Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Oktober 2005
Aktenzeichen: 11 W (pat) 39/03

(BPatG: Beschluss v. 17.10.2005, Az.: 11 W (pat) 39/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 41 G des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Juni 2003 aufgehoben und das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 6 und der Beschreibung Seiten 1 bis 9 vom 17. Oktober 2005 sowie den ursprünglich eingereichten Zeichnungen Figuren 1 bis 5 erteilt.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Handfeuerwaffe mit mittiger oder außermittiger Visierlinie" ist am 7. Juni 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und am 21. Dezember 2000 offengelegt worden. Die Prüfungsstelle für Klasse F 41 G des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 13. Juni 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe im Hinblick auf die US 3 165 836 (2) und die DE-AS 1 075 987 (6) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F41G des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Juni 2003 aufzuheben und das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 6 und der Beschreibung Seiten 1 bis 9 vom 17. Oktober 2005 sowie den ursprünglich eingereichten Zeichnungen Figuren 1 bis 5 zu erteilen.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Als Schnellfeuergewehr (1) ausgebildete Handfeuerwaffe, mit einem unter dessen Lauf (3) angeordneten, als Granatwerfer (5) ausgebildeten Gewehrgranatgerät, wobei der Granatwerfera) seitliche, jeweils rechts und links seiner Längsmitte, einander gegenüberliegende, jeweils mit einer Gewindebohrung (11) versehene Montageflächen (9) aufweist, b) an denen ein zur jeweiligen Montagefläche (9) hin gekröpftes, zu einer vertikalen Querebene symmetrisches Trägerteil (15) mit seinem gekröpften Ende wahlweise links oder rechts lösbar angeschraubt und unter Drehung um die vertikale Achse auf die andere Montagefläche (9) umsetzbar ist, c) wobei das freie Ende des Trägerteils (15) als Schiene ausgebildet ist, d) auf welcher ein ein offenes Visier mit einer Kimme tragender Visierträger (17) passend und lösbar sitzt, und der Visierträger (17) in zwei zueinander entgegengesetzten Ausrichtungen auf dem Trägerteil (15) anbringbar ist, d1) derart, dass der Visierträger (17) in stets gleichbleibender Orientierung auf dem rechts oder links montierten Trägerteil (15) ausgerichtet ist."

Auf diesen Anspruch sind die Ansprüche 2 bis 6 rückbezogen, die Ausgestaltungen des Schnellfeuergewehrs betreffen.

Es liegt die Aufgabe zugrunde, dass die Visiereinrichtung für den dazugehörigen Granatwerfer auf diesen eingeschossen werden kann und immer justiert bleibt, selbst wenn der Granatwerfer mit Toleranz am Gewehr angebracht ist oder an ein anderes Gewehr angebaut wird, bei dem unter Umständen andere Verbindungselemente zur Anbringung des Granatwerfers verwendet werden.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet und führt zur Erteilung des Patents gemäß deren Antrag.

Fachmann ist ein Ingenieur des Maschinenbaus mit mindestens Fachhochschulabschluss, der besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Handfeuerwaffen und deren Visiereinrichtungen besitzt.

Die geltenden Ansprüche 1 bis 6 sind formal zulässig. Der Anspruch 1 findet seine Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 3, 6 und 9 sowie in den Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung. Das Merkmal "gekröpftes Trägerteil" findet sich in Sp 4, Z 14 und Sp 5, Z 46 der Offenlegungsschrift, dessen Drehung um eine vertikale Achse ergibt sich aus Sp 5, Z 43-46 und die Ausbildung des freien Endes des Trägerteils als "Schiene" ist in Sp 7, Z 21-24 erwähnt. Ein offenes Visier mit Korn und Kimme als Visiereinrichtung ist in Sp 5, Z 19-25 beschrieben. Die Ansprüche 2 bis 6 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4 und 8 bis 11 in der selben Reihenfolge.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu, denn aus keiner der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen sind sämtliche in diesem Anspruch aufgeführten Merkmale bekannt.

Vom Gegenstand der US 3 165 836 (2) unterscheidet sich die Erfindung nach dem geltenden Anspruch 1 schon dadurch, dass die Visiereinrichtung unmittelbar am Granatwerfer angebracht ist und nicht am Gewehr, an dem der Granatwerfer befestigt ist, sowie durch die in den Merkmalsgruppen a) bis d.1) aufgeführten konstruktiven Merkmale. Die Gegenstände übrigen Druckschriften liegen von der Erfindung deutlich weiter ab und können deren Neuheit ebenfalls nicht in Frage stellen. Bei der von der Prüfungsstelle im Beschluss vom 13. Juni 2003 als (7) aufgelisteten US 6 134 823 handelt es sich um eine nachveröffentlichte US Patentschrift, die nach § 3 Abs 2 PatG nicht als Stand der Technik gelten kann, da sie die dort genannten Kriterien nicht erfüllt. Sie muss deshalb schon bei der Neuheitsbeurteilung außer Betracht bleiben.

Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 liegt auch eine erfinderische Tätigkeit zugrunde.

Als nächstkommender Stand der Technik ist die US 3 165 836 (2) zu sehen, aus der eine als Gewehr ausgebildete Handfeuerwaffe mit einem unter dessen Lauf ausgebildeten Gewehrgranatgerät in Form eines Granatwerfers bekannt ist. Zum Zielen des Granatwerfers ist am Gewehr ein offenes Visier mit einem Korn und einer Lochblende, also ein Dioptervisier, vorgesehen, das wahlweise an beiden Seiten des Gewehrs ansetzbar ist. Hierdurch ist das Gewehr mit dem Granatwerfer sowohl für rechtshändige als auch für linkshändige Schützen geeignet. Zum Umsetzen der Visiereinrichtung ist diese von einer seitlichen Montagefläche an einer Seite des Gewehrs mitsamt dem zugehörigen Visierträger zu lösen, um eine gedachte horizontale Achse um 180¡ zu drehen und an der Montagefläche auf der anderen Seite des Gewehrs zu befestigen. Zudem sind Kimme und Lochblende um eine im Visierträger angeordnete, horizontale Achse zu drehen, damit sie in die korrekte neue Position gelangen.

Ein Hinweis auf eine Anordnung der Visiereinrichtung unmittelbar am Granatwerfer zur Lösung der anmeldungsgemäßen Aufgabe, ist in (2) nirgends gegeben. In (2) findet sich auch keinerlei Hinweis auf die erfindungsgemäße konstruktive Ausbildung der Visiereinrichtung. So ist schon ein eigenes Trägerteil, von dem der Visierträger lösbar sein könnte, nicht vorhanden. Auch fehlt in (2) jegliche Anregung dazu am Granatwerfer beidseitig Montageflächen vorzusehen, an denen ein gekröpftes und symmetrisch ausgebildetes Trägerteil wahlweise links oder rechts ansetzbar ist. Zudem liegt die Art des zu verwendenden Visiers (offenes Visier mit Kimme anstatt Dioptervisier) und dessen Visierträger in einer anderen konstruktiven Richtung als das Visier nach (2). So wird der Visierträger nach der Erfindung in gleichbleibender Orientierung auf dem Trägerteil aufgesetzt, während bei dem in (2) gezeigten Visier die Träger von Kimme und Korn nach dem Umsetzen um eine horizontale Achse gedreht werden müssen. Der Fachmann muss somit mehrere erfinderische Schritte gehen um ausgehend von (2) zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.

Auch eine Zusammenschau von (2) mit beliebigen der von der Prüfungsstelle genannten Entgegenhaltungen führt nicht ohne Weiteres zur Erfindung nach dem geltenden Anspruch 1. So betrifft die US 5 606 818 (1) eine Montierung für ein beidseitig eines Gewehrs ansetzbares, zusätzliches Zielfernrohr, die ein rechts- oder wahlweise linkshändiges Schießen ermöglicht. Ein Hinweis auf ein Schnellfeuergewehr mit angesetztem Granatwerfer und auf die Montage der Visiereinrichtung am Granatwerfer findet sich in (1) nirgends. Die US 4 263 719 (3) beschreibt eine Strichplatte zum Einsatz in einer optischen Visiereinrichtung für Schusswaffen, Teleskope oder Suchern für Kameras, die eine Abschätzung der Zielentfernung erlaubt. Die US 2 777 203 (4) befasst sich mit einer Art Diopter als hinterem Visierteil auf einem Gewehr; ein Bezug zu Schnellfeuergewehren mit angesetztem Granatwerfer ist in (3) und (4) nicht gegeben. Aus der FR 2 654 820 A1 (5) geht eine Visiereinrichtung für eine mit einem Gewehr abfeuerbare Granate hervor, bei der die Visiereinrichtung unmittelbar an der Gewehrgranate befestigt ist und die wahlweise von einer Seite der Granate auf die andere umsetzbar ist. Die Gewehrgranate wird jedoch unmittelbar vom Gewehr abgeschossen und nicht mit einem unterhalb des Gewehrlaufs angeordneten, eigenen Granatwerfer, wie bei der Erfindung. Hierzu und zu der konkreten konstruktiven Gestaltung der Visiereinrichtung nach Anspruch 1 gibt (5) keine Anregung. Ein Gleiches gilt in bezug auf den Gegenstand der DE-AS 1 075 987 (6), die ebenfalls eine auf einen Gewehrlauf aufsetzbare Abschusseinrichtung für Gewehrgranaten mit zwei Visiereinrichtungen zum Inhalt hat.

Es bedurfte somit einer erfinderischen Tätigkeit, um ausgehend von (2) zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.

Die gewerbliche Anwendbarkeit des Anmeldungsgegenstands ist offensichtlich.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 erfüllt demnach alle für die Patentierbarkeit geforderten Kriterien. Der Anspruch 1 ist somit gewährbar.

Die Unteransprüche 2 bis 6 betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Weiterbildungen des Gegenstands von Anspruch 1. Sie sind daher zusammen mit dem Anspruch 1 gewährbar.

Dr. Henkelv. Zglinitzki Skribanowitz Harrer WA






BPatG:
Beschluss v. 17.10.2005
Az: 11 W (pat) 39/03


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