Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. März 2004
Aktenzeichen: 9 W (pat) 2/02

(BPatG: Beschluss v. 01.03.2004, Az.: 9 W (pat) 2/02)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und das Patent auf die Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1-5 gemäß Hauptantrag, Beschreibung Spalten 1-4 mit Einschub (in Spalte 1, vor Zeile 20), jeweils eingegangen am 1. März 2004, Zeichnungen Figuren 1-7 gemäß Patentschrift.

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit Beschluss vom 24. Oktober 2001 hat die Patentabteilung 21 des Deutschen Patent- und Markenamts nach Prüfung des Einspruchs das am 20. April 1995 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Schiebeelement für ein Kulissenteil eines Schiebe/Hebedaches eines Kraftfahrzeugs"

beschränkt aufrechterhalten.

Die Patentabteilung hat die Auffassung vertreten, dass das Beanspruchte auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da es durch den in Betracht gezogenen Stand der Technik (DE 94 07 234 U1, DE-AS 16 05 960) nicht nahegelegt sei.

Gegen diesen Beschluss der Patentabteilung hat die Einsprechende Beschwerde erhoben.

In der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2004 hat die Patentinhaberin die Teilung des Patents erklärt und darüber hinaus Anschlussbeschwerde erhoben, mit dem Ziel, das Patent in einer über die beschränkte Aufrechterhaltung im Schutzumfang hinausgehende Fassung beschränkt aufrecht zu erhalten.

Die Patentinhaberin verteidigt das Patent gemäß Haupt- und Hilfsanträgen 1 bis 6 und ist der Auffassung, dass das nunmehr beanspruchte Schiebeelement durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht nahegelegt sei.

Sie beantragt, unter Zurückweisung der Beschwerde das Patent mit folgenden, jeweils am 1. März 2004 eingereichten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 - 5 gemäß Hauptantrag, hilfsweise, Patentansprüche 1 - 4 gemäß Hilfsantrag 1, weiter hilfsweise, Patentansprüche 1 - 4 gemäß Hilfsantrag 2, weiter hilfsweise, Patentansprüche 1 - 5 gemäß Hilfsantrag 3, weiter hilfsweise, Patentansprüche 1 - 3 gemäß Hilfsantrag 4, weiter hilfsweise, Patentansprüche 1 - 5 gemäß Hilfsantrag 5, weiter hilfsweise, Patentansprüche 1 - 3 gemäß Hilfsantrag 6, jeweils mit anzupassender Beschreibung und Zeichnungen Figuren 1 - 7 gemäß Streitpatentschrift.

Die Einsprechende beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Patent zu widerrufen.

Sie führt noch das Fachbuch F.W. Hülle, Die Grundzüge der Werkzeugmaschinen und der Metallbearbeitung, Band 1, Der Bau der Werkzeugmaschinen, J. Springer Verlag, Berlin, siebte Auflage, 1938, S 102 als Beleg für das Fachwissen des Fachmannes betreffend Kreuzschlitten in das Verfahren ein, und meint, dass auch das nunmehr verteidigte Schiebeelement durch den nachgewiesenen Stand der Technik nahegelegt sei.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

Entlang eines Profilrahmen-Längsabschnittes (30) verstellbares Schiebeelement (24) für ein in Längsrichtung des Profilrahmen-Längsabschnittes (30) orientiertes Kulissenteil (10) eines Schiebe/Hebedaches eines Kraftfahrzeugs, wobei vorgesehen ist, dass das Schiebeelement (24) zweigeteilt aus einem Unterteil (26) und einem Oberteil (28) gebildet ist, wobei das Unterteil (26) dem Profilrahmen-Längsabschnitt (30) zugeordnet und in Längsrichtung entlang des Profilrahmen-Längsabschnittes (30) linear beweglich geführt ist, und das Oberteil (28) dem Kulissenteil (10) zugeordnet und am Unterteil (26) in Querrichtung des Profilrahmen-Längsabschnittes (30) linear beweglich geführt ist; und dass das Unterteil (26) mit einer eine Hinterschneidung (32) aufweisenden Quernut (34) und das Oberteil (28) mit einem im Querschnittsprofil an die Quernut (34) angepassten Querführungsansatz (36) ausgebildet ist; und dass das Unterteil (26) mit zwei sich seitlich gegenüberliegenden, in Längsrichtung orientierten Führungsrillen (38) ausgebildet ist, welche die Quernut (34) kreuzen und voneinander einen Abstand (Pfeil 48) aufweisen, der größer ist als die Querabmessung (Pfeil 46) des Querführungsansatzes (36).

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 5 sind dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nachgeordnet.

II Die statthafte Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht eingelegt und auch im übrigen zulässig. Sie ist aber in der Sache nicht begründet. Die unselbstständige Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin ist ebenfalls zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Teilung des Patents ist wirksam.

Eine Erklärung des bloßen Inhalts, das Patent werde geteilt, ist eine wirksame Teilungserklärung (BPatG BlPMZ 2003, 293 ff., Programmartmitteilung).

2. Die Anschlussbeschwerde ist zulässig.

Eine Anschlussbeschwerde setzt keine Beschwer voraus. Mit ihr kann die Entscheidung auch insoweit angefochten werden, als der Anschlussbeschwerdeführer durch die Entscheidung nicht beschwert ist. So kann ein Patentinhaber bei einer Beschwerde der Einsprechenden gegen eine beschränkte Aufrechterhaltung des Patents sein Patent in der erteilten Fassung verteidigen, obwohl er wegen seines Einverständnisses mit der beschränkten Aufrechterhaltung in der ersten Instanz nicht beschwert ist und daher selbst keine Beschwerde gegen die gemäß seinem Antrag ergangene Entscheidung hätte einreichen können (Schulte PatG, 6. Auflage § 73, Rdn 180, 192, 194). Ausgehend von der erteilten Fassung kann er daher das Patent mit einer gegenüber dieser Fassung anders beschränkten Fassung verteidigen, die nicht mit der Fassung übereinstimmt, die zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents führte.

3. Das Patentbegehren gemäß Hauptantrag ist zulässig.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag geht inhaltlich auf die erteilten Patentansprüche 1 bis 3 zurück, die den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 3 entsprechen. Die Patentansprüche 2 bis 5 entsprechen den erteilten Ansprüchen 4 bis 7, welche den ursprünglichen Patentansprüchen 4 bis 7 entsprechen.

Inwieweit die Patentbegehren gemäß Hilfsanträgen 1 bis 6 zulässig sind kann dahingestellt bleiben, da dem Hauptantrag stattgegeben wurde.

4. Das Patent betrifft gemäß Hauptantrag ein entlang eines Profilrahmen-Längsabschnittes verstellbares Schiebeelement. In der Beschreibungseinleitung der geltenden Beschreibung vom 1. März 2004 ist angegeben, dass beim Schiebe/Hebedach nach der DE-AS 16 05 960, das ein Schiebeelement und ein Kulissenteil aufweist, ein Ausgleich der Quertoleranzen mit den Profilrahmenlängsabschnitten nicht erörtert sei.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, ein Schiebeelement zu schaffen, das auf konstruktiv einfache Weise Abmessungstoleranzen in Querrichtung zwischen dem Profilrahmen und dem Kulissenteil möglichst wirkungsvoll auszugleichen in der Lage ist.

Dieses Problem wird mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gelöst.

5. Das beanspruchte Schiebeelement nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags ist unstreitig neu.

Das hintere Schiebeelement nach der DE-AS 16 05 960 weist quer zueinander verschiebliche Teile in Form eines Gleitschuhs 11 und einen in einer Querbohrung desselben gleitenden Führungsstift 20 auf. Der Führungsstift gleitet folglich nicht, wie für das patentgemäße Oberteil beansprucht, in einer Quernut mit seinem daran angepassten Querschnittsprofil seines Querführungsansatzes.

Das Schiebedach nach dem DE 94 07 234 U1 weist ebenfalls ein längs eines Profilrahmenlängsabschnittes verstellbares Schiebeelement auf. Dieses Schiebeelement ist jedoch gemäß Ausführungsbeispielen nach Fig 8 und 10 bis 12 jeweils einteilig ausgebildet. Es ist damit nicht, wie beansprucht, zweigeteilt, aus einem Ober- und einem Unterteil gebildet.

Dem zitierten Fachbuch von F.W. Hülle sind nur Kreuzschlitten für Werkzeugmaschinen zu entnehmen. Ein Bezug zu Kraftfahrzeug-Schiebedächern besteht nicht.

6. Das beanspruchte Schiebeelement nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags ist ohne Zweifel gewerblich anwendbar. Es beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Durchschnittsfachmann ist hier ein Ingenieur des Maschinenbaus mit beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Schiebedächer für Fahrzeuge.

Beim Schiebedach nach der DE-AS 16 05 960 ist ein hinteres Schiebeelement 11 entlang eines Profilrahmen-Längsabschnittes 12 in Längsrichtung des Fahrzeugs linear verschiebbar. Dieses Schiebeelement enthält eine Bohrung quer zur Erstreckung des Profilrahmen-Längsabschnittes, in der ein Führungsstift 20 linear verschieblich geführt wird. Dieser Führungsstift greift mit seinem einen Ende in eine Führung eines Kulissenteils 24 ein, das in Längsrichtung des Profilrahmen-Längsabschnittes orientiert ist. Eine Schraubendruckfeder 23 spannt den Führungsstift 20 in Richtung des Profilrahmen-Längsabschnitts vor (Sp 4 Z 19 bis 28 iVm Fig 6). Wie insbesondere der Fig 6 zu entnehmen ist, wird der Verschiebeweg des Führungsstiftes 20 einerseits durch die Blocklänge der Feder und andererseits durch einen bezugszeichenlosen Anschlag auf der der Feder gegenüberliegenden Seite des Gleitschuhs 11 begrenzt. Dadurch gleitet der in die Führungskulisse eingreifende Abschnitt des Führungsstiftes 20 nur oben und unten, jedoch nicht stirnseitig unter Federbelastung. Zur Montage des Daches ist der Führungsstift gegen die Kraft der Feder einziehbar und somit außer Eingriff mit dem Kulissenteil bringbar. Das Kulissenteil ist am Deckel 6 befestigt (Sp 4, Z 28 bis 36, Fig 6). Da die Feder den Führungsstift gegen den Anschlag vorspannt, wird mit dem in der Führung des Kulissenteils gelagerten Ende des Stifts keine Seitenkraft auf den Deckel ausgeübt. Der Deckel kann sich deshalb seitlich in der Dachöffnung ausrichten, wobei diese Bewegung durch eine notwendige aber nicht dargestellte Dichtung zwischen Dachöffnung und Dach eingeschränkt wird. Abmessungstoleranzen in Querrichtung zwischen Profilrahmen-Längsabschnitt und Kulissenteil werden demzufolge über die Führungstiefe des Führungsstifts in der Kulissenführung ausgeglichen.

Wenn der Fachmann dieses Schiebeelement verbessern will, so wird er durch das zitierte Fachbuch von F.W. Hülle nicht ohne weiteres angeregt, anstatt des federbelasteten Führungsstifts den dort gezeigten Kreuzschlitten (für eine Werkzeugmaschine) vorzusehen, weil ihm dabei die bisher mögliche einfache Montage des Daches über den rückziehbaren Führungsstift verloren geht. Zum anderen wäre bei einer Übertragung ein einseitig vorgespannter Kreuzschlitten mit der Kulissenführung in Gleitkontakt zu halten, da der Fachmann die vorhandene Deckelführung mit einer einseitig offenen Kulisse nicht ohne Grund in Frage stellt. Somit liefert auch eine Zusammenschau des in Rede stehenden Fachbuches mit der DE-AS 16 05 960 keine Anregung dazu, dass ein Schiebeelement mit zueinander querbeweglichem Ober- und Unterteil auf die im Patentanspruch 1 angegebene Weise begrenzt verschiebbar ist.

Da das Schiebeelement nach der DE 94 07 234 U1 nicht in Ober- und Unterteil aufgeteilt, sondern einstückig ausgeführt ist, kann dieser Druckschrift kein Hinweis darauf entnommen werden, wie das Schiebeelement nach der DE-AS 16 05 960 im streitpatentgemäßen Sinn zu verbessern wäre.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag kann daher der beschränkten Aufrechterhaltung des Patents zugrundegelegt werden. Die Patentansprüche 2 bis 5 betreffen zweckmäßige weitere Ausbildungen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1, die nicht selbstverständlich sind, und haben daher mit dem Patentanspruch 1 Bestand.

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Beschluss v. 01.03.2004
Az: 9 W (pat) 2/02


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