Bundesgerichtshof:
Urteil vom 21. Juli 2005
Aktenzeichen: I ZR 94/02

(BGH: Urteil v. 21.07.2005, Az.: I ZR 94/02)

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. März 2002 wird insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen den Unterlassungsausspruch gemäß Ziffer 3 der landgerichtlichen Verurteilung in der Fassung durch das Berufungsurteil richtet.

Im übrigen wird das Verfahren ausgesetzt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte vertreibt verschiedene als Arzneimittel registrierte Ginseng-Präparate.

Neben zwei weiteren Werbemaßnahmen - insoweit ist eine Vorlage gemäß Art. 234 EG an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung erfolgt (BGH, Beschl. v. 21.7.2005 - I ZR 94/02) - warb die Beklagte auf ihrer Internet-Homepage mit folgender Aussage:

"Die Chinesen glauben, daß Panax Ginseng C.A. Meyer Krebs bekämpfen kann, den Alterungsprozeß verlangsamt, vor Herzinfarkt und vielen Zivilisationskrankheiten schützt, die Verdauung und den Stoffwechsel stärkt, den Blutdruck reguliert und vieles mehr".

Der klagende Wettbewerbsverein hat die Werbung wegen Verstoßes gegen Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes beanstandet und Unterlassung beantragt. Die Äußerung enthalte die unzulässige Werbung mit den Anwendungsgebieten Krebs und Herzinfarkt.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, die beanstandete Äußerung enthalte lediglich eine allgemeine Aussage zum (Aber-) Glauben der Chinesen sowie zur Geschichte und Tradition von Ginseng. In der Werbung werde nicht der Eindruck vermittelt, Ginseng könne tatsächlich vor Krebs oder Herzinfarkt schützen.

Das Landgericht hat dem Unterlassungsbegehren stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen (OLG Frankfurt am Main GRUR Int. 2002, 931 = WRP 2002, 730). Entsprechend dem in der Berufungsinstanz neu formulierten Klageantrag hat es der Beklagten verboten, im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für Ginseng-Präparate:

1) ...

2) ...

3) mit den Anwendungsgebieten und/oder Angaben "Krebs" und/ oder "Herzinfarkt" in der Form zu werben, daß es heißt "Die Chinesen glauben, daß Panax Ginseng C.A. Meyer Krebs bekämpfen kann, den Alterungsprozeß verlangsamt, vor Herzinfarkt und vielen Zivilisationskrankheiten schützt".

Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch hinsichtlich der auf der Internet-Homepage der Beklagten enthaltenen Werbeaussage gemäß §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG (a.F.) i.V. mit § 12 Abs. 1 HWG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

Die von der Beklagten zur Werbung außerhalb der Fachkreise für ihre Ginseng-Präparate verwendete Aussage "Die Chinesen glauben, daß Panax Ginseng C.A. Meyer Krebs bekämpfen kann, den Alterungsprozeß verlangsamt, vor Herzinfarkt und vielen Zivilisationskrankheiten schützt" verstoße gegen § 12 Abs. 1 HWG, da sie sich auf die Verhütung und Linderung von in der Anlage zu § 12 HWG aufgeführten Krankheiten beziehe, nämlich auf das unter A Nr. 2 der Anlage fallende Krankheitsbild "Krebs" und das unter A Nr. 5c der Anlage fallende Krankheitsbild "Herzinfarkt". Die in der Aussage vorgenommene Einschränkung, daß (lediglich) die Chinesen an die beschriebene Wirkung glaubten, rechtfertige keine andere Beurteilung.

Der Inhalt der Richtlinie 92/28/EWG (a.F.) des Rates über die Werbung für Humanarzneimittel vom 31. März 1992 stehe der Untersagung der beanstandeten Werbeaussage nicht entgegen. Die Richtlinie lege lediglich einen Mindeststandard für das Verbot bestimmter Formen der Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel fest, durch den die Bundesrepublik Deutschland nicht gehindert sei, im Heilmittelwerbegesetz bereits normierte, weitergehende Werbebeschränkungen beizubehalten.

II. Die gegen den Unterlassungsausspruch gemäß Ziffer 3 des Tenors der landgerichtlichen Verurteilung in der Fassung durch das Berufungsurteil gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Die Beklagte verstößt mit der von dem Kläger beanstandeten Werbeaussage "Die Chinesen glauben, daß Panax Ginseng C.A. Meyer Krebs bekämpfen kann, den Alterungsprozeß verlangsamt, vor Herzinfarkt und vielen Zivilisationskrankheiten schützt" gegen § 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F. i.V. mit § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG. Auf die im Vorlagebeschluß des Senats vom selben Tag dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegte Frage, ob und inwieweit der Richtlinie 92/28/EWG vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel eine abschließende Regelung der Werbung für Arzneimittel zu entnehmen sei, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Richtlinie nimmt irreführende Angaben über die Wirkung eines Arzneimittels nicht vom Werbeverbot aus.

a) Der Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG ist von dem der Klage zugrundeliegenden Streitgegenstand umfaßt.

Bei einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage bestimmt sich der Streitgegenstand nach dem Antrag und dem dazu vorgetragenen Lebenssachverhalt. Bei einer auf eine Irreführung gestützten Klage setzt sich der maßgebliche Lebenssachverhalt - ungeachtet der rechtlichen Würdigung, die dem Gericht obliegt - aus der beanstandeten Werbemaßnahme und der - nach der Behauptung des Klägers - dadurch erzeugten Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise zusammen (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.2000 - I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 = WRP 2001, 28 - dentalästhetika; Urt. v. 15.5.2003 - I ZR 217/00, GRUR 2003, 798, 800 = WRP 2003, 1107 - Sanfte Schönheitschirurgie, m.w.N.).

Der hier in Rede stehende Unterlassungsantrag und der von dem Kläger geschilderte Lebenssachverhalt umfassen nicht nur einen Verstoß gegen den von dem Kläger benannten § 12 Abs. 1 HWG, sondern auch einen Verstoß gegen § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG. Der Kläger hat die Werbung der Beklagten wegen der Angabe der Anwendungsgebiete "Krebs" und "Herzinfarkt" angegriffen und seinen Antrag auf die konkrete Verletzungsform beschränkt. Er hat dargelegt, daß der Durchschnittsverbraucher der Werbung die Aussage entnehme, Panax Ginseng habe eine therapeutische Wirksamkeit bei Krebs und Herzinfarkt und daß dieser Eindruck unzutreffend sei, weil die Anwendungsgebiete diejenigen eines Tonikums zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeits- und Schwächegefühl, nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie in der Rekonvaleszenz seien. Damit hat der Kläger auch die Irreführung zum Gegenstand seiner Klage gemacht. Da die rechtliche Würdigung des von dem Kläger vorgetragenen Sachverhalts allein dem Gericht obliegt und der Kläger die maßgeblichen Normen nicht benennen muß, ist es ohne Bedeutung, daß der Kläger § 3 HWG nicht ausdrücklich als verletzte Norm angeführt hat.

b) Gemäß § 3 Satz 1 HWG ist eine irreführende Werbung für Arzneimittel verboten. Eine Irreführung liegt nach § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG insbesondere vor, wenn Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. So liegt der Fall hier.

Der informierte und aufmerksame Durchschnittsverbraucher entnimmt der beanstandeten Werbeaussage, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, eine Angabe über die (therapeutische) Wirksamkeit von Panax Ginseng. Dabei hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die Wirkung auf die Linderung von Krebs und die Verhütung von Herzinfarkten (Anlage zu § 12 HWG lit. A Nr. 2, 5c) bezogen. Gleiches gilt aber auch im Rahmen von § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG. Der beanstandeten Werbung entnimmt der durchschnittlich informierte und aufmerksame Verbraucher die Aussage, der Glaube der Chinesen habe seine Berechtigung, das beworbene Arzneimittel entfalte die wiedergegebenen Wirksamkeiten. Das von der Beklagten im Rechtsstreit vorgetragene Verständnis, die Werbung weise lediglich auf den unberechtigten (Aber-)Glauben eines fremden Volkes über die Wirkung des Präparats hin, liegt dem verständigen Verbraucher fern.

Durch die Angaben "Krebs bekämpfen" und "vor Herzinfarkt ... schützen" wird der Eindruck erweckt, das beworbene Präparat sei zur Heilung, jedenfalls aber zur Linderung von Krebs und zur Verhütung von Herzinfarkten geeignet. Dieser Eindruck wird noch durch den Umstand verstärkt, daß es sich bei dem beworbenen Präparat um ein zugelassenes Arzneimittel handelt, also um ein Mittel mit nachweisbaren Wirkungen auf den menschlichen Körper.

Dieser durch die Werbung erweckte Eindruck über die Wirksamkeit von Panax Ginseng ist unzutreffend. Die Beklagte ist dem Vortrag des Klägers nicht entgegengetreten, die Anwendungsgebiete des beworbenen Ginseng-Präparats seien lediglich diejenigen eines Tonikums zur Stärkung und Kräftigung bei Müdigkeits- und Schwächegefühl, nachlassender Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie in der Rekonvaleszenz. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, daß eine wissenschaftlich nachweisbare Wirkung des beworbenen Präparats bei den Krankheiten Krebs und Herzinfarkt bestehe. Sie bezeichnet ihre Werbeaussage vielmehr selbst lediglich als die Wiedergabe eines chinesischen (Aber-)Glaubens.

2. Ein Verstoß gegen die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, ist grundsätzlich geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (§ 3 UWG).

III. Danach war die Revision der Beklagten zurückzuweisen, soweit sie sich gegen den Unterlassungsausspruch Ziffer 3 im landgerichtlichen Urteil in der Fassung durch das Berufungsurteil richtet. Eine Entscheidung über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der weiteren mit der Klage angegriffenen Werbemaßnahmen der Beklagten kann noch nicht ergehen, da insoweit zunächst eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Frage der Richtlinienkonformität von § 11 Abs. 1 HWG einzuholen ist.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Ullmann Bornkamm Pokrant Büscher Bergmann






BGH:
Urteil v. 21.07.2005
Az: I ZR 94/02


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