Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Mai 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 215/04

(BPatG: Beschluss v. 24.05.2005, Az.: 27 W (pat) 215/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. Juli 2004 aufgehoben.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit dem angefochtenen Beschluss die als Wortmarke für "Schuhwaren" angemeldete Wortfolge Hier geht«s langnach §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Denn wie die Anmelderin selbst nicht in Zweifel ziehe, sei die angemeldete Bezeichnung als saloppe Aufforderung und Wegweisung geeignet, den Kunden in ein bestimmtes Geschäftslokal zu leiten, und werde auch nur so verstanden. Da es sich um eine sprachlich und inhaltlich eindeutige Werbeaufforderung handele, die keinerlei Interpretation von Seiten der angesprochenen Verbraucher bedürfe, werde sie vom Verkehr nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel aufgefasst.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält die angemeldete Wortfolge für unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig. Sie könne zwar als saloppe Aufforderung verstanden werden, einen bestimmten Weg einzuschlagen, aber nicht als konkrete Kaufaufforderung ausgelegt werden. Der Slogan stelle auch keine sprachlich und inhaltlich eindeutige Werbeaufforderung dar, die Richtung zu einem bestimmten Schuhladen einzuschlagen; dies würde komplizierte Gedankenprozesse erfordern, die der Verkehr bei einer Marke aber nicht anstelle. Anders als "Test it" oder "select iT" enthalte die Wortfolge auch keine unmittelbare oder mittelbare Aufforderung an die Verbraucher, die Produkte der Anmelderin zu kaufen. Da sich Werbewirkung und Identifizierungsfunktion nicht gegenseitig ausschlössen, könne der Anmeldemarke die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Mangels konkreten Bezugs zu Schuhwaren sei sie auch nicht freihaltebedürftig.

II Der nach den §§ 64, 66, 165 Abs. 4 und 5 MarkenG (i.d. bis Ende 2004 geltenden Fassung) zulässigen Beschwerde kann im Ergebnis der Erfolg nicht versagt werden, weil der Eintragung der Anmeldemarke keine absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstehen.

An der angemeldeten Wortfolge besteht - wovon auch die Markenstelle zutreffend ausgegangen ist - kein Freihaltebedürfnis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] - DOUBLEMINT) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Es ist aber nicht erkennbar, welche für den Warenverkehr wichtigen und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsamen Merkmale (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 - FÜNFER) der beanspruchten Schuhwaren durch die Wortfolge "Hier geht«s lang" beschrieben werden könnten.

Das angemeldete Zeichen entbehrt entgegen der Auffassung der Markenstelle für die beanspruchten Schuhwaren aber auch nicht jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. (BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH;; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen.

Neben dem vorliegend nach den vorstehenden Ausführungen erkennbar nicht gegebenen Fall eines für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalts (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m.w.N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) kann auch werbemäßigen Aussagen die erforderliche Unterscheidungskraft fehlen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann hiervon aber im Hinblick darauf, dass sich Identifizierungsfunktion und Werbewirkung nicht gegenseitig ausschließen (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung), nur dann die Rede sein, wenn sie sich in beschreibenden Angaben oder Anpreisungen allgemeiner Art erschöpfen (vgl. BGH, a.a.O. - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - Test it.; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Als Indizien für die Schutzfähigkeit einer Werbeaussage sprechen dabei ihre Kürze, Originalität und Prägnanz genauso wie ihre Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit (vgl. BGH, a.a.O. - Unter uns).

Nach diesen Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, dass die angemeldete Wortfolge sich in einer allgemeinen Werbeaussage erschöpft. Dabei ist schon zweifelhaft, ob - wie die Markenstelle ausgeführt hat - ein maßgeblicher Teil der angesprochenen Verbraucher sie in dem Sinne verstehen werden, dass diese hiermit in ein bestimmtes Geschäftslokal geleitet werden sollen. Denn eine solche Interpretation wird sich dem Verkehr nur dann aufdrängen, wenn sie die angemeldete Wortfolge allein in Verbindung mit einem Ladenlokal wahrnehmen, etwa in Form einer Bezeichnung des Geschäftslokals oder als werbenden Hinweis auf dieses. Finden sie die angemeldete Wortfolge dagegen - wovon bei einer markenmäßigen Verwendung der Anmeldemarke allein auszugehen ist - in unmittelbarer Verbindung mit den beanspruchten Waren, hier also als Bezeichnung von Schuhen, wird ein solches Verständnis der Wortfolge für sie auch dann eher fern liegen, wenn sie die Schuhe beispielsweise in Anzeigen, im Schaufenster oder in den Auslageregalen eines Schuhgeschäfts erblicken, weil diese hierdurch nicht auf ein bestimmtes Verkaufslokal hinweisen.

Aber selbst wenn man diese Interpretation der Markenstelle in Betracht zieht, ist die Kennzeichnung bezogen auf die beanspruchten Schuhwaren auf jeden Fall mehrdeutig. Denn bei der Wortfolge "Hier geht«s lang" drängt sich in bezug auf Schuhwaren ohne weiteres, wenn nicht sogar vorrangig die weitere Bedeutung von "gehen" als Tätigkeitswort im Sinne von "fortbewegen" auf. Insoweit bringt sie zum Ausdruck, dass die damit gekennzeichneten Schuhe demjenigen, der sie erwirbt, den Weg "zeigen", wenn er mit ihnen geht. Selbst wenn man also die Interpretation der Markenstelle für möglich erachtet, entbehrt die angemeldeten Bezeichnung wegen dieser erkennbaren Doppeldeutigkeit nicht einer gewissen Eigenart, die erforderlich, aber auch ausreichend ist, um sie zu einem eingängigen und aussagekräftigen Slogan zu machen, der über eine warenbezogene Werbeaussage allgemeiner Art hinausgeht (vgl BGH GRUR 2000, 321 - Radio von hier; GRUR 2000, 720, 721 - Unter uns).

Da sich die angemeldete Wortfolge im Schuhwarenbereich auch nicht zu einer allgemein sprachgebräuchlichen oder verkehrsüblichen Bezeichnung im Sinne des § 8 Abs 3 Nr 3 MarkenG entwickelt hat, war der angefochtene Beschluss auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.

Dr. van Raden Prietzel-Funk Schwarz Na






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Beschluss v. 24.05.2005
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