Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. März 2004
Aktenzeichen: 17 W (pat) 29/02

(BPatG: Beschluss v. 11.03.2004, Az.: 17 W (pat) 29/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der (berichtigte) Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Oktober 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 17, Beschreibung und 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5, allesamt überreicht in der mündlichen Verhandlung am 11. März 2004.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung:

"Anzeigevorrichtung"

eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts mit (berichtigtem) Beschluss vom 17. Oktober 2001 zurückgewiesen. In der Begründung ist ausgeführt, dass die Anzeigevorrichtung nach dem Patentanspruch 1 nicht gewährbar sei, da sie nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 17, Beschreibung, Zeichnungen, allesamt überreicht in der mündlichen Verhandlung am 11. März 2004.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Messwert-Anzeigevorrichtung mit einer Recheneinheit (10), wobei die Recheneinheit (10) einen Dateneingang (11) aufweist, über den der Recheneinheit (10) Informationen in Form von Messwerten zur Verfügung gestellt werden, mit einer Anzeige (30) zur Darstellung einer Vielzahl von Bildern und mit einer Steuervorrichtung (20) zur Steuerung der Ausgabe der Bilder über die Anzeige (30), wobei die Steuervorrichtung (20) einen flüchtigen Speicher (23) aufweist, der als ein Bildspeicher für die Anzeige (30) dient, und wobei die Steuervorrichtung (30) einen nichtflüchtigen Speicher (22) aufweist, wobei in dem nichtflüchtigen Speicher (22) eine Vielzahl darzustellender, vorberechneter Bilder in Datenform abgelegt ist, und mit einem Prozessor (21), der der Steuervorrichtung (20) zugeordnet ist, wobei die Recheneinheit (10) aus den über den Dateneingang (11) erhaltenen Informationen Anweisungen errechnet, die an den Prozessor (21) weitergegeben werden, wobei der Prozessor (21) Bilddaten von durch die Recheneinheit (10) bestimmten Bildern in Abhängigkeit von diesen Anweisungen aus dem nichtflüchtigen Speicher (22) in den flüchtigen Speicher (23) zur Darstellung in der Anzeige (30) kopiert."

Der dem Anspruch 1 nebengeordnete Anspruch 12 lautet:

"Verfahren zur Anzeige von Messwerten, wobei einer Recheneinheit (10) Informationen in Form von Messwerten über einen Dateneingang (11) zur Verfügung gestellt werden, wobei die Recheneinheit (10) aus den über den Dateneingang (11) erhaltenen Informationen Anweisungen errechnet, die an einen Prozessor (21) übertragen werden, wobei der Prozessor (21) Bilddaten von durch die Recheneinheit (10) bestimmten Bildern in Abhängigkeit von diesen Anweisungen in einem nichtflüchtigen Speicher (22), in dem vorberechnete Bilder gespeichert sind, auswählt und in einen flüchtigen Speicher (23) kopiert, wobei die Daten von dem flüchtigen Speicher (23) an eine Anzeige (30) übertragen werden und das den Bilddaten zugeordnete Bild in der Anzeige (30) angezeigt wird."

Die Anmelderin führt aus, dass in den nunmehr geltenden Ansprüchen klar zum Ausdruck komme, in welcher Hinsicht sich die Arbeitsweise der beanspruchten Messwert-Anzeigevorrichtung von bekannten Vorrichtungen unterscheide. Bei bekannten Vorrichtungen würden die von einer Recheneinheit ausgewerteten Messwerte einer Anzeigesteuervorrichtung zugeführt, von deren Steuerprozessor in ein entsprechendes Anzeigebild umgewandelt, dieses in einem flüchtigen Bildwiederholspeicher abgelegt und zur Anzeige periodisch ausgelesen. Dabei sei nachteilig, dass der Steuerprozessor das gesamte Bild stets neu berechnen müsse, wenn sich ein Messwert ändere.

Die Anmeldung schlage vor, diesen Nachteil dadurch zu überwinden, dass ein nichtflüchtiger Speicher vorgesehen werde, in dem eine Vielzahl vorberechneter, zu den Messwerten korrespondierender Bilder abgelegt seien. Zur Anzeige eines aktuellen Messwerts werde zunächst der am Dateneingang anliegende Messwert von der Recheneinheit in eine für den Steuerprozessor verständliche Anweisung umgesetzt. Auf diese Anweisung hin kopiere der Steuerprozessor bestimmte vorausberechnete Bilder aus dem nichtflüchtigen Speicher in den flüchtigen (Bildwiederhol-) Speicher zur Anzeige. Dadurch entfalle ein erheblicher Teil der Bildberechnungsschritte.

Diese Art der Auswertung und Anzeige von Messwerten sei aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt, so dass anzuerkennen sei, dass eine patentfähige Erfindung vorliege.

II.

Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig und auch begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.

Die geltende Fassung des Patentanspruchs 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 in Verbindung mit dem in der Beschreibung dargestellten Ausführungsbeispiel (vgl Figur 1 u S 7, Abs 2 - S 10, Abs 2 der ursprünglichen Unterlagen) und ist daher zulässig.

Die Messwert-Anzeigevorrichtung nach dem Patentanspruch 1 ist neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Von den entgegengehaltenen Druckschriften kommt die in der DE 39 30 862 A1 beschriebene Einrichtung zur Darstellung von Flugführungsinformationen der Messwert-Anzeigevorrichtung nach dem Patentanspruch 1 am nächsten.

Mit dieser bekannten Einrichtung sollen Informationen zur Führung eines Flugzeugs dargestellt werden. Wie in Fig 1 dargestellt, ist hierzu ein Display-Computer 13 vorgesehen, der von verschiedenen Einheiten gelieferte Messwerte auswertet und auf einem Display 14 darstellt. Eine der in den Fig 2 bis 8 gezeigten Darstellungen wird dadurch erzeugt, dass die in einem Zwischenspeicher 92 abgelegten aktuellen Messwerte für Prozessdaten zusammen mit Informationen zum überflogenen Gebiet von dem Display-Computer 13 ausgewertet werden. Die Arbeitsweise des Display-Computers ist auf S 7, Z 4 bis S 8, Z 17 in Verbindung mit den Figuren 9, 10 a und 10 b im einzelnen dargestellt. Danach berechnet ein Programmteil 104 aus den Messwerten Skalen und numerische Anzeigen. Zusammen mit anderen Größen, zB der vorausberechneten Flugbahn, werden diese in einem Videospeicher 124 abgelegt und am Display 14 dargestellt.

Ein Hinweis darauf, dass in einem nichtflüchtigen Speicher eine Vielzahl darzustellender, vorberechneter Bilder abgelegt sind, die in das Videospeicher 124 zur Anzeige übertragen werden, findet sich in dieser Druckschrift aber nicht.

Eine Anregung in dieser Hinsicht kann der Fachmann, ein Elektronikingenieur mit Erfahrung auf dem Gebiet der Instrumentierung, auch den anderen entgegengehaltenen Druckschriften nicht entnehmen.

Die DE 197 16 316 A1 befasst sich mit einer bedienerfreundlichen Benutzeroberfläche für eine Telekommunikationseinrichtung, zB einem Handy. Diese Einrichtung umfasst neben dem Telefon 4 einen Prozessor 3, einen Speicher 2 und eine Anzeige 5. Auf der Anzeige können verschiedene Objekte und Verbindungslinien dazwischen dargestellt werden, bspw für das eigene Telefon A und weitere Teilnehmer B, C (vgl Fig 1). Wie eine bestimmte Darstellung auf der Anzeige letztlich erzeugt wird, ergibt sich aus dieser Druckschrift nicht. Auch den Ausführungen in Sp 3, Z 47 - 50, dass die einzelnen grafischen Objekte jeweils über den Prozessor mit einem zugeordneten Speicherplatz verbunden sind, der sämtliche für Telekommunikationsvorgänge notwendigen Daten enthält, lässt sich nur der Hinweis entnehmen, dass die darzustellenden Informationen ihrer Bedeutung nach im Speicher zu ordnen sind. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass zur Erzeugung einer Darstellung vorberechnete Bilder aus einem nichtflüchtigen Speicher oder Speicherteil in einen flüchtigen Speicher kopiert werden, der, wie im Patentanspruch 1 angegeben, als Bildspeicher für die Anzeige dient.

In der US 5 485 600 ist ein Computersimulationssystem beschrieben, mit dem ein beliebiges System definiert und in seinem Verhalten nachgebildet werden kann. Das zu simulierende System, bspw ein Lokführerstand (vgl Fig 29), wird mit seinen Eingabe-Ausgabemöglichkeiten über einen "Objekt Editor" (Sp 7, Z 34 - 56) definiert. Die Zusammenstellung eines anzuzeigenden Bildes erfolgt unter Benutzung des Objekt Editors, also per Software. In Fig 1 in Verbindung mit Sp 10, Z 52 - 59 ist auch die hierzu erforderliche Hardware schematisch dargestellt. Das auf der Anzeige 134 angezeigte Bild ist als Bitmap im Bildspeicher 132 gespeichert. Dass in diesen Bildspeicher vorberechnete Bilddaten aus einem nichtflüchtigen Speicher kopiert würden, kann nicht erkannt werden.

Der Aufsatz von H. Illig ua "Das Instrument on card", veröffentlicht in Elektronik, Heft 9, 1997, S 102 - 106, beschreibt Steckkarten, mit denen ein PC mittels zusätzlicher Software als Multimeter, Oszilloskop oder Funktionsgenerator benutzt werden kann. Eine Anzeige erfolgt offenbar am Bildschirm des PCs. Über Einzelheiten der Zusammenstellung eines anzuzeigenden Bildes sind keine Angaben zu entnehmen.

Die Patentfähigkeit der Messwert-Anzeigevorrichtung nach dem Anspruch 1 ist daher durch die vorliegenden Druckschriften nicht in Frage gestellt.

Der nebengeordnete Anspruch 12 betrifft ein Verfahren zur Anzeige von Messwerten.

Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Anspruchsfassung bestehen nicht, da der Anspruch auf die Arbeitsweise der Messwert-Anzeigevorrichtung gerichtet ist, die der Fachmann ohne weiteres den ursprünglich eingereichten Unterlagen entnimmt.

Dieser Anspruch geht ebenfalls davon aus, dass in einem nichtflüchtigen Speicher eine Vielzahl vorberechneter Bilder abgelegt bzw gespeichert sind, unter denen der Prozessor in Abhängigkeit von aus Messwerten gewonnenen Anweisungen bestimmte Bilder auswählt und in den flüchtigen Bildspeicher kopiert. Wie zum Anspruch 1 ausgeführt, findet sich für diese Vorgehensweise keine Anregung im entgegengehaltenen Stand der Technik, so dass ebenfalls anzuerkennen ist, dass das beanspruchte Verfahren neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Die übrigen, jeweils untergeordneten Ansprüche haben zweckmäßige und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Messwert-Anzeigevorrichtung nach dem Anspruch 1 oder des Verfahrens zur Anzeige von Messwerten nach dem Anspruch 12 zum Gegenstand. Sie sind daher ebenfalls gewährbar.

Da auch die übrigen Unterlagen die an sie zu stellenden Anforderungen erfüllen, war gemäß dem Antrag der Anmelderin nach Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Patent zu erteilen.

Bertl Dr. Schmitt Dr. Kraus Prasch Pü






BPatG:
Beschluss v. 11.03.2004
Az: 17 W (pat) 29/02


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