Bundespatentgericht:
Urteil vom 19. September 2006
Aktenzeichen: 3 Ni 16/04

(BPatG: Urteil v. 19.09.2006, Az.: 3 Ni 16/04)

Tenor

I. Das europäische Patent 0 864 016 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:

"Maschine zur Geländebearbeitung mit einem Streuer vom Typ mit einem Silo (105), dessen unterer Teil einen Trichter bildet, welcher die Form eines kegelstumpfförmigen Prismas hat, dessen Basis sich oben befindet und dessen unterer kegelstumpfförmiger Teil direkt an einer Dosiervorrichtung (106) befestigt ist und sich ebenso wie die Dosiervorrichtung auf im Wesentlichen der gesamten Breite des Streuers erstreckt, um das Gelände im Wesentlichen auf dieser gesamten Breite zu bearbeiten, ohne das auszustreuende Produkt zu verreiben und mit Durcharbeitungsmitteln, dadurch gekennzeichnet, dass die Maschine einen offenen Rahmen (103), der auf der ganzen Breite des Streuers offen ist, um das Silo (105) aufzunehmen, und Stützmittel (107) aufweist, um die Gesamtheit Silo/Dosiervorrichtung vertikal bezüglich des Bodens steigen und absinken zu lassen, um den Abstand zwischen dem zu bearbeitenden Gelände und der Dosiervorrichtung derart zu regulieren, dass dieser Abstand während der Bearbeitung minimiert wird und die Durcharbeitungsmittel (112) unmittelbar hinter der Dosiervorrichtung (106) angeordnet sind, um das Mischen des Gebietes und des auf diesem vor dem Durcharbeitungsmittel ausgestreuten Produktes sicherzustellen; wobei diese Durcharbeitungsmittel an dem Rahmen (103) mittels Reguliermitteln (108) für die Höhe bezüglich des Bodens befestigt sind, wobei das Merkmal "dass dieser Abstand während der Bearbeitung minimiert wird" über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgeht, in der sie ursprünglich beim Europäischen Patentamt eingereicht worden ist."

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 28. November 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität der französischen Patentanmeldung 9514072 vom 28. November 1995 angemeldeten und u. a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Französisch erteilten europäischen Patentes EP 0 864 016 B1 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 696 01 736 T2 geführt wird. Das Streitpatent betrifft in der deutschen Übersetzung eine "Streuvorrichtung zum Behandeln von Böden" und umfasst in der erteilten Fassung 18 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 wie folgt lautet:

"1. Streuer zur Geländebearbeitung vom Typ mit einem Silo (105), dessen unterer Teil einen Trichter bildet, welcher die Form eines kegelstumpfförmigen Prismas hat, dessen Basis sich oben befindet und dessen unterer kegelstumpfförmiger Teil direkt an einer Dosiervorrichtung (106) befestigt ist und sich ebenso wie die Dosiervorrichtung auf im Wesentlichen der gesamten Breite des Streuers erstreckt, um das Gelände im Wesentlichen auf dieser gesamten Breite zu bearbeiten, ohne das auszustreuende Produkt zu verreiben, dadurch gekennzeichnet, dass er einen offenen Rahmen (103), der auf der ganzen Breite des Streuers offen ist, um das Silo (105) aufzunehmen, und Stützmittel (107) aufweist, um die Gesamtheit Silo/Dosiervorrichtung vertikal bezüglich des Bodens steigen und absinken zu lassen, um den Abstand zwischen dem zu bearbeitenden Gelände und der Dosiervorrichtung derart zu regulieren, dass dieser Abstand während der Bearbeitung minimiert wird."

Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 18 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin macht geltend, das Streitpatent sei nicht patentfähig, weil dessen Gegenstand über den Inhalt der europäischen Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus gehe sowie nicht neu sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin insbesondere auf folgende Dokumente:

D6 US 3 598 027, D7 DE 36 32 713 A1, D8 US 2 479 800, D9 US 3 230 845, D10 US 5 190 398 A, D11 US 3 432 064, D12 US 3 955 236, D13 EP 0 303 325 A1, D14 DE 32 20 143 A1, D15 US 4 029 237.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 864 016 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Der Beklagte verteidigt das Streitpatent mit dem Patentanspruch 1 in der Fassung vom 23. August 2006 mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Wortlaut und den übrigen Patentansprüchen in der erteilten Fassung und beantragt insoweit Klageabweisung.

Er hält die Nichtigkeitsklage aufgrund einer sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebenden Nichtangriffspflicht der Klägerin für unzulässig. Zwischen ihm und der A... AG sei am 12. Juni 1998 ein ausschließlicher Lizenzvertrag mit gesellschaftsähnlichem Charakter u. a. über den deutschen Teil des Streitpatents geschlossen worden. Die Klägerin und die A... AG seien wirtschaftlich als Einheit anzusehen, da sie zur selben Unternehmensgruppe gehörten und 100 %ige Tochtergesellschaften der "B... mbH" sei- en. Zwar sei der Lizenzvertrag von der A...AG zum 31. Dezember 2002 ge- kündigt worden, diese Kündigung sei jedoch nicht zu Recht erfolgt. Die Wirksamkeit der Kündigung sei Gegenstand eines in Frankreich vor dem Landgericht Paris anhängigen Rechtsstreits. Der Beklagte hat hierzu als Anlage B 3 einen Beweisbeschluss des Landgerichts Paris vom 8. März 2005 in deutscher Übersetzung vorgelegt.

Im Übrigen tritt der Beklagte dem Vorbringen der Klägerin in der Sache entgegen und hält das Streitpatent in dem verteidigten Umfang für patentfähig.

Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, dass der Lizenzvertrag nicht mehr in Kraft sei und stützt sich zur Begründung auf den Inhalt eines an sie gerichteten Schreibens der anwaltlichen Vertreter der A... AG in Frankreich vom 10. Juni 2005 (Anlage D20).

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig, weil eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Nichtangriffspflicht der Klägerin aufgrund des zwischen dem Beklagten und der A... AG am 12. Juni 1998 geschlossenen ausschließlichen Lizenzvertrags nicht besteht.

Bei dieser Beurteilung kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob sich aufgrund gesellschaftsähnlicher Beziehungen der Vertragsparteien eine Verpflichtung der A... AG ergibt, das Streitpatent nicht anzugreifen (vgl. BGH GRUR 1990, 667 - Einbettungsmasse) und ob sich die Klägerin eine etwaige Nichtsangriffspflicht der A... AG zurechnen lassen muss, weil sie mit dieser - trotz der vorhandenen rechtlichen Selbständigkeit beider juristischer Personen - eine wirtschaftliche Einheit bildet (vgl. hierzu BGH GRUR 1987, 900 - Entwässerungsanlage). Einer Nichtangriffspflicht der Klägerin steht jedenfalls die Kündigung des Lizenzvertrages durch die A... AG entgegen.

Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, hat die A... AG von ihrem in Artikel 8.2. (i) und (ii) des Lizenzvertrags vorgesehenen Recht zur vorzeitigen Kündigung mit Wirkung zum 31. Dezember 2002 Gebrauch gemacht. Soweit der Beklagte demgegenüber behauptet, die Rechtswirksamkeit der Kündigung sei Gegenstand einer vom ihm erhobenen und vor dem zuständigen Gericht in Paris (Frankreich) anhängigen Klage mit der Folge, dass der Lizenzvertrag mit der sich daraus ergebenden Nichtangriffspflicht noch bestehe, vermag der Senat hierfür aufgrund der Aktenlage keine Bestätigung finden. Jedenfalls hat der Beklagte, bei dem die Beweislast für das noch wirksame Bestehen einer Nichtangriffspflicht liegt (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., § 81 Rn. 51), den hierfür nötigen Nachweis nicht erbringen können.

Vielmehr spricht der von ihm als Anlage B 3 vorgelegte Beweisbeschluss des Landgerichts Paris vom 8. März 2005 gegen seine Auffassung, das Fortbestehen des Lizenzvertrags sei Gegenstand des zwischen ihm und der A... AG anhän- gigen Rechtsstreits. Der in dem Tatbestand des Beschlusses wiedergegebene Antrag des Beklagten "festzustellen, dass die Firma A... AG kein Recht dazu hatte, den Lizenzvertrag vom 12. Juni 1998 zu kündigen, und dass sie demgemäß den durch die Kündigung entstandenen Schaden in Höhen von 219.526 EURO zu ersetzen hat", ist ebenso wie die weiteren Anträge auf Herausgabe von Konstruktionszeichnungen, Listen der Zulieferer, Versuchsberichte, Bedienungs- und Wartungsprotokolle sowie auf unentgeltlichen Eigentumsübergang und Lieferung der Maschine RACO 600 durch die A... AG eindeutig nicht auf die Fortsetzung des Lizenzvertrages gerichtet, sondern lässt erkennen, dass der Beklagte von einer - wenn auch von den vertraglichen Voraussetzungen her nicht zu Recht - erfolgten Kündigung und damit Vertragsbeendigung ausgeht. Mit seinem Antrag begehrt er die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung als Voraussetzung für die Geltendmachung des behaupteten Schadens und der sonstigen Ansprüche. Dementsprechend haben die französischen anwaltlichen Vertreter der A... AG die An- frage der Klägerin nach dem Stand des Rechtsstreits vor dem Landgericht Paris mit Schreiben vom 10. Juni 2005 (Anlage D20) auch dahingehend beantwortet, dass Herr C... den Lizenzvertrag in seiner Klageschrift als definitiv gekündigt und nicht mehr in Kraft stehend ansehe und dass er nicht behaupte, dass die Kündigung durch die A... AG keine Wirkung gehabt habe, sondern dass sie ein Verschulden der A... AG sei und er deshalb Schadensersatz fordere.

Mit der Kündigung des Lizenzvertrages ist auch ein sich daraus möglicherweise resultierendes Angriffsverbot gegen das Streitpatent erloschen. Anhaltspunkte für den Ausnahmefall einer darüber hinausgehenden Nichtangriffspflicht aufgrund eines fortwirkenden besonderen Treueverhältnisses (vgl. BGH GRUR 1965, 135 - Vanal-Patent; GRUR 1989, 39, 40 - Flächenentlüftung) sind weder ersichtlich noch von dem Beklagten hinreichend dargelegt.

B.

Die Klage erweist sich als teilweise begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigkeit des Streitpatents in dem im Tenor genannten Umfang (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 Ziff. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ).

I.

1. Das Streitpatent betrifft einen Streuer zur Geländebearbeitung mit einem Silo, dessen unterer Teil einen Trichter bildet, welcher die Form eines abgeschnittenen Prismas hat, dessen Basis sich oben befindet und dessen unterer abgeschnittener Teil direkt an einer Dosiervorrichtung angebracht ist und sich ebenso wie die Dosiervorrichtung auf im Wesentlichen der gesamte Breite des Streuers erstreckt, um das Gelände im Wesentlichen auf dieser gesamten Breite zu bearbeiten, ohne das auszustreuende Produkt zu zerreiben.

Die vorgenannten Merkmale sind aus den in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents genannten Druckschriften EP 462 899 A und der FR 14 41 641 bekannt.

Der gattungsbildende Stand der Technik beschreibt ein Streufahrzeug für die Geländebearbeitung, mit einem trichterförmigen Silo und einer am unteren Ende des Trichters angeordneten Dosiervorrichtung, die sich wie der Trichter im Wesentlichen über die gesamte Breite des Streufahrzeuges erstreckt.

Als Nachteil beim Stand der Technik wird in der Patentschrift angegeben, dass die Baueinheit Trichter/Dosiervorrichtung mit dem Fahrgestell des Streufahrzeuges ortsfest verbunden ist, so dass ein verhältnismäßig großer Abstand von der Bodenoberfläche bestehe. Auch wenn die Austrittsöffnung mit Mänteln umgeben sei, entstehe durch die Fallhöhe des pulverförmigen ausgestreuten Produktes eine Staubwolke.

2. Nach den Angaben der Streitpatentschrift besteht die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin, einen Streuer zu schaffen, mit welchem eine möglichst gleichmäßige und schonende Ausbringung des Streuguts erzielt wird.

3. Zur Lösung dieser Aufgabe beschreibt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung 1. Ein Streuer zur Geländebearbeitung;

2. der Streuer weist ein Silo auf;

2.1 der untere Teil des Silos bildet einen Trichter, welcher die Form eines kegelstumpfförmigen Prismas hat;

2.2 die Basis des Prismas befindet sich oben;

2.3 der untere kegelstumpfförmige Teil des Prismas ist direkt an einer Dosiervorrichtung befestigt;

2.4 der untere kegelstumpfförmige Teil des Prismas erstreckt sich ebenso wie die Dosiervorrichtung auf im Wesentlichen der gesamten Breite des Streuers;

2.5 der Streuer weist Durcharbeitungsmittel auf;

3. der Streuer weist einen offenen Rahmen auf, der auf der ganzen Breite des Streuers offen ist, um das Silo aufzunehmen;

4. der Streuer weist Stützmittel auf, um die Gesamtheit Silo/Dosiervorrichtung vertikal bezüglich des Bodens steigen und absinken zu lassen, um den Abstand zwischen dem zu bearbeitenden Gelände und der Dosiervorrichtung derart zu regulieren, dass dieser Abstand während der Bearbeitung minimiert wird 5. die Durcharbeitungsmittel sind unmittelbar hinter der Dosiervorrichtung angeordnet, um das Mischen des Gebietes und des auf diesem vor dem Durcharbeitungsmittel ausgestreuten Produktes sicherzustellen;

6. die Durcharbeitungsmittel sind an dem Rahmen mittels Reguliermitteln für die Höhe bezüglich des Bodens befestigt.

II.

1. Der Patentanspruch 1 ist in der Fassung, mit der das Patent antragsgemäß verteidigt wird, mit der Maßgabe zulässig, dass ihm die aus der Beschlussformel ersichtliche Ergänzung in Form eines Disclaimers angefügt wird.

Dieser Disclaimer ist erforderlich, um die in der erteilten wie auch in der beantragten Fassung des Patentanspruchs 1 erfolgte unzulässige Erweiterung in Form des gegenüber der Ursprungsfassung hinzugefügten Merkmals "derart ... dass dieser Abstand während der Bearbeitung minimiert wird", welches nicht ursprungsoffenbart ist, zu beseitigen (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage, § 21 Rdn. 70 bis 72).

Der Senat sieht das zitierte Merkmal (Punkt 5 der Merkmalsanalyse) entgegen der Ansicht des Beklagten nicht als bloße Zweckangabe für die vorstehend in Merkmal 4 angegebenen regulierbaren Stützmittel, sondern als konstruktives Merkmal an, das eine konkrete Einschränkung der im Streitpatent allgemein beschriebenen Teillehre des vertikal regulierbaren Abstands zwischen dem Gelände und der Dosiervorrichtung. Mit dem Merkmal 5 wird aus der unbeschränkten Zahl von möglichen Regulierungsparametern speziell einer herausgegriffen, indem der Abstand derart reguliert werden soll, dass er während der Bearbeitung minimiert wird. Mit diesen beiden Konkretisierungen, nämlich "während der Bearbeitung" und "minimiert" geht der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie als PCT-Anmeldung ursprünglich eingereicht worden ist.

Soweit der Beklagte dagegen unter Verweis auf zwei Passagen der Ursprungsanmeldung PCT/FR96/01890 (Seite 2, Zeilen 8 bis 14 und Seite 7, Zeile 34 bis Seite 8, Zeile 3) anführt, aus der sich hieraus ergebenden Teilaufgabe (Fallen des Streuguts aus größerer Höhe zu vermeiden) und der diese lösenden Maßnahme ("... wobei nach Wunsch Translationsbewegungen vertikal ... durchgeführt werden können, was die Regulierung der Ausstreuhöhe ... bezüglich des Bodens erlaubt ...") folge für den Fachmann implizit, dass der Abstand während der Bearbeitung minimiert werden solle, geht dies schon deswegen fehl, weil auch an der zitierten Stelle, wie schon im ursprünglichen Hauptanspruch, eben nur allgemein von einer "nach Wunsch" möglichen "Regulierung der Ausstreuhöhe" die Rede ist, nicht jedoch von einer Minimierung dieser Höhe während des Betriebs der Maschine.

Im Übrigen beruht der Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung auf dem ursprünglichen Hauptanspruch unter Hinzunahme von Merkmalen aus den ursprünglichen Patentansprüchen 2 und 7 sowie dem erteilten Patentanspruch 11, welche - von der Klägerin jeweils unbestritten - einschränkender Art sind und sich im Rahmen der Ursprungsoffenbarung halten.

2. Der Gegenstand des Patentanspruch 1 ist in der Fassung, mit der das Patent antragsgemäß verteidigt wird, gegenüber dem angeführten Stand der Technik patentfähig.

2.1 Die zweifellos gewerblich anwendbare Maschine zur Geländebearbeitung nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist neu. Soweit die im geltend gemachten Stand der Technik gezeigten Maschinen überhaupt Durcharbeitungsmittel i. S. des Merkmals 6 des geltenden Patentanspruchs 1 aufweisen (US 3 598 027 (D6) und DE 36 32 713 A1 (D7)), so sind diese dort nicht unmittelbar hinter einer Dosiervorrichtung angeordnet. Vielmehr ist der US 3 598 027 anhand der schematischen Darstellung in Fig. 4 i. V. m. der Beschreibung in Spalte 1, Zeilen 41 bis 46, lediglich zu entnehmen, dass aus einem Vorratstank (storage tank 74) ein flüssiges oder festes Additiv direkt in das Durcharbeitungsmittel (cutter support 72) eingeleitet werden kann, während bei dem Gerät nach der DE 36 32 713 A1 das Durcharbeitungsmittel (Fräsrotor 7) durch Antriebskomponenten getrennt, mit Abstand hinter der Dosiervorrichtung angeordnet ist (vgl. dort Fig. 1).

2.2 Der Gegenstand des Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass der wesentliche Kerngedanke der patentierten Lehre in der Kombination der in ihrem Abstand zum zu bearbeitenden Gelände regulierbaren Dosiervorrichtung mit ebenfalls höhenverstellbaren Durcharbeitungsmitteln zu sehen ist, welche zur Erreichung der angestrebten gleichmäßigen und schonenden Ausbringung des Streuguts unmittelbar hinter der Dosiervorrichtung angeordnet sind (Merkmal 6 gem. Merkmalsanalyse).

Auch wenn sich der Senat der Auffassung der Klägerin anschließt, dass die zum Stand der Technik aufgeführten, sich sämtlich auf die Bearbeitung von Straßenoberflächen ("road construction", "Aufarbeiten von Straßen", "road making" und "for asphalt and the like") beziehenden Druckschriften D6 bis D9 für die Maschine "zur Geländebearbeitung" nach dem Streitpatent tatsächlich als "gattungsgemäß" anzusehen und für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen sind, so führt deren Inhalt jedenfalls nicht in naheliegender Weise zu der mit dem geltenden Patentanspruch 1 beanspruchten Lehre.

Keine der aufgezeigten Entgegenhaltungen gibt nämlich dem hier zuständigen Durchschnittsfachmann, einem Maschinenbau-Ingenieur mit Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Sondermaschinen, den entscheidenden Hinweis, wie er bei einer vergleichbaren Bearbeitungsmaschine die Anordnung von Dosiervorrichtung und Durcharbeitungsmitteln gezielt so vorzunehmen hat, dass der angestrebte Erfolg einer gleichmäßigen und schonenden Ausbringung des Streuguts erreicht wird.

So scheiden diesbezüglich die US 2 479 800 (D8) und die US 3 230 845 (D9) schon deswegen aus, weil die dort offenbarten Maschinen keine Durcharbeitungsmittel aufweisen.

Die auf ein Verfahren zum Straßenbau ("method of road construction") gerichtete US 3 598 027 (D6) zeigt in einer schematisch dargestellten Anordnung von hierfür vorgeschlagenen Aggregaten (Fig. 4 und 5) zwar eine als Durcharbeitungsmittel anzusehende Vorrichtung ("cutter support" 72). Von der Lehre des Streitpatents führt dies aber insofern gerade weg, als der dort angegebene - sofern überhaupt mit der Dosiervorrichtung nach dem Patentanspruch 1 vergleichbare - "storage tank" (74) ein darin bevorratetes Additiv direkt in das Durcharbeitungsmittel einspeist. Eine Anregung zur Anordnung einer Dosiervorrichtung als Teil eines Streuers zum Ausbringen von Streugut auf den Boden mit nachgeschaltetem Durcharbeitungsmittel kann von der Lehre der US 3 598 027 somit nicht ausgehen.

Aus der DE 36 32 713 A1 (D7) ist ein fahrbares Gerät zum Aufarbeiten von Straßen bekannt, welches als eigenständige Komponente u. a. einen Streuer mit Silo (25) und Dosiervorrichtung (6) aufweist. Ferner verfügt dieses Gerät über ein Durcharbeitungsmittel in Form eines Fräsrotors (7). Dieser Fräsrotor ist jedoch weder unmittelbar hinter der Dosiervorrichtung angeordnet noch an einem diese aufnehmenden Rahmen mittels Reguliermitteln für die Höhe bezüglich des Bodens befestigt, wie es die Merkmale 6.1 und 6.2 des Patentanspruchs 1 vorsehen. Schon aufgrund des erheblichen Abstandes zwischen Dosiervorrichtung und Durcharbeitungsmittel kann diese Anordnung den angestrebten Zweck des Patentgegenstandes, nämlich eine gleichmäßige und schonenden Ausbringung des Streuguts unter weitgehender Vermeidung von Staubentwicklung, nicht erreichen, zumal zwischen diesen Komponenten auch noch die dem Fahrzeugantrieb dienenden Raupenketten liegen, welche das ausgebrachte Streugut teilweise verfestigen bzw. ungleich verteilen, bevor es von dem Fräsrotor in den Boden eingearbeitet wird. Auch sind die dort vorgesehenen Mittel zur Regulierung des Bodenabstands ("Nivelliereinrichtungen" 5) für das gesamte Gerät ausgestaltet, so dass eine separate Einstellung der Bearbeitungshöhe der Durcharbeitungsmittel wie beim Streitpatent nicht möglich ist. Von dieser Lehre, die den der DE 36 32 713 A1 zugrundeliegenden Anforderungen durchaus genügen mag, hätte sich der Fachmann entfernen und die entsprechenden Komponenten in einer gänzlich neuen Anordnung so ausgestalten müssen, dass das Durcharbeitungsmittel das Streugut unmittelbar hinter der Dosiervorrichtung ungestört von Antriebsaggregaten o. dgl. und in der Höhe bezüglich des zu bearbeitenden Bodens regulierbar einarbeiten kann. Eine Anregung in diese Richtung geht damit von dieser Druckschrift nicht aus.

Auch eine Zusammenschau von einzelnen jeweils für sich den Patentgegenstand nicht nahe legenden Entgegenhaltungen D6 bis D9 kann den Fachmann nicht ohne erfinderische Tätigkeit zu der beanspruchten Lehre hinführen. Denn jede denkbare Kombination der in der mündlichen Verhandlung diskutierten Fundstellen ließe schon die Merkmale der unmittelbar hinter der Dosiervorrichtung angeordneten und in der Höhe bezüglich des zu bearbeitenden Bodens regulierbar am Rahmen befestigten Durcharbeitungsmittel vermissen. Keine der angezogenen Druckschriften gibt auch Anlass, in einem der übrigen technischen Konzepte nach Lösungsansätzen für das zugrundeliegende Problem zu suchen.

Die weiteren, im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen bzw. von der Klägerin lediglich zu Unteransprüchen angeführten Entgegenhaltungen wurden zu dem geltenden Patentbegehren in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffen und liegen, wovon sich der Senat überzeugt hat, auch weiter ab vom Patentgegenstand, so dass sie dessen Patentfähigkeit ebenfalls nicht entgegenstehen.

Der Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung ist somit bestandsfähig.

Aufgrund ihrer Rückbeziehung auf den bestandsfähigen Hauptanspruch haben damit auch die Unteransprüche 2 bis 18 Bestand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.






BPatG:
Urteil v. 19.09.2006
Az: 3 Ni 16/04


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