Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. November 2004
Aktenzeichen: 10 W (pat) 715/01

(BPatG: Beschluss v. 04.11.2004, Az.: 10 W (pat) 715/01)

Tenor

Die Beschwerde und der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden zurückgewiesen.

Gründe

I Die Geschmacksmusterinhaberin beantragte mit der am 15. März 1994 beim Deutschen Patentamt (nunmehr Deutsches Patent- und Markenamt, DPMA) eingereichten Geschmacksmustersammelanmeldung die Eintragung von 5 Mustern mit der Bezeichnung "..." in das Musterregister; die Eintragung erfolgte im April 1994. Die Zahlung der Erstreckungsgebühr im Mai 1995 - es war Aufschiebung der Bildbekanntmachung beantragt gewesen - bewirkte die Erstreckung auf die Schutzdauer von 5 Jahren.

Hinsichtlich der Verlängerungsgebühren für das 6. bis 10. Schutzjahr wurde für die Geschmacksmusterinhaberin antragsgemäß zweimal die Absendung der Gebührennachricht gemäß § 9 Abs 4 Satz 1 GeschmMG aF (aF = die bis 31. Dezember 2001 geltende Fassung) hinausgeschoben. Zunächst durch Beschluss des DPMA vom Mai 1999 für die Dauer eines Jahres, auf ihren weiteren Antrag hin durch Beschluss des DPMA vom Mai 2000 bis zum 15. März 2001.

Mit Bescheid vom 15. März 2001 gab das DPMA der Geschmacksmusterinhaberin Nachricht gemäß § 9 Abs 3 Satz 3 GeschmMG aF, dass der Schutz für die Geschmacksmustereintragung am 15. März 1999 ende, wenn nicht für die Verlängerung der Schutzdauer um weitere fünf Jahre die Verlängerungsgebühr mit Zuschlag in Höhe von insgesamt 825,- DM innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Nachricht entrichtet werde.

Die Geschmacksmusterinhaberin bat daraufhin zunächst mit Schreiben vom 23. April 2001, die Muster Nr 2 und Nr 3 in Abwandlungen zu einem anderen Geschmacksmuster (M 93 05 421.1) umzuwandeln und die Gebühren (Code 142000 vom 15.03.01) abzuändern. Auf den Hinweis des DPMA, dass dies nicht möglich sei, hat die Geschmacksmusterinhaberin mit Schreiben vom 20. Juli 2001 Verfahrenskostenhilfe für die Verlängerung der drei Muster Nr 1, 2 und 5 beantragt und sich hierzu auf die Unterlagen bezogen, die sie am 18. Mai 2001 im Verfahren M 9600193.3 eingereicht habe (ua die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse). Sie bittet, ihren Antrag als fristgerechte Verlängerung der drei Muster zu werten. Auf das Muster Nr 5 hat sie 25,- DM angezahlt.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Musterregister - hat durch Beschluss vom 8. Oktober 2001 den Antrag auf Stundung der Verlängerungsgebühr samt Verspätungszuschlag für die Verlängerung der Schutzdauer zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe werde als Antrag auf Stundung der Verlängerungsgebühr gemäß § 9 Abs 5 GeschmMG aF ausgelegt, weil zum Zeitpunkt der Antragstellung keine andere Gebührenerleichterung zulässig gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine solche Stundung lägen aber nicht vor. Die Stundung gemäß § 9 Abs 5 GeschmMG aF komme nur in Betracht, wenn ein Antrag gemäß § 9 Abs 4 GeschmMG aF, die Absendung der Gebührennachricht hinauszuschieben, nicht gestellt worden sei; denn diese Stundung gleiche einer Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung eines Antrages auf Hinausschiebung des Absendens der Gebührennachricht (BPatGE 11, 22). Der Geschmacksmusterinhaberin sei aber bereits zweimal die Gebührenerleichterung der Hinausschiebung des Absendens der Gebührennachricht gewährt worden. Im übrigen gelte die 2-Jahres-Grenze des § 9 Abs 6 Satz 1 GeschmMG aF auch für die Stundung bzw die Kombination aus den Gebührenerleichterungen der Absätze 4 und 5. Diese zeitliche Grenze sei mit der Hinausschiebung des Absendens der Gebührennachricht bis zum 15. März 2001 aber bereits ausgeschöpft. Eine weitere Zahlungsvergünstigung nach Ablauf des 15. März 2001 komme daher nicht mehr in Betracht.

Hiergegen wendet sich die Geschmacksmusterinhaberin mit der Beschwerde. Es sei ihr nicht bekannt gewesen, dass der Antrag auf Hinausschiebung des Absendens der Gebührennachricht mit einem Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe kollidiere. Sie hätte daher Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt, wenn sie über die Möglichkeit der Stellung eines Verfahrenskostenhilfeantrags informiert gewesen wäre. Sie sei davon ausgegangen, dass aufgrund der vorliegenden Unterlagen ihre Bedürftigkeit gegenüber dem Patentamt dargelegt sei. Ein Hinweis des Patentamts, statt des Stundungsantrags einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zu stellen, wäre daher zweckmäßig gewesen. Sie beantrage daher, dass ihre Anträge als Anträge auf Verfahrenskostenhilfe gewertet würden. Sie habe auch für das Beschwerdeverfahren keinerlei Mittel und müsse insoweit PKH beantragen.

Die Geschmacksmusterinhaberin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, sowie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren.

II 1. Die Beschwerde ist zulässig. Eine Beschwerdegebühr ist nicht gezahlt, aber auch nicht erforderlich. Nach § 10a Abs 1 Satz 3 GeschmMG in der hier maßgeblichen bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung - die Beschwerde ist noch unter Geltung des bis 31. Dezember 2001 geltenden Gebührenrechts eingelegt worden - ist zwar für die Beschwerde eine Gebühr nach dem Tarif zu zahlen. Der maßgebliche Tarif gemäß Gebührenverzeichnis Nr 244110 bzw Nr 244120 zu § 1 PatGebG in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung ist aber in ständiger Rechtsprechung dahingehend auszulegen, dass Beschwerden gegen Entscheidungen, die den Bestand der Anmeldung als solcher nicht berühren, keine Gebührenpflicht auslösen (vgl Eichmann/v. Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl, § 10a Rdn 9 unter Hinweis auf 4 W (pat) 707/95 vom 3. April 1995; zuletzt zB 10 W (pat) 703/99 vom 19. Juli 1999). Auch mit dem hier angefochtenen Beschluss ist keine Entscheidung über den Bestand einer Anmeldung getroffen worden, sondern nur über einen Stundungsantrag. Diese Entscheidung kann nicht anders als eine Entscheidung bezüglich Verfahrenskostenhilfe beurteilt werden, zumal wörtlich auch Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt worden ist.

2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Auch der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist unbegründet.

Das DPMA hat den am 20. Juli 2001 gestellten Antrag der Geschmacksmusterinhaberin auf Verfahrenskostenhilfe für die Verlängerung von drei ihrer insgesamt fünf Muster um weitere fünf Jahre für das 6. bis 10. Schutzjahr (15. März 1999 bis 15. März 2004) zu Recht zurückgewiesen.

a. Die Verlängerungsgebühr für das 6. bis 10. Schutzjahr ist gemäß § 9 Abs 3 Satz 1 GeschmMG aF zum Ablauf der Schutzdauer fällig gewesen, hier also zum Ablauf des 15. März 1999. Aufgrund der vom DPMA gemäß § 9 Abs 4 Satz 1 GeschmMG aF gewährten zweimaligen Hinausschiebung der Gebührennachricht ist diese erst mit Datum vom 15. März 2001 abgesandt worden. Sie hat wirksam die Zahlungsfrist in Gang gesetzt. Ein Zustellnachweis findet sich in der patentamtlichen Akte zwar nicht, aber die Erwiderung der Geschmacksmusterinhaberin im Schreiben vom 23. April 2001 zeigt, dass sie die Gebührennachricht tatsächlich erhalten hat; ein etwaiger Zustellungsmangel ist daher geheilt, § 10 Abs 5 GeschmMG aF iVm § 127 Abs 1 PatG, § 9 VwZG. Die Zahlungsfrist endete vier Monate nach Zustellung der Gebührennachricht, hier also im Juli 2001. Der am 20. Juli 2001 gestellte Antrag der Geschmacksmusterinhaberin hat, selbst wenn man zu ihren Gunsten annimmt, er sei vor Ablauf der Zahlungsfrist gestellt worden, den Ablauf dieser Frist nicht gehindert, denn dieser Antrag ist weder als Antrag auf Verfahrenskostenhilfe (siehe unter b.) noch als Antrag gemäß § 9 Abs 5 GeschmMG aF erfolgreich (siehe unter c.).

b. Der am 20. Juli 2001 gestellte Antrag der Geschmacksmusterinhaberin ist, auch wenn er nicht als Stundungsantrag gemäß § 9 Abs 5 GeschmMG aF ausgelegt wird, sondern entsprechend seinem Wortlaut, wie es die Geschmacksmusterinhaberin mit der Beschwerde geltend macht, als Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für die Verlängerungsgebühr, schon deshalb zurückzuweisen, weil nach der damaligen, bis 31. Dezember 2001 geltenden Rechtslage für Verlängerungsgebühren grundsätzlich keine Verfahrenskostenhilfe gewährbar war. Verfahrenskostenhilfe hat es nur für das Eintragungsverfahren gegeben, § 10b Satz 1 GeschmMG in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Bei den Verlängerungsgebühren hat es demgegenüber nur die Gebührenerleichterungen des § 9 Abs 4 GeschmMG aF (Hinausschiebung des Absendens der Gebührennachricht) und § 9 Abs 5 GeschmMG aF (Stundung, wenn ein Antrag auf Hinausschiebung des Absendens der Gebührennachricht versäumt war) gegeben (vgl Eichmann/v. Falckenstein, aaO, § 9 Rdn 7, § 10b Rdn 2).

Diese Rechtslage ist hier weiterhin maßgeblich. Nach Erlass der angefochtenen Entscheidung des DPMA sind zwar mittlerweile Gesetzesänderungen erfolgt, durch die die Möglichkeit der Verfahrenskostenhilfe für die Verlängerungs- bzw Aufrechterhaltungsgebühren eingeführt worden ist, vgl § 10b Satz 2 GeschmMG in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung, wobei gleichzeitig die Gebührenerleichterungen des § 9 Abs 4 u 5 GeschmMG aF entfallen sind (Art 18 Nr 5 und 8 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001). Das neue Geschmacksmustergesetz, das am 1. Juni 2004 in Kraft getreten ist, hat hieran nichts geändert, § 24 Satz 2 GeschmMG nF. Die Gesetzesänderungen können aber für das vorliegende Verfahren keine Berücksichtigung finden. Besondere Übergangsvorschriften für die Einführung der Verfahrenskostenhilfe auch für die Verlängerungs- bzw Aufrechterhaltungsgebühren von Geschmacksmustern gibt es weder im Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen vom 13. Dezember 2001 noch im neuen am 1. Juni 2004 in Kraft getretenen Geschmacksmustergesetz, so dass zwar im Grundsatz die Gesetzesänderungen auch in schon anhängigen Verfahren zu berücksichtigen sind. Hiervon ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn es sich um in der Vergangenheit abgeschlossene prozessuale Tatbestände handelt; diese werden nicht von einem neuen Gesetz erfasst (vgl Baumbach/Lauterbach, ZPO, 62. Aufl, Einl III Rdn 78; zB zur fristgebundenen Einlegung des markenrechtlichen Widerspruchs BGH BlPMZ 2000, 320 - FRENORM/FRENON; BPatGE 35, 180, 182 - quickslide). Die hier maßgebliche Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr für das 6. bis 10. Schutzjahr - einschließlich der höchstmöglichen Stundungsfrist von 2 Jahren nach Fälligkeit gemäß § 9 Abs 6 GeschmMG aF (siehe auch unter c.) - ist vollständig noch unter Geltung des bis 31. Dezember 2001 geltenden Rechts abgelaufen. Der Verfahrenskostenhilfeantrag hat auch keine Hemmungswirkung auslösen können, da es zum Zeitpunkt seiner Stellung keine gesetzliche Grundlage für die Verfahrenskostenhilfe bezüglich Verlängerungsgebühren gab. Eine andere Beurteilung hätte nur dann erfolgen können, wenn die Zahlungsfrist bei Inkrafttreten des geänderten Gesetzes am 1. Januar 2002 noch nicht abgelaufen gewesen wäre. Da das nicht der Fall ist, verbleibt es hier dabei, dass nur das bis zum 31. Dezember 2001 geltende Recht zugrunde gelegt werden kann.

c. Es führt zu keiner anderen Beurteilung, wenn man, wie es das DPMA getan hat, den Antrag der Geschmacksmusterinhaberin als Stundungsantrag gemäß § 9 Abs 5 GeschmMG aF auslegt, was von der damaligen Verfahrenssituation her (die Gebührennachricht für die betreffende Gebühr ist bereits ergangen) die naheliegendste Auslegung darstellt. Denn der Antrag erfüllt nicht die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen.

Gemäß § 9 Abs 5 GeschmMG aF können, wenn ein Antrag, die Absendung der Nachricht hinauszuschieben, nicht gestellt worden ist, die Gebühr und der Zuschlag noch nach Zustellung der Nachricht gestundet werden, wenn dies innerhalb von vierzehn Tagen nach der Zustellung beantragt und die bisherige Säumnis genügend entschuldigt wird. Die Vorschrift setzt somit voraus, dass ein Antrag auf Hinausschiebung des Absendens der Gebührennachricht nach Absatz 4 nicht gestellt worden ist (vgl zu der entsprechenden früheren Vorschrift im Patentgesetz Busse, PatG, 5. Aufl, § 17 Rdn 90; Benkard, PatG, 9. Aufl, § 17 Rdn 36). Hier ist er sogar zweimal gestellt worden. Zudem setzt § 9 Abs 6 GeschmMG aF einem solchen Antrag eine zeitliche Grenze. § 9 Abs 6 GeschmMG aF bestimmt, dass auch im Falle einer gewährten Stundung die Gebührennachricht spätestens zwei Jahre nach Fälligkeit abgesandt werden muss. Für einen Stundungsantrag nach Überschreitung dieses Zeitraums ist daher kein Raum mehr, der Antrag ist unzulässig (vgl Busse, aaO, § 17 Rdn 101; Benkard, aaO, § 17 Rdn 39 aE).

3. Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist ebenso zurückzuweisen. Insoweit ist schon zweifelhaft, ob hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht. Denn das DPMA hat über einen Antrag entschieden, der wörtlich als Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt und als solcher, wie die Geschmacksmusterinhaberin geltend macht, auch gemeint war. Grundsätzlich gibt es aber keine Verfahrenskostenhilfe für das Verfahrenskostenhilfe-Beschwerdeverfahren (vgl die Senatsentscheidung 10 W (pat) 720/03 vom 13. Mai 2004, zur Veröffentlichung vorgesehen), zumal ein solches Beschwerdeverfahren auch gebührenfrei ist (siehe unter 1.). Davon abgesehen fehlt es auf jeden Fall an der Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht der Beschwerde.

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BPatG:
Beschluss v. 04.11.2004
Az: 10 W (pat) 715/01


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