Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 12. November 1991
Aktenzeichen: 2 Ws 475/91

(OLG Köln: Beschluss v. 12.11.1991, Az.: 2 Ws 475/91)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Untergebrachte Helmut S. befindet

sich im Maß-regelvollzug in der R. L. D. aufgrund Urteils des

Landgerichts Duisburg vom 16. Juli 1976, durch das er wegen

versuchten Mordes zu 10 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden

und in dem gegen ihn die Unterbringung in einem psyschiatrischen

Krankenhaus angeordnet worden ist.

Für das Verfahren auf Prüfung der

Aussetzung der weiteren Unterbringung hat der Vorsitzende der

Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen dem

Untergebrachten mit Beschluß vom 4. Oktober 1989 Rechtsanwalt P.

als Pflichtverteidiger beigeordnet.

In der Folgezeit kam es dreimal zur

Mitwirkung des Beschwerdeführers in Verfahren nach § 67 e StGB, in

denen jeweils eine Entlassung abgelehnt wurde. Dies beruhte auf

Anhörungsterminen, an denen Rechtsanwalt P. jedesmal teilnahm, und

zwar am 6. November 1989 (Bl. 299 Vollstreckungsheft I), am 7. Mai

1990 (Bl. 267 Hauptakte, Band II) am 7. Januar 1991 undanschließend

erneut am 4. März 1991 Bl. 14, 20 Vollstreckungsheft II).

Die Tätigkeit in Zusammenhang mit dem

Anhörungstermin vom 6. November 1989 ist bereits abgerechnet und

nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Für die Tätigkeit in Zusammenhang mit

dem Termin vom 7. Mai 1990 beantragte der Beschwerdeführer am

selben Tage eine Vergütung von 307,80 DM (ausgerichtet an Gebühren

nach § 112 BRAGO), die unter dem 19. Juni 1990 antragsgemäß

festgesetzt worden ist.

Für die Tätigkeit in Zusammenhang mit

dem Termin am 5. März 1991 vom 4. März 1991 beantragte der

Beschwerdeführer eine Vergütung von 314,64 DM (wiederum

ausgerichtet an § 112 BRAGO); nach Berichtigung eines Schreib- oder

Rechenfehlers hat der Rechtspfleger unter dem 20. März 1991 auch

insoweit 307,80 DM festgesetzt. Ein weiteres Festsetzungsgesuch

des Beschwerdeführers über 157,32 DM, welches sich auf den Termin

vom 7. Januar 1991 beziehen sollte, befindet sich nicht bei den

dem Senat vorgelegten Akten.

Durch Beschluß vom 14. Juni 1991 hat

der Rechtspfleger bei dem Landgericht Aachen die anRechtsanwalt

P. auf seinen Antrag vom 5. März 1991 zu zahlende Vergütung in

Abänderung der Festsetzung vom 20. März 1991 auf 239,40 DM

festgesetzt und den weiteren Antrag vom 5. März 1991 auf

Festsetzung zusätzlicher 157,32 DM zurückgewiesen. In den Gründen

dieses Beschlusses ist für die Termine vom 7. Mai 1990, 7. Januar

1991 und 4. März 1991 die Vergütung jeweils nach §§ 97, 91 Ziffer 2

BRA-GO auf 160,00 DM festgesetzt worden; die Auslagenpauschale von

jeweils 30 DM ist dem Beschwerdeführer in diesem Beschluß

aberkannt worden mit der Begründung, sie sei bereits durch

Festsetzungsbeschluß vom 27. November 1990 festgesetzt worden und

es liege nur eine Angelegenheit im Sinne von § 13 BRAGO vor.

Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung

des Rechtsanwalts P. hin hat der Vorsitzende der

Ferienstrafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen durch

Beschluß mit 30. Juli 1991 in teilweiser Abänderung des

Beschlusses des Rechtspflegers für die Mitwirkung des

Beschwerdeführers bei den mündlichen Anhörungen vom 7. Mai 1990, 7.

Januar 1991 und 4. März 1991 eine Vergütung von insgesamt 615,60

DM festgesetzt.

Hiergegen richtet sich das als

"sofortige " Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Rechtsanwalts

P. vom 16. August 1991. Der Beschwerdeführer hat auf Befragen

klargestellt, daß mit der Beschwerde weiterhin die Festsetzung von

923,40 DM gemäß dem Schriftsatz vom 12. Juni 1991 begehrt wird.

II.

Das Rechtsmittel ist als Beschwerde

nach § 98 Abs. 3 BRAGO zulässig. In der Sache ist die Beschwerde

nicht begründet.

1.)

Zutreffend gehen der angefochtene

Beschluß wie auch schon der Beschluß des Rechtspflegers vom 14.

Juni 1991 davon aus, daß entgegen den ursprünglichen

Kostenfestsetzungen vom 19. Juni 1990 und vom 20. März 1991 sich

die Vergütung des Rechtsanwalts im Verfahren über eine vorzeitige

Entlassung - hier: über eine Aussetzung der Unterbringung zur

Bewährung - nach § 91 BRAGO und nicht nach § 112 BRAGO richtet

(vgl. hierzu BayOLG NJW 62, 358; OLG Oldenburg NJW 63, 170; OLG

Hamburg MDR 74, 139; OLG Koblenz JurBüro 80, 87 m. zust. Anm.

Mümmler; OLG München, Rechtspfleger 77, 377; Göttlich/Mümmler,

BRAGO, 17. Aufl., Stichwort "Strafsachen"Anm. 8, 2 b; Hartmann,

Kostengesetze, 24. Aufl., § 91 BRAGO, Anm. 1; Madert in:

Gerold-Schmidtvan Eicken-Madert, BRAGO, 11.Aufl., § 91 Rdn. 7;

Fraunholz in: Riedel/Sußbauer, BRA-GO, 6.Aufl., § 91 Rdn. 4 und 9;

Schmidt Anwaltsblatt 77, 500; Madert, Anwaltsblatt 82, 176; ebenso

Senatsentscheidung vom 14. April 1989 - 2 Ws 525/88-).

Das gilt auch, wie die Verweisung in §

97 Abs. 1 BRAGO zeigt, für den beigeordneten

Pflichtverteidiger.

2.)

Entgegen der Ansicht des

Beschwerdeführers fallen für die Vertretung in dem Verfahren auf

bedingte Entlassung die Gebühren nach § 91 Ziffer 1 und Ziffer 2

BRAGO nicht kumulativ an.

Stellt der zum Pflichtverteidiger

bestellte Anwalt den Antrag auf vorzeitige Entlassung, so erhält er

die Gebühr des § 91 Ziffer 1 BRAGO (vgl. OLG Oldenburg, a.a.O.;

Madert in Gerold-Schmidtvan-Eichen- Madert, a.a.O., § 91 Rdn.2;

Frauenholz, a.a.O.). Wird er hingegen im Rahmen eines beschränkten

Auftrages nur als Beistand bei der Anhörung tätig, so fällt die

Gebühr des § 91 Ziffer 2 BRAGO an (vgl. dazu OLG Hamburg, MDR 74,

1039). Stellt der Pflichtverteidiger hingegen den

Aussetzungsantrag und nimmt er auch an der mündlichen Anhörung

teil, so erwachsen dennoch nicht zwei Gebühren nach § 91 Ziffer 1

und Ziffer 2 BRAGO. Vielmehr wird die Tätigkeit des Verteidigers

dann insgesamt durch eine Gebühr nach § 91 BRAGO, hier: nach Ziffer

2, abgegolten.

Die Gebühren des § 91 BRAGO sind

Pauschgebühren im Sinne des § 13 Abs. 1 BRAGO (vgl. Madert a.a.O.,

§ 92 Rdn. 4; Fraunholz a.a.O., § 9,21 Rdn. 4. Sie decken die

gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Anfang bis zur Erledigung

der Angelegenheit ab; dabei sind auch alle Nebentätigkeiten (etwa

für eine Besprechung, die der in Frage kommenden Tätigkeit

vorausgeht) mit umfaßt (Madert a.a.O.).Es geht vorliegend um

Einzelgebühren für das - jeweilige - Verfahren nach § 67 e StGB.

Dabei entsteht die Gebühr zwar mit der ersten anwaltlichen

Tätigkeit, die dem Handlungskomplex gehört; sie entgilt aber

zugleich alle weiteren Tätigkeiten (vgl. Fraunholz a.a.O.; ähnlich

Hartmann, § 92 BRAGO Anm. 2: Die Einzelgebühr nach § 91 gibt die

gesamte zugehörige Angelegenheit im Sinne von § 13 Abs. 1 BRAGO

ab). Anders wäre es nur dann, wenn der Anwalt nach Erledigung des

ersten Auftrags (etwa bloße Beistandsleistung im Sinne des § 91

Ziffer 1 BRAGO) einen neuen Auftrag erhielte (Hartmann a.a.O.). Ein

solcher Fall liegt indessen nicht vor.

Dem Umfang der Tätigkeit, der bei einem

Wahlverteidiger bei der Bemessung der angemessenen Gebühr innerhalb

des Gebührenrahmens zu berücksichtigen wäre - kann im Falle einer

Pflichtverteidigung nur durch einen Antrag nach § 99 Abs. 1 BRAGO

entsprochen werden, wenn im Einzelfall die nach § 91 (hier: Ziffer

2) BRAGO angefallene gesetzliche Vergütung keinen angemessenen

Ausgleich für eine besonders umfangreiche oder schwierige Tätigkeit

darstellt.

3.)

Die Beiordnung des Beschwerdeführers

erfolgt vorliegend jeweils für das Verfahren auf Prüfung nach § 67

e StGB. Der Umfang seiner Tätigkeit war deshalb durch den

Beiordnungsbeschluß vorgezeichnet und umgrenzt. Zu dem Verfahren

auf Prüfung einer vorzeitigen Entlassung gehörte wegen der in § 454

Abs.1 Satz 3 StPO getroffenen Regelung auch die mündliche Anhörung

des Verurteilten und für den beigeordneten Pflichtverteidiger die

Teilnahme an dem mündlichen Anhörungstermin. Die Tätigkeit des

Antragstellers stellte deshalb jeweils eine Einheit dar und wird

durch eine Gebühr abgegolten. Diese richtet sich nach §§ 97,

91 Ziffer 2 BRAGO und ist daher zutreffend mit jeweils 160 DM

festgesetzt worden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist

für eine zusätzliche Gebühr nach § 91 Ziffer 1 BRAGO wegen

Beistandstätigkeit in Form von Vorbereitungsgesprächen pp. kein

Raum, weil die Gebühren des § 91 BRAGO - wie ausgeführt und auch in

dem Beschluß vom 30. Juli 1991 zutreffend angenommen -

Pauschgebühren sind.

4.)

Die geltend gemachten Postgebühren nach

§ 26 BRAGO in Höhe des Pauschalbetrages von 30 DM hat der

angefochtene Beschluß - entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors

und des Rechtspflegers in dem Beschluß vom 14. Juni 1991 -

zutreffend auch für die Anhörungsverfahren 63 StVK 133/90 und 16/91

b festgesetzt, in denen es zu einer Entscheidung nach § 67 e StGB

gekommen ist. Jedes Anhörungsverfahren nach § 67 e StGB ist eine

Angelegenheit im Sinne des § 13 BRAGO.

Die Gebühr nach § 26 BRAGO entfällt

lediglich für die Anhörung vom 7. Januar 1991, weil es seinerzeit

nicht zu einer Sachentscheidung nach § 67 e StGB gekommen ist. Der

Termin vom 7. Januar 1991 bildet mit dem Termin vom 4. März 1991

kostenmäßig einen einheitlichen Vorgang.

5.)

Insgesamt steht somit dem

Beschwerdeführer für seine hier abzurechnende Tätigkeit folgende

Vergü-tung zu:

- Termin 7. Mai 1990 160,00 DM

Pauschsatz 30,00 DM

Termin 7.Januar 1991 160,00 DM

Pauschsatz ------

Termin 4. März 1991 160,00 DM

Pauschsatz 30,00 DM

540,00 DM

14 % Mehrwertsteuer 75,60 DM

Summe 615,60 DM

6.)

Das Verfahren über die Beschwerde ist

gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 98 Abs. 4

BRAGO).






OLG Köln:
Beschluss v. 12.11.1991
Az: 2 Ws 475/91


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