Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 22. Juli 2006
Aktenzeichen: 8 W 271/06; 8 W 272/06

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 22.07.2006, Az.: 8 W 271/06; 8 W 272/06)

Tenor

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen Abschnitt II des Beschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 31.5.06wird

zurückgewiesen.

2. Der Beschluss des Landgerichts vom 31.5.2006 wird hinsichtlich des Beschwerdewerts von Amts wegen dahin geändert,dass der Wert des Beschwerdeverfahrens auf

100.000 EUR

festgesetzt wird.

3. Der Antragsteller trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde und hat der Antragsgegnerin deren in diesem Verfahren (Ziff. 1) entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Wert der weiteren Beschwerde: bis 2.000 EUR

Gründe

I.

Der Antragsteller ist unstreitig zur Antragstellung nach §122 Abs. 2 AktG legitimiert. Im Vorfeld der auf den 12.4.2006 einberufenen Hauptversammlung der Antragsgegnerin hat er deren Vorstand mit Schreiben vom 6.3.2006 aufgefordert, 4 Gegenstände (TOP A-D) zur Beschlussfassung in der Hauptversammlung bekannt zu machen. Mit TOP A und B sollte im Wesentlichen erreicht werden, dass durch Satzungsänderung dem Vorstand die Möglichkeit der Fortsetzung der Geschäftstätigkeit mit Autos der Marken MAYBACH und smart genommen würde. Die TOP C und D betrafen die Bestellung von Sonderprüfern. Dieses Schreiben ging bei der Antragsgegnerin durch Fax um 17,14 Uhr am 6.3.06 ein. Sie war aufgefordert, bis spätestens 8.3.06, 16 Uhr dem Verlangen zu entsprechen.

Nachdem die Antragsgegnerin die vorgegebene Frist ohne Reaktion verstreichen ließ, hat der Antragsteller am 9.3.2006 gemäß § 122 Abs. 3 AktG das Amtsgericht - Registergericht - Stuttgart angerufen. Am 13.3.2006 erklärte sich die Antragsgegnerin bereit, dem Begehren des Antragstellers bezüglich der TOP C und D zu entsprechen. Insoweit wurde das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Hinsichtlich der TOP A und B trat die Antragsgegnerin dem Antragsbegehren entgegen.

Mit Beschluss vom 15.3.2006 hat das Amtsgericht - Registergericht - Stuttgart das Antragsbegehren, soweit es nicht erledigt war, zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller noch am gleichen Tag sofortige Beschwerde eingelegt und sein Begehren unverändert weiterverfolgt. Nachdem bis zur Hauptversammlung vom 12.4.2006 eine Entscheidung des Landgerichts nicht zu erlangen war, hat er mit Schriftsatz vom 13.4.2006 das Verfahren für erledigt erklärt und vorsorglich den Ermächtigungsantrag zurückgenommen. Das Landgericht hat die Erklärung vom 13.4.2006 in der Folgezeit unwidersprochen als Rücknahme des Ermächtigungsantrags interpretiert. Mit Beschluss vom 31.5.2006 hat es dem Antragsteller auferlegt, die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen (Beschlusstenor Abschnitt II). Den Beschwerdewert hat es auf 300.000 EUR festgesetzt.

Mit Fax vom 23.6.2006 hat der Antragsgegner weitere Beschwerde gegen diese Kostenentscheidung des Landgerichts eingelegt und gleichzeitig im Wege der Streitwertbeschwerde die Korrektur der Festsetzung des Beschwerdewerts beantragt. Das Landgericht habe bei seiner Kostenentscheidung verkannt, dass Grundlage derselben nur § 13a Abs. 2 Satz 1 FGG sei. Die Voraussetzungen der Kostenzuscheidung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, nämlich grobes Verschulden oder Unbegründetheit des Rechtsmittels hätten nicht vorgelegen. Die Kosten seien nach Billigkeit zuzuordnen. Im vorliegenden Fall entspreche es aber nicht der Billigkeit, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Erledigung/Rücknahme beruhe darauf, dass die Ergänzung der Tagesordnung der Hauptversammlung mit deren Ablauf am 12.4.06 ihren Sinn verloren habe. Bis dahin sei das gerichtlich verfolgte Begehren auch begründet gewesen. Denn der Antragsteller habe mit den TOP A und B Beschlussfassungen zu Satzungsänderungen angestrebt und hierfür sei die Hauptversammlung einer AG zuständig. Ein (unzulässiger) Eingriff in die Leitungsbefugnis des Vorstands sei damit entgegen der Auffassung der gerichtlichen Instanzen und der Antragsgegnerin nicht verbunden gewesen. Der Beschwerdewert sei viel zu hoch angesetzt. Üblich sei ein Wertansatz von 30.000 EUR.

Die Antragsgegnerin ist der weiteren Beschwerde mit Schriftsatz vom 13.7.06 entgegengetreten.II.

1, Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts ist gem. §§ 20a Abs. 2, 27, 29, 146 Abs. 2 FGG, 122 Abs. 3 Satz 4 AktG zulässig. Sie ist aber im Ergebnis nicht begründet.

Im Ausgangspunkt ist dem Antragsteller zwar zuzustimmen, dass bei erledigter Hauptsache, bei Antrags- und Beschwerderücknahme § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG (Billigkeitsregelung) Grundlage für die Entscheidung darüber ist, ob außergerichtliche Auslagen zu erstatten sind (vgl. Bassenge/Herbst/Roth, FGG, 10. Aufl., § 13a RN 12-14); § 13a Abs. 1 Satz 2 kommt nur bei grobem Verschulden und Unbegründetheit des Begehrens zur Anwendung (Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winckler, FG, 15. Aufl., § 13a RN 25,30ff; Bumiller/Winkler, FG, 8. Aufl., § 13a RN 20,21). In vorliegender Sache aber entspricht es nach Auffassung des Senats der Billigkeit, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin deren im Beschwerdeverfahren entstandenen (notwendigen) Auslagen ersetzt. Eine solche Entscheidung ist nach der Rechtsprechung auch im Rahmen des § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG dann zu rechtfertigen, wenn der umstrittene Antrag bzw. das umstrittene Rechtsmittel keine Erfolgsaussicht hatte. Während bei schwierigen Sach- und Rechtsfragen regelmäßig Abstand davon zu nehmen ist, einem Beteiligten die außergerichtlichen Auslagen eines anderen Beteiligten aufzuerlegen, ist für eine gegenteilige Entscheidung dann Raum, wenn die Unbegründetheit eines Antrags von vornherein nicht zu übersehen war, oder wenn spätestens mit der Entscheidung des Erstgerichts ausreichend deutlich hervortrat, dass keine Erfolgsaussicht bestand. Letzteres zumindest ist hier gegeben:

a. Es trifft zwar zu, dass es ein originäres Recht der Hauptversammlung einer AG ist, über Satzungsänderungen zu beschließen (§ 118 Abs. 1 Nr. 5 AktG). Dazu gehören auch Beschlüsse über Änderungen des in der Satzung bestimmten Unternehmensgegenstands. Dementsprechend ist es auch nicht zu beanstanden, wenn ein nach § 122 Abs. 2 AktG legitimierter Aktionär über §§ 122 Abs. 2 und 3 AktG erreichen will, dass sich die Hauptversammlung mit einem Satzungsänderungsantrag befasst. Dies ist von den Vorinstanzen nicht in Zweifel gezogen worden.

b. Andererseits bestreitet auch der Antragsteller nicht, dass es das originäre Recht des Vorstands der AG ist, die Geschäfte des Unternehmens zu leiten (§ 76 Abs. 1 AktG). Weder die Hauptversammlung, noch der Aufsichtsrat können dem Vorstand vorschreiben, wie er die Geschäfte führt und welche Produkte er innerhalb des in der Satzung durch den Unternehmensgegenstand vorgegebenen Rahmens entwickelt und vertreibt.

c. Die Grenze zwischen den Aufgaben der Hauptversammlung und denen des Vorstands kann im Einzelfall schwer zu ziehen sein. Wenn der in der Satzung definierte Unternehmensgegenstand dem Vorstand zu enge Fesseln auferlegt, könnte nach Literaturmeinung ein Eingriff in die Leitungsmacht des Vorstands vorliegen (Oltmanns/Unger in Heidel, Aktienrecht, § 82 RN 8; Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 83 RN 10). So wird diskutiert, ob dies schon dann der Fall ist, wenn die Satzung weltanschaulich-politische Vorgaben für die Geschäftstätigkeit macht (vgl. bei Oltmanns/Unger aaO, ablehnend; Hüffer aaO, teilweise ablehnend). Den Senat überzeugt eine solche einengende Auslegung der Rechte der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Satzungsmacht nicht. Es ist gerade Sache der Satzung und damit Recht der Hauptversammlung, vorzugeben, welche Art von Geschäften das Unternehmen betreiben soll; es gibt keinen sachlichen Grund, warum hierzu nicht auch weltanschauliche Grenzziehungen gehören sollen, soweit sie im Übrigen sich im Rahmen der Rechtsordnung halten. Solange sich die Satzung auf allgemeine Festlegungen im Sinne der Vorgabe eines allgemeinen Rahmens beschränkt, ist darin nach Hefermehl/Spindler (Münchener Komm. zum AktG, 2. Aufl., § 76 RN 23) kein unzulässiger Eingriff in die Leitungsmacht des Vorstands zu sehen. Dies ist auch die Auffassung des Senats.

Die vom Antragsteller hier aber angestrebte Satzungsänderung ist nicht auf eine Veränderung des Unternehmensgegenstands im Sinne einer allgemein gehaltenen Rahmenvorgabe gerichtet, sondern zielt auf die Untersagung der Geschäftstätigkeit mit zwei konkreten Produkten, MAYBACH und smart. Es handelt sich um Produkte, die als Landfahrzeuge und motorisierte Fahrzeuge von der derzeitigen Satzung in ihrer allgemein gehaltenen Vorgabe des Unternehmensgegenstands erfasst sind. Auch nach der beabsichtigten Änderung des Unternehmensgegenstands würde das Unternehmen motorisierte Landfahrzeuge bauen und vertreiben können. Sie dürften nur nicht unter den Markenbezeichnungen MAYBACH und/oder smart entwickelt, gebaut und vertrieben werden. Alle unter den beiden Marken gebauten und vertriebenen Fahrzeuge setzen sich aber u.a. auch aus einer Vielfalt von Einzelteilen zusammen, die sich baugleich oder in unterschiedlich starker Abänderung in anderen Fahrzeugen der breiten Fahrzeugpalette der Antragsgegnerin finden. Um einen Ausschluss der Herstellung und Verwendung einzelner technischer Teile, die in den Endprodukten, die unter den Marken MAYBACH und smart vertrieben werden, enthalten sind, geht es dem Antragsteller aber nicht, sondern um das (für unwirtschaftlich gehaltene) Endprodukt. Völlig unklar bliebe bei einer solchen Fassung der Satzung, wie weit die von einer neu gefassten Satzung ausgehende Bindung des Vorstands ginge. Reichte es schon aus, die Marken, nicht die Fahrzeuge aufzugeben€ Würden auch mehr oder weniger am design der nicht mehr erlaubten Marken ausgerichtete Fahrzeuge vom Verbot erfasst€ Erfasste das Verbot auch die Einzelteile, aus denen sich die Fahrzeuge der nicht mehr zugelassenen Marken zusammensetzen€ All dies zeigt, dass die vom Antragsteller angestrebte Satzungsänderung ungeeignet ist, eine klar definierte allgemeine Beschreibung des Unternehmensgegenstands (unter Einengung von dessen bisheriger Reichweite) zu bewirken. Vielmehr zielt die beabsichtigte Änderung im Ergebnis nur darauf, zwei für wirtschaftlich unsinnig gehaltene Einzelprodukte aus der großen Palette der von der Antragsgegnerin gebauten und vertriebenen Produkte, die allesamt in gleicher Weise von dem sachlichen Unternehmensgegenstand gedeckt sind, zu entfernen. Eine solche von der Hauptversammlung beschlossene Änderung des Unternehmensgegenstands wäre aber - wie schon das Amtsgericht - Registergericht - Stuttgart in seinem Beschluss vom 15.3.2006 überzeugend dargelegt hat, unzulässig, weil sie in die originäre Leitungsbefugnis des Vorstands eingreifen würde.

d. Zurecht hat bereits das Amtsgericht den Ermächtigungsantrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers konnte bei dieser Sachlage keinen Erfolg haben und wäre, wenn nicht Erledigung durch Rücknahme des Ermächtigungsantrags eingetreten wäre, vom Landgericht zurückgewiesen worden. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist aber die Kostenentscheidung des Landgerichts auch unter Billigkeitsgesichtpunkten gerechtfertigt.

e. Ob die Einschaltung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren notwendig war, hat keinen Einfluss auf die - hier allein zu treffende - Kostengrundentscheidung. Hierüber ist erst im Rahmen der Kostenfestsetzung nach §§ 13a Abs. 3FGG, 103ff ZPO zu entscheiden.

2. Der Beschwerdewert ist in Abänderung der Wertfestsetzung des Landgerichts auf 100.000 EUR zu bemessen. Dies erfolgt von Amts wegen nach § 31 Abs. 1 KostO. Die auf Änderung des Beschwerdewerts gerichtete Beschwerde des Antragstellers dagegen war mangels Zulassung durch die Vorinstanz unzulässig §§ 31 Abs. 3 Satz 5, 14 Abs. 5 KostO; Kostenfolgen sind damit nicht verbunden (§ 31 Abs. 5 KostO) . Für die Festsetzung des Beschwerdewerts nach §§ 131 Abs. 2, 30 KostO waren nur noch die Anträge TOP A und B maßgeblich, da sich die Sache bezüglich der Anträge C und D bereits in der 1. Instanz erledigt hatte. Der Wert der Anträge zu TOP A und B ist einerseits geprägt dadurch, dass mit diesen Anträgen bezweckt war, eine wirtschaftlich sehr bedeutsame Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit der Antragsgegnerin zu bewirken. Andererseits konnte allein der Erfolg im gerichtlichen Verfahren noch keine Änderung der Geschäftstätigkeit der Antragsgegnerin bewirken. Es hätte erst noch eines dem Anliegen des Antragstellers entsprechenden Beschlusses der Hauptversammlung bedurft. Nachdem der Antragsteller unstreitig keine Beteiligung besitzt, mit der er maßgeblichen Einfluss auf die Abstimmung in der Hauptversammlung hätte nehmen können, reduziert letzteres deutlich das wirtschaftliche Gewicht seines im Beschwerdeverfahren noch verfolgten Ermächtigungsantrags. Der Senat hält unter Berücksichtigung der dargestellten Gesichtspunkte einen Beschwerdewert von 100.000 EUR für angemessen. Ein geringerer Wertwürde außer Acht lassen, dass der Antragsteller mit seiner Aktion letztlich eine für den Wert seines Aktienbesitzes günstigere Geschäftstätigkeit der Antragsgegnerin anstrebt und dass bei einem Nennwert seiner Aktien von 500.000 EUR bereits geringfügige Verbesserungen des Aktienkurses wertmäßig den festgesetzten Beschwerdewert erreichen bzw. übersteigen würden.

3. Hinsichtlich anfallender Gerichtskosten für das Verfahren der weiteren Beschwerde gilt § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Die Entscheidung über die im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 13a Abs. 1 S. 2 FGG.

4. Der Wert der weiteren Beschwerde richtet sich an den in der Vorinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten aus. Diese erschöpfen sich in einer halben Gebühr nach Nr. 3500 VV/RVG, das sind jeweils 677 EUR zuzüglich Nebenkosten, zusammen unter 2.000 EUR.






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 22.07.2006
Az: 8 W 271/06; 8 W 272/06


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