Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 22. Februar 2011
Aktenzeichen: I-4 U 178/10

(OLG Hamm: Urteil v. 22.02.2011, Az.: I-4 U 178/10)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. August 2010 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurück-gewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betra-ges abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin stellt Pflanzenschutzmittel her und vertreibt diese weltweit, unter anderem das Mittel "Fenikan".

Die Beklagte handelt mit Pflanzenschutzmitteln.

Sie lieferte im September 2008 eine importierte Menge von 20.160 Litern des mit "I Diflufenican + Isoproturon 62,5 + 500 SC" bezeichneten Produktes an die Firma C GmbH in N. Eine weitere Lieferung von 11.200 l war im August 2007 an die Firma C GmbH erfolgt, nach Behauptung der Klägerin wiederum durch die Beklagte und nicht durch deren Geschäftsführer persönlich.

Dieses Produkt "I Diflufenican + Isoproturon 62,5 + 500 SC" ist gemäß der "Liste der erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen für Parallelimportmittel" (Anl. B 1) als rechtmäßiger Parallelimport (Referenzmittel) vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit der Zulassungsnummer 043779-00 zugelassen.

Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf ihre Analyse vom 08.10.2008 (Anlage K 4) geltend gemacht, die Lieferungen der Beklagten hätten in der stofflichen Zusammensetzung nicht dem Mittel "Fenikan" entsprochen, mit der der Folge, dass die Zulassung des Referenzmittels in diesem Fall keine Geltung habe.

Sie hat die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 05.06.2009 (Anl. K 5) abgemahnt und der Abmahnung eine vorbereitete Unterlassungserklärung beigefügt, in der auch die Verpflichtung zur Auskunftserteilung, Kostenerstattung und zum Schadensersatz enthalten war. Die Beklagte hat die Unterlassungserklärung unter dem 08.06.2009 unterschrieben zurückgesandt, die Passagen bezüglich Auskunft, Kostenerstattung und Schadensersatz jedoch gestrichen (Anl. K 6).

In der Folgezeit entwickelte sich zwischen den Parteien hierüber eine Korrespondenz, über die die Parteien im Zusammenhang mit der Frage der Verjährung streiten. Hierauf wird im Einzelnen Bezug genommen.

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe bei beiden Geschäften i.S.v. §§ 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 16 c II; 15 PflSchG wettbewerbswidrig gehandelt. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt und sei ihr gemäß § 9 UWG zum Schadensersatz verpflichtet. Ihr sei durch die verbotswidrigen Lieferungen ein Schaden von mindestens 200.000,- € entstanden (Gewinnentgang 81.449,60 € + weiterer Marktverwirrungsschaden).

Hinsichtlich der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede hat die Klägerin die Ansicht vertreten, in dem vorprozessualen Schreiben der Beklagten vom 30.06.2009 (Anl. K 7) sei ein verjährungshemmendes Anerkenntnis enthalten. Die Klägerin beruft sich im Übrigen unter näherer Darlegung darauf, die Parteien hätten auch wegen des Schadensersatzanspruches in der Zeit vom 08.06.2009 bis 21.07.2009 verhandelt.

Die Klägerin hat unter dem 23.12.2009 per Telefax die vorliegende Klage auf Schadensersatz beim Landgericht Münster eingereicht. Das Original der Klageschrift ist am 29.12.2009 bei Gericht eingegangen. Mit Verfügung vom 30.12.2009 hat die Gerichtskasse bei der Klägerin einen Kostenvorschuss von 4.368,00 € angefordert. Als WertsteIlungsdatum für die dann erbrachte Zahlung der Klägerin ist in den Akten der 01.02.2010 verzeichnet. Nach Bestimmung eines frühen ersten Termins durch den Vorsitzenden Richter der Kammer auf den 14.05.2010 ist die Klage der Beklagten am 18.03.2010 zugestellt worden.

Die Klägerin hat betragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie zum Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin dadurch entstanden ist und noch entsteht, dass die Beklagte das in Deutschland nicht verkehrsfähige Pflanzenschutzmittel "I Diflufenican +Isoproturon 62,5 + 500 SC" in den Geltungsbereich des deutschen Pflanzenschutzgesetzes eingeführt und hier in Verkehr gebracht hat, einen von der Kammer gemäß § 287 ZPO zu schätzenden Betrag, mindestens jedoch 200.000,00 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Zulässigkeit des Antrags wegen Verstoßes gegen § 253 II Nr. 1 ZPO beanstandet. Sie hat behauptet, am Geschäft von August 2007 (11.200 Liter) nicht beteiligt gewesen zu sein. Ihr Geschäftsführer habe als freier selbständiger Handelsvertreter dieses Geschäft zwischen den Firmen I und C lediglich vermittelt. Die Beklagte hat bestritten, dass die an die Firma C GmbH gelieferten Mittel nicht die gleiche stoffliche Zusammensetzung hätten wie das Mittel "Fenikan", und in diesem Zusammenhang behauptet, dass ihr eine gegebenenfalls fehlende stoffliche Identität nicht bekannt gewesen sei. Sie hat im Einzelnen ein Verschulden, eine Kausalität der von der Klägerin geltend gemachten Schäden und die Höhe der Schäden bestritten.

Die Beklagte hat ferner die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat gemeint, die Verjährungsfrist sei spätestens am 05.12.2009 abgelaufen. Auch wenn sich die Klägerin bislang dazu ausgeschwiegen habe, zu welchem Zeitpunkt sie genau gewusst habe, dass die Beklagte das gerügte Import-Pflanzenschutzmittel an die Fa. C vertrieben habe, sei spätestens auf den Zeitpunkt der Abmahnung vom 05.06.2009 abzustellen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß § 11 UWG verjährt sei. Der Anspruch sei jedenfalls am 05.06.2009 (Datum der Abmahnung) entstanden. Die Verjährungsfrist wäre am 05.12.2009 abgelaufen. Das Schreiben der Beklagten vom 30.06.2009 habe keine verjährungsrelevante Bedeutung gemäß § 212 I Nr. 1 BGB, ein Anerkenntnis sei hiermit nicht abgegeben worden. Der normale Verjährungsablauf sei nur kurzzeitig, und zwar vom 11.06.2009 bis 07.07.2009, durch Verhandlungen gemäß § 203 BGB gehemmt worden (= 27 Tage). Ein Neubeginn von Verhandlungen sei aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 08.07.2009 nicht festzustellen. Verhandlungen seien dann nur noch seit dem Telefonat vom 10.07.2009 bis zum Zugang des Schreibens vom 13.07.2009 (behauptetes Zustelldatum 21.07.2009) geführt worden, mit einem weiteren Hemmungszeitraum von 11 Tagen. Die an sich am 05.12.2009 endende Verjährungsfrist habe bei Zugrundelegung von 38 Verhandlungstagen am 12.01.2010 geendet. Die am 23.12.2009/29.12.2009 eingereichte Klage sei erst am 08.03.2010 und nicht mehr "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO zugestellt worden.

Die Klägerin greift das Urteil mit ihrer Berufung an. Sie meint, Verjährung in Bezug auf die geltend gemachten Ansprüche sei nicht eingetreten. Das Landgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Verjährung aufgrund von Verhandlungen gehemmt gewesen sei. Es habe die Dauer der Verjährungshemmung jedoch falsch berechnet. Die Unterlassungserklärung vom 08.06.2009 habe sie, die Klägerin, an diesem Tage per Fax bekommen (Anl. BK1). Die Verjährung sei auch in der Zeit zwischen dem 07.07.2009 und 10.07.2009, in der einheitliche Verhandlungen stattgefunden hätten, gehemmt gewesen. Unzutreffend sei die Annahme des Gerichts, aus dem Schreiben der Beklagten vom 30.06.2009 lasse sich kein Anerkenntnis bezüglich ihres Schadensersatzanspruchs herleiten. Es sei ausreichend, dass der Schuldner dem Gläubiger seine Erfüllungsbereitschaft anzeige. Dies habe die Beklagte mit diesem Schreiben getan. Das Schreiben wäre ansonsten ohne jeden Aussageinhalt und damit schlicht überflüssig. Dafür spreche auch, dass der unselbständige Auskunftsanspruch ausdrücklich anerkannt worden sei. Selbst wenn das Schreiben vom 30.06.2009 kein Anerkenntnis beinhalte, hätte weiterer Verhandlungsbedarf zwischen den Parteien bestanden, denn die Frage des Verschuldens sowie die Kausalität und die Höhe des Schadens seien noch völlig offen gewesen; die Verhandlungen seien zwischenzeitlich nicht beendet gewesen.

Die Verjährung sei somit zwischen dem 08.06.2009 (Zugang des Schreibens vom 08.06.2009) und dem 21.07.2009 (Zugang des Schreibens vom 21.07.2009) für die Dauer von 43 Tagen infolge geführter Verhandlungen gehemmt gewesen. Daraus ergebe sich bei Beginn der Frist am 05.06.2009 ein Verjährungseintritt nicht vor dem 18.01.2010. Durch das Anerkenntnis wäre Verjährung nicht vor dem 21.01.2010 eingetreten. Jedenfalls sei der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch zu unverjährter Zeit gerichtlich geltend gemacht worden. Da das Schreiben vom 08.06.2008 vorab per Fax zugestellt worden sei, habe die Verjährung nicht vor dem 15.01.2010 eintreten können. Da die Abbuchung des Gerichtskostenvorschusses (gemäß Kontoauszug Anl. BK2) alsdann am 29.01.2010 erfolgt sei und die Gutschrift üblicherweise an demselben Tag erfolge, wäre die vom Landgericht für maßgeblich gehaltene 14-Tages-Frist jedenfalls gewahrt. Überdies dürfe nach dem Urteil des BGH NJW 1986, 1387 hinsichtlich der Zustellung "demnächst" nicht an eine starre Zwei-Wochenfrist angeknüpft werden. Nach zutreffender Rechtsprechung sei insoweit auf die Zeit zwischen dem Ablauf der Verjährungsfrist und der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses abzustellen.

Ferner führt die Klägerin weiter aus zu den Haftungsvoraussetzungen und zum geltend gemachten Schaden.

Die Klägerin beantragt (Bl. 198),

1. das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte - wie erstinstanzlich beantragt - zu verurteilen.

2. hilfsweise für den Fall, dass aus Sicht des Senats keine Entscheidungsreife vorliegt, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Sie hält ein Anerkenntnis durch ihr Schreiben vom 30.06.2009 nicht für gegeben. Selbst wenn man sodann in ihrer Ankündigung vom 08.06.2009, sie werde zu den übrigen Punkten noch Stellung nehmen, ein Verhandeln sähe, wäre das Verhandlungsstadium mit dem Zugang des Schreibens vom 30.06.2009 spätestens am 07.07.2009 beendet gewesen. Bei Hinzurechnung des Verhandlungszeitraums von 30 Tagen wäre die verlängerte Verjährungsfrist spätestens am 04.01.2010 abgelaufen. Zudem sei der von der Klägerin angenommene Beginn der Verjährungsfrist falsch. Es sei auch gemäß dem "Report of Analysis" zwingend davon auszugehen, dass eine frühere Kenntnis vor der Abmahnung vom 05.06.2009 bestanden habe. Die Klägerin sei im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast verpflichtet, mitzuteilen, wann sie tatsächlich Kenntnis davon bekommen habe, dass sie, die Beklagte, das fragliche Importpflanzenschutzmittel an die Firma C GmbH vertrieben habe. Es sei gemäß eMail des Zeugen T vom 27.01.2011 (Anl. B 5) auch davon auszugehen, dass die Klägerin jedenfalls seit Anfang März 2009 Kenntnis von der Lieferung durch die Beklagte gehabt habe.

Es hätten zwischen den Parteien keine Verhandlungen stattgefunden. Sie habe den Bereich des Schadensersatzanspruchs in der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durchgestrichen und auch mit Schreiben vom 30.06.2009 die Abgabe eines uneingeschränkten, bedingungslosen Schuldanerkenntnisses abgelehnt. Auch bei Unterstellung eines vorübergehenden Verhandlungszeitraums von 30 Tagen wäre Verjährung eingetreten, da die Zustellung der Klage nicht demnächst i.S.v. § 167 ZPO erfolgt sei.

Alsdann führt die Klägerin weiter aus zur - aus ihrer Sicht - Unzulässigkeit des Klageantrags, zur teilweise angeblich fehlenden Passivlegitimation (was die Lieferung aus 2007 angeht), zur Verkehrsfähigkeit des streitgegenständlichen Importmittels und zu den geltend gemachten Schäden, die ihrer Ansicht nach nicht ausreichend dargelegt seien.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Sie kann von der Beklagten nicht aus § 9 UWG i.V.m. §§ 8 III Nr. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG, 16 c II, 15 PflSchG die Zahlung von "mindestens" 200.000,- € verlangen. Zum einen fehlt es an dem hierfür notwendigen Verschulden der Beklagten, zum anderen ist die in Frage kommende Forderung, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, verjährt.

I.

Auszugehen dabei ist zunächst, auch wenn die Beklagte ihren Sitz in den Niederlanden hat, von der Anwendung deutschen Rechts, da die wettbewerblichen Interessen der Parteien im Bereich der Bundesrepublik Deutschland aufeinander getroffen sind, Art. 40 EGBGB (Marktortprinzip; vgl. BGH WRP 2010, 1146 - Ausschreibung in Bulgarien; Anwendung ROM-II-Verordnung gilt erst für Ereignisse nach dem 11.01.2009). Die Lieferungen, die den streitgegenständlichen Verstoß begründen, sind an die Fa. C GmbH in N erfolgt.

II.

Alsdann bestehen bereits auch Zweifel, ob der gestellte Antrag hinreichend bestimmt ist i.S.v. § 253 II Nr. 2 ZPO. Die Forderungshöhe kann nunmehr nach Auskunftserteilung nicht mehr (wie beim Schmerzensgeld) ins Ermessen des Gerichts gestellt werden. Es geht nicht um eine "billige" Entschädigung. Die Klägerin müsste die Forderung insofern exakt beziffern, auch wenn sich die Kausalität und der Schaden nach § 287 ZPO beurteilen. Eine allgemeine Zulassung unbezifferter Anträge im gesamten Anwendungsbereich des § 287 ZPO ist abzulehnen (vgl. zutr. Zöller-Greger, 28. Aufl. 2010, § 253 Rn. 14a). Soweit der Antrag exakt auf die Zahlung von 200.000,- € gehen sollte, wäre dieser jedenfalls nicht begründet.

III.

Soweit die Beklagte im Hinblick auf die Lieferung im August 2007 ihre Passivlegitimation bestreitet, könnte sie hiermit angesichts ihrer Unterwerfung und der Folgekorrespondenz nach der Abmahnung vom 05.06.2009 nicht durchdringen, zumal ihr Geschäftsführer nicht etwa auch eine eigene Rechnung für diese Lieferung vorgelegt hat.

IV.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist, auch wenn der objektive Wettbewerbsverstoß vorliegt, mangels Verschuldens dem Grunde nach nicht gegeben.

1.

Ein objektiver Verstoß gegen § 4 Nr. 11 i.V.m. § 16 c II PflSchG als Marktverhaltensregelung ist gegeben. Die Klägerin hat die stoffliche Nichtübereinstimmung des Produkts "I Diflufenican + Isoproturon 62,5 + 500 SC " mit der Zulassung unter Vorlage des Analyseberichts Anl. K 4 jedenfalls hinreichend dargetan. Auf die dortige Zusammenfassung, S. 2, wird verwiesen. Die Beklagte als Vertreiberin des Produktes hat demgegenüber die nötige stoffliche Identität nicht dargetan und unter Beweis gestellt, sondern sich vielmehr nur darauf zurückgezogen, es habe eine behördliche Genehmigung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gegeben. Ihr oblag insoweit aber die Darlegungs- und Beweislast. Die chemische Identität der beiden Mittel muss sie als Importeurin oder Vertreiberin die Beklagte nachweisen (vgl. BGH WRP 2010, 250 - Quizalofop). Wenn der objektive Verstoß so tatsächlich mangels Identität der Mittel vorlag, konnte sich die Beklagte insoweit auch nicht auf die Genehmigung des BVL berufen, zumal die Behörde gerade auch die Zusammensetzung des konkret gelieferten Produkts selbst nicht überprüft hatte (vgl. BGH GRUR 2005, 778 - Atemtest).

2.

Das für den Schadensersatzanspruch nötige Verschulden ist, wie von der Beklagten erstinstanzlich bestritten und auch im Senatstermin erörtert worden ist, nicht feststellbar. Das Präparat war jedenfalls vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gemäß Liste der erteilten Verkehrsfähigskeitsbescheinigungen für Parallelimport (Anl. B 1) genehmigt. Die Klägerin hat insofern nicht dargetan und belegt, aus welchen Gründen die Beklagte nun Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von der fehlenden stofflichen Identität des gelieferten Produkts gegenüber der Zulassung hatte und hätte haben müssen. Es ist nicht ausgeräumt, dass die Beklagte hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit des Mittels gutgläubig gewesen sein könnte. Die Klägerin hat letztlich keine Umstände vorgetragen, aus denen sich jedenfalls ein fahrlässiges Handeln der Beklagten ergeben soll. Dies gilt umso mehr, als insbesondere nicht vorgetragen ist, dass die Beklagte von der vergleichsweisen Regelung wusste, die die Firma I schon vor der zweiten Lieferung mit der Klägerin getroffen hatte. Dann hätte sie gegebenenfalls ein Umgehungsgeschäft vermuten und bösgläubig sein können. Ein konstitutives oder deklaratorisches - Anerkenntnis, das der Beklagten die Berufung auf ein fehlendes Verschulden verwehren könnte, hat die Beklagte insbesondere auch mit dem Schreiben vom 30.06.2009 (was unten unter Ziff. V 2 a näher ausgeführt wird) im Übrigen nicht abgegeben.

V.

Selbst wenn alsdann die Schadenskausalität unter Berücksichtigung des § 287 ZPO gegebenenfalls noch festgestellt werden könnte, bestünden zudem Zweifel, ob und inwieweit der Schaden hinreichend dargelegt wäre. Es müssten, auch wenn die Darlegungslast erleichtert ist, zumindest hinreichende Anhaltspunkte dargetan und nachgewiesen sein (Zöller, a.a.O., § 287 Rn. 4). Hinsichtlich des Gewinnausfalls von 81.849,60 € könnte insofern eine nähere Offenlegung der Kostenstruktur der Klägerin erforderlich sein. In Bezug auf den geltend gemachten Marktverwirrungschaden, der die Restforderung von rd. 120.000,- € ausfüllen soll und der aus einem Umsatzrückgang von 2007 bis 2009 hergeleitet wird, dürfte nach dem Klagevortrag schon eine hinreichende Grundlage fehlen. Dies kann freilich dahinstehen.

V.

Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind jedenfalls auch nach § 11 I UWG verjährt.

Die Verjährungsfrist beträgt 6 Monate ab Entstehen des Anspruchs und Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners bzw. einer entsprechenden grob fahrlässigen Unkenntnis.

1.

Soweit das Landgericht in Bezug auf den Beginn der Verjährung auf den Zeitpunkt der Abmahnung abgestellt hat, nämlich auf den 05.06.2009, ist zunächst bereits zu berücksichtigen, dass alles dafür spricht, dass der Zeitpunkt der Anspruchsentstehung und vor allem der Kenntnis auch schon deutlich früher lag. Abgesehen davon, dass man in vielen Fällen jedenfalls nicht erst Kenntnis am Tag der Abmahnung bekommt, und abgesehen auch davon, dass eine Auseinandersetzung mit der Fa. I selbst bereits in 2007 stattfand (s. Schreiben vom 27.09.2007, Anl. B 2), ist festzustellen, dass die Kenntnis vom Verstoß jedenfalls mit dem eigenen Analysebericht vom 08.10.2008 bestand. Hierin ist festgehalten, dass die stoffliche Zusammensetzung des Pflanzenschutzmittels nicht der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung entspricht. Lebensnah hat die Klägerin in diesem Gesamtzusammenhang bereits deutlich früher Kenntnis nicht nur vom Verstoß gehabt, sondern auch von der Person der Beklagten, die das Herbizid im August 2007 und Sept. 2008 vertrieben hat. Insofern sind schon nach dem unstreitigen Sachverhalt aus erster Instanz genügend Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine entsprechende Kenntnis jedenfalls früher bestand. Da es sich sodann um Vorgänge handelt, die sich allein im Geschäftsbereich der Klägerin abspielen, war es im Rahmen der sekundären Darlegungslast - worauf auch die Beklagte schon hingewiesen hatte - nunmehr ihre Sache, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung konkret mitzuteilen.

Zudem ist von Seiten der Beklagten - bereits durch Schriftsatz vom 01.02.2011 - unter Vorlage der eMail des Zeugen T vom 27.01.2010 (Anl. B 5) vorgetragen, dass die Klägerin jedenfalls schon Februar/März 2009 Kenntnis auch von der Person der Beklagten bekommen habe. Dieser neue Vortrag der Beklagten ist prozessual auch zu berücksichtigen, schon deshalb, weil es dem Landgericht hierauf nicht ankam (§ 531 II Nr. 1). Dies war schriftsätzlich nicht einmal bestritten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat dies im Senatstermin zwar bestritten und ausgeführt, es sei noch nicht klar gewesen, wer an die Fa. C geliefert habe, bei Kenntnis hiervon habe man dann die Abmahnung ausgesprochen. Indes wird nach wie vor, obwohl dies bereits mit der Berufungserwiderung vom 25.01.2011 explizit gerügt war, nicht mitgeteilt, wann konkret entsprechende Kenntnis auch von der Person der Beklagten bestand. Die Klägerin hätte sich aber hierzu erklären müssen. Es gab genügende Anhaltspunkte dafür, dass eine frühere Kenntnis bestand. Im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast kann die Klägerin eine entsprechend frühere Kenntnis nicht ohne konkreten Vortrag hierzu allein bestreiten. Sie müsste vortragen, wann sie die Kenntnis erlangt hat, wenn es nicht Anfang März 2009 gewesen sein sollte.

Der unterlassene Vortrag geht insoweit, wie im Senatstermin umfassend erörtert worden ist, zu Lasten der Klägerin. So ist davon auszugehen, dass Kenntnis vom Verstoß und von der Person der Beklagten bereits im März 2009 bestand. Die Frist endete insofern bereits Ende September. Selbst Verhandlungen von 43 Tagen (gemäß Berechnung der Berufung) könnten und würden den Fristablauf nicht mehr hindern. Die Klage wurde eingereicht erst am 23.12.2009.

Die nunmehr im Termin beantragte Schriftsatzfrist konnte, da genügend Zeit zu entsprechendem Vortrag bestand, bereits in erster Instanz beanstandet war, dass die Klägerin sich zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung ausschweigt, und auch die Berufungserwiderung sich explizit mit diesem Thema befasst hatte, nicht mehr gewährt werden, zumal die Klageabweisung im Übrigen auch auf das Fehlen des Verschuldens zurückgeht.

2.

Hinzu kommt, dass bereits mit dem Entwurf der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung (Anl. K 8) eine Kostenaufstellung der Anwälte der Klägerin vom 27.05.2009 mit überreicht worden ist.

Selbst wenn so (hilfsweise unterstellt) Kenntnis erst am 27.05.2009 bestanden haben sollte, wäre Verjährung eingetreten. Verjährungshemmende Verhandlungen oder ein Neubeginn der Verjährung durch Anerkenntnis vermögen den Ablauf der Verjährungsfrist nicht zu hindern.

a)

Zunächst ist im Zuge der geführten Korrespondenz zwischen den Parteien durch das Schreiben der Beklagten vom 30.06.2009 kein Neubeginn der Verjährung nach § 212 I Nr. 1 BGB eingetreten. Voraussetzung wäre ein tatsächliches Verhalten der Beklagten gegenüber der Klägerin, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld eindeutig ergibt (Palandt-Ellenberger, 70. Aufl. 2011, § 212 Rn. 2). Dabei soll es ausreichen, dass der Schuldner dem Gläubiger, hier der Klägerin, seine Erfüllungsbereitschaft anzeigt, um diesen dadurch von weiteren Maßnahmen abzuhalten (vgl. Palandt-Sprau, a.a.O., § 781 Rn. 6). Das war hier aber gerade, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht der Fall. Das genannte Schreiben macht vielmehr die Haftung auf Schadensersatz davon abhängig, dass weitere Bedingungen vorliegen, nämlich vor allem, dass der Beklagten ein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Ein solches räumt die Beklagte erkennbar nicht ein und damit auch nicht ihre Schadensersatzhaftung. Es bleibt völlig offen, ob die Beklagte der Klägerin tatsächlich Schadensersatz zu leisten hat oder zu leisten bereit ist. Es handelt sich insofern letztlich um eine Nichterklärung, jedenfalls nicht um das Signal, die Schadensersatzhaftung dem Grunde nach zu übernehmen. Dies ist gerade auch im Zusammenhang mit der vorherigen Unterlassungserklärung vom 08.06.2009 zu sehen, mit der explizit die Ziffer 3, die die Schadensersatzhaftung festschreiben sollte, gestrichen worden ist. Diese war dem Grunde nach abgelehnt. Die Haftung wird demgegenüber mit dem Schreiben vom 30.06.2009 keineswegs nun eingeräumt. Die - akzessorische - Auskunft kann unabhängig von einem Anerkenntnis des Schadensersatzanspruchs auch freiwillig erteilt werden. Sie mag einen vormaligen "guten Willen", möglicherweise auch ein bloßes Hinhalten andeuten, sie beinhaltet aber auch in Bezug auf die Haftung auf Schadensersatz keine irgendwie geartete verbindliche Erklärung (wenngleich sie noch Verhandlungsbereitschaft zeigt; dazu unten b)). Die Zahlung der Kosten im letzten Absatz des Schreibens betrifft vor allem die Abmahnung und den Unterlassungsanspruch, der selbst kein Verschulden voraussetzt. Genau diese Wertung, dass kein Anerkenntnis vorliegt, hat vor allem außergerichtlich die Klägerin selbst getroffen, wenn sie später mit Schreiben vom 08.07.2009 (Anl. K 10) mitgeteilt hat, dass das Schreiben vom 30.06.2009 ihr eben nicht ausreicht, weil die Beklagte maßgebliche Einschränkungen vorgenommen hatte. Die Klägerin forderte, nämlich weil ersichtlich kein Anerkenntnis und keine Verpflichtungserklärung vorlagen, nunmehr eine vollständige Erklärung, und zwar ohne die vorgenommenen Streichungen. Damit hat sie selbst gesagt, dass insoweit ein maßgebliches Anerkenntnis tatsächlich nicht vorgelegen hat.

b)

Alsdann war der Lauf der Verjährungsfrist für 43 Tage gehemmt, § 203 BGB. Diese Zeit wird nach § 209 BGB nicht in die Hemmungszeit eingerechnet. Die Verjährung tritt überdies frühestens 3 Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

Für die Annahme von Verhandlungen reichen Erklärungen des Schuldners, die den Gläubiger zu der Annahme berechtigen, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches ein (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 203 Rn. 2).

Eine Verhandlung ist zunächst erfolgt ab dem 08.06.2009; denn die Beklagte hat mitgeteilt, dass zu den Nebenansprüchen noch gesondert Stellung genommen werden solle. Einen Teil des Angriffs hat sie akzeptiert, ein weiterer Teil stand noch zur Disposition. Diese Verhandlungen sind alsdann nicht, wie vom Landgericht angenommen, durch die Beklagte durch das Schreiben vom 30.06.2009 beendet worden. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass Schäden ersetzt würden, "soweit" ihr ein Verschulden zur Last fiele und der Klägerin tatsächlich ein Schaden entstanden sei. Dies konnte und musste die Klägerin gerade auch so verstehen, dass diese Punkte noch erörtert und geklärt werden sollten, auch wenn die Beklagte nicht im Sinne eines Anerkenntnisses irgendeine Erfüllungsbereitschaft signalisierte. Für die fortbestehenden Verhandlungen spricht an dieser Stelle gerade auch die Auskunftserteilung, die es ermöglichen konnte, in Bezug auf den Schaden Klärung herbeizuführen. Die Klägerin konnte und durfte noch annehmen, dass auch über das Verschulden und die Höhe des Schadens weiter noch korrespondiert würde. Das Schreiben vom 30.06.2009 beinhaltet eine vollumfängliche Ablehnung der Ansprüche nicht, ebenso wenig wie positiv ein Anerkenntnis. Die Verhandlungen dauerten an. Auskünfte waren noch nicht erteilt, auch über das Schreiben vom 08.07. und das Telefonat vom 10.07.2009 hinaus, mit dem die Beklagte jedenfalls wiederum eine Fristverlängerung für sich in Anspruch nahm und das Verhandlungsstadium noch nicht beendet hat. Die endgültige Ablehnung ist erst mit dem Schreiben vom 13.07.2009 erfolgt, mit dem die Beklagte meinte, nun sei alles doch erledigt. Die Klägerin erhielt dieses Schreiben (gemäß Eingangsstempel) erst am 21.07.2009. So konnte die Klägerin erst zu diesem Zeitpunkt von dem Ende der Verhandlungen ausgehen.

Aufgrund dessen war der Lauf der Verjährung 43 Tage (6 Wochen x 7 Tage + 1 weiterer Tag) gehemmt. Wird diese Zeit der regulären Frist ab dem 27.05.2009 hinzugerechnet, wäre Verjährungseintritt am 10.01.2010. Die Zustellung der Klage ist freilich erst am 18.03.2010 erfolgt.

c)

Es kann insoweit nicht auf den Eingang der Klage (am 23.12.2009) abgestellt werden. Die Zustellung ist nicht nach § 167 ZPO demnächst erfolgt.

Beginnt die Zweiwochenfrist für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erst ab Eintritt der Verjährung (so BGH NJW 1995, 2230; Zöller-Greger, a.a.O., § 167 Rn. 10), hier also mit dem 10.01.2010, ist eine Zustellung demnächst nicht mehr zu bejahen.

Die in diesem Zusammenhang noch zu akzeptierende Verzögerungsfrist beträgt 2 Wochen (BGH NJW 1994, 1073; NJW-RR 1995, 254; NJW 2009, 1001; Zöller-Greger, a.a.O., § 167 Rn. 11). Eine andere Betrachtung ist im Streitfall nicht geboten. Damit hätte der Vorschuss jedenfalls bis zum 24.01.2010 eingezahlt sein müssen; die Vorschussanforderung des Gerichts war bereits am 30.12.2009 erfolgt. Tatsächlich ist die Zahlung erst am 01.02.2010 (Bl. I b) bei Gericht eingegangen.

VI.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 22.02.2011
Az: I-4 U 178/10


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