Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 17. Juni 2003
Aktenzeichen: 4 U 46/03

(OLG Hamm: Urteil v. 17.06.2003, Az.: 4 U 46/03)

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 30. Oktober 2002 verkün-dete Urteil der III. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund ab-geändert: Die Beschlußverfügung vom 17.09.2002 wird aufgehoben und der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung der Antragsgegnerin ist begründet.

Das Landgericht hat ihr zu Unrecht im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, zu Wettbewerbszwecken im geschäftlichen Verkehr in Werbeankündigungen oder sonstigen öffentlichen Mitteilungen zu werben mit der Aussage:

"Würfel um Deinen Rabatt"

und/oder gemäß dieser Werbeankündigung gegenüber Endverbrauchern, die in Ladengeschäften der Antragsgegnerin mit Spielwürfeln eine bestimmte Anzahl von Punkten erwürfelt haben, einen Preisnachlaß für Warenartikel gegenüber dem ausgezeichneten Kaufpreis in Höhe der den erspielten Spielpunkten entsprechenden Prozentpunkten zu gewähren.

Die Antragsgegnerin verstößt mit der Werbeaussage "Würfel um Deinen Rabatt" und der Durchführung der so beworbenen Veranstaltung nicht gegen § 1 UWG.

Zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltete Gewinnspiele sind unter dem Blickpunkt des § 1 UWG im allgemeinen zulässig, so daß auch die Werbung mit einem Gewinnspiel grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BGH GRUR 2000, 820 ff, 821 - Space Fidelity Peep-Show). Wettbewerbswidrig ist die Werbung erst dann, wenn der Einsatz aleatorischer Reize dazu führt, die freie Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise so nachhaltig zu beeinflussen, daß ein Kaufentschluß nicht mehr von sachlichen Gesichtspunkten, sondern maßgeblich durch das Streben nach der in Aussicht gestellten Gewinnchance bestimmt wird (vergleiche BGH, WRP 2003, 742, 743 - Umgekehrte Versteigerung II - S. 6). Ein solcher Anreiz geht von der beanstandeten Werbung der Antragsgegnerin nicht aus. Der situationsadäquate durchschnittlich aufmerksame, informierte und verständige Verbraucher läßt sich durch die Chance, im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Kleidungsstücks einen Rabatt von maximal 12 % erzielen zu können, nicht davon abhalten, die Preiswürdigkeit des Angebots der Antragsgegnerin zu prüfen. Weder die Möglichkeit, überhaupt an dem Würfelspiel teilnehmen zu können, noch ein möglicherweise zu erzielender Rabatt von höchstens 12 % sind geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise dazu zu verleiten, ohne sachliche Notwendigkeit und Prüfung der Attraktivität des Angebots insgesamt ein Kleidungsstück bei der Antragsgegnerin zu erwerben. Ein Rabatt von 12 % ist im Hinblick auf die Preisgestaltung im Einzelhandel mit Oberbekleidung auch außerhalb von Schlußverkäufen nicht (mehr) derart hoch, daß er eine besondere Anlockwirkung ausüben würde.

Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit dem Warenabsatz verkoppelt wird. Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt nicht allein der Umstand der Kopplung zu einem Verstoß gegen § 1 UWG, sondern die Kopplung ist nur dann sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG, wenn durch sie die angesprochenen Verkehrskreise dazu verleitet werden können, ihre wirtschaftlichen Entschließungen nicht im Hinblick auf die Eigenschaften und Preise der Waren, sondern im Hinblick auf sachfremde Motive zu treffen (vgl. BGH GRUR 1989, 434 ff, 436 - Gewinnspiel).

Hier gilt gleichfalls, daß die angesprochenen Kunden nicht ein Kleidungsstück ohne Rücksicht auf dessen Qualität und Preis allein deshalb erwerben, um die Möglichkeit zu erhalten, um einen Rabatt von bis zu 12 % zu würfeln.

Ein Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines unlauteren psychischen Kaufzwangs scheidet ebenfalls aus. Der Kunde betritt das Geschäftslokal der Antragsgegnerin nicht, um an einem kostenlosen Gewinnspiel teilzunehmen, so daß er sich deshalb veranlaßt sehen könnte, anstandshalber eine Kleinigkeit zu kaufen. Er betritt das Geschäftslokal, um ein Kleidungsstück zu kaufen, dessen Preis er um einen Rabatt zwischen 2 % und 12 % reduzieren kann.

Schließlich veranstaltet die Antragsgegnerin mit dem Würfeln um den Rabatt auch nicht ein unerlaubtes Glücksspiel im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt keine Wettbewerbswidrigkeit nach § 1 UWG vorliegt.

Zwar handelt es sich beim Würfeln um ein Spiel, bei dem die Entscheidung über Gewinn und Verlust nicht wesentlich von den Fähigkeiten und Kenntnissen und vom Grad der Aufmerksamkeit der Spieler bestimmt wird, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall, so daß insoweit die Voraussetzungen für die Annahme eines Gewinnspiels erfüllt sind (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Heine, StGB, 26. Auflage, § 284 StGB Rdnr. 5, 7). Wesentlich für ein Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB ist aber ferner unter anderem, daß der Spieler durch seinen Einsatz, der ihm die Teilnahme an dem Glücksspiel und damit die Teilhabe an einer Gewinnchance gestattet, ein Vermögensopfer erbringt (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Heine, a.a.O., Rdnr. 6). Das ist vorliegend nicht der Fall, da der Kunde kein Vermögensopfer erbringt, sondern ein Kleidungsstück gegen Zahlung des Kaufpreises erwibt.

Soweit der Antragsteller meint, die Werbung der Antragsgegnerin verstoße gegen § 1 UWG, da diese entsprechend ihrem Vorbringen erster Instanz bei einem niedrigen erwürfelten Rabatt auf Nachfrage dem Kunden einen höheren Rabatt eingeräumt habe, vermag er damit nicht durchzudringen. Nach ihrem unwidersprochenen Vorbringen hat die Antragsgegnerin diesen Vortrag nicht aufrechterhalten, sondern in dem Termin vor dem Landgericht klargestellt, es habe sich bei dem Vorbringen um einen Übertragungsfehler gehandelt. Da kein gerichtliches Geständnis vorgelegen hat, ist eine Korrektur des Vorbringens noch möglich gewesen (§§ 288 ff ZPO). Diese Klarstellung bedurfte nach § 160 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch nicht der Protokollierung. Im übrigen enthalten weder der Tatbestand noch die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils einen Hinweis auf einen derartigen Irreführungstatbestand, den der Antragsteller hätte darlegen und glaubhaft machen müssen. Er entspricht auch nicht dem Streitgegenstand, wie schon das angestrebte Verbot der Werbung und das Durchführungsverbot zeigen. Diese haben keinen Irreführungstatbestand zum Gegenstand.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






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Urteil v. 17.06.2003
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