Bundespatentgericht:
Urteil vom 9. Oktober 2008
Aktenzeichen: 2 Ni 43/06

(BPatG: Urteil v. 09.10.2008, Az.: 2 Ni 43/06)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 18. September 1997 zunächst als internationale Patentanmeldung angemeldeten europäischen Patents EP 0 927 293 (Streitpatent), für das die Prioritäten der Gebrauchsmusteranmeldungen DE 29616275 U vom 18. September 1996, DE 296618910 U vom 30. Oktober 1996 und DE 29701690 U vom 31. Januar 1997 in Anspruch genommen sind.

Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines einoder mehrteiligen Torblattes und umfasst 6 Patentansprüche, deren Wortlaut in der Verfahrenssprache Deutsch lautet:

1. Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines ein- oder mehrteiligen Torblatts, mit einem innerhalb einer bestimmten Wegstrecke hin- und hergehend motorisch angetriebenen Schlitten, an den das lageveränderlich geführte Torblatt angekuppelt ist, undmit einer C-förmigen Führungsprofilschiene (1) in der der Schlitten verschiebbar aufgenommen ist, wobei das C-Profil (10) aus einem Blech ausgeformt ist, dadurch gekennzeichnet, dass in den Übergangsbereichen zwischen dem Steg (14) des C-Profils (10) und dessen anschließenden U-Schenkeln (13) sowie zwischen diesen und den von deren dem Steg (14) abgewandten Längsrandbereichen abstrebenden, mit ihren Enden (15, 16) einander zugewandten Endbereichen des C-Profils (10) jeweils vorspringende Leisten (11, 12) ausgebildet sind, die von der senkrecht zum Steg (14) verlaufenden Längsmittelebene (17) des C-Profils (10) senkrecht abragen, dass die Leisten als Bördelungen ausgebildet sind, und dass am Einsatzort Haltelaschen (4; 5), die nach oben oder nach unten hin gesehen ortsfest verankert sind, die Leisten bzw. Bördelungen (11; 12) klemmend übergreifen.

2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die vorspringenden Leisten bzw. Bördelungen (11, 12) mit den jeweils angrenzenden Schenkeln (13) außenseitig des C-Profils (10) gelegene nutförmige Aufnahmeräume (18) bilden, in die Verstärkungs- und/oder Verbindungsprofile (2, 3) für die verlängerte Ausbildung der Schiene einsetzbar sind.

3. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Leisten bzw. Bördelungen (11, 12) jeweils mit der Außenfläche des Steges (14) bzw. den Außenflächen der Endbereiche mit den Enden (15, 16) des C-Profils (10) bündig auslaufend ausgebildet sind.

4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das C-Profil (10) im Wesentlichen im Querschnitt rechteckig ausgebildet ist.

5. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Haltelaschen (4, 5) als gekröpfte Halteleisten ausgebildet sind.

6. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass das C-Profil (10) aus Stahl oder Aluminium besteht.

Die Klägerin macht geltend, es liege der Nichtigkeitsgrund einer unzulässigen Erweiterung vor, da die dem Streitpatent zugrunde liegende Anmeldung (WO 98/12407 A1) auf eine C-förmige Führungsschiene gerichtet gewesen sei, durch das Streitpatent aber eine Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines ein- oder mehrteiligen Torblatts geschützt sei.

Des Weiteren macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Patents weise gegenüber dem Stand der Technik keine erfinderische Qualität auf.

Zur Stützung ihres Vorbringens verweist die Klägerin auf folgende Unterlagen:

X1 EP 0 927 293 B1 (Streitpatent)

X2 DE 93 19 898 U1 X3 WO 95/07401 A1 X4 DE 94 03 746 U1 X5 CH-PS 409 687 X6 Merkmalsgliederung des Anspruchs 1 X7 Anmeldeunterlagen WO 98/12407 A1 X8 Eingabe der Beklagten vom 5. März 1999 an EPA (Prüfungsverfahren)

X9 US-Des. 231,326 X10 DE-OS 14 04 030 X11 CH 644 258 A5 X12 S 617 aus "Dubbels Taschenbuch für den Maschinenbau II", 12. Auflage 1963 X13 Internetausdruck http://de.wikipedia.org/wiki/strangpressen vom 18. Dezember 2007 Die Klägerin beantragt, das Streitpatent für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig.

Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der in der Verhandlung übergebenen Fassung der Patentansprüche, die aus einer Zusammenfassung der erteilten Patentansprüche 1, 3 und 4 mit angepassten verbleibenden Unteransprüchen besteht (vgl. Anlage zum Protokoll vom 9. Oktober 2008).

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als in der Sache unbegründet, da die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe gemäß Art. 138 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 1 Buchst. a EPÜ i. V. m. Art. 56 EPÜ nicht vorliegen.

I.

1. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines ein- oder mehrteiligen Torblatts mit einem hin- und hergehend angetriebenen Schlitten, der in einer C-förmigen Profilschiene aufgenommen ist. Derartige Vorrichtungen finden auch im privaten Bereich zunehmend Anwendung; sie werden an oder unterhalb der Garagendecke derart montiert, dass die C-förmige Profilschiene mit ihrer Längsöffnung nach unten weist und sich in Längsrichtung der Garage erstreckt. Bewegt sich der mit dem Garagentor gelenkig verbundene Schlitten ins Garageninnere, zieht er das Tor hinter sich her bis zu vollständigen Offen-Stellung.

Einfach gestaltete C-Profile aus Blech der aus dem deutschen Gebrauchsmuster 93 19 898 (Anl. X2) bekannten Art sind in der Streitpatentschrift (Abs. [0003]) als wenig formstabil beschrieben.

2. Vor diesem Hintergrund sieht es das Streitpatent als Aufgabe an, eine Vorrichtung der eingangs der Streitpatentschrift genannten Art zu schaffen, deren C-förmige Führungsprofilschiene mit technisch einfachen Mitteln eine niedrige Profilhöhe mit ausreichender Steifigkeit aufweist, wobei die Befestigung der Führungsprofilschiene zumindest weitgehend verspannungsfrei erfolgen kann (Abs. [0004] der Streit-PS).

3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in seinem Patentanspruch 1 in der als Anlage X6 zum Klageschriftsatz eingereichten gegliederten Fassung eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines ein- oder mehrteiligen Torblatts, mit einem innerhalb einer bestimmten Wegstrecke hin- und hergehend motorisch angetriebenen Schlitten, an den das lageveränderlich geführte Torblatt angekuppelt ist;

2. die Vorrichtung ist mit einer C-förmigen Führungsprofilschiene versehen, in der der Schlitten verschiebbar aufgenommen ist;

3. das C-Profil ist aus einem Blech ausgeformt;

4. in den Übergangsbereichen 4a. zwischen dem Steg des C-Profils und dessen anschließenden U-Schenkeln sowie 4b. zwischen den U-Schenkeln und den von deren dem Steg abgewandten Längsrandbereichen abstrebenden, mit ihren Enden einander zugewandten Endbereichen des C-Profils sind jeweils vorspringende Leisten ausgebildet;

5. die vorspringenden Leisten ragen von der senkrecht zum Steg verlaufenden Längsmittelebene des C-Profils senkrecht ab;

6. die Leisten sind als Bördelungen ausgebildet; und 7. am Einsatzort übergreifen Haltelaschen, die nach oben oder nach unten hin gesehen ortsfest verankert sind, die Leisten bzw. Bördelungen klemmend.

4. Als für das Verständnis des Streitpatents und dessen ursprünglicher Offenbarung in den Anmeldeunterlagen sowie für die Beurteilung des Standes der Technik zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Maschinenbau-Techniker mit Kenntnissen der Metallumformung und mit Berufserfahrungen bei Konstruktion, Montage und dem Betrieb von Garagentor-Antrieben an.

II.

1. Zulässigkeit der Änderungen im Prüfungsverfahren Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist zur Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand der Patentansprüche in der erteilten Fassung des Patents über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht und deshalb der Nichtigkeitsgrund des Art. 2 § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c vorliegt, die durch das Patent definierte Lehre mit dem gesamten Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung zu vergleichen. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung in ihrer Gesamtheit das in den erteilten Patentansprüchen niedergelegte Schutzbegehren umfasst. Den mit der Anmeldung ursprünglich formulierten Patentansprüchen kommt im Rahmen des Erteilungsverfahrens keine eine weitergehende Offenbarung in der Beschreibung einschränkende Bedeutung zu (vgl. BGH GRUR 2005, 1023 - Einkaufswagen II - Leitsatz).

In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen des Streitpatents ist nicht nur allgemein eine C-förmige Führungsprofilschiene offenbart, diese sollte vielmehr nach der Beschreibung und dem Oberbegriff des damalig beanspruchten Anspruchs 1 "für die verschiebbare Aufnahme eines innerhalb einer bestimmten Wegstrecke hin- und hergehend motorisch angetriebenen Schlittens, an den ein lageveränderlich geführter Gegenstand, insbesondere ein ein- oder mehrteiliges Torblatt, angekoppelt ist" (1. Absatz der Beschreibung, Oberbegriff des damaligen Anspruchs 1), bestimmt sein.

Die ursprüngliche Offenbarung umfasst daher auch die Vorrichtung, für die das Streitpatent erteilt wurde. Der Beklagten blieb es unbenommen, den Gegenstand der Anmeldung bei der Aufstellung der Patentansprüche abweichend von den ursprünglichen Unterlagen zu formulieren, solange nicht der Gegenstand der Anmeldung erweitert oder ein Aliud an die Stelle der angemeldeten Erfindung gesetzt wurde (vgl. BGH GRUR - RR 2008, 887 - Momentanpol II, - Abs. 12).

Die von der Beklagten angeführte (Eingabe vom 2. April 2007) Entscheidung "Elektronisches Modul" des BGH (GRUR 2005,145) befasst sich demgegenüber mit einer Änderung nach Erteilung des Patents, wobei dann eine Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen nicht mehr ausreicht, um einen anderen Gegenstand nachträglich in den Patentschutz einzubeziehen.

2. Gegenstand des Patents Aus der Sicht des oben genannten Fachmanns bedürfen zahlreiche Anspruchsmerkmale des Patentanspruchs 1 einer Auslegung unter Berücksichtigung der Patentbeschreibung und der Zeichnungen, um den unter Schutz gestellten Gegenstand zu ermitteln und mit dem Stand der Technik vergleichen zu können.

Mit den Angaben C-förmig bzw. C-Profil in den Merkmalen 2 bzw. 3 sind im Hinblick auf die danach folgenden Anspruchsmerkmale im Streitpatent nicht alle bekannten Erscheinungsformen des dritten Großbuchstabens im deutschen Alphabet als Schienenquerschnitte unter Schutz gestellt. Denn nach Merkmal 4a weist das anspruchsgemäße C-Profil einen Steg und (daran) anschließende U-Schenkel auf, worunter der Fachmann zwei zueinander parallele, gleichlange Schenkel versteht, die an den Enden eines im Wesentlichen geraden Stegs an dessen Enden rechtwinklig anschließen.

Merkmal 4b lehrt für ein solches Profil, dass an den dem Steg abgewandten Endbereichen der U-Schenkel einander zugewandte Endbereiche des C-Profils abstreben, die - aufgrund der Parallelität und gleichen Länge der U-Schenkel (s. o.) - dem anspruchsgemäßen C-Profil einen insgesamt im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt geben.

Die am Ende von Merkmal 4 erstmals genannten Leisten sollen für einen solchen Querschnitt in den Übergangsbereichen zwischen Steg und U-Schenkeln bzw. U-Schenkeln und Endbereichen vorspringen. Sie sind damit - wie auch der Vertreter der Patentinhaberin hinsichtlich des Verständnisses des erteilten Patentanspruchs in der mündlichen Verhandlung grafisch erläutert hat - jeweils an den Ecken des im Wesentlichen rechteckigen C-Profils angeordnet.

Steg und Schenkel stoßen dabei nicht in einem Eckpunkt zusammen, sondern in einem Übergangsbereich, in dem der Fachmann eine Abrundung mit einem bei Blechbiegeteilen unvermeidbaren Biegeradius sieht.

Gemäß Merkmal 5 sollen die vorspringenden Leisten darüber hinaus von der senkrecht zum Steg verlaufenden Längsmittelebene des C-Profils senkrecht abragen. Hierunter versteht der Fachmann eine in Erstreckungsrichtung der gesamten Leiste verlaufende Ebene. Im Hinblick auf das vorangehend erläuterte Verständnis der Begriffe Übergangsbereich bzw. C-Profil verlaufen die Leisten dann aber im Wesentlichen auch bündig mit der Außenfläche des Steges bzw. den Außenflächen der Endbereiche - wiederum entsprechend der grafischen Erläuterung des Vertreters der Patentinhaberin.

Wenn die anspruchsgemäßen Leisten als Bördelungen ausgebildet sein sollen (Merkmal 6), so versteht der Fachmann hierunter einen auskragenden und am freien Ende der Leiste auf sich selbst zurückgebogenen Bereich des aus einem Blech ausgeformten C-Profils.

Merkmal 7 versteht der Fachmann im Hinblick auf die zutreffend und durchgehend einheitliche Patentkategorie weder als Montagevorschrift noch wird die gegenständliche Ausbildung der vorangehend beschriebenen Vorrichtung hierdurch in ein Verfahrenspatent verändert.

Die Haltelasche ist vielmehr ein lose beigepacktes und bedarfsweise verwendbares Zubehörteil.

3. Patentfähigkeit 3.1 Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ), da er nicht zum Stand der Technik gemäß einer der Entgegenhaltungen gehört. Gegenteiliges macht die Klägerin auch nicht geltend.

Weder die aus dem deutschen Gebrauchsmuster 93 19 898 (Anl. X2) noch die aus der internationalen Patentanmeldung WO 95/07401 A1 (Anl. X3) bekannten Vorrichtungen zum motorischen Antreiben eines Torblatts weisen in den Übergangsbereichen zwischen Steg und U-Schenkeln bzw. U-Schenkeln und Endbereichen ihrer aus Blech ausgeformten C-förmigen Führungsprofilschiene als Bördelungen ausgebildete vorspringende Leisten auf.

Für die Profilschiene 7 der im deutschen Gebrauchsmuster 94 03 746 (Anl. X4) bekannten Vorrichtung zum Öffnen und Schließen von Toren ist weder angegeben noch aus den Figuren ersichtlich, dass diese aus einem Blech geformt ist.

Vielmehr erkennt der Fachmann aufgrund der Schrägflächen und Hinterschneidungen eine für Strangpress- bzw. Stranggussteile typische Querschnittskontur.

Auch wenn das Stranggießen erst im dortigen Schutzanspruch 49 als Herstellungsverfahren der C-Profilschiene erwähnt ist, ist dem Fachmann - entgegen der Ansicht der Klägerin - dort keine aus Blech geformte Profilschiene offenbart. Wie der Vertreter der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung zutreffend vorgetragen hat, ist die Herstellung der rechteckigen Profile 7i, 7k, 7l, 7m (Fig. 6 i. V. m. S. 11 Abs. 1) aus einem zuvor gebördelten und deshalb doppellagigem Blech sehr schwierig, wenn nicht unmöglich: Der Fachmann liest deshalb in dieser Druckschrift keinesfalls eine Herstellung dieser Schiene aus umgeformtem Blech mit.

Die in den als Anlagen X5, X 9, X 10 und X11 entgegengehaltenen Druckschriften betreffen keine Vorrichtungen gemäß Merkmal 1 des erteilten Hauptanspruchs, sondern Vorhang- und/oder Möbelschienen, und können schon deshalb dessen Gegenstand nicht vorwegnehmen.

3.2 Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist durch den Stand der Technik für den Fachmann auch nicht nahegelegt (Art. 56 EPÜ).

3.2.1. Aus dem - nach Ansicht des Senats nach wie vor als nächstkommender Stand der Technik zu berücksichtigenden - deutschen Gebrauchsmuster 93 19 898 (Anl. X2) ist eine Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines Torblatts bekannt mit einem innerhalb einer bestimmten Wegstrecke hin- und hergehend motorisch angetriebenen Schlitten (dort: gleitend geführter Mitnehmer), an den das lageveränderlich geführte Torblatt angekuppelt ist (S. 1 Abs. 1 und 2).

Solche Torblätter waren schon vor dem jüngsten Prioritätstag des Streitpatents regelmäßig entweder ein- oder mehrteilig ausgeführt. - Merkmal 1 -

Die bekannte Vorrichtung ist mit einer - im Wortsinn des erteilten Patentanspruchs 1 - C-förmigen Führungsprofilschiene (1) versehen, in der der Schlitten verschiebbar aufgenommen ist (Fig. 1 i. V. m. S. 1 letzte zwei Zeilen). - Merkmal 2 -

Das C-Profil ist aus einem Blech ausgeformt (Fig. 1 i. V. m. S. 4 Abs. 1). - Merkmal 3 -

Abweichend von den weiteren Merkmalen 4 bis 6 sind an den Übergangsbereichen des Profils keine vorspringenden Leisten vorgesehen; damit sind auch Haltelaschen gemäß Merkmal 7 nicht verwendbar und mithin auch nicht offenbart, auch wenn das Erfordernis von Befestigungsmitteln an sich dort als selbstverständlich mitzulesen ist (S. 1 letzte vier Zeilen).

Zwar ist die im Streitpatent (Abs. [0004]) angegebene erste Teilaufgabe (niedrige Profilhöhe, ausreichende Steifigkeit) -wie die Klägerin zutreffend festgestellt hat - im deutschen Gebrauchsmuster 93 19 898 (Anl. X2) bereits angesprochen (S. 3 Abs. 3) und dort auch gelöst durch doppellagige, insbesondere durch Bördelungen hergestellte Endbereiche 3 (Fig. 1 i. V. m. Anspr. 1 und 2 sowie S. 4 Abs. 1 und S. 5 le. Zeile bis S. 6 Z. 3).

Jedoch stellt sich dieses Problem dem Fachmann schon zur Kostenverringerung durch regelmäßig anzustrebende Materialeinsparung in der Praxis immer wieder von selbst, so dass der Fachmann gehalten ist, auch diese bekannte Schiene weiter aufgabengemäß zu verbessern.

Hierzu findet der Fachmann in den Entgegenhaltungen aus dem Stand der Technik weder ein Vorbild noch Anregungen, eine niedrigere Profilhöhe mit ausreichender Steifigkeit mit dem zusätzlichen Vorteil der Verwendung von einfachen Verstärkungs- und/oder Verlängerungsprofilen durch die Kombination der Merkmale 4 bis 6 des erteilten Patentanspruchs 1 mit dem zusätzlichen Vorteil einer einfachen Befestigungsmöglichkeit gemäß Merkmal 7 zu erzielen.

Zwar ist im Zusammenhang mit der Bereitstellung eines schlupffreien, billigen und geräuscharmen Antriebs auch in der Veröffentlichung WO 95/07401 A1 (Anl. X3) einer internationalen Patentanmeldung eine Vorrichtung mit den Merkmalen 1 bis 3 des erteilten Patentanspruchs 1 bekannt (Fig. 1 und 4 bis 6 i. V. m. S. 1 Abs. 1, S. 11 Abs. 2, Anspr. 17), wobei ein Schlitten als Mitnehmer durch einen Hinweis auf den durch Rollen herabgesetzten Bewegungswiderstand dort vom Fachmann mitgelesen wird.

Auch diese aus Blech geformte und - im Wortsinn des erteilten Patentanspruchs 1 (s. o.) - ebenfalls C-förmige Profilschiene 12 weist keine vorspringenden Leisten gemäß den Merkmalen 4 bis 6 des erteilten Anspruchs 1 auf.

Beide U-Schenkel sind mit nach außen vorspringenden Wangen 19 versehen (Fig. 4 bis 6, S. 12 Abs. 2, Anspr. 16) zur Aufnahme von Schraubenköpfen für den Anschluss von Haltemitteln in Form von Befestigungs-Winkelprofilen 17 oder von Verbindungsteilen 23 für das Aneinanderreihen mehrerer Schienen (S. 12 Abs. 2).

Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang das Vorhandensein dieser Wangen eine höhere Steifigkeit dieser Schienen im Vergleich zu glatten U-Schenkeln zur Folge hat. Denn diese Druckschrift könnte den Fachmann allenfalls dazu anregen, die U-Schenkel 9 der aus dem deutschen Gebrauchsmuster 93 19 898 (Anl. X2) bekannten C-Profilschiene zur Versteifung mit solchen Wangen zu versehen. Einen Hinweis oder Anregung auf die anspruchsgemäß vorspringenden Leisten bekommt der Fachmann aus dieser Druckschrift nicht.

3.2.2. In dem deutschen Gebrauchsmuster 94 04 746 (Anl. X4) ist eine Vorrichtung zum motorischen Antreiben eines ein- oder mehrteiligen Torblatts beschrieben (Titel, S. 1 Abs. 1 bis 3) mit einem innerhalb einer bestimmten Wegstrecke hin- und hergehend motorisch angetriebenen Schlitten 140 (Fig. 1b, 2, 6 und 7, S. 10 Abs. 3) an den das lageveränderlich geführte Torblatt angekuppelt ist. - Merkmal 1 -

Auch wenn die Schiene der bekannten Vorrichtung aus insgesamt drei C-förmigen Führungsprofilen zusammengesetzt ist (Fig. 6), ist das in Einbaulage (Fig. 6) nach unten offene, der Schlittenführung dienenden Profil eine - im Wortsinn des erteilten Patentanspruchs 1 - Merkmal 2 - C-förmige Führungsprofilschiene, in der der Schlitten 140 verschiebbar aufgenommen ist (Fig. 6, S. 10 Abs. 4 bis 6). - Merkmal 2 -

Wie im Zusammenhang mit der Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber dieser Druckschrift erläutert, ist dort das C-Profil jedoch nicht aus einem Blech ausgeformt, so dass dort weder Merkmal 3 noch Merkmal 6 des gegliederten Patentanspruchs 1 verwirklicht sind.

Zwar sind in den Übergangsbereichen zwischen dem Steg 7a des C-Profils und dessen anschließenden U-Schenkeln 7b, 7c (Fig. 6) jeweils vorspringende Leisten 7i, 7l ausgebildet (S. 11 Abs. 1). - Merkmale 4 und 4a -

Diese weisen aber - ebenso wie die mit Abstand zu den Übergangsbereichen 7f, 7g angeordneten Leisten 7k, 7g - einen rechteckigen Querschnitt auf, so dass die bekannte Vorrichtung weder das Merkmal 4b des erteilten Patentanspruchs 1 noch dessen Merkmal 5 aufweist und auf diese Merkmale somit auch keine Anregung geben kann.

Am Einsatzort übergreifen - entgegen dem Vortrag der Klägerin - auch keine Haltelaschen die Leisten, wie Merkmal 7 des erteilten Patentanspruchs 1 vorschreibt. Vielmehr ist für nicht detailliert dargestellte Befestigungshaken 25, 26 lediglich angegeben, dass diese in die seitlichen Profile der Laufschiene 7 eingeschoben werden (S. 7 Abs. 3 und S. 11 Abs. 2). Hierunter versteht der Fachmann ein formschlüssiges Eingreifen in jedes der seitlich gebildeten C-förmigen Halteprofile unter Nutzung sowohl des oberen (7i, 7l) als auch des unteren (7k, 7m) rechteckigen Profils.

Die dort bekannten rechteckförmigen Leisten können somit schon aufgrund ihrer von den dortigen Haltevorrichtungen bestimmten Formgebung, die zu ändern dem Fachmann jeder Anlass fehlt, keine Anregung auf die Merkmalskombination 4 bis 6 des erteilten Anspruchs 1 geben.

Entgegen der Ansicht der Klägerin gelangt der Fachmann aber auch nicht, ausgehend von der aus dem deutschen Gebrauchsmuster 94 03 746 (Anl. X4) bekannten Vorrichtung, durch Übernahme von Merkmalen aus Stranggussprofilen zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1, ohne erfinderisch tätig zu werden.

Nachdem für Vorrichtungen gemäß Merkmal 1 des erteilten Patentanspruchs 1 sowohl aus Blech geformte als auch als Strang geformte Führungsprofilschienen unterschiedlichster Querschnittsgestalt gebräuchlich sind, widerspricht es nach Ansicht des Senats fachmännischem Handeln, ausgehend von der aus dem deutschen Gebrauchsmuster 94 03 746 (Anl. X4) bekannten Anordnung daran zu denken, deren kompliziertes Laufschienenprofil 7 mittels Blechumformung herstellen zu wollen, wie die Klägerin vorgetragen hat.

Will der Fachmann für diese Vorrichtung - wie die Klägerin erwogen hat - zur Nutzung einer bereits vorhandenen Maschinenausstattung auf ein Blechprofil übergehen, so wird er diesbezüglich Informationen über bereits bekannte Blechprofile einholen, nicht aber das komplizierte Strangpress-/Stranggussprofil solange umkonstruieren, bis es für Blechumformung und Bördelungsvorgänge geeignet ist.

3.2.3 Der für die Verbesserung und Weiterentwicklung bekannter Garagentorantriebe zuständige Fachmann hat keinen Anlass, sich mit der Gestaltung und Fertigungstechnik von Vorhang- bzw. Möbelschienen (Anl. X 5, X 9, X 10, X 11) zu befassen. Denn es widerspricht nach Ansicht des Senats der Lebenserfahrung, dass dieser nach einer Lösung auf einem Gebiet sucht, das von der Gestaltung, der Bemessung und insbesondere der Kräfteverteilung der dort eingesetzten Schienen her deutlich anders beschaffen ist. So ist zu berücksichtigen, dass z. B. unter Putz verlegte Vorhangschienen (Anl. X 10) relativ flach ausgestaltet und zudem gegen seitliche Kräfte gesichert sind. Dasselbe gilt für Laufschienen, die in einem Träger aus Holz eingebettet sind (Anl. X 5), oder für Möbelauszüge, die in einer Führung laufen.

Deshalb stellen die auf diesem entfernten Fachgebiet bekannten weiteren Druckschriften hinsichtlich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit keinen dem Fachmann bekannten relevanten Stand der Technik für das angegriffene Patent dar, wie die Klägerin meint.

Im Übrigen zeigen die in diesen Druckschriften gezeigten Schienenprofile lediglich einzelne Merkmale oder Teilmerkmale des erteilten Anspruchs 1 auf, mit denen der Fachmann nicht, ohne erfinderisch tätig zu werden, die aus dem deutschen Gebrauchsmuster 93 19 898 (Anl. X2) bekannte Schiene zu einer Schiene mit den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 verändern würde, um zur Lösung der 1. Teilaufgabe des Streitpatents zu gelangen.

Die Laufschiene gemäß der schweizerischen Patentschrift 409 687 (Anl. X5) für Schiebetüren von Möbelstücken oder Vorhängen (S. 1 Z. 1 bis 6) weist zwei vorspringende Leisten 8 in den Übergangsbereichen zwischen den U-Schenkeln 4 und den einander zugewandten Endbereichen (bei 3) des C-Profils auf. Diese dienen aber als Anschlag zur Begrenzung der Tiefenlage der Schiene in einer Nut (S. 1 Z. 54 bis 57), so dass der Anbringungsort dem Fachmann keine Anregung zur aufgabengemäßen Stabilisierung eines Schienenprofils gibt.

Auch wird die Dicke der Rippen 18 den Fachmann nicht daran denken lassen, die dort als Strangpressprofil dargestellte Schiene aus einem Blech mit Bördelungen zu formen.

Das amerikanische Geschmacksmuster Des. 231.326 (Anl. X9) für eine Vorhangschiene zeigt zwar eine C-förmige Profilschiene mit den anspruchsgemäßen Teilmerkmalen 3 bis 4a, 5 und 6. Da aber über die Bedeutung und Bemessung der einzelnen Profilbereiche hinsichtlich Profilhöhe und Steifigkeit keine Angaben vorhanden sind, belegt diese Druckschrift lediglich das allgemeine Fachwissen der Blechumformung am Beispiel einer Vorhangschiene.

Da Einputzschienen der aus der deutschen Offenlegungsschrift 14 04 030 (Anl. X10) bekannten Art nach dem Einputzen auf der gesamten Länge formschlüssig eingebettet sind, erfolgt die Bemessung des Metallprofils nach ganz anderen Gesichtspunkten als bei einer im Wesentlichen frei verlegten Führungsprofilschiene eines Garagentorantriebs.

Die in den Figuren 2 und 4 der schweizerischen Patentschrift 644 258 (Anl. X11) gezeigten, aus Blech geformten C-förmigen Schienen für Vorhänge mit Gleitern (Titel) gehen mit ihren Ausbuchtungen 12, 22 nicht über den aus der internationalen Patentanmeldung WO 95/07401 A1 (Anl. X3) bekannten Stand der Technik hinaus.

Der Klägerin ist nach alledem zwar zuzugeben, dass sich zahlreiche Teilmerkmale des erteilten Patentanspruchs 1 im entgegengehaltenen Stand der Technik nachweisen lassen.

Jedoch fehlt dem Fachmann jeder Anlass, aus dem Stand der Technik bei unterschiedlichen Querschnittsgestaltungen und Fertigungsverfahren bekannte Einzelheiten herauszugreifen und zur anspruchsgemäßen Merkmalskombination zusammenzufügen, bei der die Merkmale 4 bis 6 hinsichtlich der Vorteile einer Profilversteifung mit gleichzeitig einfacher Befestigungsmöglichkeit (Fig. 2 des Streitpatents) und bedarfsweiser Verstärkungs- bzw. Verlängerungsmöglichkeit (a. a. O. Fig. 3) durch Nutzung der anspruchsgemäß abragenden Leisten sich gegenseitig ergänzend zusammenwirken.

4. Hilfsantrag Da der Gegenstand des recht verstandenen erteilten Patentanspruchs 1 - wie dargelegt - durch den Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt ist, kam der Hilfsantrag nicht mehr zum Tragen.

Die erteilten Patentansprüche 2 bis 6 haben mit dem Patentanspruch 1 Bestand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

Sredl Gutermuth Dr. Kaminski Dr. Scholz Groß

Be






BPatG:
Urteil v. 09.10.2008
Az: 2 Ni 43/06


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