Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 2/02

(BPatG: Beschluss v. 10.12.2003, Az.: 28 W (pat) 2/02)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patentamt ist am 8. Juni 1982 unter der Nummer 1 034 262 die Bildmarke Grafik der Marke 1034262 für die Waren

"Rasierapparate; Einzelteile der genannten Waren, soweit in Klasse 8 enthalten"

aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden.

Gegen die Eintragung der Marke ist am 6. Dezember 2000 Antrag auf Löschung nach § 50 Abs 1 Nr 1 MarkenG gestellt und im wesentlichen damit begründet worden, der angegriffenen Marke fehle als bloßer Wiedergabe des Kopfes eines elektrischen Rasierapparates bereits die Markenfähigkeit nach § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG.

Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen. Sie hält die Vorschrift des § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG auf die angegriffene Marke für nicht anwendbar, da es sich hierbei um eine bloße Bild- und nicht um eine dreidimensionale Warenformmarke handele, und beruft sich ergänzend auf Bestands- und Vertrauensschutz, zumal die 10-Jahres-Frist nach § 50 Abs 2 Nr 2 MarkenG längst abgelaufen sei.

Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der angegriffenen Marke zumindest nach neuem Recht kein Eintragungshindernis entgegenstehe, da vor allem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht erfüllt seien; zwar sei die Anwendung dieser Vorschrift nicht allein auf dreidimensionale Marken beschränkt, doch beinhalte die angegriffene Bildmarke keine Form, die ausschließlich zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei, zumal auf dem beanspruchten Warengebiet eine Vielzahl technischer Formalternativen denkbar sei. Die Gestaltung der Scherplatte sei ohne jede zwingende Technizität und daher als Bildmarke schutzfähig.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist weiter der Ansicht, die angegriffene Marke erschöpfe sich in der naturgetreuen Wiedergabe eines wesentlichen Teils der beanspruchten Waren, nämlich der Darstellung einer Scherplatte mit ausschließlich technisch bedingten Formmerkmalen, da die dargestellte Scherkopfanordnung eine optimale Verwendung des Rasierapparates erlaube. Wie sich aus der Entscheidung des EuGH (GRUR 2002, 804 - Philips), der die identische Marke zugrunde lag, ergebe, sei eine Produktform dem Markenschutz nicht zugänglich, wenn ihre wesentlichen funktionellen Merkmale lediglich einer technischen Wirkung zuzuschreiben seien. Das habe der Europäische Gerichtshof für die vorliegende Marke ausdrücklich bejaht, denn sie sei nur die exakte zweidimensionale grafische Wiedergabe eines Scherkopfes des mit der Marke geschützten Produktes (Rasierapparate), der in seiner besonderen Anordnung zur Erreichung der technischen Wirkung erforderlich sei, was im übrigen durch die hieran begründeten, inzwischen aber ausgelaufenen Produktschutzrechte deutlich belegt werde. Dem könne markenrechtlich auch nicht mit dem Hinweis auf eine eventuelle technische Formenvielfalt entgegengetreten werden. Diese Entscheidung habe im übrigen Bindungswirkung für alle nachgeordneten Gerichte, so dass die Frage der technisch bedingten Formgebung nicht nochmals zur Disposition gestellt werden könne. Das Eintragungshindernis nach § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG, das auch nach altem Recht als sog. ewige Gemeinfreiheit technischer Darstellungen bestanden habe, könne schließlich auch nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden werden, so dass die Marke auch nicht unter dem Warenzeichengesetz hätte eingetragen werden dürfen und daher auch keinen Vertrauensschutz beanspruchen könne.

Die Antragstellerin beantragt daher, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke 1 034 262 zu beschließen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses an und hält weiterhin die Anwendung des § 3 Abs 2 MarkenG schon deshalb für ausgeschlossen, weil sich die angegriffene Marke allein auf die graphische Stilisierung eine technischen Gegenstandes beschränke, ohne diesen substantiell zu verwirklichen. Im übrigen könnten auch keine sonstigen absoluten Versagungsgründe geltend gemacht werden, da insoweit nicht nur die schon vor Antragstellung abgelaufene 10-Jahres-Ausschlussfrist, sondern auch der Schutz des Vertrauens der Markeninhaberin am Bestand ihres jahrlang unangefochten gebliebenen Markenrechts entgegenstehe.

Beide Beteiligten regen hilfsweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof an.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber nicht begründet, denn die Voraussetzungen für eine Schutzentziehung der angegriffenen Marke liegen nicht vor. Es fehlt an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der angegriffenen Bildmarke sowohl im Zeitpunkt der Eintragung als Marke wie im Zeitpunkt der Entscheidung über den Schutzentziehungsantrag ein Schutzhindernis des WZG bzw des MarkenG entgegenstand und noch entgegensteht (§ 50 Abs 1 Nr 1 u 3, Abs 2 S 1 MarkenG).

Soll eine Marke gelöscht werden, so sind die Anforderungen, die an den Nachweis von Schutzhindernissen zu stellen sind, mindestens ebenso hoch, wie im Eintragungsverfahren, das heißt, solange keine unzweideutigen, den Schutz einer Marke entgegenstehende Erkenntnisse vorliegen, ist die Marke nach § 33 Abs 2 MarkenG einzutragen, bzw es ist ihr der Schutz zu belassen. Je weiter der Eintragungszeitpunkt zurückliegt, umso sorgfältiger sind die Verwendungsbeispiele zu überprüfen, denn die rückblickende Beurteilung eines Verkehrsverständnisses oder eines Verkehrsbedürfnisses ist in der Regel schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die Löschung von Marken auf Antrag nach § 50 MarkenG teilweise für den Fall ausgeschlossen, dass zwischen Eintragung der Marke und Stellung des Löschungsantrags ein Zeitraum von mehr als 10 Jahren verstrichen ist. Diese Regelung gilt auch für sog. Altmarken (vgl. BPatG GRUR 1998, 66 - PROPACK; ebenso 26 W (pat) 47/01 vom 26. Februar 2003 - Budweiser - PAVIS CD-ROM; Ströbele-Hacker, MarkenG 7. Aufl 2003 § 162 Rdnr 9; Ingerl-Rohnke, MarkenG 2. Aufl 2003, § 162 Rdnr 3), so dass zB Marken, die vor dem 1. Januar 1985 eingetragen worden waren, mit Inkrafttreten des neuen Markengesetzes nicht mehr wegen angeblich fehlender Unterscheidungskraft oder Bestehen eines Freihaltebedürfnisses angegriffen werden konnten.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, weshalb die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren die Marke ausschließlich nach § 50 Abs 1 Nr 1 MarkenG angegriffenen hat, da diese Fallvariante nicht unter die 10-jährige Ausschlussfrist fällt. Dabei ist aber zu beachten, dass die Bezugnahme des Gesetzes auf § 3 MarkenG zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte umfasst, nämlich einmal die sog. abstrakte Markenfähigkeit nach § 3 Abs 1 MarkenG, dh die Beurteilung von Zeichen, die ihrem Wesen nach keine Marke sein können, und das in Absatz 2 normierte gesetzliche, nicht widerlegbare Freihaltebedürfnis an Produktformen (vgl BPatG BlPMZ 2002, 228 - Schmuckring -), das von der Gesetzessystematik her - wie Art 3 der europäischen Markenrechtsrichtlinie deutlich zeigt - eigentlich in den Kontext und Katalog der absoluten Eintragungshindernisse nach § 8 MarkenG gehört, allerdings mit der Besonderheit, dass dieses Hindernis nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden werden kann. Für den Senat stellt sich damit die Frage, ob der vorliegende, allein auf § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG gestützte Löschungsantrag nicht schon deshalb zurückzuweisen ist, weil dieser Tatbestand bei europakonformer, harmonisierter Auslegung gegebenenfalls von § 50 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 Nr 2 MarkenG mitumfasst wird.

Letztlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, da nach § 162 Abs 2 MarkenG für die Löschung von Altmarken die Schutzunfähigkeit nach altem und neuen Recht vorliegen muss und die Voraussetzungen für die Markenfähigkeit im Warenzeichengesetz, unter dessen Geltung die Marke eingetragen wurde und im MarkenG insoweit abweichen, als der Ausschlussgrund des § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG im Warenzeichengesetz keine direkte Entsprechung hatte und tatbestandlich bzw materiell nicht als Fall der Zeichenfähigkeit, sondern lediglich der konkreten Unterscheidungskraft geregelt war (vgl Althammer, WZG, 4. Aufl. 1989, § 1 Rdn 16; § 4 Rdn 14,15). Dieses Eintragungshindernis konnte aber ohne weiteres im Wege der Verkehrsdurchsetzung im Zeitpunkt der Eintragung überwunden werden, wie das vorliegend der Fall war, so dass im Nachhinein eine andere rechtliche, nunmehr an § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG orientierte Betrachtungsweise nicht mehr möglich ist, da zumindest insoweit die Zehn-Jahres-Ausschlussfrist des § 50 Abs 2 S 2 MarkenG greift. Weder der Gesetzesbegründung noch anderen Umständen lassen sich Anhaltspunkte entnehmen, dass insoweit eine Schlechterstellung des Markeninhabers beabsichtigt war; im Gegenteil ergibt sich aus der Begründung zum Gesetzesentwurf zu § 162 MarkenG eine Privilegierung, um den Bestand eingetragener Marken zu sichern, wenn es dort heißt : "... Um auch in den Fällen der zweiten Fallgruppe" (dass die Marke nach neuem Recht gelöscht werden könnte, nicht aber nach dem bisherigen Recht) "den Bestandsschutz rechtmäßig eingetragener Marken zu sichern, sieht § 162 Abs 2 ... vor, dass eine Löschung nur dann möglich ist, wenn die mangelnde Schutzmöglichkeit sowohl nach dem bisherigen Recht als auch nach dem neuen Recht besteht. ... Die Regelung erscheint aber gleichwohl erforderlich, um etwa doch auftretende Fälle zu lösen, dass der Bestand rechtmäßig eingetragener Marken gesichert bleibt. Die Regelung entspricht der sogenannten "Meistbegünstigungsklausel" in § 20 ErstrG ..." (vgl PMZ Sonderheft 1994, S 126 re Sp unten). Diese Regelung erscheint auch aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten, vor allem wenn wie vorliegend die Schutzfähigkeit aufgrund von Verkehrsdurchsetzung anerkannt wurde, also durch Tatsachen gestützt war. Wollte man im Nachhinein die Löschungsmöglichkeiten wegen mangelnder (absoluter) Markenfähigkeit nach § 50 Abs 1 Nr 1 MarkenG aufgrund von veränderten Rechtsgrundlagen auch auf Fälle erweitern, bei denen es nicht um das Wesen als Marke an sich im Sinne von § 3 Abs 1 MarkenG geht, müsste das auch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken etwa im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot belastender gesetzlicher Bestimmungen begegnen.

Andere Einwände gegen die Markenfähigkeit im Zeitpunkt der Eintragung sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich, so dass bereits nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Eintragung nach den Bestimmungen des alten Warenzeichengesetzes zu Unrecht erfolgt ist. Eine Prüfung, ob die angegriffene Marke den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG unterfällt, worauf die Markenabteilung in ihrer Entscheidung allein (und nach ihrer Beurteilung wegen § 162 Abs 2 MarkenG auch zurecht) abgestellt hat, war damit nicht mehr erforderlich. Diesem aus der Sicht der Antragstellerin und vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Philips-Remington möglicherweise unbefriedigenden Ergebnis kann indes nur durch eine sachgerechte, dem jeweiligen Rechtsverständnis angepasste Bemessung des Schutzumfangs der angegriffenen Marke begegnet werden, der nicht statisch ist, sondern sich den veränderten Umständen sowohl in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht und vor allem des Verkehrsverständnisses anzugleichen hat. Ob in diesem Zusammenhang der Rechtsgedanke des § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG Bedeutung bei der Geltendmachung von Rechten aus der angegriffenen Marke hat, ist indes keine Frage des Markenregisterverfahrens, sondern der Verfahren vor den ordentlichen Gerichten. Dort ist auch die Frage zu beantworten, ob die vorliegende Darstellung aus Sicht der betroffenen Verkehrskreise, selbst wenn sie die damit geschützten Produkte vor Augen haben, überhaupt als Wiedergabe einer technisch bedingten Form aufgefasst wird und einem technischen Gegenstand verbotsbegründend gegenüber gestellt werden kann.

Die Beschwerde der Antragstellerin musste damit erfolglos bleiben.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 MarkenG), zumal die IR-Markeninhaberin ihren Kostenantrag im Verfahren vor der Markenabteilung nicht mehr weiterverfolgt hat.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war veranlasst, da die Entscheidung hinsichtlich der harmonisierten Auslegung von § 50 Abs 1 Nr 1, Abs 2 Nr 2, § 3 Abs 1 und 2 MarkenG sowie der Anwendung dieser Bestimmungen auf Altmarken Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung betrifft und eine höchstrichterliche Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Pü






BPatG:
Beschluss v. 10.12.2003
Az: 28 W (pat) 2/02


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