Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. März 2007
Aktenzeichen: 26 W (pat) 241/04

(BPatG: Beschluss v. 07.03.2007, Az.: 26 W (pat) 241/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juli 2004 aufgehoben. Der Widerspruch aus der Marke 939 678 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die für die Waren 30: Süßwaren; 32: alkoholfreie Getränke; 33: alkoholhaltige Getränke (ausgenommen Biere)

eingetragene Wortmarke Urban Waterist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 939 678 Urba, die für die Waren Alkoholfreie Getränke, insbesondere Limonaden, Brausen, natürliche Mineralwässer, Selterswasser, Sodawasser, Kola-, Malz-, Milch-, Molken- und Fruchtsaftgetränke; Traubensäfte; Limonadensirupe; Essenzen und Extrakte zur Herstellung von alkoholfreien Getränken; Pastillen und Pulver zur Herstellung von Brausen und Limonadeneingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Löschung der Marke aufgrund des Widerspruchs angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen den Vergleichsmarken bestehe eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die Inhaberin der angegriffenen Marke habe ihre zulässige Nichtbenutzungseinrede nach Vorlage der Glaubhaftmachungsunterlagen durch die Widersprechende hinsichtlich der Waren der Klasse 32 zurückgenommen. Hinsichtlich der Ware "Molkereigetränke" sei die Nichtbenutzungseinrede zu Recht aufrecht erhalten worden, da die Widersprechende diesbezüglich die Benutzung nicht habe glaubhaft machen können. Zwischen den Vergleichswaren bestehe entfernte bis hohe Ähnlichkeit. Selbst im Bereich der entfernten Ähnlichkeit werde der erforderliche geringere Markenabstand nicht eingehalten. Die angegriffene Marke werde von dem Bestandteil "Urban" geprägt, da der weitere Wortbestandteil "Water" dem englischen Grundwortschatz angehöre und vom Verkehr ohne weiteres in seinem beschreibenden Bedeutungsgehalt "Wasser" erkannt und deshalb weggelassen werde. Die demnach unmittelbar gegenüber zu stellenden Wörter "Urban" und "Urba" seien klanglich sehr ähnlich. Bei einer deutschen Aussprache des Zeichenteils "Urban", mit der neben der sprachregelgemäßen englischen Aussprache zu rechnen sei, wiesen die Vergleichswörter hinsichtlich Wortanfang, Silbenzahl und Vokalfolge weitgehende Übereinstimmungen auf, während die Abweichung im Endkonsonanten bei flüchtigem Kontakt oder telefonischer Übermittlung unbemerkt bleibe.

Hiergegen wendet sich die Inhaberin der angegriffenen Marke mit der Beschwerde. Sie beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Eine Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen. Die Widersprechende hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

II Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin erweist sich als begründet, da zwischen den beiderseitigen Marken eine Gefahr von Verwechslungen i. S. d. §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG in keiner denkbaren Hinsicht besteht.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn und soweit wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken und Waren und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. u. a. BGH GRUR 2005, 427, 428 - Lila Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May).

Zu Recht ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass im Vergleich mit den Waren der Widerspruchsmarke hohe Ähnlichkeit zu den alkoholfreien Getränken, mittlere Ähnlichkeit zu den alkoholischen Getränken sowie entfernte Ähnlichkeit zu den Süßwaren der angegriffenen Marke besteht. Weiterhin zutreffend ist auch die Feststellung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die je nach Ähnlichkeit der Waren einen großen bis hin zu einem eher geringen zeichenrechtlichen Abstand von der angegriffenen Marke erfordert.

Unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage reichen die zwischen den beiderseitigen Marken bestehenden Unterschiede auch im Bereich der hohen Warenähnlichkeit aus, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Marken, die - wie die angegriffene Marke - aus mehreren getrennten Bestandteilen bestehen - ist von der registrierten Form und damit von der Marke als Ganzes auszugehen (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 - THOMSON LIFE). In ihrer Gesamtheit unterscheidet sich die angegriffene Marke durch ihren zusätzlichen Bestandteil "Water" und das "n" am Ende von "Urban" von der Widerspruchsmarke sowohl klanglich als auch schriftbildlich und begrifflich.

Allerdings kann im Einzelfall ein Bestandteil eines mehrgliedrigen Zeichens dessen Gesamteindruck prägen bzw. in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung innehaben (vgl. EuGH a. a. O. - THOMSON LIFE). Für die Beantwortung der Frage, welcher Markenteil innerhalb einer mehrgliedrigen Marke eine solche selbständig kennzeichnende Stellung aufweist, kommt es vor allem auf die Kennzeichnungskraft der einzelnen Markenteile an; rein warenbeschreibenden oder aus anderen Gründen kennzeichnungsschwachen Elementen fehlt grundsätzlich die Eignung, den Gesamteindruck einer Marke zu prägen (vgl. BGH GRUR 778, 779 - URLAUB DIREKT). Die Hinzufügung beschreibender Elemente zu einem mit der älteren Marke übereinstimmenden oder ähnlichen Bestandteil ist jedoch nicht gänzlich unbeachtlich, da sie sich mit dem weiteren Markenbestandteil zu einem zusammengehörigen betrieblichen Herkunftshinweis verbinden können (vgl. BGH GRUR 1998, 932, 933 - MEISTERBRAND; GRUR 2004, 783, 785 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Dies ist bei der angegriffenen Marke zu bejahen, weil sich die beiden Einzelbestandteile für den Durchschnittsverbraucher nicht nur auf Grund der gleichen Schriftart und -größe, sondern auch wegen ihres Bedeutungsgehalts als begriffliche Einheit darstellen. Auch wenn der Begriff "urbanes (= städtisches) Wasser" keinen unmittelbar geläufigen Sinngehalt vermittelt, hindert das die Annahme eines Gesamtbegriffs nicht, zumal die Bestandteile "Urban" und "Water" beide in der englischen Sprache vorkommen sowie grammatikalischformal als Adjektiv und Substantiv aufeinander bezogen sind. Der überwiegende Teil des Verkehrs, der über Grundkenntnisse der englischen Sprache verfügt, wird die angegriffene Marke daher in ihrer Gesamtheit (und nach englischen Ausspracheregeln) benennen, zumal die überschaubare Länge der Marke nicht zwangsläufig eine Verkürzung bedingt.

Selbst bei zu Gunsten der Widersprechenden unterstellter alleiniger Wiedergabe des Zeichenteils "Urban" in der angegriffenen Marke ist eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass ein relevanter Teil des Verkehrs, der zwar den Zeichenteil "Water" als beschreibend in Bezug auf die schutzgegenständlichen Waren "alkoholische und alkoholfreie Getränke" der angegriffenen Marke erkennt und daher in der Wiedergabe eher vernachlässigen wird, den Bestandteil "Urban" - gerade auch bedingt durch den ebenfalls der englischen Sprache entstammenden Zeichenteil "Water" - nach englischen Ausspracheregeln benennen wird ("örben"), wodurch ohnehin ein deutlicher Klangunterschied zur Widerspruchsmarke "urba" entsteht. Bei dem noch verbleibenden - weitaus geringeren - Teil des Verkehrs, der das Zeichenelement "Urban" in deutscher Aussprache wiedergeben wird, spricht dann entscheidend gegen eine klangliche Verwechslungsgefahr, dass dieser Bestandteil dann als geläufiger deutscher Nachname oder als Hinweis auf "urban", .i. S. v. "städtisch" erscheint. Bestehende klangliche Ähnlichkeiten können neutralisiert werden, wenn zumindest eines der Zeichen eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, die die maßgeblichen Verkehrskreise ohne weiteres erfassen können (vgl. PAVIS PROMA EuGH Rechtssache C 206/04 - SIR/ZIRH BGH GRUR 1992, 130 "Bally/BALLY"). Hinzu kommt, dass es sich bei den Vergleichswörtern um relativ kurze Begriffe handelt, sodass sich der zusätzliche Endkonsonant "n" auf das Klangbild des Bestandteils "Urban" gegenüber "urba" erheblich auswirkt.

Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr scheidet aufgrund des zusätzlichen Elements "Water" in der angegriffenen Marke aus. Andere Formen der Verwechslungsgefahr sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte in Bezug auf das Vorliegen einer mittelbaren Verwechslungsgefahr, zumal die Widersprechende keine Zeichenserie besitzt.

III Eine Kostenauferlegung aus Gründen der Billigkeit nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kommt nicht in Betracht.






BPatG:
Beschluss v. 07.03.2007
Az: 26 W (pat) 241/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0887df83c08b/BPatG_Beschluss_vom_7-Maerz-2007_Az_26-W-pat-241-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share