Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Juli 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 173/01

(BPatG: Beschluss v. 01.07.2002, Az.: 30 W (pat) 173/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Juli 2001 aufgehoben.

Wegen der Gefahr von Verwechslungen mit den Marken 397 40 192 und 397 40 194 wird hinsichtlich der Waren "Kochgeräte, elektrisch betriebene oder mit festen Brennstoffen betriebene" die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 399 59 086 CERATRONIC für unter anderem

"Kochgeräte elektrisch betriebene oder mit festen Brennstoffen betriebene;"

ist Widerspruch eingelegt durch die Inhaberin der prioritätsälteren Wortmarke CERAN Matic, eingetragen unter der Rollennummer 397 40 192 für

"Heiz- und Kochgeräte versehen mit Gasbrennern, vorzugsweise Gasstrahlungsbrennern, angebracht unter thermisch hoch belastbaren Glaskeramik- oder Spezialglasplatten sowie Kochflächen und Kochfeldern aus Glaskeramik und/oder Spezialglas"

als auch aus der derselben Inhaberin zustehenden prioritätsälteren Wortmarke CERAN Duomatic, eingetragen unter Rollennummer 397 40 194 für

"Heiz- und Kochgeräte mit thermisch hoch belastbaren Glaskeramik- oder Spezialglasplatten zur Aufnahme von verschiedenen Wärmequellen, nämlich Gasbrennern, vorzugsweise Gas-Strahlungsbrennern, kombiniert mit Elektro-Strahlungsheizkörpern sowie Kochflächen und Kochfelder aus Glaskeramik und/oder Spezialglas".

Die Widersprüche richten sich nur gegen die Waren "Kochgeräte, elektrisch betriebene oder mit festen Brennstoffen betriebene" der angegriffenen Marke.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes, besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes, hat die Widersprüche mit Beschluss vom 25. Juli 2001 zurückgewiesen. Begründend wird ausgeführt, zwar bestehe eine hochgradige Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren, bei Annahme einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft sei jedoch eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, da sich eine Einwortmarke und jeweils aus zwei Wörtern zusammengesetzte Marken gegenüberstünden. Zudem seien die Unterschiede der Buchstabenfolgen in der Zeichenmitte nicht zu übersehen. Klanglich machten sich vor al lem die markanten Abweichungen der jeweils betonten dritten Silben sowie deren Anfangskonsonanten bemerkbar. Da die Bestandteile "-TRONIC" und "-matic" unterschiedliche begriffliche Anklänge aufwiesen, nämlich einerseits an Elektronik und andererseits an Automatik, sei davon auszugehen, dass diese Abweichungen hinreichend sicher erfasst würden. Die Bestandteile "CERA-" und "Ceran-" seien nicht isoliert zu betrachten, da jedenfalls dem erstgenannten Bestandteil innerhalb der Gesamtmarke keine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukomme. Eine Aufspaltung der Marke sei insoweit nicht veranlasst. Schließlich bestünde auch kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Vergleichszeichen wegen der ähnlichen Bestandteile "CERA-" beziehungsweise "CERAN" gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und diese im wesentlichen damit begründet, sie habe weltweit unter der Bezeichnung "CERAN" Glaskeramikkochflächen eingeführt. Diese Marke sei der breiten Öffentlichkeit bekannt. Im Jahre 1998 verfügten 36,5% aller deutschen Haushalte über einen Herd mit Glaskeramikkochflächen. Die Widersprechende verweist auf ihre Marken, die allesamt "CERAN" als Bestandteil enthalten. Sie legt hierzu die Liste ihrer, jeweils für "Heiz- und Kochgeräte" mit thermisch hoch belastbaren Glaskeramik- oder Spezialglasplatten zur Aufnahme von offenen, atmosphärischen Gas-Brennern sowie Glaskeramikkochflächen und Glaskeramikkochfelder" eingetragen Marken vor, nämlich:

CERAN 500, CERAN ARCTICFIRE, CERAN Artline, CERAN Control Tableau, CERAN Cook-In, CERAN Design, CERAN Duoflam, CERAN Flam, CERAN Flamatic, CERAN Glo, CERAN Grid Top, CERAN InteGrid, CERAN Nova, CERAN Pearl, CERAN Safe Tray, CERAN SUPREMA, CERAN-DUO, CERAN-TOP-SYSTEM, CERAN TOPSYSTEM.

Hierzu zählen auch die Widerspruchsmarken. Sie besitzt ferner die Marke 2011505 "CERAN", eingetragen für "aus Glaskeramik und/oder Spezialglas gefertigte Koch- und Heizflächen für Back-, Koch- und Heizgeräte bei Verwendung von Wärmequellen jeglicher Art, nämlich betrieben mit Elektrizität, Gas-, Fest- und Flüssigbrennstoffen" und verweist auf ihre weiteren Marken, welche den Bestandteil "CERA" enthalten und im wesentlichen für Reinigungsmittel für entsprechende Kochflächen geschützt sind. Neben der Marke 39730060 "CERA", eingetragen für "Reinigungs- und Pflegemittel für Herde, Kochflächen und Backöfen" handelt es sich dabei ua um die Marken CERA Quick, CERABLITZ, CERABRITE, CERACARE, CERAFINE, CERAGARD, CERAGLANZ, CERAGLISS, CERAGLOSS, CERALITE, CERALUX, CERANOVA, CERAPOLISH, CERASHINE, CERASTAR.

Die Widersprechende ist der Ansicht, der Gesamteindruck der Widerspruchsmarken werde wesentlich durch den Zeichenbestandteil "CERAN" geprägt, wohingegen die weiteren Bestandteile der Widerspruchsmarken bei der Wertung des jeweiligen Gesamteindrucks in den Hintergrund träten. Die angegriffene Marke sei dabei nach demselben Muster gebildet wie die Marken der Widersprechenden.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. Juli 2001 aufzuheben.

Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Beschwerdeverfahren hat er zur Sache selbst nicht Stellung genommen. Vor der Markenstelle hat sein damaliger Vertreter erklärt, dass es sich bei den Widerspruchsmarken zwar um Serienmarken mit hohem Bekanntheitsgrad des wiederkehrenden Bestandteils "CERAN" handle, die angegriffene Marke sich aber gerade deshalb deutlich davon absetze.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Es besteht assoziative Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marken, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr, vgl ua EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922 - CANON; BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND).

Nach der hier maßgeblichen Registerlage können sich die jeweiligen Marken auf gleichen oder jedenfalls hochgradig ähnlichen Waren begegnen, soweit Koch- und Heizgeräte betroffen sind, da sich durch die zusätzliche Heizart Gas bei der Marke 39740194 keine für die Warenähnlichkeit ins Gewicht fallende Besonderheit gegenüber der rein elektrischen Beheizung ergibt; bei der Widerspruchsmarke 39740192 ist zwar lediglich Gas als Heizung erfasst, aber insoweit ist jedenfalls noch von einer engen Warenähnlichkeit auszugehen.

Die Kennzeichnungskraft der Marke "CERAN" ist überdurchschnittlich. Bei der Zeichenbildung hat zwar wohl das Wort Keramik eine Rolle gespielt. Ceran hat jedoch mit diesem Wort schon wegen des unterschiedlichen Anfangslauts wie auch der auf die Buchstabenfolge "-era" beschränkten Gemeinsamkeit nur eine entfernte Ähnlichkeit, die sich vor allem auch nicht auf den Gesamtbegriff Glaskeramik bezieht, so dass es nicht einmal als sprechendes Zeichen einzustufen ist.

Durch die mengen- wie wertmäßig ganz erheblichen Umsätze (in den letzten 5 Jahren jeweils jährlich über 3 Millionen Stück und 120 Millionen €), die von jährlich rund 2,4 Millionen € für Werbung und Marketing unterstützt wurden, und die Präsenz von Keramikkochfeldern in über 1/3 aller Haushalte, wird der Vortrag der Widersprechenden, es handle sich dabei um eine berühmte Marke, ausreichend mit Fakten unterlegt, denen der Inhaber der angegriffenen Marke auch nicht widersprochen hat.

Diese Kennzeichnungskraft strahlt auch in nicht zu vernachlässigender Weise auf die Widerspruchsmarken wie auch auf die weiteren Marken der Widersprechenden mit dem Bestandteil Ceran aus. Wie der Inhaber der angegriffenen Marke nicht nur nicht bestreitet, sondern sogar ausdrücklich anerkennt, handelt es sich dabei um Serienmarken mit hohem Bekanntheitsgrad des wiederkehrenden Bestandteils "CERAN". Daneben hat die Widersprechende aber auch eine zahlenmäßig kaum geringere Markenserie, die jeweils den Bestandteil "CERA" aufweist. Die Ähnlichkeit dieses Markenteils zur Marke "CERAN" ist dabei so hoch, dass sich die Bekanntheit von "CERAN" in gewissem Umfang auch auf "CERA" beziehen lässt.

Wie sich aus den jeweiligen Nummern ersehen lässt, sind die von der Widersprechenden vorgelegten weiteren Marken mit den Bestandteilen "CERA" bzw "CE-RAN" deutlich früher angemeldet und auch eingetragen, was der Senat durch Stichproben überprüft hat, als die angegriffene Marke. Nach dem unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Widersprechenden sind sie für gleiche bzw nah verwandte Waren im Einsatz. Soweit bei den Mareken mit dem Bestandteil CERA Reinigungsmittel eingetragen sind, handelt es sich um speziell auf Glaskeramikplatten abgestimmte Mittel, so dass auch insoweit Warenähnlichkeit vorliegen kann.

Die angegriffene Marke nähert sich nach Aufbau und Bedeutung so sehr der von der Widersprechenden aufgebauten Markenserie, dass der durchschnittlich informierte und aufmerksame Verbraucher, auf den nach der Rechtsprechung des EuGH abzustellen ist, ohne größere Schwierigkeit zu der Meinung kommen kann, die angegriffene Marke sei ein weiteres Serienzeichen der Widersprechenden.

Die Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens ist nämlich dann anzunehmen, wenn die einander gegenüberstehenden Kennzeichnungen zwar nicht unmittelbar miteinander verwechselbar sind, jedoch in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens ansieht und deshalb nachfolgende Bezeichnungen, die einen identischen oder wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Markeninhaber zuordnet (vgl zB BGH MarkenR 1999, 154 - Cefallone). Anlass zu einer Schlussfolgerung in dieser Richtung durch den Verkehr kann insbesondere dann bestehen, wenn ein Unternehmen mit demselben Wortstamm innerhalb mehrerer Zeichen bereits im Verkehr aufgetreten ist (vgl BGH GRUR 1975, 312 - BiBA).

So liegt der Fall hier. Die Widersprechende ist auch mit einer Vielzahl von Marken, mit dem Bestandteil "CERA" auf dem Markt vertreten. Dabei handelt es sich zwar um im Vergleich zu den Marken mit dem Bestandteil CERAN jüngere Marken. Die "CERA-Marken" als Markenserie aufzubauen ist aber durch die bereits länger bestehende "CERAN"-Markenserie erleichtert.

Bei dem "CERA-"Zeichen kommt dem Bestandteil "CERA" die Bedeutung eines Stammcharakters zu. Auch diese Marken sind bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr mitzuberücksichtigen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Markenteil "CERA" der angegriffenen Marke als wesensgleich mit "CERAN" anzusehen ist. Denn bei der Prüfung der mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Zeichenserie kommt es nicht allein darauf an, ob zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke als solcher Verwechslungsgefahr besteht. Wie der Bundesgerichtshof erst vor kurzem entschieden hat, muss bei der mittelbaren Verwechslungsgefahr der Wortstamm nicht auch isoliert in der Widerspruchsmarke hervortreten (BGH GRUR 2000, 886 Bayer/BeiChem LS 3). Um auch bei Serienmarken eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren zu ermöglichen, braucht nämlich nicht aus allen zum Charakter der Serieneigenschaft beitragenden Marken Widerspruch eingelegt zu werden. Auch bei einem durch ein weniger passendes Widerspruchszeichen eingeleiteten Widerspruchsverfahren ist für die Verwechslungsgefahr maßgebend, ob die Widersprechende insgesamt belegen kann, dass der für die Kollision maßgebende Wortstamm auf sie hinweist.

Das ist hier der Fall. Neben der Serie von Zeichen, die als Wortstamm "CERAN" haben, besitzt die Widersprechende auch eine insgesamt so starke Reihe von mit "CERA" gebildeten Marken, dass auch diesem Markenteil der Stammcharakter nicht abgesprochen werden kann. Hierfür spricht auch, dass dem Unterschied zwischen "CERA" und "CERAN" vom maßgebenden breiten Publikum - soweit er bemerkt wird - kaum wesentliche Bedeutung beigemessen werden dürfte. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Firmen mitunter mehrere Zeichenserien unterhalten, die sich manchmal nur nuancenhaft in dem Schlusskonsonanten voneinander unterscheiden, etwa um die Aussprache der Gesamtmarke zu erleichtern oder zu verbessern. In diesen Fällen steht die geringfügig unterschiedlich ausgeprägte, parallel existierende Zeichenserie einem Hinweischarakter der anderen Serie nicht entgegen, sondern vermag diesen möglicherweise sogar zusätzlich zu stützen.

Hinzu kommt, dass der Markenbestandteil "-TRONIC" der angegriffenen Marke als Hinweis auf Elektronik wegen dessen häufiger Verwendung in Marken mit unterschiedlichem Bezug zur Elektronik als eher kennzeichnungsschwach zu beurteilen, ist also den Wortstamm "CERA" durchaus hervorzuheben vermag, wie dies auch bei der Zeichenserie der Widersprechenden der Fall ist, wo die beigefügten Markenteile, die durchwegs beschreibenden Charakter haben, den Stammcharakter von "CERA" hervorheben.

Die angegriffene Marke bildet auch keinen so in sich geschlossenen Gesamtbegriff, der von der Vorstellung, es handle sich um eine Serie der Widersprechenden, wegführte (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 222). Dazu ist der Bestandteil "-TRONIC", wie ausgeführt, nicht geeignet. Vielmehr zeigt gerade die Art der Markenbildung der Widersprechenden, dass dem jeweiligen Stammbestandteil stets eine Nebenangabe folgt, wie es auch bei der angegriffenen Marke der Fall ist.

Schließlich sind lediglich bei den mit dem Bestandteil "CERAN" gebildeten Marken der Widersprechenden die weiteren Bestandteile abgesetzt, wogegen die mit "CERA" gebildeten - mit einer Ausnahme - Einwortmarken sind, in die sich die angegriffene Marke problemlos einreihen lässt.

Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass der Verkehr die Waren der angegriffenen Marke gedanklich mit dem Betrieb der Widersprechenden in Verbindung bringt, da dem Bestandteil "CERA" der zur Annahme einer solchen Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erforderliche Hinweischarakter auf die Widersprechende nicht abzusprechen ist (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 213).

Eine Kostenauferlegung ist nicht veranlasst, § 71 Abs 1 MarkenG.

Dr. Buchetmann Winter Voit Hu






BPatG:
Beschluss v. 01.07.2002
Az: 30 W (pat) 173/01


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