Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. Dezember 2002
Aktenzeichen: X ZR 189/02

(BGH: Beschluss v. 17.12.2002, Az.: X ZR 189/02)

Tenor

Das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das am 30. April 2002 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. Juli 2002 zugestellte Urteil des Bundespatentgerichts mit Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten, eingegangen beim Bundesgerichtshof per Telefax am 20. August 2002, Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 4. September 2002, eingegangen am 6. September 2002, hat sie gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO beantragt.

Aus dem Vortrag der Antragstellerin und den sonstigen aktenkundigen Tatsachen ergibt sich, daß die Klägerin nicht ohne Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, für dessen Verhalten sie einzustehen hat (Busse, PatG, 5. Aufl., § 123 PatG Rdn. 31 m.w.N.), verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten.

Zur Begründung ihres Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Klägerin geltend gemacht, die Frist für die Einlegung der Berufung sei aus folgenden Gründen falsch berechnet und notiert worden:

Bis Ende 2002 sei die Zustellung der Urteile des Bundespatentgerichts in der Weise erfolgt, daß diese in das Abholfach der Patentanwälte beim Deutschen Patent-und Markenamt eingelegt worden seien. Die Zustellung habe dabei nach § 127 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 PatG als am dritten Tag nach der Niederlegung im Abholfach bewirkt gegolten. Aufgrund des am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren, wonach nunmehr für Zustellungen im Verfahren vor dem Bundespatentgericht die ZPO gilt, sei die Handhabung der Zustellung durch das Bundespatentgericht geändert worden. Die Zustellung von Urteilen sei ab diesem Zeitpunkt gegen Empfangsbekenntnis erfolgt. Das Urteil des Bundespatentgerichts im vorliegenden Verfahren sei dementsprechend am 19. August 2002 den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden. Die Mitarbeiterin in der Fristabteilung ihrer Prozeßbevollmächtigten habe jedoch ausgehend von der früheren Handhabung der Zustellung zu diesem Datum drei Tage hinzugerechnet und eine Vorfrist bis zum 14. August sowie den Ablauf der Frist für die Einlegung der Berufung auf den 21. August 2002 notiert.

Die Kanzlei ihrer Prozeßbevollmächtigten sei so organisiert, daß die Terminüberwachung einer eigenen Abteilung übertragen sei, für die zwei Patentanwälte zuständig seien; Leiterin der Terminabteilung sei seit 35 Jahren Frau Z. , der zehn Mitarbeiterinnen unterstellt seien, darunter auch Frau D. , die mit der Bearbeitung der vorliegenden Sache befaßt gewesen sei. Frau D. sei ausgebildete Patentanwaltsfachangestellte und kenne sich seit ihrer Ausbildung auch mit Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis aus. Sie sei qualifiziert, werde regelmäßig unterwiesen und stichprobenartig überprüft, ohne daß sich Anlaß zu Beanstandungen ergeben hätte.

Die Änderung der Rechtslage für die Zustellung von Urteilen des Bundespatentgerichts sei den Mitarbeitern der Terminabteilung von einem der zuständigen Patentanwälte per E-Mail mitgeteilt worden. Dabei sei auch darauf hingewiesen worden, daß künftig die Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis erfolgen würden.

Damit hat die Klägerin ein Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten nicht ausgeräumt. Unter den gegebenen Umständen reichte es nicht aus, daß diese die Mitarbeiter der Fristenabteilung auf die geänderte Rechtslage hingewiesen haben. Zwar mag der Rechts-oder Patentanwalt die Berechnung einfacher Fristen seinem geschulten Personal überlassen können. Ein solcher einfach gelagerter Sachverhalt lag hier jedoch wegen der Gesetzesänderung und der im Hinblick darauf geänderten Zustellungsweise nicht vor. Nach der Änderung der Zustellungsweise mußte die bis dahin geübte Praxis für die Ermittlung des Beginns der Rechtsmittelfrist, dem auf dem Urteil vermerkten Datum der Niederlegung im Abholfach drei Tage hinzuzurechnen, aufgegeben werden.

Auch wenn der Mitarbeiterin der Prozeßbevollmächtigten grundsätzlich seit ihrer Ausbildung die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis bekannt gewesen sein mag, durften die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sich nicht darauf verlassen, daß ihre Mitarbeiter von sich aus die richtigen Konsequenzen ziehen und nunmehr das Datum des Empfangsbekenntnisses als maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn der Berufungsfrist berücksichtigen würden. Daß diese auch auf den Inhalt der Neuregelung und die damit verbundenen konkreten Auswirkungen für die Fristberechnung hingewiesen worden sind, ist den vorgelegten Erklärungen nicht zu entnehmen. Eine länger geübte Praxis bietet immer die Gefahr, daß derjenige, der in seiner täglichen Berufsausübung diese anwendet, sich nicht jederzeit klar macht, worauf sie letztlich beruht, sondern allein deshalb so verfährt, weil es sich um eine eingeübte Praxis handelt. Diese Gefahr konnte nicht allein dadurch ausgeräumt werden, daß das Personal auf die geänderte Rechtslage hingewiesen wurde. Wenn der für die Fristenabteilung zuständige Patentanwalt in seiner eidesstattlichen Versicherung ausführt, er sei gemeinsam mit der Leiterin der Fristenabteilung zu dem Ergebnis gelangt, daß die neue Zustellungsweise sich nicht auf die Arbeitsabläufe in der Terminabteilung und das Computerprogramm zur Fristüberwachung auswirken würde, so war dies nur richtig, wenn das Personal von zutreffenden Zustellungsdaten ausging. Zwar hat die Leiterin der Fristenabteilung in ihrer eidesstattlichen Versicherung ausgeführt, daß sie im Rahmen einer Besprechung aktueller Probleme ihre Mitarbeiterinnen auch darauf hingewiesen habe, daß die entsprechende Frist mit der Zustellung beginne. Auch dies genügte für die Anleitung der Mitarbeiterinnen der Fristenabteilung nicht. Es wäre vielmehr notwendig gewesen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Fristberechnung in Fällen wie dem vorliegenden nicht mehr in der bisherigen Weise erfolgen durfte. Die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin durften nicht davon ausgehen, daß ihre Mitarbeiterinnen von sich aus diesen Schluß ziehen würden, nachdem sich die Praxis über lange Jahre an einer anderen Handhabung der Zustellung orientiert hat.






BGH:
Beschluss v. 17.12.2002
Az: X ZR 189/02


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