Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. April 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 10/00

(BPatG: Beschluss v. 05.04.2001, Az.: 25 W (pat) 10/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Juni 1997 und vom 4. Oktober 1999 aufgehoben, soweit der angemeldeten Marke die Eintragung wegen der Widersprüche aus den Marken 2 050 262 und 2 101 049 versagt worden ist.

Die Widersprüche aus den Marken 2 050 262 und 2 101 049 werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Uroprost soll nach einer im Beschwerdeverfahren erfolgten Beschränkung des Warenverzeichnisses noch für

"Verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Sexualhormone und Mittel zur Behandlung des Urogenitalsystems"

in das Markenregister eingetragen werden. Die Bekanntmachung der Anmeldung erfolgte am 13. August 1994.

Widerspruch erhoben haben die Inhaberin (Widersprechende 1) der älteren, am 23. November 1993 für

"Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Spüllösungen"

eingetragenen Marke 2 050 262 Uro-Practund die Inhaberin (Widersprechende 2) der älteren, am 19. August 1996 für

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; Pflaster, Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel"

eingetragenen Marke 2 101 049 Uropret.

Die Anmelderin hat im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 13. April 2000 die Benutzung der Widerspruchsmarke 2 050 262 "Uro-Pract" bestritten. Die Widersprechende 1, der dieser Schriftsatz mit Begleitschreiben vom 27. April 2000 mittels Übergabeeinschreiben übersandt worden ist, hat sich hierzu nicht geäußert.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und der angemeldeten Marke die Eintragung versagt.

Die Erstprüferin hat dazu ausgeführt, daß aufgrund - nach dem damaligen Warenverzeichnis "Arzneimittel" der angemeldeten Marke - möglicher Warenidentität und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen seien, den die angemeldete Marke nicht einhalte. Die sich gegenüberstehenden Wörter stimmten in der klangtragenden Lautfolge "Uroprt" überein. Demgegenüber reichten die Abweichungen in den Endsilben nicht aus, um das Klangbild hinreichend unterscheidbar zu gestalten. Obwohl der gemeinsame Wortanfang "Uro-" verbraucht und kennzeichnungsschwach sei, müsse er bei der Würdigung des Gesamteindrucks mit einbezogen werden, zumal auch die Endungen Übereinstimmungen aufwiesen. Auch im Schriftbild kämen sich die Wörter verwechselbar nahe.

Die Erinnerungsprüferin hat den Erstbeschluß bestätigt. Wegen des beschreibenden Charakters des auf dem pharmazeutischen Gebiet häufigen Wortanfangs "Uro" (griech.: ouron = Harn) würden die weiteren Silben trotz ihrer Stellung am Wortende aufmerksamer betrachtet. Dennoch werde eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Widerspruchsmarke "Uropret" aufgrund der erheblichen schriftbildlichen Annäherung in Normalschrift bejaht. Die Bezeichnungen "Uroprost" und "Uropract" seien ebenfalls verwechselbar ähnlich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, die Beschlüsse der Markenstelle vom 4. Juni 1997 und vom 4. Oktober 1999 aufzuheben, die Verwechslungsgefahr zu verneinen und die Widersprüche aus den Marken 2 050 262 und 2 101 049 zurückzuweisen.

Der Bestandteil "Uro-" werde aufgrund seiner beschreibenden Bedeutung für eine Vielzahl pharmazeutischer Produkte verwendet, insbesondere im Bereich der Urologika. So weise allein die Lauer-Taxe 59 Präparate mit dieser Anfangssilbe auf. "Uro" sei daher "verbraucht" und habe bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit nur eine untergeordnete Bedeutung, weshalb insoweit entscheidend auf die hier unterschiedlichen Endsilben abzustellen sei. Außerdem habe das DPMA nicht berücksichtigt, daß der Verbraucher auf dem Gebiet der Gesundheitspflege mit größerer Aufmerksamkeit agiere und damit auch geringfügige Kennzeichenunterschiede wahrnehme. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung des eingeschränkten Warenverzeichnisses bestehe weder eine klangliche noch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr.

Die Widersprechende 2 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Auch nach der Beschränkung des Warenverzeichnisses sei von möglicher Warenidentität und damit einem einzuhaltenden deutlichen Markenabstand auszugehen, da die Waren der angemeldeten Marke vom Oberbegriff "pharmazeutische Erzeugnisse" der Widerspruchsmarke umfaßt seien. Die Bezeichnungen seien insbesondere im Schriftbild, bei dem Begriffsanklänge nicht zum Tragen kämen, aufgrund der sehr ähnlichen Umrisse sowie gleicher Verteilung von Ober- und Unterlängen verwechselbar. Sie stimmten insgesamt in sechs von sieben bzw acht Buchstaben, zudem in fünf Buchstaben am Wortanfang, überein. Die nur geringfügigen Abweichungen befänden sich zudem am wenig beachteten Wortende. Zwar handele es sich bei "Uro" um einen Gattungsbegriff, jedoch könne dieser bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem schriftbildlichen Gesamteindruck nicht ausgeschlossen werden, zumal es sich um Einwortmarken handele, bei denen die angesprochenen Verkehrskreise keine zergliedernde Betrachtung vornähmen. Verbraucher könnten somit bei der Einnahme und beim Gebrauch der Mittel tatsächlichen Verwechslungen unterliegen, wenn die entsprechend gekennzeichneten Präparate im häuslichen Arzneischrank nebeneinander stehen würden, weshalb auch aus Gründen des Verbraucherschutzes der angemeldeten Marke die Eintragung versagt bleiben müsse.

Die Widersprechende 1 hat sich im Beschwerdeverfahren schriftsätzlich nicht geäußert und hat auch an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist hinsichtlich beider Widerspruchsmarken zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG aus der Marke 2 050 262 Uro-Pract erhobene Widerspruch war gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen. Der Widerspruch kann hier schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Widersprechende nach Erhebung der Nichtbenutzungseinrede im Beschwerdeverfahren eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke im maßgeblichen Benutzungszeitraum nicht glaubhaft gemacht hat und somit auf Seiten der Widerspruchsmarke bei der Entscheidung keine Waren berücksichtigt werden können, § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG.

Da die am 23. November 1993 eingetragene Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt des Bestreitens der Benutzung mit Schriftsatz vom 13. April 2000 länger als fünf Jahre im Markenregister eingetragen war, greift hier die Einrede mangelnder Benutzung nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG ein. Danach hätte die Widersprechende eine ernsthafte Benutzung ihrer Marke für den Zeitraum von fünf Jahren rückgerechnet vom Zeitpunkt der vorliegenden Beschwerdeentscheidung (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 97, 98 "Contura") glaubhaft machen müssen. Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren jedoch weder hierzu noch sonst zur Sache geäußert.

Durch die Übersendung des die Nichtbenutzungseinrede enthaltenden Schriftsatzes der Anmelderin vom 13. April 2000 und die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist das Recht der Widersprechenden auf Gewährung rechtlichen Gehörs ausreichend gewahrt worden, so daß weitergehende gerichtliche Aufklärungshinweise nicht veranlaßt waren (vgl hierzu BPatG MarkenR 2000, 288 "Neuro-Vibolex" mwN).

Nachdem die Beschwerde der Anmelderin bereits im Hinblick auf die durchgreifende Nichtbenutzungseinrede Erfolg hat, kommt es auf die Frage, ob zwischen den Bezeichnungen eine Verwechslungsgefahr besteht, nicht mehr an.

2. Hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 2 101 049 Uropret besteht nach Auffassung des Senats keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, der hier nach §§ 152, 158 Abs 2 Satz 2, 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG Anwendung findet, so daß der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen ist.

Nach der hier maßgeblichen Registerlage können sich die Marken auch auf identischen Waren begegnen, da die nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses der Anmeldung noch beanspruchten Waren "Verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Sexualhormone und Mittel zur Behandlung des Urogenitalsystems" von dem Oberbegriff "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke umfaßt werden. Verwechslungsmindernd wirkt sich dabei die nunmehr im Warenverzeichnis der angemeldeten Marke verankerte Verschreibungspflicht aus. Denn bei rezeptpflichtigen Präparaten ist jedenfalls überwiegend auf die Verwechslungsgefahr in den Fachkreisen von Ärzten und Apothekern abzustellen (vgl hierzu BGH GRUR 1995, 50, 52 "Indorektal/Indohexal"; MarkenR 1999, 154, 156 "Cefallone"; MarkenR 2000, 138, 139 "Ketof/ETOP"; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 219 "Taxanil"), was in gewissem Umfang auch bei nur einseitiger Rezeptpflicht gelten muß (vgl hierzu BGH "Cefallone" und "Ketof/ETOP" jeweils aaO). Wenngleich mündliche Markenbenennungen dadurch nicht ausgeschlossen sind, führt die Rezeptpflicht dazu, daß verminderte Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind, weil Fachleute aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln regelmäßig sehr sorgfältig sind und deshalb Markenverwechslungen weniger unterliegen als Endverbraucher. Auch bei Endverbrauchern ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTA-CHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal; HABM MarkenR 2000, 451, 453 f - R 303/1999-2 "PONALAR/BONOLAT").

Bei seiner Entscheidung geht der Senat trotz des in "Uro-" enthaltenen Sachhinweises auf das Indikationsgebiet "Urologie" von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Denn durch die Verbindung mit dem weiteren Bestandteil "-pret" ist sie als Gesamtwort noch hinreichend phantasievoll gebildet, so daß im Hinblick auf die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse bestehende Übung, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Bestandteile Indikation, Art der Zusammensetzung, Wirkung und dergleichen zumindest für Fachleute eindeutig erkennen lassen, hier jedenfalls keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung anzunehmen ist.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände reichen die Abweichungen der Markenwörter in ihren jeweiligen zweiten Wortbestandteilen aus, um die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, und zwar auch im Bereich möglicher Warenidentität, in jeder Hinsicht noch hinreichend sicher auszuschließen.

In klanglicher Hinsicht stimmen die Marken "Uroprost" und "Uropret" zwar in dem Lautbestand "UroprÑt" sowie in der Silbenzahl und im Sprech- und Betonungsrhythmus wie auch Wortanfang überein. Von Bedeutung ist dabei jedoch zunächst, daß die Übereinstimmung der Marken in dem Bestandteil "Uro-" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei reinen Phantasiebestandteilen der Fall wäre. Diese Silbe ist in zahlreichen Marken der Klasse 5 enthalten und stellt insbesondere für die Arzneimittelbereiche, in denen sich die Kennzeichen auf identischen Erzeugnissen begegnen können, einen verständlichen Indikationshinweis dar, dem infolge seines warenbeschreibenden Charakters für sich genommen im pharmazeutischmedizinischen Bereich nur eine geringe kennzeichnende Bedeutung zukommt. Allein in der Roten Liste 2001 sind 33 verschiedene Kennzeichnungen mit dem Anfangsbestandteil "Uro" aufgeführt. Auch soweit darüber hinaus nicht alle "Uro"-Marken tatsächlich benutzt werden, kann die große Anzahl von eingetragenen Drittmarken schon für sich genommen nicht gänzlich unbeachtet bleiben (vgl dazu BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE "Vitapur"; MarkenR 1999, 57 "Lions"). Bei dieser Sachlage und kennzeichnungsschwachen Anfangsbestandteilen achten die angesprochenen Verkehrskreise mehr auf die weiteren Markenbestandteile achten, so daß die dort vorhandenen Unterschiede stärker in den Vordergrund treten. Dies ist auch vorliegend der Fall. Die Bezeichnungen unterscheiden sich in den "-prost" bzw "-pret" hinsichtlich der markanten Verschiedenheit des dunklen Vokals ("o") gegenüber dem hellen Vokal ("e") sowie durch den nur in der angemeldeten Marke enthaltenen auffälligen "s"-Laut. Diese Unterschiede treten hier noch deshalb besonders hervor, weil beide Wörter auf ihren Endbestandteilen betonten werden, wodurch sie sich auch im maßgeblichen Gesamteindruck und unter angemessener Berücksichtigung des gemeinsamen kennzeichnungsschwachen Bestandteils "Uro-" (vgl BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont; BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH) noch ausreichend deutlich voneinander abheben. Dabei kommt auch der Stellung des übereinstimmenden Lautbestands "Uro-" am Wortanfang für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hier ausnahmsweise keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn die Regel, daß Wortanfänge im allgemeinen stärker als die übrigen Markenteile beachtet werden, gilt nicht uneingeschränkt, insbesondere, wenn die Endungen - wie hier - auffällig verschieden und einprägsam gebildet sind und zudem - wie in der vorliegenden Widerspruchsmarke - betont gesprochen werden (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 97 mwN).

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, daß im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr insbesondere auf die unterscheidenden und dominierenden Elemente der Zeichen abzustellen ist (EuGH GRUR 1998, 387, 390 Tz 23 "Sabel/Puma"; GRUR Int 1999, 734 "Lloyd/Loint's; GRUR 1999, 587 "Cefallone"; GRUR 1999, 735 "MONOFLAM/POLYFLAM"). Jedenfalls führt ein rein zahlenmäßiges Übergewicht von übereinstimmenden Buchstaben nicht zwangsläufig dazu, daß die Verwechslungsgefahr stets oder auch nur häufig bejaht werden muß. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit als einem der wesentlichen Elemente für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist vielmehr der Gesamteindruck der Kollisionsmarken das maßgebliche Kriterium (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 80). Dieser Gesamteindruck kann - wie hier - zumal unter Berücksichtigung einer aus Rechtsgründen gebotenen geringeren Gewichtung von Markenbestandteilen durch wenige markante Abweichungen bereits ausreichend verschieden ausfallen.

In beachtlichem Umfang trägt schließlich auch der für Fachleute, aber auch für beachtliche Teile der allgemeinen Verkehrskreise verständliche Sinnanklang in dem Bestandteil "prost" der angemeldeten Marke als Hinweis auf das auch nach dem Warenverzeichnis nahegelegte Indikationsgebiet der Prostataerkrankungen zur Unterscheidbarkeit der Marken bei (vgl auch BGH MarkenR 2000, 130, 132 - comtes/ComTel; GRUR 1992, 130, 132 - Bally/Ball).

Im schriftbildlichen Vergleich, der aufgrund der Rezeptpflicht auf seiten der angemeldeten Marke mehr im Vordergrund steht, ist ein Auseinanderhalten der Marken unter den genannten Umständen in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der figürlichen Abweichung zwischen den Buchstaben der Endbestandteile "-pret" ("PRET") und "-prost" (-PROST") sowie der etwas verschiedenen Wortlänge auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Übereinstimmungen ebenfalls noch gewährleistet. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort. Zudem wirkt sich die aufgrund der Verschreibungspflicht auf Seiten der angemeldeten Marke verstärkte Einschaltung des Fachverkehrs auch im Rahmen der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr deutlich verwechslungsmindernd aus, da die berufliche Praxis, die Fachkenntnisse und die Vertrautheit im Umgang mit Arzneimittelmarken auch die Erfassung schriftlicher Abweichungen sowie etwaiger Sinngehalte der Bezeichnungen wesentlich erleichtert und die Unterscheidungsfähigkeit fördert.

Soweit die Widersprechende geltend macht, der angemeldeten Marke müsse aus Gründen des Verbraucherschutzes die Eintragung versagt werden, weil es zu Verwechslungen der entsprechend gekennzeichneten Arzneimittel beim Gebrauch bzw der Einnahme durch Endverbraucher kommen könne, ist dieser den Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit betreffende Vortrag im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren nicht zu berücksichtigen (vgl BPatGE 38, 83 "FOSTRAN/ZO-FRAN", BPatGE 39, 52 "EUKRATON/Craton"). Sinn und Zweck dieses Verfahrens ist der Schutz der Markeninhaber vor unzulässigen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit geschäftlichen Vorgängen beim Vertrieb und Erwerb der Waren durch Endverbraucher. Dies wird besonders deutlich, wenn die Auswirkungen des Warenabstandes nach anerkannten und nun auch in § 9 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 MarkenG zum Ausdruck kommenden markenrechtlichen Grundsätzen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr betrachtet werden. So ist die markenrechtliche Verwechslungsgefahr dann am größten, wenn die Waren identisch sind, wenn also im Arzneimittelbereich die Produkte bei gleicher Indikation und mit gleichem Wirkstoff zum Einsatz kommen. Verwechslungen solcher Waren sind unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit irrelevant, da gerade in diesen Fällen kaum eine Gefahr für die Gesundheit der Patienten besteht. Umgekehrt wirkt sich ein deutlicher Abstand insbesondere bezüglich Indikation und Wirkstoff nach ständiger Rechtsprechung verwechslungsmindernd aus, obwohl gerade dann tatsächliche Verwechslungsfälle zB bei kontraindizierten Arzneimitteln für die Patienten besonders gefährlich sein können. Es ist danach entgegen der Ansicht der Widersprechenden für die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr kein zusätzliches Kriterium, ob Endverbraucher bei unterstellter irrtümlicher Einnahme eines anderen als des eigentlich gewollten Arzneimittels einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind.

3. Nach alledem waren die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, soweit der angemeldeten Marke die Eintragung wegen der Widersprüche aus den Marken 2 050 262 und 2 101 049 versagt worden ist, aufzuheben und die Widersprüche aus diesen Marken zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 05.04.2001
Az: 25 W (pat) 10/00


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