Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2007
Aktenzeichen: 25 W (pat) 117/05

(BPatG: Beschluss v. 19.04.2007, Az.: 25 W (pat) 117/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke Crazy Avantgarde Productionsist am 31. Januar 2001 für die Waren und Dienstleistungen

"Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Filmapparate und - instrumente; Datenverarbeitungsgeräte, Computer und Computerserver sowie Zubehör der vorgenannten Ware soweit in Klasse 09 enthalten; Datenträger, insbesondere magnetische und optische Aufzeichnungsträger, insbesondere Magnetbänder, Magnetbandkassetten, Magnetplatten, Platten zur optischen Datenspeicherung, mit und ohne Daten soweit in Klasse 09 enthalten; Photographien; Druckerzeugnisse, insbesondere Bildbände, Kalender, Broschüren, Kataloge, Exposes; Werbung, insbesondere Konzeption und inhaltliche Umsetzung von Werbefilmen; Verwertung von Rechten an Film-, Musik- und Media Produktionen, Vergabe und Vermittlung von Lizenzrechten an Film- und Media Produktionen; Erstellen von Film-, Musik-, und Mediaproduktionen insbesondere für Radio, TV, Cinema, Video, DVD, CD-ROM und Internet; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesondere Programme für die Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild sowie Konzeption, graphische, phonetische und inhaltliche Umsetzung von Web-Sites im Internet; Internetdienste, insbesondere serverhosting und -houseing; streaming-Files und Video-Files; Netzwerkeinrichtung und Netzwerkverwaltung, Telekommunikation insbesondere Programme für E-mail, Computerspiele; Vermietung von Geräten zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Vermietung von Filmapparaten und - instumenten; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten, Computer, Computerserver und Speicherplatz auf Datenträgern; Dienstleistung einer technischen, konzeptionellen und inhaltlichen Beratung insbesondere für das Erstellen von Film-, Musik-, und Media Produktionen und das Erstellen von Werbung; Dienstleistung einer Datenbank"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Nach Beanstandung wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 u 2 MarkenG ist die Anmeldung mit zwei Beschlüssen der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Dezember 2003 und 21. Juli 2004, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen worden.

Der angemeldeten Marke fehle für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Der Verkehr werde in der aus fremdsprachlichen, jedoch in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangenen Begriffen gebildete Wortfolge "Crazy Avantgarde Productions" eine werbepreisende Angabe sehen, dass die beanspruchte Waren und Dienstleistungen in einem positiven Sinne "verrückte, avantgardistische Produktionen" beträfen bzw. für solche bestimmt seien. Die - im Gegensatz z. B. zu der Gemeinschaftsmarke "Babydry" - sprachüblich gebildete Wortfolge biete auch bei Anlegung eines großzügigen Bewertungsmaßstabes keinen Anknüpfungspunkt für eine betriebskennzeichnende Funktion. So erschöpfe sie sich in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 9 in einem Hinweis darauf, dass die betreffenden Waren für solche Produktionen geeignet und bestimmt seien oder sich inhaltlich mit solchen Produktionen beschäftigen bzw. diese enthalten. Bei den beanspruchten Dienstleistungen wie z. B. der beanspruchten Dienstleistung "Werbung, insbesondere .." könne es sich um von "normalen" Produkten sich unterscheidende "Crazy Avantgarde Productions" handeln. Der Verkehr werde daher in der angemeldeten Wortfolge eine unmittelbare beschreibende Angabe sehen, mit der in werbewirksamer, schlagwortartiger Form auf Beschaffenheit, Verwendungszweck und Inhalt der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hingewiesen werde, darin jedoch keinen betrieblichen Herkunftshinweis und damit keine Marke erkennen.

Das Bestehen eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG könne dementsprechend offen bleiben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Dezember 2003 und 21. Juli 2004 aufzuheben.

Bei der angemeldeten Marke handele es sich in ihrer Gesamtheit um eine kurze, prägnante Wortfolge, die aufgrund ihrer selbstkritischen, in der Umgangssprache jedoch als positiv verstandenen Bezeichnung "crazy" einen hohen Grad an Orginalität aufweise. Aufgrund der Mehrdeutigkeit des Begriffs "Avantgarde" - welcher vom Verkehr mit Künstlern und Literaten, nicht jedoch mit einem kaufmännischem Unternehmen in Verbindung gebracht werde - sei die Wortfolge zudem interpretationsbedürftig. Es handele sich bei dieser um eine ihrer Struktur nach ungewöhnliche Wortverbindung, welche kein bekannter Ausdruck sei, um Waren zu bezeichnen oder ihre wesentlichen Merkmale wiederzugeben. Sie stelle daher keine unmittelbar beschreibende Angabe dar, so dass ihr die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die angemeldete Bezeichnung "Crazy Avantgarde Productions" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verfügt.

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; EuGH GRUR 2003, 58 - COMPANYLINE - zur GMV). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH, GRUR 2004, 943, 944 Nr. 24 - SAT2). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor). Jedoch hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Voraussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist. Vielmehr kann die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 - Biomild). Maßgebend ist allein, ob der Verkehr in der angemeldeten Marke einen Herkunftshinweis erblickt oder nicht. Ein Eintragungshindernis kann sich daher auch daraus ergeben, dass die angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf den möglichen Inhalt oder Gegenstand der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen in dem beanspruchten Zeichen eine Sachinformation sehen (BGH MarkenR 2002, 338, 340 - Bar jeder Vernunft; BGH MarkenR 2003, 148, 149 - Winnetou; EuG GRUR Int. 2001, 864, 866 - CINE COMEDY; BPatG MarkenR 2002, 299, 301 - OEKOLAND).

Die angemeldete Bezeichnung setzt sich aus den zum englischen Grundwortschatz gehörenden und daher auch im Inland weitgehend bekannten Wörtern "crazy" und "productions" sowie dem aus dem aus dem Französischen stammenden Begriff "Avantgarde" zusammen. Dieser Begriff ist ebenfalls in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen und bezeichnet vor dem Hintergrund seiner ursprünglichen - von der Markenstelle bereits angesprochenen - Bedeutung "Gruppe von Vorkämpfern; Vorhut" (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl., S. 236) vor allem politische und künstlerische Bewegungen zumeist des 20. Jahrhunderts, die überlieferte Formen sprengen und neue Entwicklungen einleiten wollen (vgl. DER BROCKHAUS in fünf Bänden, 9. Aufl., Bd. 1, S. 236; vg. auch PAVIS PROMA, 28 W (pat) 59/94 v. 18.01.95 - AVANTGARDE). Der Verkehr wird daher - entgegen der Auffassung der Anmelderin - die durch grammatikalisch korrekte Aneinanderreihung der einzelnen Begriffe und damit sprachüblich angemeldete Wortfolge ihrem Sinngehalt nach sofort und ohne weiteres i. S. von "verrückter, avantgardistisch fortschrittlicher Produktionen" verstehen, wobei der Begriff "crazy" positiv i. S. von "ungewöhnlich, provozierend" gemeint ist.

Angesichts dessen handelt es sich daher nicht nur bei den Einzelelementen der angemeldeten Wortfolge um beschreibende und schutzunfähige Sachangaben, sondern auch in ihrer Gesamtheit verbinden sie sich zu einem schlagwortartigen, beschreibenden Sachinweis auf Bestimmungs- und Verwendungszweck der Waren bzw. Inhalt und Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen oder auch deren Art und Beschaffenheit: Der Verkehr wird daher in dieser Wortfolge in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen betrieblichen Herkunftshinweis und damit keine Marke erkennen.

So können sich die beanspruchten Waren der Klasse 09 ihrem Bestimmungs- und Verwendungszweck nach mit "ungewöhnlichen, avantgardistisch fortschrittlichen Produktionen" z. B. aus dem künstlerischen oder literarischen Umfeld befassen bzw. diese zum Inhalt haben. Möglich ist auch, dass diese Waren ihrer Gestaltung und/oder ihrem Inhalt nach auf einer solchen ungewöhnlichen, avantgardistischen Konzeption beruhen, so dass die angemeldete Wortfolge insoweit eine Aussage zu Art und Beschaffenheit der jeweiligen Ware trifft. Die beanspruchten Waren der Klasse 16 können sich inhaltlich und thematisch mit solchen Produktionen befassen. Dies gilt auch für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35, 41, und 42, die sich sämtlichst mit "crazy avantgarde productions" inhaltlich befassen bzw. diese zum Gegenstand haben können oder aber auch - wie bei den Waren der Klasse 9 - selbst in ihrer Art und Ausgestaltung ungewöhnliche, neue Entwicklungen verfolgen bzw. auf entspechenden Konzepten beruhen. Dabei ist zu beachten, dass bei einem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, welches wie vorliegend durch die Verwendung von Oberbegriffen unterschiedliche Waren bzw. Einzeldienstleistungen umfasst, die Eintragung des angemeldeten Zeichens für einen beanspruchten Oberbegriff bereits dann ausgeschlossen ist, wenn sich auch nur für eine spezielle, hierunter fallende Ware bzw. Dienstleistung ein Eintragungshindernis ergibt (vgl. BGH WRP 2002, 91, 93,- 94 - AC; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdnr. 69).

Zwar ist nach der von den Anmeldern ausdrücklich benannten Entscheidung "Babydry" des EuGH (MarkenR, 2001, 400) ein der Unterscheidungskraft entgegenwirkender etwaiger beschreibender Charakter der Wortkombination nicht nur gesondert für jedes Wort, sondern auch für das durch die Wörter gebildete Ganze festzustellen. Im Anschluss an diese Entscheidung hat der EuGH aber wiederholt betont, dass die bloße Kombination von schutzunfähigen Bestandteilen selbst bei einer Wortneuschöpfung nicht zwangsläufig zur Eintragungsfähigkeit führt; entscheidend sei vielmehr, ob der von der Wortkombination erweckte Eindruck in seiner Gesamtheit hinreichend weit von dem abweicht, der durch die bloße Zusammenstellung der Bestandteile entsteht und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht. Daher führt die bloße Aneinanderreihung sachbezogener Einzelelemente ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, regelmäßig ebenfalls nur zu einer Bezeichnung, welche im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der genannten Waren und Dienstleistungen dienen kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor; EuGH MarkenR 2004, 111, 115 - BIOMILD/Campina-Melkunie; vgl. auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdnr. 92). So verhält es sich auch vorliegend. Die einzelnen Begriffe werden in der angemeldeten Wortfolge entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in ihrer Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff. Die durch korrekte Aneinanderreihung der Wörter gebildete Wortfolge "Crazy Avantgarde Productions" weist keine ungewöhnliche Struktur auf, sondern trifft eine sofort erfassbare Aussage über Inhalt und Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen, ohne dass durch die Aneinanderreihung der Wörter der sachbezogene Charakter der Wortkombination verloren geht.

Soweit die angemeldete Bezeichnung jedenfalls bei den beanspruchten Waren der Klasse 09 sowie bei den beanspruchten Dienstleistungen sowohl als Hinweis auf Bestimmungs- und Verwendungszweck der Waren bzw. Gegenstand und Inhalt der Dienstleistungen als auch auf deren Art und Beschaffenheit selbst verstanden werden kann, folgt daraus keine schutzbegründende Mehrdeutigkeit der angefochtenen Bezeichnung. Denn die angemeldete Wortfolge vermittelt bei jeder in Betracht kommenden Verständnismöglichkeit einen sachbezogenen Aussageinhalt, was der Bezeichnung aber jegliche Unterscheidungskraft nimmt (vgl. dazu BGH, GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT).

In rechtlicher Hinsicht ist zudem nicht erforderlich, dass der Verkehr die angemeldete Bezeichnung bei allen Bedeutungsmöglichkeiten als sachbezogenen Begriff wahrnimmt. Ein Zeichen ist nämlich bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es auch nur in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH, MarkenR 2003, 450 - DOUBLEMINT; EuGH MarkenR 2004, 111, 115 - BIOMILD/Campina Melkunie). Ebensowenig steht die mit einer verallgemeinernden Aussage wie "Crazy Avantgarde Productions" einhergehende Unbestimmtheit der Angabe wie auch die Unkenntnis der durch den Begriff im Einzelfall repräsentierten tatsächlichen Inhalte einem Verständnis als bloße Sachangabe entgegen. Denn auch zusammenfassende oberbegriffsartige Ausdrücke können einen beschreibenden Charakter in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen haben (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt). Eine begriffliche Unbestimmtheit kann insbesondere erforderlich und gewollt sein, um einen möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften, Vorteile oder Leistungsinhalte zu erfassen, ohne diese im Einzelnen zu benennen.

Aufgrund der vorgenannten Feststellungen bestehen auch erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das angemeldete Zeichen in Bezug auf die hier maßgeblichen beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellt, an der die Mitbewerber ein berechtigtes Freihaltungsbedürfnis haben. Einer abschließenden Entscheidung bedarf es aber im Hinblick darauf, dass das Zeichen bereits keine ursprüngliche Unterscheidungskraft i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufweist, insoweit nicht.

Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.






BPatG:
Beschluss v. 19.04.2007
Az: 25 W (pat) 117/05


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