Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2002
Aktenzeichen: 33 W (pat) 146/00

(BPatG: Beschluss v. 29.01.2002, Az.: 33 W (pat) 146/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 35 vom 16. Mai 2000 aufgehoben.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 16. September 1999 die Wortmarke

"Carlshütte"

für Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 41 und 42 zur Eintragung in das Register angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Anmeldung durch Beschluß vom 16. Mai 2000 mit der Begründung zurückgewiesen, daß hinsichtlich der angemeldeten Marke ein Freihaltungsbedürfnis gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG bestehe. Sie hat zur Begründung ausgeführt, daß das Zeichen als geographische Herkunftsangabe nicht schutzfähig sei. Es beschreibe die beanspruchten Dienstleistungen dahingehend, daß diese auf dem Gelände der Eisenhütte "Carlshütte", die seit 1736 in Delligsen/Büdelsdorf bestanden habe und 1997 stillgelegt worden sei, erbracht würden. Hinsichtlich einiger Dienstleistungen könne die angemeldete Marke auch als Beschaffenheitsangabe dahingehend zu sehen sein, daß diese sich inhaltlich mit der Geschichte der "Carlshütte" beschäftigten.

Gegen diese Entscheidung des Patentamts hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuhebenund legt zuletzt folgendes eingeschränktes Dienstleistungsverzeichnis vor:

"Klasse 35:

Vermietung von Büromaschinen und -einrichtungen, insbesondere Datenverarbeitungsanlagen, Bildprojektionsgeräte, Beleuchtungsanlagen; Durchführung, Veranstaltung und Organisation von Ausstellungen und Messen insbesondere für wirtschaftliche und Werbezwecke, mit Ausnahme solcher Veranstaltungen, die sich inhaltlich mit der Geschichte der "Carlshütte" befassen;

Klasse 36:

Grundstücks- und Hausverwaltung; Vermittlung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien, insbesondere von Geschäftsräumen;

Klasse 41:

Ausbildung, Erziehung, Unterricht; Unterrichtung durch Rundfunk und Fernsehen, Weiterbildung; Betrieb eines Museums; Vermietung und Verleih von Büchern, Filmen, Video-Kassetten; Filmvorführungen, Musikdarbietungen, Rundfunk- und Fernsehunterhaltung, Theateraufführungen, Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Betrieb von Vergnügungsparks; Organisation und Veranstaltung von Kolloquien, Konferenzen und Kongressen; Durchführung von Live-Veranstaltungen; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen mit Ausnahme von solchen, die sich inhaltlich mit der Geschichte der "Carlshütte" befassen; Veranstaltung sportlicher Wettbewerbe, Betrieb von Kinder- und Krankenbetreuungseinrichtungen;

Klasse 43:

Verpflegung und Beherbergung von Gästen".

Sie trägt vor, daß die angemeldete Marke lediglich als betriebliche Herkunftsangabe verstanden werde, da unter dieser Bezeichnung 150 Jahre lang die Herstellung von Stahl bzw Stahlwaren erfolgt sei. Anhaltspunkte dafür, daß sich der betriebliche Herkunftshinweis in eine geographische Herkunftsangabe gewandelt hätte, seien nicht ersichtlich. Die Bezeichnung weise in Alleinstellung darüber hinaus keinen konkreten inhaltlichen Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen auf, so daß auch unter diesem Aspekt ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht gegeben sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet.

Der Senat hält die angemeldete Marke "Carlshütte" im Zusammenhang mit den nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen - entgegen der Beurteilung der Markenstelle des Patentamts - für nicht freihaltungsbedürftig und für unterscheidungskräftig, so daß ihrer Eintragung gemäß §§ 33 Abs 2, 41 MarkenG keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 oder Nr 2 MarkenG entgegenstehen.

1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen dienen können. Die Prüfung des Freihaltungsbedürfnisses bezüglich geographischer Herkunftsangaben richtet sich dabei vor allem nach den Beurteilungsmaßstäben, die der Europäische Gerichtshof in der "Chiemsee"-Entscheidung zu Art 3 Abs 1 lit. c) der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken vom 21. Dezember 1988 vorgegeben hat. Diese Vorschrift liegt der inhaltsgleichen Bestimmung des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zugrunde und ist für deren richtlinienkonforme Auslegung maßgeblich (EuGH GRUR 1999, 723, vgl dazu auch BPatGE 41, 278 - WALLIS). Bei der Prüfung des Freihaltungsbedürfnisses an Ortsangaben sind dementsprechend nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen, sondern es ist auch die Möglichkeit zu erörtern, ob eine entsprechende beschreibende Verwendung der fraglichen Angabe vernünftigerweise in der Zukunft zu erwarten ist (EuGH aaO Ls 1, Tz 30; so auch BPatGE GRUR 2000, 1050 - Cloppenburg).

In Delligsen/Büdelsdorf in Niedersachen nahm im Jahr 1736 die Friedrich-Carls-Hütte ihren Betrieb für Erzabbau auf. Im Jahre 1845 verkaufte das Fürstentum Braunschweig die vormals fürstliche Friedrich-Carls-Hütte an einen Bergrat, der den Firmennamen daraufhin in "Carlshütte-Delligsen" umgewandelt hat. 1984 ging die Carlshütte als "F... GmbH Stahlgießerei" in Konkurs. In der Folgezeit wurden die noch stehenden Gebäude abgerissen und das Gelände für die Wiedernutzung als Gewerbegebiet vorbereitet. Das 30.000 qm große Gelände umfaßt nunmehr einen alten Park, Hallen der ehemaligen Gießerei und die alte Wagenremise und wird für verschiedene Kulturveranstaltungen genutzt. Bei dem Begriff "Carlshütte" handelt es sich somit um einen Eigennamen, der aus dem ursprünglichen Firmennamen abgeleitet worden ist. Dem Senat liegen keine konkreten Feststellungen oder Anhaltspunkte dafür vor, daß sich dieser Firmenname zu einer geographischen Herkunftsangabe gewandelt hat, bzw daß unter Berücksichtigung zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklungen eine beschreibende Verwendung des Begriffes als geographische Herkunftsangabe vernünftigerweise zu erwarten ist.

Darüber hinaus bleibt es Mitbewerbern der Anmelderin aufgrund des nunmehr eingeschränkten Dienstleistungsverzeichnisses möglich, Veranstaltungen jeglicher Art durchzuführen, die sich inhaltlich mit der Geschichte der "Carlshütte" befassen.

2. Der angemeldeten Marke fehlt auch nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnenden konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist dabei grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRsp vgl BGH MarkenR 2000, 48 - Radio von hier; MarkenR 2000, 50 - Partner with the Best). Der Wortmarke "Carlshütte" kann für das nunmehr eingeschränkte Dienstleistungsverzeichnis kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden, so daß die angesprochenen Verkehrskreise - hier auch das allgemeine Publikum- die verwendete Bezeichnung als Betriebskennzeichen ansehen werden.

Winklerv. Zglinitzki Dr. Hock Cl






BPatG:
Beschluss v. 29.01.2002
Az: 33 W (pat) 146/00


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