Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 15. Mai 2006
Aktenzeichen: AnwZ(B) 43/05

(BGH: Beschluss v. 15.05.2006, Az.: AnwZ(B) 43/05)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller ist seit 1998 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Landgericht B. zugelassen.

Seit dem 1. August 2002 war er als juristischer Referent für die Evangelische Kirche in B. , der Rechtsvorgängerin der heutigen Evangelischen Kirche B. O. ( ), tätig, und zwar zunächst im Angestelltenverhältnis und später als Konsistorialrat z.A. im Kirchenbeamtenverhältnis auf Probe. Mit Bescheid vom 27. März 2003 gestattete ihm die Antragsgegnerin gemäß § 47 Abs. 1 BRAO, den Beruf als Rechtsanwalt weiter auszuüben. Sie wies jedoch darauf hin, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft im Falle einer Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit widerrufen werden müsse. Mit Wirkung vom 1. Februar 2004 wurde der Antragsteller unter Berufung in das Kirchenbeamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Konsistorialrat ernannt. Mit Verfügung vom 12. Mai 2004 hat die Antragsgegnerin daraufhin die Zulassung des Antragstellers nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO widerrufen. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der zwischenzeitlich das Amt eines Oberkonsistorialrats bei der Evangelischen Kirche B. O. bekleidet.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO) hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend die Voraussetzungen des Widerrufsgrundes nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO bejaht.

a) Nach dieser Vorschrift ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft unter anderem zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt zum Beamten auf Lebenszeit ernannt wird. Diese Regelung hat ihren Grund in der Unvereinbarkeit der beamtenrechtlichen Stellung mit der Stellung des Rechtsanwalts. Denn das Berufsbild des Rechtsanwalts ist durch äußere und innere Unabhängigkeit geprägt. Demgegenüber steht der Beamte in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, das ihm besondere Pflichten auferlegt und ihn bei der Übernahme und dem Umfang anderer Tätigkeiten grundsätzlich von Genehmigungen seines Dienstherrn abhängig macht. Dieser Inhalt des Beamtenverhältnisses steht nicht im Einklang mit der Stellung des Rechtsanwalts. Das hat der Senat wiederholt und in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 1984 - AnwZ(B) 3/84 = NJW 1984, 2877 [Universitätsprofessor]; vom 26. Januar 1998 - AnwZ(B) 62/97 = BRAK-Mitt. 1998, 155 [wiss. Assistent an einer Hochschule]; vom 18. Oktober 1999 - AnwZ(B) 99/98 = BRAK-Mitt. 2000, 44, 45; vom 18. Juni 2001 - AnwZ(B) 10/00 = BGHR BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 5 Beamter 1; vom 22. April 2002 - AnwZ(B) 31/01; vom 29. September 2003 - AnwZ(B) 71/02 [jeweils Professoren an einer Fachhochschule] und vom 19. Juni 2000 - AnwZ(B) 58/99 - BRAK-Mitt. 2000, 255, 256 [beurlaubter Professor an einer Fachhochschule]).

b) Die Stellung des Antragstellers als Beamter auf Lebenszeit im Kirchendienst rechtfertigt keine andere Beurteilung.

aa) Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO gibt - ebenso wie der der Parallelvorschrift in § 7 Nr. 10 BRAO - keinen Anhalt dafür, dass von dieser Regelung nur Beamte im staatlichen Dienst erfasst werden. Auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungen lässt sich derartiges nicht herleiten. Dem Gesetzgeber war sowohl bei den Beratungen der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959 wie auch bei der späteren Änderung des § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 13. Dezember 1989 (BGBl. I 2135) die Existenz eines kirchlichen Berufsbeamtentums bekannt. Er hat in Kenntnis hiervon in § 7 Nr. 10 und § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO - ohne weitere Differenzierung - an die Rechtsstellung als "Beamter" angeknüpft und damit aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit eine generalisierende und formalisierende Regelung getroffen, die eine einfache Handhabung gewährleisten soll (st.Rspr.; vgl nur Senat, BRAK-Mitt. 1998, 42 und 155). Darauf, ob und in welchem Umfang der Beamte im Einzelnen hoheitlich tätig wird, kommt es daher grundsätzlich nicht an. Ohne entscheidende Bedeutung ist auch, ob bei ihm "der Eindruck einer zu großen Staatsnähe" entstehen oder dies aber aufgrund seiner Tätigkeit eher ausgeschlossen werden kann (a.A. Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl. § 7 Rdnr. 162, der wegen der Trennung von Kirche und Staat Kirchenbeamte generell aus dem Regelungsbereich des § 7 Nr. 10 BRAO herausnehmen will). Der Senat hat daher bereits entschieden, dass die Tätigkeit als Justitiar im Dienst der katholischen Kirche - bischöfliches Offizialat im Bistum M. - als "öffentlicher Dienst" im Sinne des § 47 BRAO zu qualifizieren ist und in diesem Zusammenhang im Einzelnen dargelegt, dass die eigenständige Stellung der korporierten Religionsgemeinschaften dem nicht entgegensteht (vgl. BGHZ 66, 283, 284/285). Er hat auch in einer früheren Entscheidung schon zu erkennen gegeben, dass er einen Kirchenoberrechtsrat als Beamten im Sinne des § 7 Nr. 10 BRAO ansehen würde (Beschluss vom 10. Juli 1972 - AnwZ(B) 1/72 = EGE XII 34). An dieser Auffassung hält er fest.

bb) Eine an Sinn und Zweck des Widerrufsgrundes in § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO orientierte Auslegung (vgl. BGHZ 60, 152, 153 ff.) führt hier - entgegen dem Beschwerdevorbringen - zu keinem anderen Ergebnis. Der Antragsteller ist als Lebenszeitbeamter in der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche B. O. ( ), einer Mitgliedskirche der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK), tätig. Er steht nach § 3 Abs. 1 des Kirchengesetzes über die Rechtsverhältnisse der Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamten in der Evangelischen Kirche der Union vom 6. Juni 1998 (im Folgenden: KBG-UEK) "in einem kirchengesetzlich geregelten öffentlichen Dienst- und Treueverhältnis" (ebenso: § 1 Abs. 2 des Kirchengesetzes über die Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamten in der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 10. November 2005 [KBG-EKD]). Seine Rechtsstellung entspricht in wesentlichen Bereichen weitgehend der eines Beamten im staatlichen Dienst (vgl. nur: Dienstaufsicht, § 12 KBG-UEK, § 4 KBG-EKD: Gehorsamspflicht, § 19 KBG-UEK, § 20 KBG-EKD; Versetzung und Abordnung, §§ 50, 51 KBG-UEK, §§ 56, 58 KBG-EKD). Er unterliegt der kirchlichen Disziplinargewalt (vgl. Disziplinargesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 9. November 1995). Zur Übernahme einer Nebentätigkeit bedarf er der vorherigen Zustimmung (§ 25 KBG-UEK), bzw. der Einwilligung (§§ 43, 46 KBG-EKD) des Dienstvorgesetzten; diese kann bedingt, befristet oder mit Auflagen versehen und jederzeit widerrufen werden, wenn die Ausübung der Nebentätigkeit mit der gewissenhaften Erfüllung der Dienstpflichten nicht vereinbar ist oder dem kirchlichen Interesse widerspricht. Er unterliegt daher in den hier relevanten Kernbereichen im Wesentlichen den gleichen Bindungen und Verpflichtungen wie ein Beamter im staatlichen Dienst. Insbesondere könnte danach der Antragsteller die Anwaltstätigkeit nur als genehmigungspflichtige Nebenbeschäftigung ausüben. Eine solche Art der Ausübung des anwaltlichen Berufes wäre jedoch mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts nicht vereinbar (so ausdrücklich die amtliche Begründung zum Gesetzesentwurf zu § 7 Nr.10 BRAO a.F. [§ 19 Nr.10 Entwurf] in BT-Drucks. III /120 S. 58).

c) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bestehen gegen die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO, auch soweit sie Beamte im Kirchendienst erfasst, keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 14. September 1984 - 1 BvR 1155/84, JZ 1984, 1043). Denn an die Voraussetzungen für den Zugang zu einem Zweitberuf und für den Verbleib in ihm sind nicht die gleichen hohen Anforderungen wie für einen Erstberuf zu stellen. Das hat der Senat in ständiger Rechtsprechung - sowohl für die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO als auch für § 7 Nr. 11 BRAO a.F.; § 7 Nr. 10 BRAO n.F. - wiederholt ausgesprochen (vgl. nur Beschluss vom 18. Juni 2001 - AnwZ(B) 10/00 aaO m.w.N.). Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass zu einer anderen Burteilung.

Da der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, erübrigt sich eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten.

Deppert Otten Ernemann Frellesen Hauger Kappelhoff Martini Vorinstanz:

AGH Berlin, Entscheidung vom 24.02.2005 - I AGH 15/04 -






BGH:
Beschluss v. 15.05.2006
Az: AnwZ(B) 43/05


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