Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 9. März 2011
Aktenzeichen: 12 U 177/10

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 09.03.2011, Az.: 12 U 177/10)

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat und die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Zwar wurde die Berufungsfrist versäumt, nachdem das Urteil dem Kläger am 22.10.2010 zugestellt wurde, die Berufung aber erst am 23.11.2010 eingegangen ist. Dem Kläger ist aber auf seinen Antrag vom 13.12.2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der fristgerecht eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist begründet, nachdem ein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht ist. Der Klägervertreter hat durch eidesstattliche Versicherung erklärt, den Berufungsschriftsatz am Freitag, den 19.11.2010 gegen 17.30 Uhr in einen Briefkasten in C... eingeworfen zu haben. Daher konnte er aufgrund der üblichen Postlaufzeit davon ausgehen, dass die Berufungsschrift das Berufungsgericht jedenfalls am 22.11.2010 und damit noch rechtzeitig erreicht.

II.

Die Berufung hat aber keine Aussicht auf Erfolg.1.

Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Bezahlung der durch die Beauftragung von Rechtsanwalt K... im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart - 12 U 192/02 - entstandenen Kosten zusteht.a)

Der Anspruch folgt nicht aus §§ 611, 675, 280 Abs. 1 BGB. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass der Beklagte Ziff. 1 den Kläger nicht auf seine fehlende OLG-Zulassung hingewiesen hat, liegt keine Pflichtverletzung vor. Der Kläger hatte hierdurch keinerlei Nachteile, da er auch im Berufungsverfahren inhaltlich vom Beklagten Ziff. 1 vertreten werden konnte. Es war lediglich erforderlich, dass ein Kanzleikollege die Schriftsätze unterschreibt und im Termin die Anträge stellt. Zudem fehlt es an der Kausalität. Eine Pflicht, auf die fehlende OLG-Zulassung hinzuweisen, kann nur den Zweck haben, den Mandanten davor zu schützen, dass eine Vertretung vor dem Oberlandesgericht durch den Anwalt nicht möglich ist und somit der Mandant im Berufungsverfahren einen weiteren Rechtsanwalt beauftragen muss. Dies war aber hier nicht der Fall. Die Kosten von Rechtsanwalt K... sind nur deshalb angefallen, weil der Beklagte Ziff. 1 bzw. die Sozietät das Mandat wegen inhaltlicher Differenzen über die Anfechtung des am 25.02.2003 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart geschlossenen Vergleichs nicht fortgesetzt hat. Dies liegt aber nicht im Schutzbereich der verletzten Pflicht.b)

Der Anspruch folgt auch nicht aus § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB. Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, ob die Weigerung, den Kläger bei der Anfechtung des Vergleichs zu vertreten, eine Kündigung darstellt (hierzu unter c). Es liegt jedenfalls keine Kündigung zur Unzeit vor. Dies kann nur angenommen werden, wenn der Mandant sich die notwendigen Dienste eines anderen Rechtsanwalts nach Zugang der Kündigung nicht beschaffen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Mandanten dies in gleicher Güte und zu gleichen Bedingungen möglich ist (Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 78). Im vorliegenden Fall konnte der Kläger Rechtsanwalt K... mit der weiteren Vertretung beauftragen.c)

Der Anspruch folgt auch nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB i. V. m. § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB.aa)

Allerdings kann der Dienstverpflichtete, wenn er nach § 627 BGB kündigt, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teils dazu veranlasst worden zu sein, die Vergütung insoweit nicht beanspruchen, als seine bisherigen Leistungen in Folge der Kündigung für den anderen kein Interesse haben. Dies kann für den kündigenden Rechtsanwalt den Verlust der Vergütung in dem Umfang zur Folge haben, in dem der Mandant nunmehr einen anderen Anwalt beauftragen und vergüten muss (BGH NJW 1997, 188; BGH NJW 1985, 41).bb)

Diese Voraussetzungen sind aber im vorliegenden Fall nicht gegeben.(1)

Es liegt schon keine Kündigung vor. Der Rechtsstreit war durch den am 25.02.2003 erfolgten Vergleichsschluss vor dem OLG Stuttgart beendet. Dies hatte zur Folge, dass auch das Mandant beendet war (vgl. auch Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rn. 58). Daher stellt die Weigerung des Beklagte Ziff. 1, den Kläger bei der Anfechtung des Vergleiches zu vertreten, keine Kündigung sondern die Ablehnung eines neuen Vertragsschlusses dar. Eine andere Beurteilung wäre nur dann geboten, wenn der Vergleich tatsächlich unwirksam gewesen wäre, da dann durch den Vergleichsschluss der Rechtsstreit nicht beendet worden wäre. Dies behauptet der Kläger aber nicht. Auf die gebührenrechtliche Beurteilung kommt es nicht an.(2)

Selbst wenn man eine Kündigung annehmen würde, wäre die Sozietät hierzu durch vertragswidriges Verhalten veranlasst worden. Ein vertragswidriges Verhalten des Mandaten liegt vor, wenn dieser entgegen dem Rat des Anwalts an einer aussichtslosen Maßnahme festhält (Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rn. 894). Der insoweit beweisbelastete Kläger (vgl. hierzu BGH NJW 1997, 188) hat den Vortrag der Beklagten nicht widerlegt, dass die Anfechtung des Vergleichs weder aussichtsreich noch interessenrecht gewesen sei.2.

Die Klage hat auch hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs keine Aussicht auf Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob der Antrag insoweit hinreichend bestimmt ist (§ 253 Abs. 2 ZPO). Die Klage ist jedenfalls unbegründet, da ein Anspruch auf Unterlassung weder aus § 280 BGB i.V.m. der Verletzung nachvertraglicher Pflichten noch aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 43a Abs. 2 BRAO besteht.a)

Der Beklagte Ziff. 1 hat allein durch die Versendung der gegenüber der Rechtsanwaltskammer abgegebenen Stellungnahme an den Rechtsschutzversicherer des Klägers nicht gegen seine Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nach § 43 Abs. 2 BRAO setzt voraus, dass überhaupt ein Geheimnis preisgegeben wird. Dies ist nicht der Fall, wenn der Empfänger die Informationen schon kennt (Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 43a Rn. 55). Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Die Stellungnahme beinhaltet ausschließlich die Information, dass der Kläger von den Beklagten in zwei Gerichtsverfahren vertreten wurde und der Kläger Vorwürfe erhebt, weil der Beklagte Ziff. 1 keine OLG-Zulassung hatte und das Mandat nach Anfechtung eines gerichtlichen Vergleiches zur Unzeit gekündigt wurde. Dies war dem Rechtsschutzversicherer offenkundig bekannt, da der Kläger die Rechtsschutzversicherung informiert hatte, weil er wegen dieser angeblichen Verstöße die Beklagten in Regress nehmen wollte.b)

Ein Unterlassungsanspruch ist aber auch dann nicht gegeben, wenn man den Vortrag des Klägers unterstellt, dass der Beklagte Ziff. 1 dem Rechtsschutzversicherer neben der Stellungnahme auch Schriftsätze und Protokolle aus dem Verfahren gegen M... zur Verfügung gestellt hat. Dabei kann offen bleiben, ob hierin ein Verstoß gegen § 43a Abs. 2 BRAO liegt oder ob das - hier unterstellte - Verhalten des Beklagten Ziff. 1 zur Wahrung seiner berechtigten Interessen gerechtfertigt war. Es fehlt jedenfalls an einer Wiederholungsgefahr.aa)

Allerdings wird die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr bei erfolgter Verletzung vermutet (BGH NJW 2004, 1035). Diese Vermutung ist aber im vorliegenden Fall widerlegt, da aufgrund des Zeitablaufes und der eingetretenen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des - hier unterstellten - unzulässigen Verhaltens durch den Beklagten Ziff. 1 beseitigt ist (vgl. BGH NJW-RR 2001, 684).bb)

Wenn der Mandant Schadensersatz verlangt, ist der Anwalt befugt, das ihm Anvertraute zu offenbaren, soweit es zur Wahrung seiner Rechte erforderlich ist (BGH NJW-RR 1986, 646, 648; Henssler in Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a Rn. 109). Nachdem der Kläger die Beklagten unter anderem deswegen in Anspruch nimmt, weil sie das Mandat wegen inhaltlicher Differenzen über die Anfechtung des am 25.02.2003 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart geschlossenen Vergleichs nicht fortgesetzt haben, sind die Beklagten berechtigt, gegenüber Vertretern des Klägers und im Gerichtsverfahren auch zu Einzelheiten des Rechtsstreits und des Vergleichsschlusses Stellung zu nehmen. Daher kann eine Verletzung des § 43a Abs. 2 BRAO durch die Übersendung von Schriftsätzen und Protokolle aus dem Verfahren an den Rechtsschutzversicherer nur unter dem Gesichtspunkt angenommen werden, dass dies zur Verteidigung nicht erforderlich war, da die Anfrage des Zeugen S... nur das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Rechtsschutzversicherer betraf. Es ist aber völlig unwahrscheinlich, dass sich ein solcher Verstoß wiederholt. Das Motiv des Klägers war, durch die Stellungnahme dem Rechtsschutzversicherer des Klägers die Möglichkeit zu eröffnen, den Deckungsschutz zu verweigern und damit eine mögliche Auseinandersetzung im Vorfeld zu verhindern. Diese Motivation ist aufgrund der Geltendmachung der Ansprüche durch den Kläger entfallen. Dafür, dass die Beklagten Informationen aus dem Mandat an andere Dritte unberechtigt weitergeben werden, gibt es keine Anhaltspunkte. Die hier unterstellte Verletzungshandlung liegt bereits mehr als sieben Jahre zurück, ohne dass es zu weiteren Verstößen gekommen ist. Der Beklagte Ziff. 1 geht auch erkennbar nicht davon aus, dass er berechtigt ist, derartige Informationen an Dritte weiterzugeben. Vielmehr hat er sich durch die Kommunikation mit dem Rechtsschutzversicherer lediglich in einen Grenzbereich einer noch zulässigen Wahrnehmung berechtigter Interessen begeben.3.

Der Kläger hat auch, selbst wenn man zu seinen Gunsten eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch den Beklagten Ziff. 1 annimmt, keinen Entschädigungsanspruch. Ein Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG besteht nur bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. etwa BGH NJW 2005, 215). Dies kann - nachdem sich der Beklagte Ziff. 1 lediglich in einen Grenzbereich einer noch zulässigen Wahrnehmung berechtigter Interessen begeben hat - nicht angenommen werden.4.

Unbegründet ist auch der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht. Zwar setzt der begehrte Ausspruch nicht die Feststellung eines Mindestschadens voraus. Es ist aber erforderlich, dass zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass aufgrund der Pflichtverletzung ein Schaden entstehen kann (BGH GRUR 2001, 849, 850). Dies hat der Kläger nicht vorgetragen.

III.

Mangels Erfolgsaussichten der Berufung kann dem Kläger auch keine Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt werden (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

IV.

Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen die beteiligten Richter ist offensichtlich unzulässig und braucht deshalb nicht beschieden zu werden (vgl. BVerfG NJW 1987, 315). Es sind bzw. waren beim Senat eine Vielzahl von Verfahren anhängig, an denen der Kläger beteiligt ist. In nahezu allen Verfahren lehnt der Kläger die jeweilige Besetzung des Senats pauschal mit den immer gleichen Vorwürfen der Rechtsbeugung ab. Dies stellt - was in den genannten Verfahren bereits mehrfach entschieden wurde - kein Ablehnungsgrund dar.

V.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. zur Rücknahme der Berufung bis zum 01.04.2011.






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 09.03.2011
Az: 12 U 177/10


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