Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. März 2008
Aktenzeichen: 10 W (pat) 18/07

(BPatG: Beschluss v. 13.03.2008, Az.: 10 W (pat) 18/07)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle 1.13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Januar 2007 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Am 17. Juli 2006 reichte der Anmelder beim Deutschen Patent- und Markenamt die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur Umwandlung chemischer Brennstoffe in mechanische Energie" ein. Der Anmeldung waren 9 Seiten Beschreibung sowie 2 Patentansprüche beigefügt, aber weder Zeichnungen noch ein ausdrücklicher Hinweis darauf. In der Beschreibung sind jedoch auf den Seiten 8 und 9 Begriffe mit Zahlen versehen (z. B. "Zellradgehäuse 1", "Zellradkern 2", "Ringläufer 3" usw. bis "Umgebung 10").

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2006 wies das Patentamt darauf hin, dass die Patentanmeldung eine Bezugnahme auf Zeichnungen enthalte, die der Anmeldung aber nicht beigefügt gewesen seien. Der Anmelder werde daher aufgefordert, innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung dieser Aufforderung entweder die Zeichnungen nachzureichen oder zu erklären, dass jede Bezugnahme auf die Zeichnungen als nicht erfolgt gelten soll (§ 35 Abs. 1 PatG). Würden die fehlenden Zeichnungen innerhalb obiger Frist nachgereicht, so verschiebe sich der Anmeldetag der gesamten Anmeldung auf den Tag des Eingangs der Zeichnungen. Der Bescheid wurde nur formlos übersandt, die Anordnung einer Zustellung dieses Bescheides ist ausweislich der Amtsakte nicht feststellbar.

Am 12. Dezember 2006 reichte der Anmelder eine Zeichnung sowie eine geänderte Seite 8 der Beschreibung ein, in der der im letzten Absatz beginnende Text ergänzt ist um die Worte "gemäß Figur 1".

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle 1.13 - hat daraufhin durch Beschluss vom 22. Januar 2007 ausgesprochen, dass der 12. Dezember 2006 gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 PatG als Anmeldetag gelte. Zur Begründung ist ausgeführt, der Anmelder habe mit seiner am 12. Dezember 2006 eingereichten Eingabe von der im Bescheid vom 14. Oktober 2006 genannten Möglichkeit des Nachreichens von Zeichnungen Gebrauch gemacht und die fehlende Zeichnung nachgereicht. Damit ergebe sich eine Verschiebung des Anmeldetags.

Hiergegen wendet sich der Anmelder mit der Beschwerde. Die Beschwerde ist nicht begründet worden. Zugleich mit der Beschwerdeeinlegung hat der Anmelder erklärt, dass er auf die Bezugnahme auf die Zeichnung verzichte, und geänderte Unterlagen eingereicht, bei denen der Beschreibungsteil, der die Bezugnahme auf die Zeichnung sowie die Bezugsziffern enthalten hat, gestrichen ist.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und insoweit begründet, als sie unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt führt, denn das Verfahren vor dem Patentamt leidet an einem wesentlichen Mangel, § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Der angefochtene Beschluss stellt eine unzulässige Vorabentscheidung über den Anmeldetag dar.

1. Das Patentamt hat gesondert über den Anmeldetag entschieden, was nach ständiger Rechtsprechung unzulässig ist. Wenn zwischen der Prüfungsstelle und dem Anmelder über den der Anmeldung zukommenden Anmeldetag keine Einigkeit besteht, muss die Anmeldung zurückgewiesen werden. Denn ein Patent kann nur so erteilt werden, wie es - gegebenenfalls hilfsweise - beantragt ist (vgl. BGH BlPMZ 1966, 230, 232 = GRUR 1966, 488 - Ferrit; BlPMZ 1979, 254, 255 = GRUR 1979, 220 - -Wollastonit), wobei der Anmeldetag Teil und Inhalt des Erteilungsantrags ist. Für eine Vorabentscheidung feststellenden Inhalts allein über den Anmeldetag ist kein Raum (st. Rspr., z. B. BPatGE 2, 56; Senatsentscheidung vom 16. Juni 1999, 10 W (pat) 47/99, in juris; für das Gebrauchsmusterrecht z. B. BPatGE 34, 87; vgl. auch Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 35 Rdn. 34; Schulte, PatG, 7. Aufl., § 35 Rdn. 85; Busse, PatG, 6. Aufl., § 35 Rdn. 27, 28, jeweils m. w. N.).

An dieser Rechtsprechung ist auch nach der am 1. November 1998 in Kraft getretenen Änderung des Patentgesetzes (Art. 2 Nr. 10 des 2. PatGÄndG vom 16. Juli 1998, BGBl I S. 1827, BlPMZ 1998, 382 ff.), mit der die Mindesterfordernisse, die für die Begründung eines Anmeldetags erfüllt sein müssen (§ 35 Abs. 2 Satz 1 PatG), sowie der Fall der Verschiebung des Anmeldetags wegen nachgereichter Zeichnungen (§ 35 Abs. 2 Satz 3 PatG) gesetzlich geregelt worden sind, festzuhalten (vgl. z. B. die Senatsentscheidungen vom 21. August 2003, 10 W (pat) 5/02, in juris, sowie vom 2. April 2007, 10 W (pat) 9/06, in juris sowie abrufbar unter www.bpatg.de). Eine selbständige Entscheidung über Vor- und Zwischenfragen ist nur zulässig, soweit sie für den betreffenden Verfahrensabschnitt vom Gesetzgeber ausdrücklich oder vom Sinn des Verfahrens vorgesehen ist. Die Gesetzesänderung hat jedoch die Möglichkeit einer Vorabentscheidung über den Anmeldetag weder ausdrücklich eröffnet - § 35 Abs. 2 PatG sieht seinem Wortlaut nach eine solche nicht vor - noch von ihrem Sinn her erforderlich gemacht. Denn es hat sich nichts daran geändert, dass der Anmeldetag notwendiger Bestandteil des Erteilungsantrags ist (vgl. insoweit auch Hövelmann, "Der Anmeldetag - jetzt geregelt", GRUR 1999, 801, 803 re. Sp.).

Anders als in § 35 Abs. 2 PatG ist im Übrigen im Bereich des Marken- und Geschmacksmusterrechts ein Ausspruch über die An- bzw. Zuerkennung eines verschobenen Anmeldetags durch das Patentamt ausdrücklich vorgesehen, § 36 Abs. 2 Satz 2 MarkenG bzw. § 16 Abs. 5 Satz 2 GeschmMG. Schon aufgrund des unterschiedlichen Wortlauts der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen ist daher eine im Marken- oder Geschmacksmusterrecht bestehende Praxis nicht auf den Bereich des Patentrechts übertragbar. Dies ist auch aus rechtlichen Gründen nicht geboten. Im Patentrecht ergeht nämlich ein Erteilungsbeschluss (§ 49 PatG), der den Inhalt des Patents verbindlich bestimmt und der auch den maßgeblichen Anmeldetag enthält, während bei Marken und Geschmacksmustern der Schutz durch die Eintragung als solche entsteht (§ 4 Nr. 1 MarkenG, § 27 Abs. 1 GeschmMG). Daher ist es bei Marken und Geschmacksmustern - anders als bei Patenten - sachdienlich, durch eine vor der Eintragung ergehende, selbständig anfechtbare Vorabentscheidung den der Anmeldung zukommenden Anmeldetag zu bestimmen.

Wenn das Patentamt daher einen Fall der Verschiebung des Anmeldetags der Patentanmeldung aufgrund nachgereichter Zeichnungen nach § 35 Abs. 2 Satz 3 PatG als gegeben ansieht, muss es dem Anmelder mitteilen, dass beabsichtigt sei, die Anmeldung mit einem verschobenen Anmeldetag weiter zu behandeln, sowie darauf hinweisen, dass, falls der Anmelder damit nicht einverstanden sei, die Anmeldung zurückgewiesen werde. Wenn daraufhin zwischen Anmelder und Patentamt Einigkeit besteht, ist die Patentanmeldung ohne weiteres mit dem verschobenen Anmeldetag weiter zu behandeln. Wenn keine Einigkeit besteht, d. h. wenn die Erteilung des Patents mit einem Anmeldetag beantragt wird, den das Patentamt nicht zuerkennen kann, ist die Anmeldung zurückzuweisen.

2. Bei der Fortsetzung des Verfahrens wird das Patentamt folgendes zu beachten haben:

Die für die Begründung eines Anmeldetags nach § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG erforderlichen Voraussetzungen (Name des Anmelders, § 34 Abs. 3 Nr. 1 PatG, Antrag auf Erteilung des Patents, § 34 Abs. 3 Nr. 2 PatG, sowie Angaben, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind, nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 PatG) sind hier am 17. Juli 2006 erfüllt worden. Grundsätzlich gilt, dass ein einmal wirksam begründeter Anmeldetag nicht mehr verschoben werden kann. Einzige Ausnahme ist die Nachreichung von Zeichnungen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 PatG.

Die auf die Nachreichung von Zeichnungen gestützte Verschiebung des Anmeldetags setzt voraus, dass die Anmeldung eine Bezugnahme auf Zeichnungen enthält, die aber nicht beigefügt sind (§ 35 Abs. 1 Satz 2 PatG). Des Weiteren muss eine förmliche Aufforderung des Patentamts ergehen, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Aufforderung entweder die Zeichnungen nachzureichen oder zu erklären, dass die Bezugnahme als nicht erfolgt gelten soll (§ 35 Abs. 1 Satz 2 PatG). Schließlich müssen die Zeichnungen innerhalb der durch die Zustellung der Aufforderung in Gang gesetzten Monatsfrist eingereicht werden (§ 35 Abs. 2 Satz 3 PatG).

Eine Bezugnahme der Anmeldung auf Zeichnungen liegt hier zwar vor, wenn auch keine ausdrückliche. Weder wird im Erteilungsantrag (bei der Auflistung der Anlagen) explizit auf Zeichnungen verwiesen noch in der Beschreibung oder in den Patentansprüchen. Die auf den Seiten 8 und 9 der Beschreibung hinter einzelne Begriffe gesetzte Zahlen ("Zellradgehäuse 1", "Zellradkern 2", "Ringläufer 3", usw. bis zur Zahl 10) stellen aber typischerweise Bezugszeichen dar. Als Hinweis auf gezeichnete Merkmale stehen Bezugszeichen zwingend mit einer Patentzeichnung in Zusammenhang (vgl. auch Schulte, a. a. O., § 34 Rdn. 142), ansonsten haben sie keinen Sinn. In der Verwendung von Bezugszeichen in der Beschreibung kann daher jedenfalls eine konkludente Bezugnahme auf Zeichnungen gesehen werden, was für die Bezugnahme im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 2 PatG genügt.

Die Zustellung einer Aufforderung des Patentamts gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 PatG ist jedoch nicht erfolgt. Den die Aufforderung enthaltenden, formlos übersandten Bescheid vom 14. Oktober 2006 hat der Anmelder, wie seine Reaktion zeigt, zwar erhalten. Ausweislich der Akte ist aber nicht feststellbar, dass die (förmliche) Zustellung des Bescheids überhaupt angeordnet worden ist. Die Heilung von Zustellungsmängeln setzt jedoch stets voraus, dass die Zustellung des Dokuments beabsichtigt, mindestens angeordnet und in die Wege geleitet sein muss; es genügt nicht, dass die formlose Mitteilung des zuzustellenden Dokuments veranlasst worden war (sog. Zustellungswille, vgl. BGH NJW 2003,1192; Schulte, a. a. O., § 127 Rdn. 115 unter a; Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 7. Aufl., § 8 VwZG Rdn. 1 aE; ebenso zu § 189 ZPO: Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 189 Rdn. 7).

Die bloß formlose Übermittlung der Aufforderung mit Bescheid vom 14. Oktober 2006 hat daher die Monatsfrist des § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 PatG nicht in Lauf gesetzt. Es kann daher hier dahingestellt bleiben, ob ein Anmelder von der einmal innerhalb der Monatsfrist gewählten Option des Nachreichens von Zeichnungen nach Ablauf der Monatsfrist wieder abrücken darf, was wohl im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut zu verneinen ist. Hier ist jedenfalls der Anmelder mangels Fristablaufs frei gewesen, seine Option noch einmal zu ändern, was er mit der Beschwerdeeinlegung auch getan hat.

Dass erst mit der Beschwerdeeinlegung jegliche Bezugnahme auf die Zeichnung gestrichen wurde, ist daher nicht verspätet und noch rechtlich zulässig gewesen. Die Anmeldung kann somit mit dem ursprünglichen Anmeldetag weiter behandelt werden.

Schülke Rauch Püschel Be






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Az: 10 W (pat) 18/07


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