Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. September 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 70/07

(BPatG: Beschluss v. 18.09.2007, Az.: 27 W (pat) 70/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Widersprechende hat gegen die am 15. November 2001 veröffentlichte Eintragung der am 19. Juli 2001 angemeldeten, für "Juwelierwaren, Schmuckwaren, Uhren und Zeitmessinstrumente; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten, Druckereierzeugnisse, Spielkarten; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Gürtel; Spiele, Spielzeug, Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten" geschützten Marke Nr. 301 43 489 Nordisc Storm Widerspruch eingelegt aus ihrer am 5. Mai 1993 angemeldeten und seit 20. September 1995 für "Uhren; optische Sehhilfen, nämlich Lupen, Vergrößerungsgläser, Brillen, Sonnenbrillen, Ferngläser; Dienstleistungen eines Franchise-Gebers, nämlich Vermittlung von wirtschaftlichem und technischem Knowhow, Dekoration von Boutiquen, Ladengeschäften und Verkaufsflächen in Kaufhäusern, Schulung der Betriebsangehörigen des Franchise-Nehmers" eingetragenen Marke Nr. 2 912 163 Die Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Erstbeschluss vom 12. September 2003 den Widerspruch und mit Erinnerungsbeschluss vom 12. Juli 2004 die hiergegen eingelegte Erinnerung der Widersprechenden mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen, weil trotz zumindest teilweiser Warenidentität und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke die jüngere Marke den Abstand zu letzterer wegen des Zusatzes "Nordisc" noch einhalte. Der Bestandteil "Storm" habe in der angegriffenen Marke weder eine selbständig kennzeichnende Stellung noch werde diese von ihm geprägt, weil die angesprochenen Verkehrskreise die Marke im Sinne von "nordischer Sturm" als Gesamtbegriff mit eigenständigem Aussagegehalt verstünden. Da auch Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr aus sonstigen Gründen nicht erkennbar seien, sei der Widerspruch zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 17. August 2004. Sie hält eine Verwechslungsgefahr zwischen den gegenüberstehenden Marken wegen des in beiden enthaltenen Bestandteils "Storm" weiterhin für gegeben.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Entscheidungen des DPMA aufzuheben und die Eintragung der angegriffene Marke DE 301 43 489 zu widerrufen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Marken aus den von der Markenstelle genannten Gründen für nicht verwechselbar.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

II. A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

1. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei der geringere Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] - Adam Opel/Autec).

2. Nach diesen Grundsätzen ist ungeachtet des Grades der Warenähnlichkeit - die erkennbar nur hinsichtlich der beiderseits beanspruchten Waren der Klasse 14 in Betracht zu ziehen ist - und des Grades der Kennzeichnungskraft der älteren Marke der Grad der Markenähnlichkeit zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

a) Einander gegenüberstehende Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn die Übereinstimmungen der Zeichen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT. 2), an welche sich die jeweils beanspruchten ähnlichen Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m. w. N. [Fn. 311]).

Die Ähnlichkeit von Marken ist grundsätzlich aufgrund ihres jeweiligen Gesamteindrucks zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; GRUR 2005, 1043, 1044 [Rz. 28 f.] - Thomson Life; GRUR 2006, 413, 414 [Rn. 19] - SIR/Zirh; BGH GRUR 2000, 233 f. - Rausch/Elfi Rauch); hierbei sind Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 28] - SIR/Zirh). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte begründet zwar nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21 f.] - SIR/Zirh), kann aber im Einzelfall ausreichen (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21] - SIR/Zirh; BGH GRUR 1959, 182, 185 - Quick; GRUR 1979, 853, 854 - LILA; GRUR 1990, 367, 368 - alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 - dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 - acpharma; GRUR 1999, 241, 243 - Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 35] - SIR/Zirh). Daneben kommt eine Markenähnlichkeit auch in Betracht, wenn Bestandteile einer komplexen Marke, die Bestandteilen der gegenüberstehenden Marke entsprechen, den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck dominieren (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 [Rz. 30] - THOMSON LIFE) oder prägen (vgl. BGH GRUR 2006, 60 Tz. 17 - coccodrillo).

b) Vorliegend ist nur ein äußerst geringer Grad an Markenähnlichkeit gegeben, der nach diesen Grundsätzen selbst durch einen hohen Grad an Warenähnlichkeit oder an Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht mehr ausgeglichen werden könnte.

Trotz des übereinstimmenden Bestandteils "Storm" können die angesprochenen Verkehrskreise beide Marken nämlich ohne Mühe durch den im angegriffenen Zeichen vorangestellten Begriff "Nordisc", welcher in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung hat, deutlich voneinander unterscheiden. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden werden die Verbraucher, wie bereits die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, diesem unterscheidenden Element in der jüngeren Marke eine wesentliche Bedeutung beimessen, denn es hat in der jüngeren Marke keine selbständig kennzeichnende Stellung (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 [Rz. 30] - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 859, 860 f. [Rz. 18] - Malteserkreuz); vielmehr bildet dieser Begriff mit dem nachfolgenden Markenwort "Storm" eine Einheit, so dass der Verkehr keinen Anlass hat, die Gesamtmarke in verschiedene Bestandteile aufzuspalten und dem unterscheidenden Element "Nordisc" keine Bedeutung mehr beizulegen.

Dabei kann dahinstehen, ob zumindest wesentliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise den Begriff "Nordisc", der nach Darstellung der Inhaberin der angegriffenen Marke aus dem (Alt-)Schwedischen stammt, mit dem - tatsächlich semantisch gleichen - englischen Begriff "nordic" gleichsetzen und im Sinne von "nordisch" verstehen werden. Selbst wenn dies der Fall wäre, spricht nämlich nichts dafür, dass diese Verbraucher den Begriff nur als Hinweis auf mögliche Eigenschaften der gekennzeichneten Waren auffassen werden. Ein solches Verständnis eines aufgrund der Bildung der Gesamtmarke an sich sprachlich allein auf das nachfolgende Markenwort "Storm" bezogenen Markenteils "Nordisc" käme nämlich nur dann in Betracht, wenn es sich bei letzterem um einen geläufigen warenbezogenen Sachbegriff handeln würde und die Voranstellung einer solchen warenbeschreibenden Angabe in die Produktbezeichnung auf dem einschlägigen Warengebiet üblich wäre. Beides ist hier nicht der Fall. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass auf dem allein in Betracht kommenden Warengebiet der Klasse 14 eine geografische Angabe wie "nordisch" irgendeinen produktbeschreibenden Sinn aufweist; auch die Widersprechende hat Indizien oder gar Belege hierfür nicht dargelegt. Darüber hinaus ist weder ersichtlich noch von der Widersprechenden vorgetragen worden, dass es auf diesem Warengebiet - etwa aufgrund anderer Marken - üblich wäre, diese Produkte in der Weise zu kennzeichnen, dass der Herkunftsangabe eine "nordisch" vergleichbare Sachangabe vorangestellt wird. Soweit die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung auf Begriffsbildungen aus anderen Warengebieten, insbesondere dem Bekleidungs- und Parfümsektor, hingewiesen hat, sind diese Produktbereiche mit dem hier in Rede stehenden Warengebiet schon nicht vergleichbar und im Übrigen die von der Widersprechenden genannten Beispiele, die sich auf Serienzeichen bekannter Marken beschränken, nicht geeignet, eine Zeichengewohnheit auf dem vorliegenden Warengebiet anzudeuten oder gar nachzuweisen. Spricht aber nichts dafür, dass dem Markenteil "Nordisc" von maßgeblichen Teilen des Verkehrs auf dem hier interessierenden Warengebiet eine von der Herkunftsangabe wegführende Bedeutung beigelegt wird, ist der Annahme, die jüngere Marke werde allein von dem Bestandteil "Storm" geprägt, der Boden entzogen. Da auch nichts dafür spricht, dass - etwa aufgrund der besonderen Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem einschlägigen Warengebiet (vgl. BGH a. a. O. - Malteserkreuz) - beide Wortelemente eine jeweils selbständig kennzeichnende Stellung innehätten, sondern umgekehrt davon auszugehen ist, dass es sich - auch bei Zugrundelegung des Begriffsinhalts von "Nordisc" - um einen geläufigen Gesamtbegriff ("nordischer Sturm") handelt, werden die angesprochenen Verkehrskreise beide Bestandteile der angegriffenen Marke als Einheit ansehen und damit die Marken ohne Schwierigkeiten auseinander halten können.

3. Da wegen des Gesamtbegriffscharakters der angegriffenen Marke auch eine assoziative Verwechslungsgefahr von Vornherein ausscheidet, konnte der Widerspruch keinen Erfolg haben, so dass die Markenstelle zutreffend entschieden hat und die hiergegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war.

B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

Dr. Albrecht Dr. van Raden Schwarz Ju






BPatG:
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