarkeit der jeweiligen Widerspruchsentscheidung erfolgen könne, hier aber erst am 15. November 2000, also nach Zugang der Erinnerungsrücknahme und Unanfechtbarkeit des Beschlusses vom 3. Juli 2000 erfolgt sei, müsse die Widerspruchsrücknahme unberücksichtigt bleiben. Die Rücknahme der Erinnerung sei weder widerruflich noch anfechtbar. Auch handele es sich bei den beiden Eingaben der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 8. November 2000 nicht um sich offensichtlich widersprechende Erklärungen, da aus dem Hinweis auf eine außeramtliche Einigung mit der Widersprechenden keine Widersprüchlichkeit folge und eine Beschränkung des Warenverzeichnisses in diesem Zusammenhang nicht ungewöhnlich sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke, die (sinngemäß) beantragt, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 vom 2. Januar 2001 aufzuheben und festzustellen, daß der Beschluß der Markenstelle vom 3. Juli 2000 wirkungslos ist, soweit die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 397 45 985 angeordnet worden ist.

Die Markenstelle habe den offensichtlichen Widerspruch zwischen den beiden Eingaben vom 8. November 2000 erkennen und rechtliches Gehör gewähren müssen. In dem Hinweis auf die außeramtliche Einigung mit der Widersprechenden und der gleichzeitigen Eingabe eines neugefaßten Warenverzeichnisses sei der Wunsch einer Aufrechterhaltung der Markenanmeldung zu erkennen gewesen. Die Rücknahme der Erinnerung sei auch deshalb nicht wirksam geworden, weil in dieser erkennbaren Willensäußerung ein Widerruf der Rücknahmeerklärung zu sehen sei, der gleichzeitig eingegangen und damit nach § 139 Abs 1 Satz 2 BGB wirksam geworden sei. Schließlich könne eine Prozeßhandlung auch wegen offensichtlichen Irrtums berichtigt werden.

Die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und teilt die von der Beschwerdeführerin zur Auslegung ihrer Erklärungen vertretene Auffassung.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG) und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Senat teilt die Auffassung der Beteiligten, daß die von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 8. November 2000 gegenüber dem DPMA unter Hinweis auf eine außergerichtliche Einigung mit der Widersprechenden erklärte Rücknahme der Erinnerung im Zusammenhang mit der weiteren, durch Schriftsatz vom selben Tag verfaßten und gleichzeitig eingegangenen Beschränkung des Warenverzeichnisses bei einer sich am objektiven Empfängerhorizont orientierenden, vernünftigen Auslegung um nicht miteinander in Einklang zu bringende, offensichtlich widersprüchliche prozeßrechtliche Willensäußerungen handelt. Denn eine Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke macht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Sinn, wenn gleichzeitig die Rücknahme eines gegen die angeordnete Löschung der Marke gerichteten Rechtsbehelfs erklärt wird. Eine derartige, sich sowohl in ihrer verfahrensrechtlichen als auch materiellen Bedeutung für die Existenz der Marke eindeutig widersprechende und - wie die Inhaberin der angegriffenen Marke klargestellt hat - auf einem offensichtlichen Irrtum beruhende Willensäußerung ist auch als Prozeßhandlung einer berichtigenden Auslegung zugänglich (vgl hierzu Zöller ZPO, 21. Aufl, Vor § 128 Rdn 25; BGH NJW-RR 94, 568 re Spalte mit weiteren Hinweisen), auch wenn auf Prozeßhandlungen grundsätzlich die Vorschriften des materiellen Rechts über die Anfechtung von Willenserklärungen nicht anwendbar und diese ihrem objektiven Erklärungsgehalt nach auszulegen sind (vgl Zöller ZPO, 21. Aufl, Vor § 128 Rdn 25). Die Auslegung darf nämlich auch im Prozeßrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Wortes haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen (BGH NJW-RR 94, 568 rechte Spalte), wobei es entscheidend darauf ankommt, welchen Sinn die prozessuale Erklärung aus objektiver Sicht hat (vgl Leipold in Stein/Jonas ZPO 21. Aufl, vor § 128 D IV Rdn 192; BGH NJW-RR 1997, 1216, 1217 linke Spalte). Eine Berichtigung einer Prozeßhandlung ist deshalb nicht ausgeschlossen, sofern es sich um einen offensichtlichen Irrtum handelt (BGH NJW 1988, 2540, 2541 rechte Spalte; BGH NJW-RR 94, 568 rechte Spalte).

Dieser Grundsatz muß auch dann zur Anwendung kommen, wenn es sich wie hier zwar jeweils um Erklärungen in getrennten Schriftsätzen handelt, die aber gleichzeitig dem Empfänger zugegangen sind und auch für diesen erkennbar mit dem Willen des Absenders wegen ihrer sich ausschließenden verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Bedeutung nicht in Einklang zu bringen sind, sondern auf einem Irrtum beruhen müssen (vgl auch Leipold in Stein/Jonas ZPO 21. Aufl, vor § 128 D IV Rdn 195 mit Beispielen). Danach ist - was auch dem nachträglich wiederholt klargestellten Willen der Inhaberin der angegriffenen Marke entspricht - im Wege einer berichtigenden Auslegung nur die Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke als wirksam anzusehen, die Rücknahme der Erinnerung aber unberücksichtigt zu lassen. Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 vom 2. Januar 2001 war demzufolge aufzuheben, da er auf die unzutreffende Annahme gestützt ist, der vorangegangene Beschluß vom 3. Juli 2000 sei rechtskräftig geworden.

Aufgrund der wirksamen Rücknahme des Widerspruchs aus der Marke 397 45 985 ist ferner der Beschluß vom 3. Juli 2000 insoweit wirkungslos, als die Löschung der angegriffenen Marke wegen dieses Widerspruchs angeordnet worden ist, § 82 Abs 1 Satz 1 MarkenG in Verbindung mit § 269 Abs 3 Satz 1 ZPO analog (vgl dazu BGH Mitt 1998, 264 - Puma). Dies war auf Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke, im übrigen aber auch im Interesse einer eindeutigen Klärung der Rechtslage von Amts wegen auszusprechen, zumal das Registerverfahren im wesentlichen vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht wird (vgl dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Aufl, Rdn 46 zu § 269 ZPO und Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl, Rdn 58).

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 und 4 MarkenG.

Kliems Brandt Engels Pü






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