Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. April 2003
Aktenzeichen: 17 W (pat) 31/01

(BPatG: Beschluss v. 01.04.2003, Az.: 17 W (pat) 31/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Februar 2001 aufgehoben. Die Sache wird unter Zugrundelegung der in der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2003 überreichten Patentansprüche 1- 4 zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Ausgabevorrichtung"

wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen. In den Gründen wird ausgeführt, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei unklar. Insbesondere bedeute das im Patentanspruch 1 verwendete Merkmal: Ändern der intern gespeicherten Codedaten begrifflich etwas anderes, als die Beschreibung vermuten lasse. Dort sei nämlich in Wirklichkeit ein Umschreiben, Ersetzen oder Vertauschen gespeicherter Codedaten mittels neu aufzunehmender Codedaten gemeint. Unter "ändern" verstehe dagegen ein Fachmann eine Änderung der internen Codedaten an sich.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde.

In der mündlichen Verhandlung wurde ein neues Patentbegehren mit folgendem Patentanspruch 1 überreicht:

"1. Zeichenverarbeitungsgerät mit

(a) einer Speichereinrichtung (8) mit

(a1) einem ersten Bereich zum Speichern eines internen Zeichencodes, der einem 1-Bytebreiten Zeichencode entspricht, und

(a2) einem zweiten Bereich zum Speichern eines internen Zeichencodes, der einem 2-Bytebreiten Zeichencode entspricht;

(b) einer Zentraleinheit (2 S2-S5 und S7), die,

(b1) falls ein empfangener Code der 1-Bytebreite Zeichencode ist, auf den ersten Bereich zugreift und einen internen Zeichencode ausliest, der dem 1-Byte breiten Zeichencode entspricht, um ein Zeichenmuster auszulesen, das dem ausgelesenen internen Zeichencode entspricht, und die,

(b2) falls ein empfangener Code der 2-Bytebreite Zeilencode ist, auf den zweiten Bereich zugreift und einen internen Zeichencode ausliest, der dem 2-Byte breiten Zeichencode entspricht, um ein Zeichenmuster auszulesen, das dem ausgelesenen internen Zeichencode entspricht,

(c) wobei die Zentraleinheit (2, S106 und S107-S109),

(c1) falls ein Änderungsbefehl empfangen wird und danach Codedaten, die den 1-Bytebreiten Zeichencode enthalten, empfangen werden, den Inhalt des ersten Bereichs ändert, und

(c2) falls ein Änderungsbefehl empfangen wird und danach Codedaten, die den 2-Bytebreiten Zeichencode enthalten, empfangen werden, den Inhalt des zweiten Bereichs ändert."

Wegen der weiteren Patentansprüche 2 - 4 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Ebenfalls wurde in der mündlichen Verhandlung eine neue Aufgabe formuliert:

"Es ist Aufgabe der Erfindung, ein Zeichenverarbeitungsgerät bereitzustellen, das eine hochflexible Zeichenmusterausgabe ermöglicht".

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent unter Zugrundelegung der in der mündlichen Verhandlung am 1. April 2003 überreichten Patentansprüche 1 - 4 und der noch anzupassenden übrigen Unterlagen zu erteilen, ferner die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Die Anmelderin regt die Zurückweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt an.

Sie hält die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 für ausreichend klar.

Dessen Lehre liege auch eine erfinderische Tätigkeit zugrunde. Ferner rügt sie, ihr sei im patentamtlichen Verfahren insoweit das rechtliche Gehör verwehrt worden, als ihrem Antrag auf Anhörung nicht entsprochen worden ist.

II.

Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt (§ 79 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 PatG).

Der angefochtene Beschluß stützt sich ausschließlich auf das Patenthindernis der mangelnden Klarheit der Patentansprüche.

Einem Patentanspruch ist insbesondere dann Klarheit abzusprechen, wenn er in sich oder gegenüber der Beschreibung widersprüchlich ist oder Merkmale enthält, die für den Fachmann nicht eindeutig verständlich sind (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 34 Rdn 86 und 97). Davon kann bei den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen nicht ausgegangen werden. Der im Anspruch 1 enthaltene Begriff "ändern" ist weder für einen Fachmann so mehrdeutig und unbestimmt, daß er ihm keinen klaren technischen Inhalt zuordnen kann, noch steht "ändern" im Widerspruch zur Beschreibung. Der Beschreibungseinleitung ist der deutliche Hinweis auf eine Änderung bzw Veränderung des internen Zeichencodes entnehmbar, der auch in der Figurenbeschreibung fortgesetzt und dort dahingehend konkretisiert wird, daß es sich beim Ändern des internen Zeichencodes beispielsweise um ein Vertauschen oder sogar vollständiges Umschreiben des internen Zeichencodes handeln kann. Daher ist der Begriff "ändern" nicht auf die im angefochtenen Beschluß angeführte Bedeutung beschränkt.

Im übrigen kommt diesem Begriff allgemein die Bedeutung von "durch Hinzufügen, Wegnehmen, Streichen, Verschiebung von Details o.ä. Veränderungen bei etwas bewirken" zu (DUDEN, Bedeutungswörterbuch, 2. Aufl, S. 47). Allgemeiner ausgedrückt bedeutet "ändern", daß es einen Unterschied zwischen einem Vorher und einem Nachher gibt. Wie dieser Unterschied in bezug auf den internen Zeichencode herbeigeführt werden soll, ist für den Fachmann anhand der Beschreibung von unterschiedlichen Beispielen konkret belegt. Eine Unbestimmtheit des Begriffs "ändern" liegt daher nicht vor.

Bisher hat die Prüfungsstelle noch nicht die Patenterfordernisse der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit geprüft.

Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Hauptanspruch umfaßt ein Zeichenverarbeitungsgerät mit zwei Speicherbereichen zum Speichern von 1-Byte- und 2-Bytebreitem Zeichencode, auf die in Abhängigkeit vom empfangenen Code zugegriffen wird, um entweder den 1-Byte- und 2-Bytebreiten Zeichencode auszulesen oder diesen zu verändern. Zu diesem Aspekt hat die Prüfungsstelle bisher noch nicht Stellung genommen. Bei der weiteren Prüfung wird sich die Prüfungsstelle daher eingehend mit dem angezogenen Stand der Technik einschließlich der von der Anmelderin selbst in der Beschreibungseinleitung genannten Druckschrift auseinander zusetzen haben.

Die Sache ist somit zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an das Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (vgl Schulte, aaO, § 79 Rdn 20 f).

Die Anordnung, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, beruht auf § 80 Abs 3 PatG. Eine solche Rückzahlungsanordnung kommt in Betracht, wenn sie der Billigkeit entspricht (vgl zB Benkard, PatG GbmG, 9. Aufl, § 80 PatG Rdn 20 f). Dies ist vorliegend der Fall.

In der unterbliebenen Anhörung ist zwar nicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu sehen. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung bzw Anhörung, weil dieser auch im schriftlichen Verfahren erfüllt wird (vgl Schulte, aaO, vor § 24 Rdn 233), was mit den Eingaben vom 3. Januar 1997 und vom 5. Januar 1999 geschehen ist.

Eine Anhörung nach § 46 Abs 1 Satz 2 PatG ist aber grundsätzlich in jedem Verfahren einmal sachdienlich (Schulte, aaO, § 46 Rdn 9 mit Bezug auf BPatGE 18, 30). Bei einer Nachprüfung der Sachdienlichkeit der Anhörung ist dabei der Senat nach ständiger Rechtsprechung unter Ausschluß von Zweckmäßigkeitserwägungen beschränkt auf eine Rechtskontrolle (vgl auch Benkard, aaO, § 46 PatG Rdn 8). Nachdem die Gründe des angefochtenen Beschlusses aber jede Begründung für eine Ablehnung des Anhörungsantrags vermissen lassen, muß der Senat annehmen, dass die Prüfungsstelle den Anhörungsantrag gar nicht zur Kenntnis genommen, zumindest übersehen hat. Insoweit stellt die Nichtberücksichtigung des anmelderseitigen Vortrags einen gravierenden Rechtsfehler des Prüfungsverfahrens dar.

Die unterbliebene Anhörung war auch ursächlich für den Anfall der Beschwerdegebühr. Eine durchgeführte Anhörung hätte, nachdem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Formulierung einer klaren Lehre gelungen ist, wahrscheinlich die Einlegung der Beschwerde nebst Zahlung der Beschwerdegebühr, nur um eine Zurückverweisung der Sache zu erreichen, entbehrlich gemacht (vgl BPatGE 30, 207, 210 f).

Grimm Bertl Schuster Schmitt Bb






BPatG:
Beschluss v. 01.04.2003
Az: 17 W (pat) 31/01


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